Die Goldmine Yanacocha

a) Grunddaten zu Yanacocha
b) Die Arbeit der Mine im gesellschaftlichen Kontext (Wirtschaft, Politik)
c) wirtschaftliche Struktur und soziale Daten im Kontext der Minenarbeiten
d) Die Versprechungen der Mine - exemplarisch für die neoliberale Ideologie

Das Gold von Cajamarca ist eine entscheidende Ursache für die Armut in Cajamarca. Auf der Suche nach Gold sind die Europäer bis in die letzten Winkel der Erde vorgestoßen und haben dabei ganze Völker in den Abgrund gestoßen. Es war die Suche nach den vermuteten sagenhaften Goldvorkommen, weshalb spanische Söldner schließlich auch nach Cajamarca kamen und das mächtige Reich der Inkas im Handstreich zerstörten. Es war das Gold, das die Europäer nach Amerika trieb und die Eroberungszüge innerhalb Amerikas wurden von der Suche nach dem Gold geleitet. „Von hier aus nach Norden geht es nach Panama und damit in die Armut und hier geht es nach Peru, wo man reich werden wird. Jeder möge auswählen, was ihm am meisten behage“ (1). So stellte Pizarro seine Truppe vor dem Beginn der Eroberung des Inkareiches vor die Wahl, die zögerte, noch weiter in die unbekannten Länder des Südens vorzustoßen.

Gold steht als Sammelbegriff für alle Reichtümer, als Inbegriff aller Schätze dieser Welt. Spanische Theologen des 16. Jahrhunderts bezeichneten das Gold als ein Geschenk Gottes, der in seiner göttlichen Vorsehung die heidnischen Völker mit großen Goldvorkommen ausgestattet hat, damit auf diese Weise die Christen den Weg zu diesen Völkern finden, um sie zu taufen und sie so vor der Hölle zu bewahren. Die Heiden verdanken demnach ihr Seelenheil dem Gold und die Christen verdanken ihren sehr irdischen Reichtum ebenfalls dem Gold (2).

Cajamarca ist ein geschichtlich einzigartiger Ort, an diesem Ort verdichtet sich die globale Geschichte der Eroberung und Zerstörung. Um des Goldes willen kamen die Europäer und mit ihnen das Evangelium nach Cajamarca und wegen der Goldminen von Cajamarca haben die Menschen heute angeblich eine erneute Chance auf ein besseres Leben. Cajamarca steht für alle Orte dieser Welt, die seit Beginn der Neuzeit von den Europäern erobert und anschließend „zivilisiert“ wurden. Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende. Über Jahrhunderte diente Cajamarca, wie andere Orte in der Dritten Welt, als Quelle des Reichtums für die Europäer.

Mit der Entdeckung und der Erschließung großer Goldvorkommen bei Cajamarca schließt sich der Kreis. Werden auch diesmal die Fremden die alleinigen Nutznießer sein, oder werden diesmal die Menschen von Cajamarca einen Anteil an den „Gütern der Schöpfung“ erhalten, auf die alle Menschen in gleicher Weise einen rechtmäßigen Anspruch haben?

a) Yanacocha (3)

Gerade als es schien, dass die Zeit der Gold- und Silberminen in Cajamarca nun zu Ende gehen würde, geriet Cajamarca erneut in den Brennpunkt des Interesses. Auf der Hochebene im Norden von Cajamarca wurde bereits Ende der siebziger Jahre ein Goldgehalt von 1-1½ Gramm pro Tonne Gestein festgestellt. Bis dahin galt aber nur der Abbau bei einem Gehalt von mindestens 10 Gramm Gold pro Tonne Gestein als rentabel. Erst als die „Newmont Mining Company“ mit neu entwickelten Technologien auf den Plan trat und starkes Interesse zeigte, geschah alles sehr schnell. Am 8. November 1992 erschien ein Artikel in der New York Times, in dem der Geschäftsführer von Newmont überschwänglich von den Chancen der neu eröffneten Mine sprach und hinzufügte: „Niemals zuvor erlebten wir eine so starke Hilfe und geradezu Euphorie seitens einer nationalen Regierung. So schnell hätten wir nie in den USA, und vermutlich in keinem anderen Teil der Welt, eine Genehmigung zum Abbau erhalten“ (4).

In Rekordzeit wurde die Mine in Betrieb gesetzt. Am 23. Juli 1992 wurden in Anwesenheit des peruanischen Präsidenten Fujimori offiziell die Vorbereitungsarbeiten für den Betrieb der Mine eröffnet. Im August 1993 konnte mit dem Abbau des Goldes begonnen werden. Bis 1997 wurde in drei weiteren Sektoren mit dem Abbau des Goldes begonnen, im November 1997 begann Yanacocha Nord mit der Produktion. Das Zentrum der Minen liegt etwa 45 km nordöstlich von Cajamarca auf einer Höhe von 3.800 - 4.200 m und umfasst ein Gebiet von 2.000 ha. Bereits Mitte der neunziger Jahre bestanden Pläne für die Erweiterung auf 25.000 ha. Auf diesem Gebiet entspringen die drei Flüsse, die für die Wasserversorgung von Cajamarca und Bambamarca von entscheidender Bedeutung sind.

Die Hochebene oberhalb von Cajamarca ist naturgemäß dünn besiedelt. Intensiver Ackerbau ist nicht mehr möglich. Auch die Flächen, die als Weideland genutzt werden, sind sehr karg. In den letzten Jahrzehnten wurde die Hochebene dennoch immer mehr zum Siedlungsgebiet von Campesinos, die aus den tiefer gelegenen und übersiedelten Zonen auf die Hochebene zogen, um neue Lebensräume für ihre Familien zu schaffen. Viele dieser Familien mussten 1992 zuerst tatenlos zusehen, wie auf ihren Weideflächen Planierraupen begannen, Erde abzuräumen, Straßen anzulegen etc. Bereits vorher schon wurden auf den Weideplätzen Probebohrungen mit schwerem Gerät durchgeführt, Weideflächen wurden zerstört - ohne die Campesinos um Erlaubnis zu fragen und ohne offizielle Genehmigungen der städtischen Behörden.

Als einige Campesinos protestierten, drohte man ihnen mit Enteignung und Vertreibung. „Vor diesem Hintergrund versuchten die Goldfirmen auch günstig an das Land der Campesinos zu kommen. Sie nutzten dabei die Unwissenheit der Campesinos aus und setzten auch die genannten Druckmittel ein. Derart eingeschüchtert verkauften einige Campesinos ihr Land zu einem Spottpreis von 100 Soles/Hektar (was damals ca. 85 DM entsprach!). Damit war aber weder das Überleben in der Stadt gesichert, noch war es möglich, anderweitig neues Ackerland zu kaufen. Für die betroffenen Campesinos führte und führt dies direkt in die Verelendung“ (5)..

87,8% des betroffenen Landes war Weideland, auf den übrigen 12,2% wurden vor allem Gerste und Kartoffeln angebaut. Diese Campesinos lebten folglich hauptsächlich von der Viehwirtschaft. Durch den erzwungenen Verkauf des Landes mussten sie auch ihr Vieh verkaufen und sie verloren damit ihre einzige Lebensgrundlage. Die dabei erzielten Beträge reichten gerade aus, um mit ihren Familien am Stadtrand von Cajamarca für maximal sechs Monate das Überleben zu sichern. In dieser Situation wandten sich die Campesinos an die „Vicaría de Solidaridad“ (Menschenrechtsbüro der Diözese) mit der Bitte, ihre Interessen gegenüber der Mine zu vertreten.

In einem Aufruf wendet sich die Vicaría (damals verantwortlich: Marco Arana)6 an die Öffentlichkeit, die Zeitungen hatten eine Veröffentlichung abgelehnt: „Die Campesinos berichten folgende Details: Für besagte Grundstücke sei die Mine bereit, 60 Soles pro ha zu zahlen. Es sei ratsam, dies im Guten zu akzeptieren, denn andernfalls würden sie vor Gericht gehen, wo die Campesinos auf jeden Fall verlieren würden, zumal viele von ihnen noch nicht einmal Besitztitel und einen Rechtsanwalt hätten. Als sie sahen, dass ihr Weinen und Betteln nichts an der Position der Minenvertreter änderte, beschlossen sie, Beschwerdebriefe an den Gemeinderat von Cajamarca und an die Präfektur zu richten; sie stellten sogar einen Antrag an die Staatsanwaltschaft in Cajamarca. Sowohl der Gemeinderat als auch die Präfektur zogen es vor, zu schweigen.

