„Weltkirche werden“ heißt nicht, dass alle Welt wie Europa bzw. Kirche nach europäischen Maßstäben weltweit aufgebaut wird. Dies ist in den vergangenen Jahrhunderten geschehen und daher gab es eben keine lateinamerikanische oder afrikanische Kirche, sondern überall nur die immer gleichen Kopien einer europäischen, römischen Kirche, die letztlich eine weiße Kirche war, weil sie im Gefolge der Eroberung daherkam. Eine weltweite Kirche, die eine Alternative zur herrschenden Globalisierung werden will, muss dagegen von den Rändern her entstehen, aber nicht in ähnlich ausschließender Weise wie dies umgekehrt bisher vom Zentrum her geschah.

Die Kirche von Cajamarca und ihre Beziehungen zur Weltkirche. Eine lokale Kirche
in der globalen Gemeinde Jesu Christi - das Volk Gottes gemeinsam auf dem Weg.


Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen über diese Beziehungen wurden bereits im Sammelband „Die globale Verantwortung“ veröffentlicht. Diese Untersuchungen sind in dieser Form einzigartig. Sie gehen im Unterschied zur Studie von Nuscheler/Gabriel u.a., die ein möglichst breites Spektrum erfasst, eher in die Tiefe und untersucht die Beziehungen von lokalen Teilkirchen in allen ihren Dimensionen; es wird möglichst tief gebohrt und entsprechend kommt im Unterschied zu anderen Untersuchungen viel mehr ans Tageslicht, positiv wie negativ. Vor allem spielt bei den bisherigen Untersuchungen die ekklesiologische Bedeutung der Partnergruppen als konstitutives Element für Kirche und Theologie kaum eine Rolle (1).

Alle genannten Untersuchungen kommen aber zu einem gemeinsames Ergebnis, das von Franz Weber so zusammengefasst wird: „Die Tatsache, dass Solidaritätsgruppen gar nicht so selten ‚nur am Rande’ von Pfarrgemeinden geduldet werden und mit ihren entwicklungspolitischen und weltkirchlichen Projekten und Anliegen in Liturgie und Gemeindeleben viel zu wenig zur Sprache kommen, müsste mit Diözesanleitungen und den Hauptamtlichen in der Seelsorge ernsthaft hinterfragt werden“ (2).

Diese Arbeit geht noch einen Schritt weiter. Sie stellt die These auf, dass ohne eine Umkehr der reichen Kirchen und das Suchen nach einem gemeinsamen Weg mit den „Indios dieser Welt“, katholische Kirche nicht möglich ist.

a) Erste Anfänge der Beziehung zu Deutschland - Anfangsschwierigkeiten


Der erste Kontakt mit Europa fand bereits 1532 statt. Darüber ist bereits viel gesagt worden. Dieser Hintergrund darf aber nicht außer Acht gelassen werden. Danach wurde die Kirche von Cajamarca wie alle Diözesen in Lateinamerika nach europäischen Vorgaben geleitet. Bis zur Amtszeit von Bischof Dammert sind weder auf der Ebene der Diözese noch einzelner Pfarreien Kontakte nach Deutschland bekannt. Es waren bis 1962 keine deutsche Priester in Cajamarca tätig und auch sonst keine nichtspanische Missionare (Priester). Die Vorfahren von Bischof Dammert stammen väterlicherseits aus Deutschland. Seine deutsche Herkunft spielte aber keine Rolle bei der ersten Kontaktaufnahme mit Deutschland. Diese Kontakte ergaben sich eher zufällig über zwei seiner Priester: Alois Eichenlaub (Diözese Speyer) und Pedro Bartolini. Alois Eichenlaub kam 1962 als Fidei-Donum-Priester nach Cajamarca. Eigentlich war er für die Diözese Abancay vorgesehen, er stand schon vor der Ausreise nach Peru in Kontakt mit dem damaligen Bischof von Abancay, Alcides Mendoza.

Auf der ersten Konzilsperiode 1962 war Mendoza mit 34 Jahren der jüngste Bischof der Weltkirche. Der junge Bischof sprach auf seinen wiederholten Besuchen in Deutschland von der Notwendigkeit von Reformen in der Kirche. Er schilderte die pastorale Situation in seiner Diözese, den Mangel an Priestern und die damit verbundene mangelnde pastorale Betreuung der Menschen. Mit dem jüngsten Bischof der Weltkirche wollte Misereor ab 1961 ein Pilotprojekt starten, das als Vorbild für ganz Peru gedacht war. Man glaubte in Bischof Mendoza den geeigneten Bischof dafür gefunden zu haben, jung und dynamisch, voller neuer Ideen und offen für die Anliegen des beginnenden Konzils. Die Diözese Speyer wollte das Patronat über die Diözese Abancay übernehmen, weil in Abancay bereits Ordensschwestern aus Speyer (St. Ursula) waren. Bischof Mendoza versprach sich sehr viel von dem Patronat. Bereits im März 1961 begann ein intensiver Briefkontakt zwischen Bischof Mendoza und Alois Eichenlaub.

Erst einmal in Abancay, verschafft sich Alois Eichenlaub rasch ein Bild über die soziale und pastorale Lage, die er in dieser Härte nicht erwartet hatte. Bischof Mendoza hatte nie darüber geschrieben. Im ersten Bericht, gleichzeitig der erste Rundbrief nach Deutschland, dem noch viele weitere folgen und aus denen später die „Informationen aus Cajamarca“ hervorgehen sollten, schreibt er am 7. 9. 1962 aus Abancay: „In der ganzen Diözese gibt es nur 19 Priester, davon 12 Amerikaner aus Boston; 29 Pfarreien sind ohne Priester und sind zum Missionsgebiet erklärt, d.h. sie werden einmal im Jahr, mehrere Gebiete nur alle fünf Jahre, von irgendeinem Pfarrer besucht. Nahezu das gesamte Land gehört Großgrundbesitzern, die Durchschnittsgröße der Hazienden liegt bei 5.000 ha, die ‚Quetschua - Indianer‘ arbeiten auf deren Gütern und kennen kein Geld (‚Entlohnung‘ in Naturalien). 1962 sterben 70% aller Neugeborenen, es gibt keine Milch! Etwa ein Drittel der Bevölkerung wandert in ihrer Not ab nach Lima, in die Elendsviertel, in denen dann noch die moralische Not dazukommt, die Entwurzelung“ (3).

Alois Eichenlaub sieht in dieser Situation eine dramatische Herausforderung und Verpflichtung der Kirche. Als Priester und als Mensch ist er zutiefst davon überzeugt, inmitten des vorgefundenen Elends die Botschaft von der Würde aller Menschen als Kinder Gottes verkünden zu müssen. Doch der Bischof wollte ihm offensichtlich Ämter und Aufgaben übertragen, die ihn genau vor dieser Wirklichkeit schützen sollten. Der Bischof sprach zwar im-mer wieder von Reformen und einem Aufbruch in der Kirche, er sprach aber nicht von der Not der Menschen, er schien diese noch nicht einmal zu sehen. Stattdessen hatte Alois Eichenlaub zufällig Bischof Dammert in Lima kennen gelernt. In Bischof Dammert fand er einen aufmerksamen Zuhörer seiner Ideen und Vorstellungen und umgekehrt war Bischof Dammert von Alois Eichenlaub und dessen Elan und Vorstellungen einer erneuerten Kirche beeindruckt. Bischof Mendoza hatte inzwischen seine ersten Zweifel an Alois Eichenlaub bekommen. Denn der Bischof hatte ihm angeboten, als Kaplan des wichtigsten Schwesterkonvents der Stadt täglich drei Messen zu lesen und sonst praktisch als Sekretär des Bischofs arbeiten zu dürfen - aus der Sicht des Bischofs eine besondere Auszeichnung für den Ankömmling. Der Neue wollte sich aber auf keinen Fall als Sekretär des Bischofs hauptsächlich in dessen Residenz aufhalten und sich auch sonst nur innerhalb der etablierten Kreise der Stadt bewegen, denn deshalb hätte er nicht seine Heimat verlassen. Umso enttäuschter war der Bischof, dass Alois Eichenlaub dieses großzügig gemeinte Angebot ablehnte und lieber auf dem Land und mit den Ärmsten arbeiten wollte. Ein weiterer Wunsch von Alois Eichenlaub war, in einem Team zu arbeiten. Ende November 1962 hat er zufällig in Lima erfahren, dass sich Dammert und Mendoza auf dem Konzil geeinigt hatten, dass er für einige Monate nach Cajamarca gehen sollte, denn Dammert wollte dort etwas ganz Neues anfangen. Bischof Mendoza bot Bischof Dammert an, Alois Eichenlaub für den Neubeginn in Cajamarca auszuleihen. Er sollte ab und zu in Cajamarca aushelfen, um dort die jungen Priester zu orientieren.

