Der Titel wurde in Anlehnung an „Vamos Caminando - Machen wir uns (gemeinsam) auf den Weg“ gewählt. Dem liegt das biblische Bild des Volkes Gottes zu Grunde, das den Ruf Gottes hört und das sich unter seiner Führung auf den Weg aus der Sklaverei in das Gelobte Land macht. Im Neuen Testament ist es u.a. das Bild von den Jüngern von Emmaus, die sich enttäuscht von Jerusalem abwenden und denen auf dem Weg mit einem Fremden, Unbekannten ein Licht aufgeht. Sie erkennen den auferstandenen Christus, als er mit ihnen das Brot bricht. Gemeinsam als Volk Gottes auf dem Weg sein (Umkehr, Aufbruch), miteinander teilen, was der Mensch zum Leben braucht und die österliche Erfahrung der bleibenden Gegenwart Gottes, sind die tragenden Fundamente christlichen Glaubens und von „Kirchesein“. Das Volk Gottes ist stets als Gemeinschaft unterwegs.  Die Gemeinde als überschaubare Gemeinschaft von Menschen, die den Ruf Gottes hören, sich (mit anderen Gemeinden) auf den Weg machen, das Brot miteinander brechen und sich so als Tischgemeinschaft erfahren, repräsentiert stets auch die gesamte Kirche, sie ist Kirche im Vollzug, sie ist Kirche. Sie ist diese Kirche um so authentischer, wenn sie in ihrem Vollzug und in ihrer Praxis die anderen Gemeinden in der Welt nicht ausschließt (was sie per definitionem gar nicht kann), sondern wenn sie gerade diejenigen in ihr konkretes Leben mit einschließt, die sonst nach den global herrschenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten dieser Welt ausgeschlossen werden. Dem ausgegrenzten Volk offenbart Gott seinen Namen und als das Volk Gottes auf den Ruf hört und sich auf den Weg macht, erfährt es diesen Gott als Gott der Befreiung, der sein Volk nicht im Stich lässt, sondern der immer da ist.

Gemeinsam auf dem Weg:   Partnerschaft deutscher Kirchengemeinden mit  Gemeinden  der Diözese Cajamarca  -  Anspruch und Wirklichkeit              

(Zum Teil I: siehe Umfragen in den Partnergemeinden)

II. Teil:  Praxis der Partnerschaft      
                                           
1.   Die Frage nach der Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen
2.   Kommunikation (Besuche, Begegnung, Comunio, Kommunion)
3.   Einheit (Trennung) von Sozial und Pastoral
4.   Konflikte und die Frage der Einmischung 
 
III.  Teil:  Partnerschaft als Lernfeld einer ganzheitlichen Pastoral
               - als Katechese und Hinführung zum Glauben in Gemeinschaft
                                           
1.  Partnerschaft als Katechese des Glaubens
 
2.  Einige Hinweise zum Gelingen einer Partnerschaft (in Stichworten)
a) Ort in der Kirche  
b) Kommunikation und Begegnung
c) Inhaltlicher Austausch
d) Geld und Projekte
 
3.  Diskussion um die Partnerschaft
a) Umgang mit Konflikten
b) Die Bedeutung des Bischofswechsel in Cajamarca
c) Partnerschaft als neue Form des Kolonialismus?
 
4.  Partnerschaft als Sakrament 
5. Partnerschaft - eine Option für die Armen

Einleitung
 

Bereits in der Überschrift des Artikels werden zwei Aspekte herausgehoben, um die es hier vorrangig geht. „Gemeinsam auf dem Weg“ weist auf die spezielle Beziehung zur Diözese Cajamarca hin. Der Titel wurde in Anlehnung an „Vamos Caminando - Machen wir uns (gemeinsam) auf den Weg“ gewählt. Dem liegt das biblische Bild des Volkes Gottes zu Grunde, das den Ruf Gottes hört und das sich unter seiner Führung auf den Weg aus der Sklaverei in das Gelobte Land macht. Im Neuen Testament ist es u.a. das Bild von den Jüngern von Emmaus, die sich enttäuscht von Jerusalem abwenden und denen auf dem Weg mit einem Fremden, Unbekannten ein Licht aufgeht. Sie erkennen den auferstandenen Christus, als er mit ihnen das Brot bricht. Gemeinsam als Volk Gottes auf dem Weg sein (Umkehr, Aufbruch), miteinander teilen, was der Mensch zum Leben braucht und die österliche Erfahrung der bleibenden Gegenwart Gottes, sind die tragenden Fundamente christlichen Glaubens und von „Kirchesein“. Sie sind auch die Fundamente einer christlich verstandenen Partnerschaft (sowohl einer Partnerschaft zwischen zwei Menschen als auch einer Partnerschaft zwischen christlichen Gemeinschaften). Das Volk Gottes ist stets als Gemeinschaft unterwegs. Dieses Volk ist in (mitunter sehr) verschiedenen Gruppen organisiert, den Gemeinden weltweit.