Die Staatsanwaltschaft machte den Campesinos anfangs Hoffnungen, doch nachdem eine Woche später ein entsprechendes Gutachten angefertigt worden war, sagte sie ihnen, man könne nichts machen, das Recht sei auf der Seite der Minen und es bleibe ihnen nur übrig, ihr Land zu verkaufen und zu einer Übereinkunft mit den Minenbetreibern zu kommen“ (7). Erst nachdem sich die Campesinos an die Kirche gewandt hatten und der zitierte Aufruf an Teile der Öffentlichkeit gelangte, bot die Mine den Familien eine Entschädigung an.Diese lag nach Auffassung der Mine weit über dem offiziellen Preis für die Grundstücke. Der offizielle Schätzpreis laut städtischem Grundbuch pro Hektar lag bei 50 Soles (1992, damals 25 Dollar). Die Mine bot danach pro Hektar 120 - 150 Soles.

Die Campesinos konnten und wollten nicht verkaufen, weil dieses Land ihre Lebensgrundlage war. Zum Vergleich: ein Ochsengespann kostete damals umgerechnet 1.300 Dollar, ein ha Land in tiefer gelegenen Zonen 1.000 Dollar. Die Campesinos forderten einen Preis von mindestens 500 Dollar pro ha und einen von der Mine finanzierten Landtausch. Die genannten Familien waren im Vergleich zu der Mehrheit der Campesinos in dreifacher Hinsicht privilegiert: das Land war auf ihren Namen eingetragen, sie gehörten zu den größten Grundbesitzern (bis etwa 50 ha) und sie hatten Zugang zur Vicaría. Der Landbesitz von 80% aller Campesinos von Porcón wie auch in anderen Zonen ist dagegen nicht im Grundbuch eingetragen. Dennoch betrachten sie das Land als ihr Land, weil bereits ihre Vorfahren auf diesem Land gearbeitet haben oder sie selbst es in Besitz genommen, d.h. genutzt haben, z.B. auf der Hochebene.

In einem Kommuniqué der betroffenen Campesinos heißt es 1993: „Und als Gipfel der Unverschämtheit geben sie uns auf rassistische Art und Weise zu verstehen, dass unsere Proteste und Forderungen falsch seien und dass wir Werkzeuge und Lampen aus den Gerätelagern der Mine stehlen würden. Sie behandeln uns, als wären wir Kinder, die nur dann protestieren, wenn man uns dazu aufhetzt. Sie sagen uns, dass sie uns den marktüblichen Preis für unser Land bezahlt hätten.

Wir haben in verschiedenen Institutionen nachgefragt und dort haben sie uns gesagt, dass der Marktpreis der Preis ist, den man in freiem Aushandeln z.B. mit dem Nachbarn zu zahlen bereit ist bzw. den wir uns untereinander bezahlen würden. Wer aber von uns würde seinem Nachbarn sein Grundstück für den Preis von 100 Soles pro ha verkaufen - nicht einmal in einer großen Zwangslage würden wir eine solche Torheit begehen. Und wer von uns würde - um etwas vom Nachbarn zu kaufen - mit Polizei, Rechtsanwälten und Staatsanwälten anrücken, um den Nachbarn zu erschrecken? Möglicherweise werden sie Einigen von uns aufgrund dieses Protestes Arbeit anbieten, so wie sie es mit anderen Campesinos gemacht haben, die sie dann nach zwei Wochen wieder hinausgeworfen haben“ (8).

In der Stadt Cajamarca wurden die Tätigkeiten der Mine anfangs (1993) zwar zwiespältig, aber dennoch mehrheitlich mit viel Vertrauen in eine bessere Zukunft aufgenommen. Zwar wurde schon 1993 ein Anstieg der Lebenshaltungskosten weit über dem Landesdurchschnitt registriert, die Kriminalität nahm spürbar zu und immer mehr Fremde kamen in die Stadt.

Aber die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft überwogen. Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte Cajamarcas, die aus der Sicht der Städter mit der Ankunft der Spanier begann, könnte es möglich werden, dass der Reichtum von Cajamarca auch den Menschen von Cajamarca zugute käme - so die Hoffnung. War man auch realistisch genug, zu sehen, dass auch dieses Mal für die Ausländer ein Großteil des Gewinns abfallen würde, so setzte man doch Hoffnung zumindest in die „Goldsteuer“, den Canon Minero, der laut peruanischem Gesetz bis zu 35% des Reingewinns beträgt und wovon der jeweiligen Region 20% zusteht.

Bereits 1993 waren folgende Zahlen im Umlauf: Bei einem Reingewinn der Mine im ersten Jahr von 200 Millionen Dollar, müssten demnach mindestens acht Millionen Dollar an Steuern für Cajamarca abfallen (9). Man rechnete mit steigenden Gewinnen, steigenden Steuereinnahmen und vor allem damit, dass diese Einnahmen zur Bekämpfung der strukturellen Armut verwendet und dies zu einer Erhöhung der allgemeinen Lebensqualität führen würde - nicht nur kurzfristig, sondern auch für die kommenden Generationen.

Doch unabhängig von dem Willen der zentralen Regierungsstellen, den entsprechenden Anteil der Steuereinnahmen den betroffenen Regionen zukommen zu lassen oder auch nicht, stand dieser Hoffnung bereits seit Beginn ein übermächtiges Hindernis im Wege: Im Rahmen der Bedingungen des IWF zur Sanierung des peruanischen Staatshaushalts musste die peruanische Regierung ein Abkommen unterzeichnen, in dem festgelegt wird, dass Steuereinnahmen aus ausländischen Investitionen nicht auf einzelne Regionen verteilt werden dürfen, sondern für Zinszahlungen verwendet werden müssen. Dieses internationale Abkommen steht über dem nationalen Recht.

Seit 1999 hat Newmont, inzwischen größter Goldminenbesitzer der Welt, einen Anteil von 51,35%, Buenaventura besitzt 43,65% und der IFC (eine Tochtergesellschaft der Weltbank) 5%. der Goldmine. Das Konsortium investierte in den ersten beiden Jahren 55,6 Millionen Dollar und bereits bis Ende 1994 konnten die Investitionskosten mehr als amortisiert werden. Im ersten Produktionsjahr 1993 (ein halbes Kalenderjahr) wurden 2.800 kg Gold gewonnen, 1994 waren es bereits 9.500 kg. 1997 wurden pro Arbeitstag 90 Kilo reines Gold gewonnen (32.850 im Jahr) und der Reingewinn betrug im gleichen Jahr 349 Millionen Dollar (10). Davon wurden 50,3 Millionen Dollar an Steuern abgeführt. 1998 betrug die Goldproduktion 41.350 kg, das sind 44% der gesamten Goldproduktion in Peru.

War 1993 für das Jahr 2000 ein Gewinn von 175 Millionen Dollar prognostiziert worden, so hat der Ertrag die Vorhersage bereits 1997 um mehr als 100% übertroffen. 1999 wurden bereits 122 Kilo reines Gold täglich gewonnen (das entspricht brutto etwa einer Milliarde Dollar im Jahr). Der Goldabbau bei Cajamarca durch Yanacocha S.A. ist der effizienteste der Welt, d.h. er bringt den größten Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital (1997: 95 Dollar pro Unze; im Vergleich: 264 Dollar pro Unze in USA und Asien; 310 Dollar pro Unze in Südafrika). Insgesamt beliefen sich die investierten Kosten von 1992 bis 1999 auf 340 Millionen Dollar.

Diese Summe wurde den Anteilseignern zu sehr günstigen Zinsbedingungen überlassen: Vorzugskredite der Weltbank aus dem Fond für die Entwicklung unterentwickelter Zonen. Zudem sind Investitionen in Entwicklungsländer von der Steuer absetzbar, zum Teil gibt es gar noch staatliche Zuschüsse aus dem Etat Entwicklungshilfe, weil dadurch Arbeitsplätze in den armen Ländern geschaffen werden usw. (11). Peru gehört zu den sieben Ländern der Welt mit den größten Reserven an Bodenschätzen. An der Spitze liegt es mit seinen geschätzten Goldvorräten. In Peru liegen noch 30% der weltweiten Goldreserven, an Silber beträgt der peruanische Anteil 16% und an Kupfer 15% weltweit.

b) Die Arbeit der Mine im gesellschaftlichen Kontext (Wirtschaft, Politik)

Die Aktivitäten der Mine können nicht isoliert betrachtet werden. Sie sind auf dem Hintergrund der kolonialen Geschichte, den herrschenden Gesetzen des Weltmarktes, der Rolle der jeweiligen nationalen Regierungen, der damit verbundenen Diskriminierung des Hinterlands, der Sierra, der dort lebenden Menschen und der Ideologie eines angeblich stets wachsenden Wohlstands für alle zu sehen und zu werten. Zusammenfassend werden Verhaltensmuster aufgezeigt, die zu global geltenden Ordnungsvorstellungen gemacht wurden und die, davon abgeleitet, auch für die lokalen Verhältnisse in Cajamarca zutreffen:

  • Die Minenbetreiber haben seit Beginn nicht die Interessen der Campesinos und generell der einheimischen Bevölkerung berücksichtigt; diese wurden noch nicht einmal gefragt. Die Betreiber wurden dabei - sei es durch einzelne Personen, sei es strukturell aufgrund bestehender Gesetze - von staatlichen Stellen und lokalen Autoritäten nicht nur unterstützt, sondern sogar ermuntert. Es wurden z.B. Gesetze geändert oder einfach nicht angewandt, damit ausländische Investoren ihr Geld in einem armen Land anlegen können.
  • Es besteht eine strukturelle Vernachlässigung der Landwirtschaft und eine damit verbundene Bevorzugung vor allem ausländischer Investitionen im großindustriellen Bereich. Diese schon lange währende Vernachlässigung der Landwirtschaft zugunsten großer Industrieprojekte wird verstärkt durch die Schuldenkrise (die wiederum u.a. gerade dadurch entstand) und die damit verbundenen Auflagen des IWF, nach denen die Exportwirtschaft verstärkt werden muss und Subsistenzwirtschaft (zum Überleben) als Hauptübel gilt.
  • Der politische, wirtschaftlich und rassistisch bedingte Zentralismus in Peru verhindert eine Demokratisierung und Entwicklung des Landes. Und selbst wenn die Regierung in Lima wollte, dass staatliche Gelder auch den armen Regionen zugute kämen, wird dies durch Interventionen und Auflagen von außen verhindert. Eine nationale Regierung, auch wenn sie wirklich das Volk repräsentierte, ist nicht souverän. Die global herrschenden Finanzinteressen einer Minderheit sind daher nicht vereinbar mit Demokratie.
  • Die Gewinne der Mine und des peruanischen Anteileigners gelangen ins Ausland. Die sozialen Folgeerscheinungen trägt die jeweilige Region. Dies verschärft die bestehende Ungleichheit - sowohl international als auch in der betreffenden Region: einige Wenige in Cajamarca, wie z.B. Haus- und Hotelbesitzer, profitieren von der Existenz der Mine.
  • Im Zusammenspiel zwischen Minenbetreibern und staatlichen Stellen wird die betroffene Bevölkerung über bestehende Gefahren nicht nur nicht informiert, sondern unabhängige Organisationen werden bei der notwendigen Aufklärung behindert und Bürgerbewegungen kriminalisiert und z.B. wegen Aufruhr oder dem Stören der öffentlichen Ordnung angeklagt. Als wirkungsvollste Waffe erweist sich der massive Einsatz von Geld: Verantwortliche werden gekauft und ruhig gestellt. Vereinzelt gelingt dies auch bei Vertretern von Bürgerbewegungen und Campesinos.
  • Von offiziellen Stellen werden bei jeder Investition die Vorteile für die Region und die betroffenen Menschen gepriesen: neue Arbeitsplätze, wirtschaftlicher Aufschwung, bessere Infrastruktur, mehr Schulen und Krankenhäuser etc. Schlagworte im Kontext der Globalisierung wie Modernisierung, Fortschritt, Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit etc. genießen den Status der Unantastbarkeit.
  • Für die direkt betroffenen Menschen und besonders diejenigen, die sich am wenigsten wehren können, bedeutet der Goldabbau der Verlust ihres Landes, die Verschmutzung und eventuell Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen, eine allgemeine Verteuerung der Lebenshaltungskosten etc. Bildlich, manchmal auch wörtlich, gesprochen: die Menschen bleiben auf dem Müll sitzen, während die Mineneigentümer immer mehr Reichtümer anhäufen auf Kosten der Ärmsten.
  • Und wenn die Kirche, in die viele Menschen immer noch eine große Hoffnung setzen, als Anwalt der Menschen ausfällt oder gar zum Komplizen und Nutznießer der Ausbeutung wird, dann kommt neben der materiellen Verelendung auch die Gefahr einer seelisch-geistigen Verelendung und der Hoffnungslosigkeit.

Fazit
Bei den Goldminen um Cajamarca handelt es sich um die rentabelsten Goldminen der Welt im Verhältnis von Investitionen und Ertrag und der Gewinn der Minengesellschaft liegt im weltweiten Vergleich mit anderen großen Minengesellschaften an der Spitze. Aus dem Nichts heraus stieg Yanacocha S. A. innerhalb weniger Jahre in die Liga der zehn größten Goldminen der Welt auf (12). Gleichzeitig wird den Campesinos von Porcón, das Wenige, das sie haben, genommen.Die rechtmäßigen Eigentümer des Landes, das es seit Jahrhunderten bearbeiten, gehen leer aus, während Fremde die Reichtümer des Landes ins Ausland bringen.

Die Geschichte des Goldes von Cajamarca seit 1532 spiegelt die Mechanismen wider, die weltweit zu einem immer größer werdenden Gegensatz zwischen reichen und armen Ländern und auch innerhalb der einzelnen Länder zwischen reichen und armen Menschen geführt haben. Wirtschaftliche Interessen einiger Weniger stehen im Vordergrund, werden aber meist hinter humanitären oder auch religiösen Begründungen versteckt. Manche humanitäre oder religiöse Institutionen leisten dabei Schützenhilfe bzw. stehen selbst an vorderster Front und sind Nutznießer des Systems. So lautet die allgemein verkündete Lehre, die je nach Situation und Kontext in der Wortwahl variiert, dass die reichen und zivilisierten Völker den armen und „heidnischen“ Völkern Fortschritt und Zivilisation, Religion und Kultur bringen.

Dagegen steht ein Zitat des ehemaligen Bischofs von Cajamarca, José Dammert, der aus der Sicht der Opfer die Situation wahrnimmt und deutet: „Damit die ausländischen Investitionen auch zu einer wahrhaften Entwicklung der Region führen, müssen die Mechanismen so verändert werden, dass die Campesinos von Porcón selbst die Rahmenbedingungen der Entwicklung bestimmen. Ein abstraktes ‚wirtschaftliches Wachstum’ der Region genügt nicht. Was wir anstreben ist eine ganzheitlich menschliche Entwicklung, in der die Reichtümer der Erde, in diesem Fall das Gold, für eine bessere Erziehung, für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse, für eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Flächen und Anbaumethoden zugunsten derer genutzt werden, die bisher von jeglichem Fortschritt ausgeschlossen waren“ (13).

c) wirtschaftliche Struktur und soziale Daten im Kontext der Minenarbeiten

Die wirtschaftliche Struktur der Region ist bis heute geprägt von der Kolonialgeschichte. Vor der Eroberung durch die Spanier kannten die Bewohner von Cuismanco kein materielles Elend, zumindest nicht in organisierter und kollektiver Form Die neuen Herrscher interessierte zuerst, was sie aus Land und Leuten herausholen konnten, um es dann nach Spanien zu schaffen (14). Die Indios wurden konsequenterweise als Arbeitskräfte in den Minen und den Hazienden gebraucht, um diese Reichtümer zu erwirtschaften. Landwirtschaft und Bergbau waren die ertragreichsten Wirtschaftszweige.

Bis heute hat sich aus der Sicht der Betroffenen nicht viel geändert. Victor Chilón, der Bürgermeister von Porcón Alto, wo die Minengesellschaft 1993 mit der Ausbeutung des Goldes begann, musste bereits am Ende des gleichen Jahres feststellen: „Die Ausbeutung der Goldminen, die sich auf unserem Land befinden, ist für die Minengesellschaft ein Segen. Für uns, die wir dort leben, bleibt nichts. Die Gringos kommen und nehmen alles mit. Sie geben keine Arbeit und machen keine Arbeit zu unseren Gunsten. Es herrscht eine bittere Armut in unserem Porcón. Ich kenne Menschen, die praktisch nur noch vom Wasser leben“ (15).

Im Unterschied zu den vergangenen Jahrhunderten gibt es zwei auffällige Unterschiede: Die Masse der Menschen wird als Arbeitssklaven nicht mehr gebraucht; diese Menschen haben aber heute die Möglichkeit, ihre Stimme zu erheben und Verbündete für ihr Anliegen sogar in den Ländern zu finden, in denen die Besitzer und Aktionäre der Minengesellschaften leben.

Das Bruttosozialprodukt des Departements Cajamarca hat sich in den Jahren 1992 - 1996 verdreifacht. Dies ist besonders auf die Erträge der Goldminen zurückzuführen. Wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist, ob der statistisch festgestellte wirtschaftliche Aufschwung in der Region auch wirklich der Bevölkerung zugute kommt. Die Beantwortung dieser Frage wirft auch ein Licht auf den Wert und die Deutung von Statistiken. So hatte Peru 1999 mit über 9% Wirtschaftswachstum die höchste Wachstumsrate Lateinamerikas zu verzeichnen, gleichzeitig stieg die Zahl der absolut Bedürftigen16 von 12% (1997) auf 15% (2000), d.h. fast vier Millionen Peruaner haben nicht einmal die Chance, täglich satt zu werden.