Ende 1962 kam Alois Eichenlaub nach Cajamarca und sollte bis heute dort bleiben. Über ihn liefen dann die ersten Kontakte der Diözese Cajamarca nach Deutschland (erste Rundbriefe seit 1962). Nachdem die Entscheidung bereits gefallen war, dass Alois Eichenlaub in Cajamarca bleiben würde, schrieb Mendoza noch einmal an Caritas Freiburg: „Er war von seinem Bischof für unsere Diözese bestimmt; leider habe ich schon von Anfang an bemerkt, dass er irgendwie beeinflusst war, um nicht weiter in Abancay zu arbeiten. Zufällig hatte ich in Rom ein Gespräch mit dem Bischof von Cajamarca geführt und habe dem Bischof die Aushilfe von Pater Eichenlaub zeitweilig angeboten, bis ich die von P. Eichenlaub gewünschten Bedingungen zum Arbeiten geschaffen hätte: Bedingungen, die mir schon zeigten, dass es unmöglich wäre, dass er bei uns arbeitete“ (4).

Der folgende Ausschnitt eines Briefes von Dammert an Misereor deutet die verschiedenen Sichtweisen, Maßstäbe und Erwartungen an, die zu Beginn und teils bis heute an die welt-kirchlichen Kontakte gestellt wurden. Dammert schreibt am 18.4.1963 in einem vertrauensvollen Brief an Frl. Jörissen, Misereor, über die Position von Mendoza: „Die Bedingung und Erwartung von Mendoza für die Mitarbeit der Deutschen war, dass sie in der traditionellen Linie (Verwaltung der Sakramente, Almosen verteilen, Kranke pflegen etc.) arbeiten, aber nicht, dass sie die Probleme von Grund auf angehen. Die Andenbevölkerung ist laut Mendoza nicht fähig, etwas Neues zu akzeptieren, sie wollen immer nur das Gewohnte und Almosen! Deshalb ist er auch froh, dass Alois nach Cajamarca geht, weil er nur die gewohnte Seelsorge stören würde. Der Bischof von Speyer kann so etwas nicht verstehen, auch Misereor nicht“. Dammert sorgt sich im Folgenden um die generelle Hilfe für Peru, denn Misereor hat wohl Abancay als Pilotprojekt für Peru vorgesehen, und wenn dieses scheitert, könnte dies das Ende jeder Hilfe für Peru bedeuten. Im selben Brief fährt er fort: „Es ist internationale Übereinkunft, zuletzt besprochen in Lima, dass die Pläne für eine erneuerte Pastoral etc. nur in den Diözesen gestartet werden sollen, deren Bischöfe dazu bereit sind, neben Cajamarca z.B. auch Ayaviri mit Bischof Metzinger. Misereor würde es gut anstehen, wenn es sich, bevor es Programme startet, vor Ort über die Gegebenheiten informieren würde, z.B. einen Beauftragten für Peru ernennen, der sich in Zusammenarbeit mit peruanischen Stellen nach den besten Möglichkeiten der Hilfe umsieht (Archiv IBC; LIma).

Bischof Mendoza war bis 2004 Erzbischof von Cusco. Nach seiner Zeit in Abancay wurde er zuerst Militärbischof und 1982 wurde er als Nachfolger von Luis Vallejos zum Erzbischof von Cusco ernannt. 1986 war er es, der maßgeblich an dem Zustandekommen der Partner-schaft der Erzdiözese Freiburg mit der peruanischen Kirche beteiligt war.  In einer ersten Bilanz nach einem Jahr der Freiburger Perupartnerschaft stellte Weihbischof German Schmitz (Lima) in einem Treffen in der deutschen Pfarrei in Lima 1987 fest, dass sich überproportional viele Opus-Dei-Pfarreien um eine Partnerschaft mit deutschen Gemeinden bemüht hätten, weil sie als erste die Chance einer Partnerschaft im Sinne von Mendoza erkannt hatten.

Pressemitteilung im „Konradsblatt“ (Freiburger Diözesanzeitung) am 30. 9. 2001: „Alcides Mendoza Castro (73), Erzbischof von Cusco in Peru, hat sein 50-jähriges Priesterjubiläum gefeiert. Erzbischof Oskar Saier gratulierte dem peruanischen Oberhirten, der die älteste Diözese Perus seit 43 Jahren leitet und damit der weltweit am längsten amtierende Bischof ist. Oskar Saier dankte dem Jubilar für seine Begleitung der Freiburger Perupartnerschaft und lud ihn gleichzeitig zur Feier des 175-jährigen Bestehens des Erzbistums Freiburg am 1. Mai kommenden Jahres ein“. (In der Pressenotiz ist ein Fehler, denn Bischof Mendoza wurde erst 1982 Erzbischof von Cusco, er ist aber seit 43 Jahren Bischof: 1958 - 2001).

Die erste Verbindung einer deutschen Kirchengemeinde mit der Diözese Cajamarca war noch zufälliger entstanden. Pedro Bartolini aus Cajamarca hielt sich seit Anfang 1961 zu ergänzenden Studien in Rom auf und wurde von dort zu einer Urlaubsvertretung nach Deutschland geschickt, wo er zufällig in die Gemeinde St. Martin, Dortmund geriet. Er fasste Vertrauen zu dem damaligen Pfarrer von St. Martin, Fritz Hermann und dessen Vikar Richard Rademacher. Anfang 1963 kehrte Bartolini auf Wunsch von Bischof Dammert nach Cajamarca zurück, wo er mit zwei anderen Priestern die Arbeit in Bambamarca aufnahm. Fritz Hermann (verstorben am 12.12.1983) schreibt im Rückblick über die Anfänge der Partnerschaft mit Bambamarca: „Wir hatten uns bei unseren nicht vorhandenen Spanischkenntnissen und seinem mangelhaften Latein im Wesentlichen mit lateinischen Infinitiven ... verständigt. Aber wir hatten doch wohl einen einigermaßen Vertrauen erweckenden Eindruck bei ihm hinterlassen. Denn auf dem Wege Rom - Frankfurt - New York - Lima - Cajamarca - Bambamarca machte er einen Abstecher nach Dortmund und unter Übergabe einiger mit dem Petersdom und anderen römischen Merkwürdigkeiten versehener Aschenbecher bat er schlicht und einfach um Hilfe. Wir, Richard Rademacher und ich, meinten, Gott könne auch mit kitschigen Aschenbechern winken und bald liefen Dollarschecks, zunächst in winziger, dann in steigender Höhe, monatlich an Pedro, ohne dass wir zunächst so ganz begriffen, was mit dem Gelde geschah.

Eines Tages erschien Alois Eichenlaub, der eine Art rechter Hand von Bischof Dammert geworden war. Er schlug vor, das Geld an Bischof Dammert zu leiten, der besser übersehen könnte, was seinem Projekt Bambamarca dienlich sei. Wir erfuhren dann auch, was alles so drin war, eine Pastoral, die dem ganzen Menschen diente und uns Neuthomisten zunächst spanisch bzw. lateinamerikanisch vorkam. Aber das haben wir erst langsam begriffen und gelernt: Alphabetisierung, Schulung der Mädchen in einfachen Dingen wie Hygiene für sich und die Säuglinge, die Haushaltsführung, die Webtechnik; Gründung einer Genossenschaft, aber auch Heranbildung von Katecheten, die in Kleinansiedlungen eine Menge pastoraler Arbeit tun können... Seit Alois Eichenlaubs erstem Besuch wurden die Kontakte stärker und uns ging auf, dass wir nicht nur helfen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe leisten mussten; dass wir nicht nur durch milde Gaben unser mehr oder weniger schlechtes Gewissen entlasten konnten, sondern dass uns das Ganze etwas anging, uns mehr beanspruchte, als eine anonyme Gabe für Adveniat oder Misereor - womit nichts gegen diese Hilfswerke gesagt werden soll“ (5).

Vikar Rademacher wurde 1963 Pfarrer in der Gemeinde Hl. Kreuz, Castrop-Rauxel und nahm die Kontakte zur Diözese Cajamarca in seine neue Gemeinde mit. Diese beiden Pfarreien in Dortmund und Castrop-Rauxel waren bis 1997 eine wesentliche Stütze der Partnerschaft mit Cajamarca. St. Martin, Dortmund wurde zur zentralen Anlaufstelle für fast alle nachfolgenden Kontakte kirchlicher Gruppen und Kirchengemeinden, die mit der Diözese Cajamarca und Bischof Dammert in eine Beziehung eintreten wollten. Vor allem die aus den Rundbriefen von Alois Eichenlaub hervorgegangenen „Informationen aus Cajamarca“ (seit 1969) wurden zur ersten Informationsquelle über die kirchlichen Aufbrüche in der Diözese Cajamarca.


Fidei-Donum-Priester

Ein nicht zu unterschätzendes Element für das Selbstverständnis der Kirche als Weltkirche, der Katholizität der Kirche, ist das Entsenden deutscher Priester und Ordensleute in alle Teile der Welt. Anfänglich wurde dies sogar als das entscheidende Zeichen der neu entdeckten Weltkirchlichkeit gesehen. Alois Eichenlaub war einer der ersten deutschen Diözesanpriester, die in etwa zeitgleich mit dem Entstehen von Misereor und Adveniat und im Rahmen der ebenfalls neu übernommenen Patenschaften deutscher Diözesen für einzelne Missionsländer als Priester in ein solches „Missionsland“ gehen wollten (6). Die Idee der deutschen Diözesen war, den Priestermangel in den Missionsländern durch großzügige Aushilfen zu überbrücken, als Zeichen der Solidarität mit den jungen Kirchen. 1959 war Misereor gegründet worden, 1961 Adveniat. Durch Begegnungen auf dem Konzil entstanden die Diözesanpatenschaften.

In der damaligen Zeit war in den Ländern des christlichen Abendlandes noch die Auffassung verbreitet, dass die Entsendung von Missionaren die dringlichste Aufgabe sei, um den Kirchen in den armen Ländern zu helfen. Der Priestermangel in den armen Ländern war das entscheidende Motiv für die Entsendung von europäischen Missionaren. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass über entwicklungspolitische Zusammenhänge, z.B. Fragen nach den Ursachen der Armut, nur vereinzelt nachgedacht wurde. So stellen es heute zumindest die ersten ausgesandten Priester im Rückblick fest, eine entsprechende entwicklungspolitische Diskussion hatte noch nicht stattgefunden. Andererseits war es in der Zeit vor dem Konzil selbstverständliche Meinung, dass die unterentwickelten und zum großen Teil noch „heidnischen“ Länder darauf angewiesen waren, vom christlichen Abendland aus missioniert zu werden, auch wenn es in den Missionsländern selbst bereits zunehmend Überlegungen gab, neue Wege zu beschreiten, da die bisherige Praxis ja gerade zu der Situation geführt hat, die nun als Mangel empfunden wurde. Dabei wurde - damals selbstverständlich - ausschließlich an Priester und Ordensleute gedacht, wenn es darum ging, das Evangelium in aller Welt zu verkünden.

„Vor 40 Jahren machte eine Gruppe deutscher Weltpriester einen Neuanfang und kam in verschiedene lateinamerikanische Länder. Es waren Fidei-Donum-Priester, die großherzig Antwort auf den Aufruf des Papstes gaben, ihre Heimat zu verlassen, um in Diözesen zu dienen, die nach Sprache und Kultur in einer ganz anderen Welt lebten. Sie waren Pioniere einer neuen Mission, die mit der Zeit eine Doppelspur hinterließ, einerseits bei denen, die auszogen, als auch andererseits bei jenen, die sie empfingen“ (7).

In der Enzyklika „Fidei Donum“ von Papst Pius XII. (21. 4. 1957) und noch mehr im Zweiten Vatikanischen Konzil (LG 23) wurde die Gesamtverantwortung der Bischöfe und Priester für die Weltkirche, damals im Sinne des Missionsauftrags an die Jünger, herausgestellt und angemahnt.  In der Fidei Donum Chronik schreibt Enrique Rosner: „Warum deutsche Priester nach Lateinamerika? Um dem chronischen katastrophalen Priestermangel abzuhelfen! Das war die erste Motivation zur Ausreise oder zur Entsendung nach dem Zweiten Weltkrieg. Südamerikanische Bischöfe bettelten um Priester. Es entstand ein ‚Handel’ um Priesteraushilfen. Damals blieb alles noch dem Zufall überlassen und entsprach der Privatinitiative der einzelnen“ (8). Von Emil Stehle, damals Geschäftsführer von Adveniat, stammt die Idee, die in Lateinamerika tätigen Weltpriester nach dem Rundschreiben von Pius XII. nun „Fidei-Donum-Priester“ zu nennen (seit 1971).

Doch Alois Eichenlaub ging es, wie auch einigen anderen deutschen Priestern, nicht zuerst darum, den Priestermangel in den Missionsländern zu lindern und die Zahl der Priester in Lateinamerika zu erhöhen. Vielmehr ging es ihnen um eine neue Orientierung der gesamten Pastoral und der Seelsorge aufgrund der dortigen Gegebenheiten. Von Löwen aus, wo er sich auf seine Aufgabe in Peru vorbereitete, schreibt Alois Eichenlaub am 19.11.1961 an Mitbrüder, dass nur solche Leute in die „Mission“ gehen sollten, die mit den Menschen vor Ort die Probleme erkennen, analysieren und bereit sind, neue Wege zu gehen. Darin ist er sich mit vielen seiner Kurskollegen einig, er fährt fort: „In den letzten Jahren wuchs der Kontinent Amerika um 45 Millionen Menschen. Trotz größter Anstrengung ist im gleichen Zeitraum die Zahl der Priester nicht gewachsen. Was tun? Nur eine Neuorientierung vom Zentrum her, von unseren Prinzipien her, kann helfen: die verantwortliche Mitarbeit von Laien, nicht nur in der ‚Katholischen Aktion’, sondern direkt mit priesterlichen Aufgaben wie Taufe, Beerdigung, Unterricht, Kommunionausteilung, Liturgie außer der Hl. Messe - vielleicht sogar Beichte im Sinne der Urkirche - kann zu einer Erneuerung führen. Das sind Fragen ans kommende Konzil“ (9).

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass die Arbeit deutscher Priester - ob auf diese oder auf eine andere Weise - in den armen Ländern erheblich zum Bewusstsein von der Einen Welt und der Kirche als weltweite Gemeinschaft der Gläubigen beigetragen hat, sowohl in den armen als auch den reichen Ländern. Dies gilt umso mehr, wenn man die Rückwirkungen dieser Arbeit auf die jeweiligen Heimatpfarreien bzw. Heimatdiözesen dieser Priester mit berücksichtigt.

c) Kirchliche Hilfswerke und ausländische Mitarbeiter


Vielfach haben die großen deutschen Hilfswerke Misereor, Adveniat und Brot für die Welt eine sozialpastorale Arbeit in den armen Ländern erst ermöglicht. Die finanzielle Unterstützung deutscher Christen ermöglichte in vielen Ländern und Diözesen eine Arbeit und eine Verkündigung, die den Menschen Hoffnung schenkte und neue Perspektiven aufzeigte (10). Die Hilfswerke legten im Laufe der Zeit in ihrer Selbstdarstellung und Praxis immer mehr Wert darauf, dass es ihnen weder nur um finanzielle Unterstützung noch nur um die Rettung der Seelen geht, sondern um eine integrale Entwicklung: Entwicklung nicht nur im ökonomischen Sinne, sondern um ein Mehr an einer Gerechtigkeit, die ihr Fundament in der Bibel hat. Bei der Beschreibung der Arbeit Bischofs Dammerts und dem Entstehen einer befreienden Pastoral in der Diözese Cajamarca dürfen daher die Anteile der Hilfswerke an der Entwicklung dieser beispielhaften Sozialpastoral in der Diözese Cajamarca und speziell in Bambamarca nicht unerwähnt bleiben. Bereits am 24. 9. 1963 stellte Bischof Dammert einen Antrag an Adveniat. Er bat um Unterstützung für seinen Pastoralplan, Priestergruppen in abgelegene Zonen zu schicken und gleichzeitig Laienkatecheten auszubilden. In Bambamarca gab es kein Pfarrhaus, die vorherigen Pfarrer lebten alle komfortabel in privaten Häusern. Die drei neuen Priester waren in „einer menschenunwürdigen Unterkunft zur Miete in einer primitiven Wohnung mit zwei Räumen untergebracht“ (aus dem Antrag). Versammlungsräume, Schulungszentren usw. gab es erst recht nicht. In einer Antwort an „Sr. Exzellenz, den hochwürdigsten Herrn José Dammert Bellido, Bischof von Cajamarca“, schreibt Bischof Hengsbach weitsichtig: „Ich halte das Pastoralprogramm für den Einsatz von Priestergruppen und die Ausbildung von Laienkatecheten für sehr wichtig“. Aus den Spendengeldern der deutschen Katholiken aus der Adveniat - Kollekte 1962 wurden 100.000 DM für den Neuanfang in Bambamarca zur Verfügung gestellt. Das war der Beginn einer langen Beziehung.

In einem Brief an Misereor im Oktober 1965 schreibt Bischof Dammert: „Seit nunmehr rund zwei Jahren darf ich in meiner Diözese die großzügige Hilfe der deutschen Katholiken erfahren, die es mir erlaubte, ein Pilotprogramm in Bambamarca zu starten. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Programm ein erstmaliger Versuch innerhalb Perus ist, das sich fast ausschließlich auf die Erziehung des Campesinos, d.h. des Landbewohners richtet. Dank des deutschen Fachpersonals konnte schon in den ersten Anfängen ein gewisser Erfolg erzielt werden, der die Grundlage zu weiteren Hilfsgesuchen bot“ (11).