Die Zahl der Armen ist im gleichen Zeitraum in Peru von 50,7% auf 54,1% gestiegen, das sind etwa 14 Millionen Menschen. „Als arm gilt, wer über die lebensnotwendige Basisernährung hinaus nichts mehr übrig hat für Ausgaben der Erziehung, Gesundheit, sauberes Wasser etc.“ (17).  Für Cajamarca selbst ist das Ergebnis noch niederschmetternder: Die Zahl der chronisch unterernährten Kinder hat im Departement Cajamarca zum ersten Mal die Marke von 50% überschritten (18). Im Departement Cajamarca leben inzwischen 51,7% aller Menschen unter dem von der UNO definierten Existenzminimum von 1 Dollar pro Tag.

Mit dieser Zahl liegt Cajamarca nun an der Spitze der Armutsskala in Peru. Die Zahl der Straßenkinder in der Stadt Cajamarca ist 1999 erstmals über die Marke von 2.000 Kindern gestiegen (19). Bis Ende 2002 geht man von 2.600 Straßenkindern aus. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen, dazu kommen Kinder, die nur zeitweise auf der Straße leben. Die Landwirtschaft der Region kann seinen Bewohnern immer weniger Nahrungsmittel zur Verfügung stellen. Immer mehr Nahrungsmittel müssen eingeführt werden und selbst der einzige Wachstumsbereich in der Landwirtschaft, die Milchwirtschaft, führt letztlich nur dazu, dass immer mehr Kinder auf Milchpulver aus den USA und der EU angewiesen sind. Denn die erhöhte Milchproduktion führt nicht dazu, dass die armen Kinder in den Genuss der frischen Milch kommen, sondern sie führt zu einer immer höheren Abhängigkeit der Kleinbauern von Nestlé bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Produktion von Grundnahrungsmitteln für den Eigenbedarf (20).

Die Minengesellschaft hat in den Anfangsjahren in der Tat neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Höchstzahl wurde im Jahr 1995 mit 4.500 Arbeitsplätzen erreicht, nicht mitgerechnet die nicht exakt ermittelbaren indirekten Arbeitsplätze (z.B. Hausangestellte für Ingenieure etc.). Es gab 440 feste Arbeitsplätze mit Arbeitsvertrag und Versicherung, die nahezu ausschließlich an auswärtige Spezialisten vergeben wurden, an Ingenieure und Bergbauspezialisten aus, Zentralperu. Durch die Aussichten auf Arbeit in der Mine sind aber aus den Küstenregionen nach Untersuchungen der Universität Cajamarca etwa 5.000 Menschen allein wegen der Mine nach Cajamarca gekommen, die nun zu über 90% in den rapide wachsenden Elendsvierteln um Cajamarca herum leben.

Dies führt u.a. zu einem Anstieg der Kriminalität. Der Druck auf den Wohnungsmarkt führt zu einem Anstieg der Mieten und der Preise für Baugrundstücke. So haben sich die Mietpreise zwischen 1994 und 1997 um über 300% erhöht. In Cajamarca liegen 1999 die Mietpreise für bestausgestattete Wohnungen bei etwa 7-8 Dollar pro m2, mehr als für eine vergleichbare Wohnung in Miraflores, einem Wohlstandsviertel in Lima. Selbst die Hotelpreise liegen um das Doppelte über den Hotelpreisen in der Touristikmetropole Cusco. Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Nachtbars in Cajamarca vervierfacht (21).

Die genannten Zahlen zur sozialen Verelendung und sozialen Veränderungen sind im Lichte der Tätigkeit der Goldminen zu sehen. Wenn man alle Zahlen berücksichtigt und in Beziehung setzt, muss man zu dem Schluss kommen, dass das steile Anwachsen des Bruttosozialproduktes in den letzten Jahren nicht zu einem menschenwürdigeren Leben der Mehrheit der Bevölkerung geführt hat, im Gegenteil. Die Versprechungen der Mine haben sich für die große Masse der Menschen nicht erfüllt.
Für den Zeitraum von 1993 bis 1999 lässt sich für Cajamarca zusammenfassend feststellen:

  1. Die Armut in Cajamarca hat wie in ganz Peru ein „indianisches Gesicht“.
  2. Die Kindersterblichkeit in Cajamarca (130 Todesfälle pro 1.000 Geburten) liegt um das Fünffache über dem nationalen Durchschnitt.
  3. In Cajamarca leben 51,7% der Bevölkerung in absoluter Armut. Dies ist die höchste Zahl in Peru (neuere Daten - wie gesehen - verstärken diesen Trend).
  4. Die Produktion von Grundnahrungsmitteln hat sich verringert. Auch die Produktion und der Verzehr von Fleisch haben sich verringert.
  5. Nach Aussagen von Wirtschaftsexperten (und von Vertretern der Mine selbst) ist die Mine der große Gewinner der „Revolution von Fujimori“ (der Entfesselung des Marktes). Die Masse der Bevölkerung ist die große Verliererin dieser neoliberalen Revolution.
  6. Das Wachstum, gemessen mit makroökonomischen Daten im Rahmen der Weltwirtschaft, führt nicht zu einer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zugunsten der Gesamtbevölkerung, sondern trägt zu deren weiteren Verarmung bei.
  7. Die Anwesenheit der Mine hat die Ungleichheit in der Bevölkerung vergrößert. Sie provoziert noch mehr soziale und moralische Verwerfungen und destabilisiert das gesellschaftliche Gesamtgefüge der Stadt und deren Umgebung.
  8. Abschließend aus der Presseankündigung zu dem neuen Buch über die Tätigkeiten der Minen in Cajamarca: „Allein mit der Ausbeutung in Cajamarca nimmt die Minera Yanacocha S.R.L. (MYSRL) den ersten Platz in der Goldproduktion Lateinamerikas ein. Aber Cajamarca ist noch mehr verarmt: vom ehemals viertärmsten Departements des Landes ist es zum ärmsten Departement in Peru geworden“ (22).

Intern sind den Betreibern der Mine die wirtschaftlichen Auswirkungen bekannt, denn sie wissen, wie Wirtschaft funktioniert: „Es ist bekannt, dass von allen Wirtschaftszweigen der Bergbau zwar die mit Abstand höchste Produktivität, dieser aber für den Bereich der Beschäftigung wegen seiner hohen Technologisierung kaum Bedeutung hat (nur 1% der Beschäftigten der Region). Die hohe Produktivität hat auch deswegen keine signifikante Auswirkung auf die Einkommen und den Lebensstandard der Bevölkerung. Mag das Wachstum in diesem Sektor auch noch so stark ausfallen, wenn nicht auch gleichzeitig die übrige Wirtschaft wächst, werden sich die Gewinne der Mine nicht positiv auf die Region auswirken“ (23).

Ergänzend ausgewählte Daten aus den neunziger Jahren (1992 - 1999) (24):

65,5 % der schulpflichtigen Kinder zwischen sechs und neun Jahren gelten als unterernährt, in ganz Peru: 48,3%. Nach den gleichen Quellen liegt die Kindersterblichkeit bei 62,4 auf 1.000 geborene Kinder. Auf dem Land dürfte die Kindersterblichkeit erheblich höher sein. Nach Erfahrungen der Mitarbeiter Bischof Dammerts und eigenen Befragungen hat eine Frau im Durchschnitt neun Geburten. Auf die Frage, wie viele Kinder sie hat, pflegt sie dann zu antworten: „Neun Geburten und sechs lebende Kinder“.

Diese Zahlen werden deshalb nicht korrekt statistisch erfasst, weil die „Erfasser“ oft keinen vertrauensvollen Zugang zu den Campesinos haben und sie nicht alle Geburten und vor allem nicht sehr frühe Todesfälle erfassen können. Der Anteil der Analphabeten liegt bei 27, 2% (1961: 54%).25 93,7% aller Bewohner des Departements Cajamarca und 83,9% aller Peruaner haben keinen erlernten Beruf. Da es keine mit Deutschland vergleichbare Berufsausbildung und Berufsschulen gibt, handelt es sich bei den erlernten Berufen in der Regel um akademische Berufe, wobei die Lehrer den größten Anteil stellen, danach Anwälte und Ingenieure (26).

Bei stetig steigender Bevölkerung, die aber auf dem Land nicht mehr signifikant ist und durch Landflucht weitgehend ausgeglichen wird, ist die landwirtschaftliche Produktion 1998 in Cajamarca auf einen Tiefstand, bezogen auf den Anteil am Bruttosozialprodukt, gefallen. Allein die Milchproduktion erzielte ein Wachstum von 56,2% von 1992 bis 1998, ohne dass dies zu einem höheren Konsum von Milch unter den Armen geführt hätte, im Gegenteil. Neben der Produktion von Kartoffeln, Mais, Getreide und anderen traditionellen Produkten ist auch der Tierbestand in den neunziger Jahren erheblich gesunken. So ist der Bestand von Schweinen von 322.000 auf 225.000 Tiere gesunken, bei Schafen, Hühnern, Ziegen, Meerschweinchen etc. ist die Relation ähnlich.