Im konkreten Beispiel der Diözese Cajamarca und besonders der Gemeinde Bambamarca wird deutlich, dass deutsche Hilfswerke beim Aufbau einer erneuerten Kirche im Geiste des Konzils einen entscheidenden Beitrag leisteten. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es in der Beziehung der Kirche von Cajamarca mit den Hilfswerken auch zu teilweise erheblichen Meinungsverschiedenheiten und auch gegenseitiger Verärgerung kam. Das lag daran, dass Dammert nicht nur die üblichen Dankesbriefe schrieb, sondern mit sachlichen Argumenten die Hilfswerke in die Pflicht nahm und auf einem eigenen Weg bestand. Typisch für diese oft unbequeme Haltung ist folgende Aussage: „Was Misereor und ‚Brot für die Welt’ geben, ist für mich eine Rückgabe dessen, was die Industriestaaten uns an Rohstoffen nehmen. Ich habe da keinerlei Skrupel, Aber ich wiederhole: nur Geld geben ist keine Lösung. Es führt nicht zur Veränderung der Haltung, die wir so sehr wünschen“ (12).

Sehr früh wies Dammert auf die Ungerechtigkeiten der Weltwirtschaft und auf die Verantwortung der reichen Länder hin. Nach Dammert haben die armen Länder nur dann eine Chance, wenn es in den reichen Ländern selbst zu grundlegenden Veränderungen kommen würde. Besonders unangenehm war für die deutsche Kirche, dass Dammert auf der historischen Verantwortung der Europäer und der europäischen Kirche bestand. Er zog eine direkte Linie von der Zeit der Eroberung zu den aktuellen weltwirtschaftlichen Strukturen, die nach Dammert darauf angelegt sind, die armen Länder weiterhin in Abhängigkeit zu halten. Seine Verknüpfung der weltweit ungerechten Strukturen mit dem biblischen Prinzip der Gerechtigkeit erwies sich als ein Stachel im Fleisch einer reichen Kirche in einer reichen Gesellschaft. Seine Aussagen sind heute angesichts einer fortschreitenden Globalisierung aktueller denn je. Vom Deutschen Caritasverband wurde er gebeten, eine Ergänzung zur Synodenvorlage „Entwicklung und Frieden“ zu formulieren. In Bezug auf die Hilfe für die armen Länder antwortet er am 8. 4. 1976. „Diese Form der Hilfe stellt keine Großzügigkeit dar, es handelt sich nicht um ein Werk der Barmherzigkeit, sondern es ist eine Wiedergutmachung für die vergangenen und gegenwärtigen Ungerechtigkeiten. Es ist eine Wiedergutmachung für den Kolonialismus der vergangenen Jahrhunderte, für die miserablen Löhne der Minenarbeiter, der geringen Preise für die Produkte der armen Länder. Das Erbe des Kolonialismus, die Zerstörung von uralten Systemen und Strukturen, die Zerstückelung ganzer Kontinente durch künstliche Grenzen, die unmenschliche Ausbeutung und Sklavenarbeit etc. ist ein Zustand der Sünde, der von Generation zu Generation andauert. Er erfordert eine Übernahme der Verantwortung für die Vergangenheit. Das biblische Konzept der Gerechtigkeit hat auch seine Gültigkeit für die interkontinentalen Beziehungen“ (13).

Bischof Dammert setzte sich stets mit Fragen der Weltwirtschaft auseinander, weil er wusste, dass weltwirtschaftliche Prozesse konkrete Auswirkungen für die Menschen, besonders für die Ärmsten seiner Diözese, haben (14). Sah er zu Beginn seiner Amtszeit die ausländische Hilfe eher als moralische Verpflichtung der Wiedergutmachung an den ausgebeuteten Völkern, so nahm bei ihm gegen Ende seiner Amtszeit der Gedanke einer Partnerschaft immer mehr Raum ein und er entdeckte immer wieder neue Facetten von Partnerschaft.

In Cajamarca machte man sich bald Sorgen darüber, dass mit der Hilfe eine bestimmte Kirchenpolitik und auch eine bestimmte politische Weltanschauung durchgesetzt werden sollte. Dammert wurde dabei von seinen meist deutschen Mitarbeitern unterstützt, oft musste er diese auch mäßigen. Aus einem Schreiben deutscher Mitarbeiter an Dammert nach einem Heimatbesuch: „Die Kirche in Deutschland erlebt einen Rechtsschwenk. Die AGEH, Adveniat und DED sagen, dass ihre Arbeit neutral und nicht politisch sein darf. Sie glauben tatsächlich, dass ihre Programme nichts mit Politik zu tun haben. Es gibt wieder vermehrt vorkonziliare Haltungen“ (15). Besonders in den siebziger Jahren kam es zu einer lebhaften Diskussion und einem regen Briefwechsel zwischen Cajamarca und deutschen Organisationen. Einen Höhepunkt fand die Auseinandersetzung um das Glaubensbuch Vamos Caminando im Zusammenhang mit der Theologie der Befreiung. Man fürchtete in Cajamarca, nun vor allem von Adveniat nicht mehr unterstützt zu werden.

Dammert schreibt in einem Brief an einen deutschen Mitarbeiter: „Die Wende nach rechts vor allem in den Hilfsorganisationen kommt wohl daher, dass zuletzt die Angst vor dem Kommunismus zugenommen hat. Man glaubt mit Eimern voller Weihwasser, den Brand löschen zu können“ (16). Zum Glück haben sich die Befürchtungen von Dammert und seiner Mitarbeiter als übertrieben herausgestellt. Dammert selbst rückte seit den achtziger Jahren von seiner These einer generellen Verurteilung der reichen Länder aus geschichtlichen und aktuellen weltwirtschaftlichen Gründen ab. Die Unterstützung durch deutsche Christen sah er nicht mehr nur als Zurückzahlung vergangener und aktueller Schul-den, sondern er entdeckte vor allem in der Praxis der Partnergemeinden, dass hinter deren Bemühen meist ein echtes spirituelles Bedürfnis sowohl nach Solidarität mit den Armen als auch nach einer Umkehr in Deutschland steht.

Im Zusammenhang mit der Frage nach den weltkirchlichen Beziehungen der Diözese Cajamarca taucht ein Problem auf, das sich zumindest für Bischof Dammert als ein Problem darstellte: Bei dem Aufbau einer andinen Kirche war er ausgerechnet auf den Einsatz von ausländischen Mitarbeitern angewiesen. Dammert begründet den Einsatz von Ausländern vor allem damit, dass für eine Übergangsphase zu wenig fachlich ausgebildetes einheimisches Personal zur Verfügung steht. Als größtes Hindernis beklagt er, dass peruanische Fachkräfte aufgrund ihrer Erziehung, Herkunft und langer Traditionen oft nicht bereit oder fähig sind, den tiefen Graben zwischen ihnen und den Indios zu überwinden. Sie würden lieber in der großen Stadt oder an der Küste leben und arbeiten. „Dagegen eröffnet die Mitarbeit europäischen Personals, gebührend vorbereitet, unerwartete Horizonte, so wie ich es selbst in meiner Diözese mit der aufopfernden Arbeit der deutschen Sozialarbeiterinnen erlebt habe, ebenso wie mit der Mitarbeit eines Priesters aus der Diözese Speyer“ (17). Einen weiteren Grund für die Notwendigkeit ausländischer Mitarbeit sieht Dammert in der bisherigen Haltung der einheimischen Kirche, der wenig an einer Mitarbeit von Laien und auch „wenig an der Bildung des einfachen Volkes gelegen war“ (18).

Der peruanische Soziologe Mario Padrón bestätigt in einer Untersuchung im Auftrag Dammerts, dass ausländische Mitarbeiter, immer vorausgesetzt, dass sie auch wirklich mit dem Volk leben, eine weitaus größere Akzeptanz bei den Campesinos erreichen - und damit auch eine nachhaltigere Wirkung - als peruanische Fachkräfte (19). Das grundsätzliche Problem in diesem Zusammenhang sieht Dammert darin, dass die erste Evangelisierung keine Wurzeln geschlagen hatte und daher eine einheimische Kirche bisher nicht entstehen konnte. Daher war er - vorübergehend - auf ausländische Hilfe, personell und materiell, angewiesen. „Wenn wirklich die erste Evangelisierung Wurzeln geschlagen und eine einheimische Kirche gegründet hätte, könnte man sich diese jetzt selbst überlassen. Aber eine Kirche, die nur schwache Strukturen besitzt ohne Basis, würde sich auflösen, oder es bleiben nur Pseudo-Kirchen. Leider hat man Jahrhunderte lang schlecht gepflanzt und die Pflanzen hatten keine Wurzeln oder sind schief gewachsen. Man muss immer von neuem säen. Ich glaube nicht, dass die lateinamerikanische Kirche sich allein genügt, sondern eher, dass sie, allein gelassen, alles verlieren würde“ (20).