Wenn man alle Zahlen in Beziehung setzt, muss man zu dem Schluss kommen, dass das rasante Anwachsen des Bruttosozialprodukts in den letzten Jahren nicht zu einem menschenwürdigeren Leben der Mehrheit der Bevölkerung geführt hat, im Gegenteil. Dies hat etwas (aber nicht ausschließlich) mit den Tätigkeiten der Goldmine zu tun. Auf jeden Fall bestätigen die Daten, dass die Versprechungen und Verheißungen der Goldmine sich nicht erfüllt haben und sich auch kaum erfüllen lassen.

Die vorliegenden Daten, mehr noch die Erfahrungen der Menschen, bestätigen die Aussage von Leónidas Proaño, verstorbener Bischof von Riobamba, „Bischof der Indios“ und mit Bischof Dammert eng befreundet: „Der Kapitalismus ist kalt, kalt wie alles, das aus Metall ist. Es interessieren ihn weder die Menschen noch die Völker. Es interessieren ihn allein die Gewinne. Menschen und Völker interessieren ihn nur in dem Maße, in dem sie ihm Gewinne versprechen. Um Gewinne verschlingen zu können, verschlingt er Menschen und Völker. Er ist kalt, er hat kein Herz. Unser Land, wie viele andere Länder in Lateinamerika, ist schon seit langem in die Klauen dieses Monsters gefallen. Wir hängen auf vielfältige Weise von ihm ab. Wir sind sein Spielzeug“ (27).

d) Die falschen Versprechungen der Mine - exemplarisch für die neoliberale Ideologie

Im Folgenden werden die fünf am weitesten verbreiteten Heilsverheißungen („Dogmen“) des neoliberal-globalen Wirtschaftssystems in ihrer Konkretisierung am Beispiel der Goldminen von Cajamarca vorgestellt und auf dem Hintergrund der Erfahrungen in Cajamarca auf die Probe gestellt. Wenn man es mit der Option für die Armen ernst meint, dann ist zuerst von ihrer konkreten Lebenswirklichkeit auszugehen, wie diese sie selbst deuten und welche Folgen sie erleiden müssen. Es ist die Perspektive der Opfer.

1. „Die Bergbauunternehmen (wie alle Unternehmen) dienen der Entwicklung der Region, in der sie tätig werden“.

In Cajamarca wurde den Comunidades versprochen, dass sie durch die Investitionen der Mine die Chance erhielten, Anschluss an die moderne Zeit zu finden. Neue Straßen, Schulen, Arbeitsplätze usw. wurden für die Campesinos in Aussicht gestellt. Um beim Beispiel des erwähnten Campesinos zu bleiben: durch das Auftreten der Minengesellschaft können nun bald viele Campesinos einen Radiorekorder kaufen. Dadurch werden sie im eigentlichen Sinne zu modernen Staatsbürgern (28). Nun ist es aber Ziel jedes Unternehmens – erst recht wenn es wie Newmont Mining an der Wallstreet, notiert ist - mit möglichst wenig Einsatz möglichst viel Gewinn zu machen.

Die Rangliste der Topunternehmen, auch an der Börse in Lima, wird nach den Kriterien des Shareholder Value bzw. des Verhältnisses von Investition zu Ertrag aufgestellt und nicht nach dem Kriterium Investition zu Sozialleistungen. Nach dieser These können logischerweise alle diejenigen, die z.B. gegen die Ausweitung der Minentätigkeiten und für mehr Umweltschutz eintreten, leicht als „Feinde des Fortschritts“ gebrandmarkt werden, die letztlich das Wohl der Gesamtheit aus klein kariertem Denken heraus gefährden (29).

Im Zusammenhang mit der genannten These wird in Cajamarca als weiteres Argument genannt, dass durch neue Investitionen und Industrieansiedlungen der Wettbewerb in der Region gefördert wird, was wiederum zu einem allgemeinen Wirtschaftsaufschwung in der Region führen wird. Mag dies in bereits dicht industrialisierten Gebieten in der Ersten Welt (z.B. in Sachsen) zutreffen oder auch nicht - in Cajamarca kann jedenfalls davon keine Rede sein. Wie auch noch im Falle der versprochenen Arbeitsplätze zu sehen sein wird, führt die Existenz der Mine in der Region Cajamarca nicht zu einem Aufschwung z.B. in der Zuliefererindustrie, im Handwerk etc., sondern zu einer Verknappung der Ressourcen und damit zu einer erheblichen Verteuerung. Eine Gesamtkonzeption für die Entwicklung der Region könnte dies verhindern bzw. in konstruktiver Zusammenarbeit mit der Mine könnten bestimmte Impulse und Anreize geschaffen werden, doch weder Mine noch staatliche Stellen haben daran ein Interesse.

2. „Die modernen Bergbauunternehmen liegen auf die Erhaltung der Umwelt größten Wert“.

In Wirklichkeit gilt: Die Zerstörung der Natur ist der Preis für den Fortschritt. Die bei Cajamarca angewandte Abbaumethode ist zwar eine der modernsten der Welt und die Investitionen in entsprechende Schutzmaßnahmen sind höher als in alten Bergwerken. Die Unternehmen investieren mehr in Umweltschutzmaßnahmen. Dies geschieht unter dem internationalen Druck der Öffentlichkeit und von Regierungen, die hohe Schadensersatzforderungen im Falle einer Katastrophe stellen. Für Unternehmen ist es rentabel und Image fördernd geworden, ein Minimum in Umweltschutz zu investieren und ein Maximum an Propaganda daraus zu machen.

Über den Widerspruch zwischen Propaganda und Realität ist noch zu berichten. Im Übrigen gilt auch hier, dass Investition und Profit im rechten Verhältnis stehen müssen. So kann in Cajamarca ein radikaler Wandel in der Öffentlichkeitsarbeit der Goldmine festgestellt werden. Das gesamte Personal der Presse - und Marketingabteilung der Mine wurde bis zum Jahr 2001 ausgewechselt. Nach den seit 1999 immer stärker werdenden Protesten gegen die Mine geht diese nun in die Offensive und erklärt sich selbst zum obersten Beschützer der Natur (siehe Homepage der Mine, ebenso etliche Werbeprospekte etc.) (30).

3. „Die Investitionen von Unternehmen bzw. deren Ansiedlung in der Region schaffen neue Arbeitsplätze“.

Die Erfahrungen in allen Teilen der Welt sprechen dafür, dass Unternehmen nicht zuerst das Wohl oder die Arbeitsplatzsicherheit der Beschäftigten im Auge haben. Auch der Papst klagt dies immer wieder an und mahnt in den Sozialenzykliken, dass der Mensch im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen sollte. Vielmehr zeichnet sich ein erfolgreiches Unternehmen gerade dadurch aus, dass es mit möglichst wenig Personal ein Höchstmaß an Effizienz erreicht und von den Beschäftigten werden als besondere Tugenden Flexibilität und bedingungslose Leistungsbereitschaft erwartet. Dieser Aspekt wird noch verschärft durch die seit dem Jahr 2000 anhaltende weltweite Finanzkrise.

Auch der Goldabbau bei Cajamarca wird mit der derzeit modernsten Technologie betrieben. Dies ist umso bemerkenswerter in einem sozialen Umfeld, in dem eine Masse von billigen Arbeitskräften zur Verfügung steht. In anderen Industrien (z.B. Textilindustrie) wird dies als Standort- und Wettbewerbsvorteil intensiv genutzt (31). Beim Goldabbau werden aber nur wenige Menschen benötigt. Gewaltige Maschinen fressen sich durch die Berge, und die Planierraupen und Lastwagen zum Abtransport werden von speziell geschulten Fahrern gesteuert, die nicht aus der Region kommen.

Einige Campesinos arbeiten in der Instandhaltung der Straßen und bekommen dafür etwa 70 Dollar im Monat bezahlt. Die Konkurrenz um die wenigen Arbeitsplätze ist natürlich sehr groß und wer dennoch eine Arbeit bekommt, darf sich zu den Auserwählten zählen. In der Mine selbst arbeiten neben den meist ausländischen Ingenieuren mit einem Jahresgehalt von etwa 50.000 Dollar noch einige erfahrene Minenarbeiter aus den traditionellen Bergwerkzentren aus dem zentralen Hochland von Peru (Cerro de Pasco).

Da die Minengesellschaft viele Arbeiten an Subunternehmen vergibt, u.a. an Züblin, Chile/Deutschland, ist es nahezu unmöglich, die Mine selbst für bestimmte Missstände verantwortlich zu machen. Eine Organisation der Beschäftigten ist von vorneherein ausgeschlossen und die wenigen Frauen, die für Küche und Reinigungsarbeiten gebraucht werden, werden eigenhändig (d.h. die Ingenieure, nicht Ärzte - legen Hand an) z B. auf heimliche Schwangerschaft untersucht. Frauen sprechen zwar in vertrauensvollen Gesprächen von sexuellem Missbrauch vor allem seitens der aus Zentralperu verpflichteten Facharbeiter, sie trauen sich aber nicht, diesen Missbrauch öffentlich zu machen.

4. „Wenn die Unternehmen gute Gewinne machen, kommt dies allen Menschen, besonders aber den Armen zugute“.

Diese Verheißung ist eine der ältesten Verheißungen, und sie stand bereits am Anfang der industriellen Revolution. Mögen bei Adam Smith vor dem anbrechenden industriellen Zeitalter noch humanitäre - liberale Motive eine Rolle gespielt haben, so ist die ständige Wiederholung dieses Wirtschaftsdogmas angesichts steigender Armut und zunehmender „Freisetzung von Arbeitskraft“ purer Zynismus. So wurden z.B. den Campesinos von Combayo zu Beginn des Jahres 1993 dreißig Dollar pro ha Land angeboten. Dieses Angebot war begleitet von der Drohung, wenn sie ihr Land nicht verkaufen, würde es vom Staat ohne Entschädigung enteignet werden, denn die Gesetze seien auf der Seite der Mine.

Zudem wurde den Campesinos dieser Comunidad versprochen, dass alle in der Mine Arbeit finden würden, wo sie viel mehr verdienen würden als je zuvor. Die Campesinos verkauften ihr Land. Doch nur acht Campesinos fanden Arbeit in der Mine (Straßenbau) - ohne Arbeitsvertrag, einem Subunternehmer ausgeliefert, mit einer Arbeitszeit von 6.30 - 16.30 (20 Minuten Mittagspause), einem monatlichen Lohn von 100 Euro (zu Arbeitsbeginn waren 350 DM versprochen worden). Essen und Unterkunft mussten teuer bezahlt werden, der Lohn wurde in Essensgutscheinen ausgezahlt, eine Versicherung wurde trotz Versprechen nicht abgeschlossen.

Sie protestierten, dass sie kein Geld ausgezahlt bekämen, sondern ihnen stattdessen Schulden angeschrieben würden, weil ihre Essensrechnung höher sein sollte als der ihnen zustehende Lohn. Daraufhin wurden sie nach 18 Monaten Arbeit ohne Urlaub und ohne jede Bezahlung entlassen, die Schulden wurden ihnen wenigstens großzügig erlassen. Durch die harte körperliche Arbeit in über 4.000 m Höhe und einer nicht ausreichenden Verpflegung, vor allem Mangel an Flüssigkeit, sind viele krank geworden, ein Arzt ist für sie nicht erreichbar.

Heute leben über die Hälfte dieser Familien von Combayo am Stadtrand von Cajamarca imElend und auch die übrigen Familien leben in größerer Armut als zuvor. Wenn eine Studie (1998) der „Organisation der amerikanischen Staaten“ (OEA) feststellt, dass im Jahre 2000 die Mehrheit der Lateinamerikaner ärmer sein wird als 1980, so bildet Cajamarca - trotz oder wegen der Mine - keine Ausnahme, wie später noch zu sehen sein wird (32). Selbstverständlich gibt es auch einige Familien in Cajamarca und sogar einige Campesinos, die durch die Anwesenheit der Mine profitiert haben.

Solche Beispiele werden dann immer als Beleg dafür herangezogen, dass der Mythos tatsächlich funktioniert und kein Mythos ist, sondern Realität - ein derartiger „Beweis“ ist vergleichbar mit dem „Beweis“ der Existenz Gottes durch Wunder. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der erfolgreiche Campesino XY besonders clever war: leistungsbereit, risikobereit, flexibel, aufgeschlossen für die Moderne etc., während die anderen eben nicht ihre Chance zu nutzen wussten.

5. „Die Unternehmen legen Wert darauf, zu den Kommunen und Bürgern gute Kontakte zu pflegen und das soziale und kulturelle Leben der Bürgerschaft zu fördern“.

Dieser Mythos wird besonders in der US- amerikanischen Gesellschaft gepflegt. Yanacocha S.A. als das profitabelste Bergwerksunternehmen Perus und unter den Top 10 der Goldabbauunternehmen der Welt, legt auch in Cajamarca Wert auf ein soziales Image (33). Dies wird gepflegt in engem Kontakt mit den Honoratioren der Stadt und der Kirche, durch Stiftungen an Schulen (Computerausrüstung), an die Kirche (Bischof) und an das Krankenhaus (neue Geräte). Auch zu den Medien bestehen gute Kontakte, und es werden kulturelle Events gesponsert. Deshalb hat die Mine einen guten Ruf bei den einflussreichen Familien der Stadt. Einladungen und Empfänge mit den ausländischen Ingenieuren sind glanzvolle gesellschaftliche Ereignisse.

Was wirklich in den Minen geschieht, vor allem was mit den Campesinos und den Arbeitern geschieht, spielt bei diesen gesellschaftlichen Events keine Rolle. Die Mine hat zudem das Informationsmonopol in allem, was die Mine betrifft. Selbst wenn einige der Wohltaten der Mine tatsächlich den Ärmsten zugute kommen sollten, dann liegt dies in der alten und bewährten Tradition karitativer Tätigkeiten, die den Menschen nun ein Pflaster reichen für die Wunden, die sie ihnen selbst vorher zugefügt haben.

Die Campesinos von Combayo und Porcón gehören wohl nicht zu den Bürgern, mit denen man gute Kontakte pflegen muss. Als die Präsidentin der nationalen Kommission für Menschenrechte, Sofía Macher, die Campesinos besuchte und kurz danach am 1. 7. 1998 die Augenzeugenberichte der Campesinos im TV-Programm in Lima erschienen, wurden wenigstens einige Bürger in Cajamarca wachgerüttelt, denn was die Campesinos zu berichten hatten, war ihnen nicht bekannt, obwohl dies täglich vor ihrer Haustür geschieht. Wenn es aber im TV aus Lima präsentiert wird, dazu noch vom populärsten Polit-Moderator César Hillenbrandt moderiert, dann wird es wahrgenommen.

Beispiele aus den Augenzeugenberichten, die im Fernsehen gesendet wurden: „Sie sagten mir, ich solle das Land verkaufen, aber ich wollte nicht. Sie sagten, wenn es nicht im Guten geht, dann eben auf die andere Tour. Das Land gehört euch nämlich gar nicht, denn alles Land, das für Minen geeignet ist, gehört dem Staat“. „Ein anderer sagte mir: ‚Verkauf mir dein Land“, doch ich sagte ihm: ‚Ich kann das nicht, Herr Ingenieur, denn darauf halte ich meine Tiere, ich tue dies, damit ich meine Kinder ernähren kann’ und ich weinte in seinem Büro. Doch er sagte mir nur: ‚Also gebe ich dir gar nichts, wenn du unser Geschenk nicht annimmst, dann bekommst du eben gar nichts’.“

„Sie sagten uns: ‚Wenn ihr uns innerhalb einer Woche nicht das Land übergibt, kommen wir mit Polizisten und werfen euch vom Land; aber wir sind keine Unmenschen, wir hinterlegen den Kaufpreis auf der Bank und wenn ihr wollt, könnt ihr es dort abholen und wenn nicht, dann habt ihr kein Geld und kein Land’. Für 100 ha gaben sie uns 5.000 Soles, doch mit diesem Geld können wir uns nichts kaufen, es reicht noch nicht einmal für ¼ ha Land weiter unten“. (Dok. 8, II).

Die Ingenieure waren Peruaner aus der Stadt und der geschilderte Umgang mit den Campesinos ist in dieser Weise allgemein üblich. Durch Vermittlung der Pfarrer von Porcón konnten einige Härtefälle gemildert werden. Auch Beschwerden direkt bei der Newmont Mining Co. hatten Erfolg, denn das ausländische Unternehmen fürchtete um sein karitatives Image (34). Für die Kirche insgesamt geht es darum, ob es ihr gelingt, zu einer glaubhaften und kämpferischen Alternative zu den herrschenden Gesetzmäßigkeiten zu werden und damit zu ihren Wurzeln zurückzukehren.

„So stellt sich die Frage: Was globalisiert die Kirche mit ihrer weltweiten Dimension? Bildet sie darin eine vom Evangelium her authentische und, wenn es sein muss, alternative Globalisierungsperspektive zu jenen rasanten Globalisierungsprozessen im Produktions-, Absatz- und Informationsmarkt mit jenen „Gesetzmäßigkeiten", die insgesamt nicht ohne Grund als Ursachen dafür diskutiert werden, dass weltweit Millionen von Menschen aus eben diesen Prozessen ausgegliedert und von daher für überflüssig erklärt werden. Die herrschenden Legitimationen, die menschliches Leben rechtfertigen, kommen immer weniger Menschen zugute, nicht nur in der südlichen Hälfte der Erde, sondern zunehmend auch im Norden“ (35).