So stand Bischof Dammert vor dem Dilemma, dass er einerseits mit aller Macht eine einhei-mische Kirche aufbauen wollte, andererseits aber für dessen Realisierung auf Hilfe von außen angewiesen war. Er stellte daher sehr hohe Anforderungen an die ausländischen Mitarbeiter, Priester und Laien. Vor allem hatte er großes Misstrauen gegenüber vom Ausland importierten Modellen: „Die ausländischen Missionare kommen nicht nach Lateinamerika, um einem heidnischen Volk das Evangelium zu verkünden, sondern um die einheimische Kirche zu stärken“ (21).

Dieser Vorgabe mussten sich alle ausländischen Mitarbeiter unterordnen - was in der Regel kein Problem war, da diese im Fall der Diözese Cajamarca eben aus diesen Gründen nach Cajamarca kamen und mit Dammert zusammen arbeiten wollten. Falls nötig, sagte er dies auch sehr deutlich, so bei einer Absage an ein spanisches Missionsteam der Franziskaner, das ihm einige Missionare nach Cajamarca schicken wollte und deren Zielvorstellungen er kannte: „In aller Aufrichtigkeit muss ich Ihnen sagen, dass ich keine Einladung an das Missionsteam ausgesprochen habe, denn dies ist nicht die ‚Hilfe’, die ich brauche. Ich habe weder ein Interesse an Statistiken der Sakramentenspendung (eine Erfindung des Teufels zur Beruhigung der Gewissen) noch an hübschen Predigten, nach denen die Leute dann sagen, welch schöne Worte doch der Padrecito findet (‚wie schön hat er geredet!’), um danach in ihrer Ignoranz weiter zu leben. Das ist ein Beruhigungsmittel, das kein Problem löst“ (22).  Dennoch betont er, dass ausländische personelle Hilfe notwendig ist. Er stellt an das ausländische Personal folgende Bedingungen:

  1. „Es müssen fähige Menschen sein, die Probleme ihrer Berufung zum Priestertum und affektiv-emotionale Probleme gelöst haben und über eine apostolische Erfahrung verfügen.
  2. Sie müssen die Bereitschaft mitbringen, sich mit Demut und Flexibilität dem Dienst der geistigen Erneuerung des Kontinents hinzugeben.
  3. Die Hilfe darf keine Bedingungen enthalten, sie darf keine ausländischen Modelle überstülpen wollen und sie muss bereit sein, die hier vorhandenen Werte zu entdecken und zu fördern.
  4. Man muss sich rechtzeitig zurückziehen können, um den Erfolg der geleisteten Arbeit nicht zu gefährden. Dann hat man die Befriedigung eines wahrhaften Dieners des Herrn“ (23).

Obwohl Bischof Dammert mit „seinen“ ausländischen Priestern überwiegend positive Erfahrungen machte, kannte er doch auch die etwas andere Realität in anderen Diözesen. Er reagierte geradezu allergisch gegen alle Versuche, von Europa oder den USA her den Weg der Kirche in Peru bestimmen zu wollen. Seine Skepsis kommt beispielhaft im folgenden Text zum Ausdruck: „Die Arbeit mit den Campesinos ist sehr langwierig, denn hier trifft das Wort zu, dass einer aussät und der andere erntet. Ich glaube, dass der größte Fehler war, dass ausländische Priester eine zu schnelle ‚Bluttransfusion’ für die geschwächte lateinamerikanische Kirche machen wollten, indem sie Programme verwirklichen wollten, die in ihrem Land Erfolg hatten. Es fehlte die Tugend der Campesinos, die Natur und die Umgebung zu beobachten, zu warten, dass das Weizenkorn keime und reife gemäß dem ihm eigenen Rhythmus und ihn nicht mit künstlichem Dünger zu überschütten. Deswegen kann ich weder übermäßige Erfolge noch Misserfolge nennen, denn 16 Jahre sind eine sehr kurze Zeit, zumindest in der tausendjährigen andinen Kultur. Ich treffe zweifellos einen Reifeprozess in den Campesinos an, mit denen pastoral gearbeitet wurde, trotz der Fehler, die es vor allem in der ersten Phase gab. Hauptursache der religiösen Ignoranz war das Fehlen einer christozentrierten Verkündigung. Es gibt noch viel zu tun“ (24).

Nach Dammert heißt „Weltkirche werden“ eben nicht, dass alle Welt wie Europa bzw. Kirche nach europäischen Maßstäben weltweit aufgebaut wird. Dies ist in den vergangenen Jahrhunderten geschehen und daher gab es eben keine lateinamerikanische oder afrikanische Kirche, sondern überall nur die immer gleichen Kopien einer europäischen, römischen Kirche, die letztlich eine weiße Kirche war, weil sie im Gefolge der Eroberung daherkam. Eine weltweite Kirche, die eine Alternative zur herrschenden Globalisierung werden will, muss dagegen von den Rändern her entstehen, aber nicht in ähnlich ausschließender Weise wie dies umgekehrt bisher vom Zentrum her geschah. Diese Ränder stellen sich in sehr unterschiedlicher Weise dar und sie sind farbig und sehr bunt. Die Einheit einer solchen Weltkirche besteht darin, dass alle zusammen ein Bild (Mosaik) ergeben, das als Bild eine klare Botschaft hat: mit Jesus den Beginn einer neuen Zeit verkünden, in der die Menschen gemeinsam das Brot brechen und im Frieden mit der Schöpfung und allen Geschöpfen leben (25).

Bischof Dammert sieht eine große Aufgabe und Herausforderung darin, diese Kirche zu bauen und als Kirche von Cajamarca dazu einen Beitrag zu leisten: „Eine Herausforderung besteht darin, dass wir unsere Glaubens- und Pastoralerfahrung der gesamten Weltkirche mitteilen können. Mit anderen Worten: wie können wir mehr und mehr katholische Kirche werden? Dabei ist zu fragen, ob die weltkirchlichen Strukturen dieser Herausforderung entsprechen. Ich denke, dass unsere armen Kirchen innerhalb der Weltkirche immer noch nicht ganz gleichberechtigt sind. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir wegen unserer anders-artigen Kultur, wegen der anderen Glaubenserfahrung de facto diskriminiert werden. Katholische Kirche ist schon seit Beginn des Evangeliums als multikulturelle Kirche angelegt. Dieser Punkt beinhaltet, dass wir eine kontextuelle Kirche sein müssen. Wir müssen in dem ganz konkreten, sozialen und politischen Kontext Kirche sein und Kirche werden“ (26).

d) Partnerschaften


Dieses „Kirche sein und Kirche werden“ kann in Partnerschaften konkrete Gestalt annehmen. Deutsche Kirche und Gemeinden wurden seit 1962 in die Geschehnisse in der Diözese Cajamarca verwickelt bzw. sie haben sich aus christlicher Verantwortung darauf eingelassen. Es wurden intensive Beziehungen zu den Menschen von Cajamarca und christlichen Gemeinschaften aufgebaut. Es wurde sichtbar, was Weltkirche sein kann. Aus dieser Beziehung können sich die deutschen Gemeinden nicht mehr heraus stehlen, wollen sie den Anspruch, katholische Gemeinde zu sein, nicht aufgeben. Dies ist umso wichtiger in einer Zeit, in der eine andere Form von „universeller Kultur und Religion“ immer mehr in das Bewusstsein der Menschen eingeprägt wird - in Deutschland wie in Peru.

Gemeindepartnerschaften können einen Rahmen bilden, in der die lebensnotwendigen Alternativen zur alles beherrschenden Globalisierung (im neoliberalen, auf Finanzmärkte hin ausgerichtetem Sinn) aus dem Geiste Christi heraus eingeübt und gelebt werden können. „Jede Partnerschaft zwischen Gemeinden oder Verbänden hier und dort, sei es in direkten Beziehungen, sei es im Kontakt internationaler Hilfswerke, arbeitet strikt an einer solchen Katholizität und damit gleichzeitig an einer Globalisierung, die im religiösen Bereich die Sehnsucht nach Gott offen hält und die im sozialen Bereich von den jeweils Armen und Bedrängten her das gesamte Handeln organisiert. Je mehr sich eine solche kirchliche Vernetzung mit der Leidensgeschichte der Menschen und in ihnen mit dem in der Geschichte lebenden Christus (vgl. Mt 25,31-46) ereignet, desto mehr wird die Kirche eine Intensivierung des eigenen Lebens und der eigenen Identität, aber auch eine Vertiefung des eigenen Leidens erreichen“ (27).
In dem folgenden Beispiel wird deutlich, was damit gemeint ist. Es weist auf wirtschaftliche Zusammenhänge hin und zeigt konkrete Handlungsperspektiven für deutsche Partnergruppen.

d, 1) Ein Beispiel praktizierter Partnerschaft: Solidarität mit Rosalia (28)

„Rosalia ist acht Jahre alt. Sie kann nicht zur Schule gehen, weil es in ihrer Umgebung keine Schule gibt. Ihr bleibt der Zugang zu dem versperrt, was (auch) zu einem menschenwürdigen Leben gehört: ausreichende Ernährung und sauberes Wasser, Gesundheitsvorsorge, Ausbildung, Anerkennung. Zudem drückt sie eine schwere Last: sie hat bereits 1.270 Dollar Schulden gemacht und sie muss ‚ihren Gürtel immer enger schnallen‘, um wenigstens die Zinsen bezahlen zu können. In ihrer Umgebung gibt es einen Staudamm, der 800 Millionen Dollar gekostet hat und mit deutscher ‚Hilfe‘ und von deutschen Firmen gebaut wurde. 20.000 Campesinos wurden vertrieben, damit weiter unten in der Wüste Reis angebaut werden kann. Doch von diesem hochwertigen Reis wird Rosalia nie etwas zu essen bekommen, denn er wird ausschließlich für den Export angebaut.

Es kann hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden, wer wem und warum welche Kredite gegeben und wer davon profitiert hat. Festzuhalten ist, dass die Armen nie etwas von diesen Krediten gesehen haben, sie aber die Kosten der Verschuldung tragen müssen. In mehr als fünfzig Ländern haben sich deshalb Tausende von Organisationen zur ‚Kampagne Erlassjahr 2000‘ zusammengeschlossen, mehr als 1.300 Gruppen allein in Deutschland. Die Kampagne erinnert an die Tradition des biblischen Jubel- und Erlassjahres, in dem den verarmten Schuldnern in Israel alle Schulden erlassen und das Ackerland zurückgegeben wurde. Die katholische und evangelische Kirche haben sich weltweit an die Spitze dieser Bewegung gestellt. Der Papst: ‚So werden sich im Geiste der Bibel die Christen zur Stimme aller Armen der Welt machen müssen, indem sie das Jubeljahr als eine passende Zeit hinstellen, um sich für einen erheblichen Erlass der internationalen Schulden einzusetzen‘ (29). Auch der Ökumenische Rat der Kirchen hat anlässlich des Jubeljahrs ‚zur Befreiung der verarmten Völker aus dem Würgegriff der Schulden‘ aufgerufen. ‚Die sozialen, politischen und ökologischen Kosten der Schuldenkrise, die auf die Ärmsten abgewälzt werden, können nicht länger hingenommen und müssen ausgeglichen werden.’

Bekanntermaßen haben alle Banken die Schulden Steuer sparend schon abgeschrieben. Auch haben die armen Länder schon weit mehr an Zinsen bezahlt als die jeweilige Summe ihrer Auslandsschuld - und trotzdem sind die Schulden aller armen Länder in den letzten zehn Jahren um 50 % angestiegen. Die Deckung der menschlichen Grundbedürfnisse und die Achtung der Rechte der Mehrheit der Bevölkerung in den armen Ländern müssen Vorrang erhalten vor der Forderung, die Schulden zu bedienen und zurückzuzahlen. Den Armen kann nicht das allen Menschen verheißene ‚Leben in Fülle‘ vorenthalten werden. Um nicht nur (meist korrupte) Regierungen zu entlasten, setzen sich vor allem die Kirchen für die Schaffung von Gegenwertsfonds ein.

Das bedeutet: Einem Land, etwa Peru, werden von Deutschland z.B. hundert Millionen Dollar Schulden gestrichen. Peru verpflichtet sich dafür, vierzig Millionen Dollar in soziale und ökologische Projekte zu investieren. Die deutsche Regierung ist nach Verhandlungen bereit, entwicklungspolitische und kirchliche Gruppen bei entsprechenden Projekten in den armen Ländern mitwirken und mitbestimmen zu lassen. So hat auch eine kleine Gruppe die Chance, direkt bei der Investition von vierzig Millionen Dollar zugunsten der Armen mitzureden - eine einmalige Chance angesichts des sonstigen Gefühls der Ohnmacht, an weltwirtschaftlichen Strukturen zugunsten der Armen etwas ändern zu können! Unterschriftenaktionen, entsprechende Information der Öffentlichkeit und die Mitarbeit der Gemeinden sind ein erster Schritt, um den Armen zu helfen. Denn die Armen wollen nicht nur Almosen, sie wollen Gerechtigkeit!

Für Rosalia eröffnen sich damit neue Perspektiven. Neben den materiellen Verbesserungen ist es für sie eine große Ermutigung zu erfahren, dass kirchliche Gruppen sich für ihr Leben, ihre Probleme und ihre Hoffnungen interessieren. Dies gibt ihr Kraft, von einer besseren Welt, in der alle Menschen das Brot miteinander teilen, nicht nur zu träumen, sondern sich auf den Weg dahin zu machen“.

d, 2) Der Rahmen und der Anspruch von Partnerschaften

Die Partnerschaft von deutschen Partnergemeinden mit Gemeinden der Diözese Cajamarca ist notwendigerweise geprägt oder gar abhängig von den jeweiligen kirchlichen Strukturen in Cajamarca und in Deutschland selbst (30).

  1. Jede Partnerschaft zwischen Kirchengemeinden verwirklicht sich notwendigerweise innerhalb eines bestimmten Rahmens und innerhalb kirchlicher Strukturen. Zugleich lebt sie von ganz konkreten Personen. Konflikte zwischen Person und Institution sind unausweichlich.
  2. Partnerschaft verwirklicht sich innerhalb zweier lokaler Kirchen, die in sehr unterschiedlichen Wirklichkeiten und historischen und sozialen Kontexten leben. Von daher entstehen sehr unterschiedliche Interessen und Optionen. Wenn es aber nicht möglich wäre, einen echten Dialog zu etablieren, seinen Glauben und das Brot zu teilen und einen gemeinsamen Weg zu suchen, dann wäre auch katholische Kirche nicht möglich.
  3. 3. Die Fragestellung wird verschärft, wenn man die Campesinos als die „Hirten von Bethlehem“ versteht. Gerade die Ausgeschlossenen standen im Zentrum der Verkündigung und Praxis von Jesus. Nach den Kriterien der Mächtigen existieren die Ausgeschlossenen nicht. Die Christen der reichen Länder repräsentieren aber in ihrer Mehrheit die abendländische Zivilisation - von der Conquista bis zur aktuellen Weltordnung.
  4. 4. Zwischen den Kirchengemeinden des Nordens und des Südens gibt es einen weiteren Unterschied: in Deutschland sind die Hauptakteure der Partnerschaft Laien, in Peru ist dies umgekehrt. Partnerschaften sind in Deutschland Laienbewegungen. Laien verwalten das Geld, sie organisieren sich demokratisch und es herrscht eine institutionalisierte Transparenz. Dies kann man aber nicht von vielen peruanischen Kirchengemeinden sagen.
  5. Um einen wahrhaften Dialog zu etablieren ist es notwendig, dass der Reiche die Fähigkeit entwickelt, den Armen als solchen wahrzunehmen. Das bedeutet, die Ursachen der Armut zu erkennen und mit den Armen gegen alle Ungerechtigkeit zu kämpfen. Dies erfordert eine persönliche Umkehr (Bekehrung) und eine sehr tiefe Spiritualität, die es ermöglicht, in dem Armen das Antlitz Christi zu erkennen. 
  6. Gelebte Partnerschaft ist konstitutiv für das Volk Gottes, sie ist das sichtbare Zeichen einer sonst nur abstrakt gedachten (nicht wirklich erlebten) Weltkirche: einer Gemeinschaft, in der Arme und Reiche an einem Tisch sitzen und gemeinsam das Brot des Lebens essen. Eine solche Gemeinschaft in Partnerschaft ist das Sakrament einer wahrhaft universellen, d.h. katholischen Kirche:
  7. Partnerschaft ist das Sakrament des Volkes Gottes.

e) Fazit: Gemeinden in Deutschland und in Peru - gemeinsam auf dem Weg

Einige am Beispiel von Cajamarca gemachte Beobachtungen lassen sich generalisieren und in folgender Form zusammenfassen (Stichwort „Weltkirche“):