Autor: Dr. theol. Willi Knecht (Autorenrechte sind zu beachten)


Anmerkungen

(1) Zitiert nach „Oro en el Perú“ in: www.perumine.com/hminero/14/oro.htm (16. Juni 2003). Der Kommentar des Verbandes der Minenbetreiber: „So lauteten die Worte von Francisco Pizarro auf der Isla de Gallo, während er mit seinem Schwert in den Sand eine Linie markierte. Denn die Persönlichkeit, die danach Lima vor mehr als 500 Jahren gründen sollte, kannte die unerschöpflichen Goldvorräte, über die unsere Heimat verfügte. Die ausländischen Investitionen, im Falle Yanacocha seit 1993, haben es erlaubt, dass sich in Peru auch in unserer Zeit unermesslichem Möglichkeiten ergeben. Das private Kapital hat hier ein vertrauenswürdiges Umfeld gefunden, das es ermöglichte, Peru an die erste Stelle der Goldproduktion in Lateinamerika zu bringen“. Die Aussagen der Minenbetreiber, abgesehen von historischen Ungenauigkeiten, bringen deutlich zum Ausdruck, um was es geht. Sie stellen zudem den Zusammenhang her, der seit der Eroberung Perus bis heute besteht. Diese Interessenkonstellation ist zu beachten, wenn es im Folgenden um die Mine Yanacocha geht.

(2) In „Gott oder das Gold“ geht Gutiérrez dieser Thematik auf den Grund. Gutiérrez, Gustavo: Gott oder das Gold - Der befreiende Weg des Bartolomé de Las Casas, Freiburg i. Br.: Herder, 1990.

(3) Die wichtigsten Daten zur Mine wurden mir von Ecovida und der Universität Cajamarca zur exklusiven Veröffentlichung übergeben. Sie werden ergänzt durch Zeitungsabschnitte und Daten verschiedener NRO.

(4) New York Times, 8. 11. 1992 (Zeitungsartikel im Original, aus den Unterlagen von Ecovida).

(5) Aicher, Kajo: Die Goldminen von Yanacocha; im Sammelband „Die globale Verantwortung“, S. 134. Dieser Artikel enthält weitere wertvolle Hinweise auf die Situation in Porcón und auf die Arbeitsweise der Mine.

(6) Marco Arana wurde 1995 von Bischof Simón als Pfarrer von Porcón abgesetzt und zum Studium nach Rom geschickt. Seit 1997 ist er aktiv am Aufbau einer Bürgerbewegung zum Schutz vor der Mine beteiligt. Er ist ein führendes Mitglied von „Ecovida“, in der die wichtigsten Aktivitäten gegen die Übergriffe der Mine koordiniert bzw. angeregt werden. Zwei weitere Pfarrer unterstützen ihn in dieser Arbeit, die deswegen von Bischof Simón scharf angegriffen werden. Arana schrieb seine Magisterarbeit an der PUC, Lima, in Soziologie über das Thema „Die sozialen Auswirkungen des Goldabbaus“ (2002, noch nicht veröffentlicht). Er stellte mir seine Arbeit zur Verfügung.

(7) Dok. 2, II: Aufruf des Solidaritätsvikariats von Cajamarca.

(8) Dok. 3, II: Aus der Zeitschrift „Ambito“, Nr. 19, Jahrgang 5, August - September 1999. In dieser Aussage wird deutlich, das die Rede vom „Freien Handel“ angesichts der real existierenden Verhältnisse nichts anderes darstellt, als die Durchsetzung des Rechts des Stärkeren.

(9) Dok. 4, II. Aus einem Streikaufruf von Ecovida am 14. 2. 2003, Rundbrief (Mail) an Gruppen in Deutschland. Zu Beginn des Jahres 2003 beläuft sich der Betrag pro Kopf der Bevölkerung auf 5.000 Dollar, die jedem Einwohner von Cajamarca (Stadt) aus den normalerweise zu bezahlenden Steuern der Mine zukommen müssten.

(10) Zum Vergleich: Das ist mehr als die fünffache Goldmenge, die in acht Monaten (1532/1533) aus dem gesamten Inkareich als Lösegeld für Atahualpa zusammengetragen wurde.

(11) Mit anderen Worten: aus der Sicht der Geldgeber, der Investoren und der jeweiligen Regierungen ist die Entscheidung, in die Region Cajamarca zu investieren und dort mit dem Goldabbau zu beginnen, ein Werk der „Entwicklungshilfe zugunsten der Armen“. Im Geiste des christlichen Abendlandes und der humanitären europäischen Tradition wird den armen Ländern die Hand gereicht, um sie aus dem Elend herauszuholen. Aus Dankbarkeit für ein solches Zeichen christlicher Barmherzigkeit lässt dann auch der gegenwärtige Bischof von Cajamarca eine Hl. Messe für das Seelenheil der Investoren lesen, für die aus diesem Anlass und auch bei vielen anderen offiziellen Feierlichkeiten die erste Reihe in der Kathedrale von Cajamarca reserviert wird. Die Tradition des Padre Valverde, der Gott mit einer feierlichen Messe für den Sieg über Atahualpa und für die wohlverdiente Beute dankte, ist ungebrochen in das dritte Jahrtausend hinein von Bestand.

(12) Stolz verweisen die Minenbetreiber auf ihrer Homepage www.yanacocha.com auf die Einzigartigkeit der Goldvorkommen von Cajamarca. „Yanacocha ist die einzige Goldmine auf der Welt, in der das abgebaute Erz nicht erst bearbeitet werden muss, sondern es kommt im Tageabbau direkt in das vorgesehene Becken, das mit den entsprechenden Flüssigkeiten gefüllt ist. Qualität und Reinheit des Erzes stehen weltweit an erster Stelle“.

(13) Dok. 5, II. Arana, Marco: Vortrag auf dem Seminar „Agua, Minería y desarrollo“, vom 18. - 20. 11. 1999 an der Universität Cajamarca: „Impacto sociales de la minería del oro en el departamento de Cajamarca”. (Eigene Mitschrift - Protokoll).

(14) Dies liegt in der Natur der Sache begründet. Es gehört zum Wesen von Kolonialsystemen, eroberte Länder als Quelle für den eigenen Reichtum auszubeuten. Dies wird in der Regel auch nicht bestritten, umstritten ist vielmehr die Frage, ob und wie weit die Kolonialherrschaft bis heute die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen in den ehemaligen Kolonialgebieten prägt und ob das Elend in diesen Ländern ausschließlich, vorwiegend oder in zu vernachlässigender Weise von der kolonialen Vergangenheit her zu erklären ist.

(15) Aus: „Sie behandeln uns schlimmer als Bettler“ in der Zeitung „El Cajamarquino“ vom 15. 12. 1993.

(16) Die UNO bezeichnet als absolut arm, wer maximal 1 Dollar am Tag zur Verfügung hat. Weltweit leben 1,3 Milliarden Menschen unter der absoluten Armutsgrenze (andere Zahlen sprechen von bis zu 2 Milliarden).

(17) Aus: „Mitteilungen der Informationsstelle Peru e.V.“, Heft Nr. 28, 2000.

(18) Aus der Tageszeitung „Panorama“ (Cajamarca) vom 18. 8. 2002.

(19) Aus der Tageszeitung „Panorama“ (Cajamarca) vom 25. 1. 2000.

(20) Zu Nestlé in Cajamarca: Trigoso, Jorge: „Multis, Markt und Dritte Welt - Nestlé in Cajamarca“, im Sammelband „Die globale Verantwortung“. S. 101 - 111. Darin wird nachgewiesen, dass eine erhöhte Milchproduktion nicht zu einem Mehrverbrauch von Milch bei den Produzenten führt. Über 80% des Milchkonsums in Peru besteht in Form kondensierter Milch, die von Städtern gekauft wird. Ein Standardwerk zur Landwirtschaft, insbesondere der Milchproduktion in Cajamarca, ist die Arbeit von Reinhard Seiffert: Cajamarca: Vía campesina y cuenca lechera, Lima, 1990.

(21) Gewinner des Goldbooms sind neben der Mine vor allem folgende Branchen: das Hotelgewerbe (Anstieg der Hotels mit drei Sternen und mehr um 100%); die Zahl der Restaurants hat sich von 1993-1998 verdreifacht, darunter drei neue Luxusrestaurants; der Tourismus dagegen hat nicht signifikant zugenommen; die Zahl der Autos hat sich von 1996-1999 verdoppelt, auf über 7.000 PKW. Auch der Transport (Taxi, Kleinbusse) hat stark zugenommen, ebenso der Flugverkehr nach Lima. Aus allen diesen Branchen ist festzuhalten, dass es jeweils wenige Eigentümer sind, die den Markt beherrschen und entsprechende Gewinne machen konnten.

(22) „Crónica de la presencia de minera Yanacocha SRL - MYSRL”, herausgegeben von Fedepaz (Ökumenisches Büro für Gerechtigkeit und Frieden, Lima) in Zusammenarbeit mit Ecovida, Cajamarca. Das Buch wurde unter der Schirmherrschaft der Stadt Cajamarca am 17. 1. 2003 im Theater von Cajamarca der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine Einführung in die Thematik gaben Dr. Nilton Deza und R. P. Marco Arana, beide Ecovida.