  • Das Zweite Vatikanische Konzil gab den Kontakten zwischen den armen und den reichen Kirchen einen entscheidenden Impuls. Den inhaltlichen Rahmen bildeten hier besonders die Aussagen des Konzils über das Volk Gottes und die Kirche als Kirche für die Armen. Alle beteiligten Partnergemeinden mit Cajamarca berufen sich auf diesen Rahmen.
  • Im Kontakt mit der Kirche in Peru zeigt sich von Anfang an das Problem der Kommunikation, der Frage nach den Ansprechpartnern (z.B. zuerst Bischöfe?) und das Problem der Einmischung (nur Geld - ohne Kontrolle - schicken, Solidarität in politischen Fragen?).
  • Deutsche Hilfswerke leisteten einen entscheidenden Beitrag zur Erneuerung der Kirche in Peru und zum Entstehen einer einheimischen Kirche.
  • Die ersten Kontakte von Hilfswerken, Gemeinden und Diözesen liefen nahezu ausschließlich über meist deutsche Priester und über Bischöfe und hingen damit wesentlich von deren jeweiligen Optionen und Präferenzen ab. Einzelne Personen waren entscheidend.
  • Konkret in Cajamarca: Die persönliche Entscheidung von Alois Eichenlaub, nicht mit Bischof Mendoza in Abancay, sondern in Cajamarca zu arbeiten, war mit entscheidend für den gelungenen kirchlichen Neuanfang in Cajamarca. Seine Entscheidung für Cajamarca lenkte in der Folge deutsche Hilfe schwerpunktmäßig nach Cajamarca.
  • Konkret St. Martin, Dortmund: Entstehen einer Patenschaft erst durch Zufall, nachträglich dann aber Motivation und Zielsetzung durch direkten Kontakt, Bestätigung durch das Konzil und durch kirchliche Hilfswerke. Zusammen mit dem Bischof von Cajamarca konnte eine deutsche Gemeinde zur Erneuerung der Kirche in Cajamarca beitragen. Sie trat in einen Lernprozess ein: Entdecken einer weltweiten Verantwortung, theologisch und ökonomisch.
  • Deutsche Priester als „Geschenk des Glaubens“ für die armen Länder spielten eine sehr wichtige Rolle - ein Beispiel von Weltkirche.
  • Eine einheimische Kirche in Peru ist zumindest punktuell vor allem durch die engagierte Arbeit ausländischer Priester entstanden.
  • Die deutsche Kirche ist spätestens seit 1962 massiv in Entwicklungen innerhalb der peruanischen Kirche verwickelt, sie hat sich eingemischt und kann nicht davon ablassen. Vielmehr eröffnet sich daher die Chance, mit den armen Kirchen zusammen einen neuen Weg zu gehen, der die eigene Umkehr ermöglicht.
  • Weltkirche werden heißt, von den lokalen und armen Kirchen her, z.B. von der andinen Kirche ausgehend, ein globales Netz der Solidarität zu knüpfen, um auf diese Weise der Welt eine befreiende Alternative aufzuzeigen, bzw. das Evangelium zu verkünden.
  • Die Verkündigung der Botschaft Jesu vom Reich Gottes erfordert angesichts der globalen Verhältnisse eine weltweite Kirche, die alternative Strategien entwickelt und bezeugt.

Für die Kirche insgesamt geht es darum, ob es ihr gelingt, zu einer glaubhaften und kämpferischen Alternative zu den herrschenden Gesetzmäßigkeiten zu werden und damit zu ihren Wurzeln zurückzukehren. „So stellt sich die Frage: Was globalisiert die Kirche mit ihrer weltweiten Dimension? Bildet sie darin eine vom Evangelium her authentische und, wenn es sein muss, alternative Globalisierungsperspektive zu jenen rasanten Globalisierungsprozessen im Produktions-, Absatz- und Informationsmarkt mit jenen ‚Gesetzmäßigkeiten’, die insgesamt nicht ohne Grund als Ursachen dafür diskutiert werden, dass weltweit Millionen von Menschen aus eben diesen Prozessen ausgegliedert und von daher für überflüssig erklärt werden. Die herrschenden Legitimationen, die menschliches Leben rechtfertigen, kommen immer weniger Menschen zugute, nicht nur in der südlichen Hälfte der Erde, sondern zunehmend auch im Norden“ (31).

In einer Partnerschaft finden potenziell alle diese verschiedenen Aspekte zusammen. Partnerschaft kann daher als Modell bzw. als Konkretisierung von Weltkirche dienen, machbar und erlebbar für alle. Weltkirche wird in der gelebten Beziehung zwischen einer reichen und armen Gemeinde konkret und praktisch erfahrbar - praktikabel und machbar am jeweils konkreten und alltäglichen Ort, sei es in der Gemeinde sei es in einem persönlichen Engagement. 

Sie ist weltkirchliche Katechese und allgemeine Glaubenskatechese.



Anmerkungen

(1)  Nuscheler/Gabriel/ Keller/Treber: Handeln in der Weltgesellschaft: Christliche Dritte -Welt-Gruppen. Praxis und Selbstverständnis, Mainz 1995. Ebenso: Treber/ Burggraf/N. Neider (Hrsg.): Dialog lernen. Konzepte und Reflexionen aus der Praxis von Nord-Süd-Begegnungen, Frankfurt/M. 1997. Vgl. auch: Weckel/ Ramminger, Dritte-Welt-Gruppen auf der Suche nach Solidarität, Münster 1997. Im Sammelband „Die globale Verantwortung“ gehen E. Klinger: „Partnergruppen“ (S. 221 - 232) und O. Fuchs: „Interkontinentale Partnerschaften im Horizont weltkirchlicher Pastoral“ (S.233 - 254) auf dieses Thema ein.

(2)  Weber,  Franz:  Werkstatt Reich Gottes,  S.  328.  In  der  Fußnote zu  diesem Zitat  schreibt Weber:  „Die Schlussfolgerung der bekannten Studie von F. Nuscheler und anderen hat leider in kirchlichen Kreisen viel zu wenig Beachtung gefunden“. Weber zitiert die Hauptaussage der Studie: „Die Dritte-Welt-Gruppen... machen auf ihre Art - gelegentlich am Rande oder schon außerhalb der Kirche - eine ‚pastorale Drecksarbeit’ - dazu noch ehrenamtlich und mit hohem Zeit- und Energieeinsatz: sie sind Sauerteig einer gelebten Solidarität und Antriebskräfte eines Bewusstseinswandels in den Ego-Gesellschaften des Nordens, ohne den die Eine solidarische Welt nicht entstehen kann“. (Ebd. S. 138).

(3) Alois Eichenlaub: 1. Rundbrief nach Deutschland vom 7. 9. 1962. Archiv St. Martin,

(4) Brief an Frau Dr. Böhle, vom 5. August 1963. Archiv von Misereor, Reg.-Nr. 232 - 15/2 und Archiv des Deutschen Caritasverbandes, Reg.-Nr. 187 I + 361.06, Pe, Fasz. 1; ebenso im Archiv IBC, Lima.

(5) Herrmann, Fritz: Entstehung der Partnerschaft mit Bambamarca. Archiv St. Martin,

(6)  Im November 2002, auf Heimaturlaub, nennt er in einem Interview mit der „Rheinpfalz“ (27. 11. 2002) die Gründe für seinen damaligen Entschluss „in die Mission“ zu gehen: „Für meinen Schritt gab es zwei Gründe: Johannes XXIII. hat in der Enzyklika „Fidei Donum“ die Bischöfe aufgefordert, auch Weltpriester aus ihren Diözesen in die Dritte Welt zu schicken, vor allem in die lateinamerikanische Kirche... Das kam auch meinem Kindheitswunsch entgegen, einmal fremde Länder zu sehen. Peru war nicht tief greifend evangelisiert. Auf meinen Wunsch hat mich der Diözesanbischof freigestellt. Ich war begeistert, weil ich spürte: Das ist meine Berufung. Mein Leben erhält einen tieferen Sinn“. (Die genannte Enzyklika stammt von Pius XII., 1957).

(7) Bischof Jorge Jiménez, Generalsekretär des CELAM, in einem Grußwort zu dem Buch: „..und sie machen einander reich“, eine Chronik der Fidei Donum Priester. Redaktion Enrique Rosner, Quito 1998, S. 11.

(8) Ebd. S. 35.

(9) Privatarchiv Alois Eichenlaub.

(10) Eine  Würdigung der  Arbeit  der  Hilfswerke ist  hier  nicht  das  Thema,  ebenso  wenig  eine  konstruktive Auseinandersetzung mit den Inhalten, Zielsetzungen und Methoden der Hilfswerke, die ihrerseits sich ebenfalls unterscheiden. Die Hilfswerke aber tragen wesentlich dazu bei, Weltkirche zu werden. Ihre Arbeit ist Ausdruck praktizierter Weltkirchlichkeit. Ohne ihre Hilfe hätte in Cajamarca nicht das entstehen können, was dann für so viele Menschen zu einem Grund der Hoffnung und Orientierung wurde.

(11) Die zitierten Briefwechsel (mit Misereor und Adveniat) befinden sich im Archiv IBC (im Original, spanisch). Im Archiv von Adveniat, Reg.-Nr. 62/17 und von Misereor, Reg.-Nr. 232-15/4 sind ebenfalls die zitierten Briefe zu  finden (übersetzt). Kopien des  übersetzten Briefwechsel befinden sich  auch  im  Archiv des  Deutschen Caritasverbandes, Reg.-Nr. 187 I + 361.06, Pe Fasz. 2. (1 - 15: Dokumente aus Cajamarca von 1963 - 1969).

(12) Interview mit Bischof Dammert, von Rosemarie Bollinger im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt vom 6. 11. 1977. Archiv der Gemeinde St. Martin, Dortmund.

(13) Dammert: Brief vom 8. 4. 1976 an den deutschen Caritasverband. Archiv IBC.

(14) Bischof Dammert war als Präsident der peruanischen Bischofskonferenz zum 91. Deutschen Katholikentag in Karlsruhe eingeladen worden. Seine Vorträge wurden mit dem Titel: „Das Reich Gottes ist nicht gleichgültig gegenüber Welthandelsbedingungen“ zusammengefasst und von den Veranstaltern des Katholikentages, dem Zentralkomitee deutscher Katholiken, veröffentlicht. In einem Vorwort zu den offiziell verteilten Texten Dammerts schreiben sie: „Die nachfolgend dokumentierten Ansprachen machen deutlich, was es heißt, die Option für die Armen zu leben und aus dieser Perspektive Befreiung aus ungerechten Strukturen einzuklagen.  Bischof  Dammert  fordert  von  uns  als  Christen,  als  Kirche  und  als  Gesellschaft  einen entscheidenden Beitrag, damit wir ‚ehrlich, ohne rot zu werden, von der Einen Welt’ reden können“. Archiv der Gemeinde St. Martin,

(15) Gemeinsamer Brief deutscher Mitarbeiter mit Datum 15. 12. 1973 an Dammert nach einem Heimatbesuch. Archiv der Gemeinde St. Martin, Dortmund.

(16) Diese Auseinandersetzungen und deren Hintergründe, z.B. die Rolle von Bischof Hengsbach (Adveniat) und des Studienkreises „Kirche und Befreiung“ können nicht thematisiert, sollen aber wenigstens genannt werden.

(17) Dammert: Brief vom 29. 11. 1979 nach Deutschland. Archiv der Gemeinde St. Martin,

(18) Dammert: Brief an Misereor, Oktober 1965. Archiv IBC.
(19) Ebd.

(20) Padrón, Mario: Informe DEIS. Cajamarca 1969. Archiv IBC. Über die Rolle ausländischer Mitarbeiter an der jeweiligen Entwicklung bzw. die Rolle peruanische Fachkräfte wird bis heute oft sehr emotional diskutiert. Es passt  nicht  zur  entwicklungspolitischen und  befreiungstheologischen Korrektheit,  dass  „reiche  Ausländer“ entscheidende Anstöße für das Selbstbewusstsein der Armen geben könnten. Auch hier wäre es ratsam, dieses Urteil den Campesinos selbst zu überlassen und die sozialpastorale Praxis in den sozialen Brennpunkten Perus zu überprüfen.

(21) Dammert: Brief vom Januar 1971. Archiv Deutscher Caritasverband. Reg.-Nr. 187 I + 361.06 Pe, Fasz. 3.

(22) Dammert : La présence des missionnaires étrangers dans le Pérou. Antwort am 16. 11. 1973 auf eine Umfrage des Institut de missiologie, Fribourg, Suisse, zur Mitarbeit ausländischer Missionare in Peru. Archiv IBC.

(23) Brief vom 21. 6. 1966 an Padre Javier Arzuaga, OFM, auf dessen Anfrage vom 21. 6. 1966. Archiv IBC.

(24)  Aus dem Artikel „Sacerdote extranjero”, nicht veröffentlicht, Mai 1969. Archiv IBC. In einem Brief an das BMZ am 2. 11. 1969 wiederholt und erweitert er die genannten Kriterien im Hinblick auf Entwicklungshelfer (dieser Brief wurde vom damaligen Minister Erhard Eppler am 25. 2. 1970 ausführlich und wohlwollend beantwortet). Dem Brief an das BMZ  legt er u.a. ein Zitat des Bischofs von Mallorca, Jesús Enciso, bei, der
Dammert im April 1962 gesagt hatte: „Die Priester, die Lateinamerika braucht, sind diejenigen, die wir selbst am nötigsten hätten, das heißt die Besten“: Dammert fährt fort: „Man soll nicht diejenigen schicken, mit denen man nichts anzufangen weiß oder die Probleme verursachen oder die keine besonderen Fähigkeiten haben“. Archiv IBC.

(25) Interne Umfrage der peruanischen Bischöfe von 1978 zur Vorbereitung auf Puebla, Archiv IBC (Instituto Bartolomé de Las Casas, Lima).

(25) Vgl. E. Klinger im Sammelband „Die globale Verantwortung“, dort u.a.: „Die katholische Kirche steht im Zeitalter der  Globalisierung vor  dem Problem ihrer  Katholizität... Sie  hat  auf dem Zeiten Vatikanum die institutionellen Voraussetzungen für sie geschaffen; denn es sagt von der Kirche, dass sie eine Gemeinschaft der Gottes- und der Nächstenliebe ist, ein messianisches Volk, das Volk Gottes in Christus, das sich auf den Weg durch die Geschichte befindet und die Menschheit in eine Familie Gottes umgestalten will“ (S. 228).

(26) „Santo Domingo - Herausforderung an die Kirche Lateinamerikas“;  91. Deutscher Katholikentag Karlsruhe, Forum am 18. 6. 1992. Offizielle Übersetzung der Veranstalter. Archiv St. Martin, Dortmund.

(27) Fuchs, Ottmar: Auf dem Weg zu einer lokal und global geschwisterlichen Kirche. In: Lebendiges Zeugnis 55 (2000). S. 219-227.

(28) Knecht, Willi: „Welche Schuld(en) hat sie?“ In: Katholisches Kirchenblatt Ulm/Blautal, Nr. 19, 49. Jahrgang, 9. Mai 1999. Anlass des Artikels war die weltweite und vom Papst unterstützte Kampagne zum Erlass der Auslandsschulden für die ärmsten Länder anlässlich des Jubeljahres 2000. Ich wurde von der Ulmer Kirche gebeten, einen Artikel darüber zu schreiben. Es ging darum, auf verständliche Weise das Problem der Verschuldung deutlich zu machen und Möglichkeiten aufzuzeigen, was konkret getan werden kann (auch als Lernfeld: Weltwirtschaft, öffentliche Aktionen und Informationen, praktizierte Verantwortung, Option. Aussage: wir ist nicht ohnmächtig, sondern wir können etwas tun). Prof. Elmar Klinger wollte diese "Erzählung" nicht für die Dissertation akzeptieren (hat es dann aber doch - mit Punktabzug!) weil ein einfaches Pfarrblatt - wie er meinte - nichts in einer wiss. Arbeit zu suchen hätte - ein Hinweis auf das Dilemma deutscher Theologie.

(29) Die  Position  des  Vatikans  in  der  Schuldenfrage ist  eine  sehr  moderate  Position  im  Vergleich zu  den Forderungen der meisten Nichtregierungsorganisationen und von kirchlichen Gruppen. Die einzelnen Positionen können hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden. Eine ausgezeichnete Arbeit leistet in dieser Frage die KAB Freiburg, unterstützt u.a., von der „Informationsstelle Peru e.V.“ In Peru wurde die Kampagne von CEAS, dem Sozialbüro der peruanischen Bischofskonferenz organisiert. Zwei Millionen Unterschriften in Peru sind ein unerwartet hohes Ergebnis. Bei CEAS wird dieses Ergebnis als größter Erfolg der Partnerschaftsarbeit zwischen deutschen und peruanischen Gemeinden, unterstützt von der Erzdiözese Freiburg, angesehen.

(30) Diese Problematik wurde bereits in dem Artikel „Anspruch und Wirklichkeit“ im Sammelband „Die globale Verantwortung“ behandelt (S. 161 - 219). Als Ergänzung dienen einige weitergehende Überlegungen, die auf dem Fidei-Donum-Treffen vom 27. 2. - 6. 3. 2002 in Lima im März 2002 von mir vorgetragen wurden (hier nur als Aufzählung der Stichworte). Obwohl alle Priester im Auslandseinsatz es in ihrer Arbeit mit Beziehungen zur Heimatkirche, mit Spenden, Kommunikation und Partnerschaft zu tun haben, ging es zum ersten Mal auf einem solchen Treffen um dieses Thema. Ich wurde zu diesem Treffen als Referent eingeladen, um über die Ergebnisse der Studie über die Partnerschaften zu referieren und zu diskutieren. Folgende Punkte konnte ich vortragen:

(31) Fuchs, Ottmar: Auf dem Weg zu einer lokal und global geschwisterlichen Kirche. In: Lebendiges Zeugnis 55 (2000) 219-227.