(23) Aus einer internen Studie des Industrieverbandes Cajamarca, erstellt 1998 im Auftrag der Mine und im Bezug auf die Mine Yanacocha: Cajamarca Competitiva, Lima: Saywa ediciones, 1998, S. 220.

(24) Die Daten sind entnommen aus: Webb, Richard: Perú en Números, Almanaque Estadístico, Lima 1999 und INEI Perú: Compendio Estadístico 1996-1997-1998. Unter der Webadresse www.inei.gob.pe sind Statistiken zu nahezu allen Bereichen des öffentlichen Lebens in Peru veröffentlicht (wirtschaftliche, politische und soziale Daten). Dieselben Daten wurden von Marco Arana in seiner Magisterarbeit verwendet: „El impacto social de la minería del oro en Cajamarca“ (Lima: PUC, 1999 - danach erweitert und 2002 als Dissertation vorgelegt).

(25) Eine solche Zahl geht davon aus, dass alle Kinder, die mindestens drei Jahre die Schule besucht haben, lesen und schreiben können. Viele Kinder können aber nicht regelmäßig zur Schule gehen, viele Kinder haben noch nicht einmal das notwendige Schreibmaterial. Und selbst wenn sie nach drei Jahren gelernt haben, zu lesen und zu schreiben, vergisst die Mehrheit der Kinder dies wieder, wenn sie erst einmal längere Zeit wieder aus der Schule entlassen sind, weil sie danach keine Anregungen oder Möglichkeiten zum Lesen haben.

Beispielhaft für den Wert von Statistiken und Wirtschaftsindikatoren ist auch die Zahl der Arbeitslosen zu nennen. Wird in den staatstragenden Parteien höchstens darüber gestritten, ob die Arbeitslosenquote in Peru bereits einen zweistelligen Bereich erreicht hat (offizielle Angaben schwanken zwischen 9% und 15 %), so gehen alle seriösen Wirtschaftsexperten davon aus, dass maximal 15% aller Peruaner eine feste Arbeitsstelle mit einem entsprechenden Arbeitsvertrag haben (die aber auch nur relativ sicher ist). Ausländische Berichterstatter (besonders der Wirtschaftsredaktionen) nehmen aber die offiziellen Daten als Grundlage ihrer Bewertungen.

(26) „Profesional“ - ein Ausdruck, der schwer ins Deutsche zu übersetzen ist, meint jemanden, der einen solchen Beruf erlernt hat. Ein Profesional zu werden ist das höchste Ziel, das ein junger Mensch hat bzw. den die Eltern für ihre Kinder wünschen. Ein Profesional hat in Peru fast den sozialen Status und das Ansehen eines Europäers.

(27) Leónidas Proaño, Bischof von Riobamba, Ekuador (29. 1. 1919 - 31. 8. 1988), El profeta del pueblo, eine unveröffentlichte Textsammlung.

(28) Es ist auch ein Grundprinzip von staatlicher Entwicklungshilfe, möglichst vielen Menschen den Zugang zum Weltmarkt zu verschaffen, d.h. dass sie ihre Produkte marktgerecht verkaufen um dadurch die Mittel zu erhalten, an den Segnungen der Zivilisation teilhaben zu können. Jede deutsche Bundesregierung hat bisher damit ihre Entwicklungshilfepolitik begründet. Eine solche Politik liegt selbstverständlich auch im Interesse der deutschen Wirtschaft, die existentiell auf den Export angewiesen ist.

(29) Der Besitzer von Buenaventura S.A., R. Benavides, erklärt in der Wochenzeitung „El Clarín“ (Cajamarca) vom 23. 8. 2002, dass die Proteste gegen die Mine den Wohlstand aller Menschen von Cajamarca gefährden würde. Benavides: „Was uns große Sorgen macht ist, dass durch eventuell erhöhte Produktionskosten, verursacht durch höhere Abgaben und verschärfte Umweltauflagen, die Produktivität der Mine nicht mehr gewährleistet wäre. Massive Entlassungen wären die Folge. Und durch geringere Gewinne würde die Stadt weniger Steuern einnehmen“. Dok. 7, II). Mit solch global gültigen Aussagen erweist sich Benavides als würdiger Hoher Priester. Seine enge Freundschaft mit dem Bischof von Cajamarca ist auch von daher nicht zufällig, sondern logisch.

(30) Die DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft) sieht dies ähnlich. In einen Protestbrief der „Informationsstelle Peru“ vom 13. 9. 2001 wegen der zunehmenden Umweltskandale im Zusammenhang mit der Mine in Cajamarca heißt es: „Es war und ist eine große Fehlentscheidung, dass die DEG sich an diesem Projekt beteiligt hat. Alle Beteuerungen, dass die Umwelt nicht gefährdet wird, haben sich als nicht haltbar herausgestellt“. Darauf antwortet die DEG (2. 10. 2002): „Gerade in sozialer Hinsicht ist das Projekt (die Mine Yanacocha, an dessen Finanzierung sich die DEG mit zwei Darlehen beteiligt hat) als vorbildlich anzusehen. Die im Oktober 1998 aufgekommenen Vorwürfe hinsichtlich der Grundwasserversorgung wurden durch zwei Gutachten entkräftet. Wir sehen in dem Projekt Yanacocha ein ausgesprochen gutes Vorhaben“. Der Briefwechsel ist veröffentlicht in „Mitteilungen der Infostelle Peru e.V.“, Nr. 30, Dezember 2002.

(31) Investitionen in unterentwickelten Ländern sind meist von der Steuer absetzbar, weil sie angeblich Arbeitsplätze schaffen, in Wirklichkeit aber meist die einheimische Kleinindustrie und das Handwerk in den Ruin treiben; Arme Länder - genauer deren Oberschicht - buhlen gar um die Ansiedlung großer Unternehmen mit dem Argument der billigen Arbeitsplätze - u.a. Kinderarbeit - und der niedrigen Sozial- und Umweltstandarte.

(32) Im Zuge der neuen Imagepflege des Unternehmens werden u.a. seit 2001 von der Mine Kurse für junge Menschen in Cajamarca angeboten, in denen sie gezielt für bestimmte Arbeiten in der Mine ausgebildet werden. Die Tüchtigsten bekommen dann auch eine Stelle, die überdurchschnittlich bezahlt wird. Im Jahr 2002 haben etwa 1.200 Menschen aus Cajamarca in der Mine oder deren Umfeld eine Arbeit gefunden, wesentlich mehr als vorher. Diese Angaben werden auch von Ecovida bestätigt. Die vermehrten sozialen Tätigkeiten der Mine können als Erfolg der zunehmenden Mobilisierung der Öffentlichkeit und der Proteste gegen die Mine verbucht werden.

(33) Es können hier nicht alle sozialen Tätigkeiten der Mine aufgeführt werden, die nun Wert darauf legt, auch für die Landbevölkerung etwas zu tun. Nach ihren eigenen Angaben, hier in der landesweiten Beilage der größten peruanischen Tageszeitung, El Comercio vom 31. 8. 2002: Bau von 25 Grundschulen auf dem Land und Errichtung von sechs Schulküchen, Aufforstung von 3.500 ha Land, eine bessere Trinkwasserversorgung für über 10.000 Campesinos aus den umliegenden Orten. Insgesamt wurden Projekte mit einem Volumen von 18 Mill. Dollar in Zusammenarbeit mit einigen NRO durchgeführt, die Mine allein hat 12 Mill. Dollar investiert. Mine tatsächlich den Ärmsten zugute kommen sollten, dann liegt dies in der alten und bewährten Tradition karitativer Tätigkeiten, die den Menschen nun ein Pflaster reichen für die Wunden, die sie ihnen selbst vorher zugefügt haben.

(34) Besonderes Gewicht hatte, dass durch Initiativen US-amerikanischer Umweltgruppen die „Sache Yanacocha“ im Kongress der USA verhandelt wurde. Nachdem bekannt geworden war, dass der peruanische Eigentümer von Buenaventura S.A., R. Benavides, sehr eng mit Montesinos und Fujimori liiert und in deren Korruptionsmethoden verstrickt war, hatte die US - Regierung ihre bisherigen Komplizen wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen, nachdem sie vor den ans Licht geratenen Methoden und im Wissen um deren kriminelle Geschäfte und im eigenen Interesse die Regierung Fujimori zuerst massiv unterstützt hatte. Nun hielt es auch Newmont Mining Co. für ratsam, auf Distanz zu den „rustikalen Methoden“ der peruanischen Anteilseigner zu gehen und eine andere Politik einzuleiten.

(35) Fuchs, Ottmar: Auf dem Weg zu einer lokal und global geschwisterlichen Kirche. In: Lebendiges Zeugnis 55 (2000) 219 - 227.