Die Gemeinde als überschaubare Gemeinschaft von Menschen, die den Ruf Gottes hören, sich (mit anderen Gemeinden) auf den Weg machen, das Brot miteinander brechen und sich so als Tischgemeinschaft erfahren, repräsentiert stets auch die gesamte Kirche, sie ist Kirche im Vollzug, sie ist Kirche. Sie ist diese Kirche um so authentischer, wenn sie in ihrem Vollzug und in ihrer Praxis die anderen Gemeinden in der Welt nicht ausschließt (was sie per definitionem gar nicht kann), sondern wenn sie gerade diejenigen in ihr konkretes Leben mit einschließt, die sonst nach den global herrschenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten dieser Welt ausgeschlossen werden. Dem ausgegrenzten Volk offenbart Gott seinen Namen und als das Volk Gottes auf den Ruf hört und sich auf den Weg macht, erfährt es diesen Gott als Gott der Befreiung, der sein Volk nicht im Stich lässt, sondern der immer da ist.

Wenn in einem zweiten Aspekt von Gemeindepartnerschaften die Rede ist, dann ist die Partnerschaft zweier Gemeinden in allen ihren Dimensionen (inhaltlich und strukturell) gemeint. Schließlich verstehen die befragten Gemeinden auch selbst ihre Partnerschaft als Gemeindepartnerschaft. War der Begriff der Gemeindepartnerschaft vor noch nicht allzu langer Zeit nur selten anzutreffen, so ist es vor allem seit den achtziger Jahren zu einer inhaltlichen Vertiefung gekommen. Die Zahl der Gemeindepartnerschaften hat stark zugenommen. Das hat aber auch zu einer wahren Inflation und damit zu einer Gefahr der Verwässerung des Begriffes beigetragen. Unter dem Titel „Partnerschaft“ werden von immer mehr Gemeinden kleinere Projekte in Eigenregie finanziert bzw. bisherige Spendenaktivitäten weitergeführt. Alle an der Befragung teilnehmenden Gemeinden wollen jedoch über dieses (Anfangs-) Stadium ihrer Partnerschaft hinaus, sie befinden sich auch in dieser Hinsicht „auf dem Weg“. Dieser Weg soll im folgenden beschrieben werden.  
 
Im ersten Teil werden die peruanischen und deutschen Partnergemeinden vorgestellt und kommen selbst zu Wort. (Siehe "Umfragen bei Partnergemeinden")

Im zweiten Teil steht die gelebte Praxis der Partnerschaften im Mittelpunkt. In ausgewählten Schwerpunkten wird auf strukturelle Defizite im Selbstverständnis und in der Praxis deutscher Gemeinden hingewiesen, so wie sie sich aus der Befragung der Gemeinden ergeben haben. Die Schwerpunkte wurden deshalb ausgewählt, weil in ihnen grundlegende Themen von Christsein und Kirchesein sichtbar werden und dies insbesondere im Vergleich mit peruanischen Partnergemeinden (vor allem in ihren jeweiligen Basisgruppen). Grundlage für die entsprechenden Vergleiche und Feststellungen bilden die Antworten aus den Fragebogen, die von allen Partnergruppen bearbeitet wurden. Es wäre interessant zu sehen, wie eine deutsche Partnergemeinde ihrer peruanischen Partnergemeinde ihren eigenen Kontext den Partnern gegenüber beschreiben und vermitteln würde (was hier nicht geschehen ist). Im dritten Teil wird die Partnerschaft schließlich als Lernfeld präsentiert - als ein Ort, in dem das eingeübt werden kann, was deutschen Gemeinden (und Kirche) offensichtlich so schwer fällt: Einheit von Sozial und Pastoral; Gemeindeverständnis und Kirchesein; Option für Arme; Partnerschaft als ganzheitlicher Vorgang. In der Begegnung mit peruanischen Partnergemeinden können deutsche Gemeinden eine Orientierung für ihren Weg finden. Auf diesem Weg wird Gott sich ihnen zu erkennen geben als der, der bereits mit ihnen auf dem Weg ist.  
 
II. Teil:  Praxis der Partnerschaft  (in ausgewählten Schwerpunkten)
                                         
Ausgehend von den Problemen, die sich aus der Vorstellung der Gemeinden herauskristallisiert und wie sie sich aus der Auswertung der Fragebögen an die Gemeinden ergeben haben, werden einige grundsätzliche Themen zur Diskussion gestellt. Die Auswahl dieser Schwerpunkte richtet sich einerseits nach den von den Gruppen selbst genannten häufigsten Schwierigkeiten, andererseits berücksichtigt sie den Rahmen des Zweiten Vatikanischen Konzils und die Situation in den peruanischen Partnergemeinden.  

Ein Ausgangspunkt dieser Studie war es, die veränderte Situation nach dem Bischofs- und Richtungswechsel in Cajamarca und dessen Konsequenzen für die Partnerschaft im allgemeinen und die betroffenen Menschen im besonderen, im Lichte von Glaubenserfahrungen und einer damit verbundenen Option für die Armen, zu deuten. Diese Ausgangssituation der Studie war den Gruppen bekannt bzw. sie waren es, die angesichts einer veränderten Situation in den Partnergemeinden nach einer gemeinsamen Basis und Orientierung suchten. Der Fragebogen wurde gemeinsam mit den Partnergruppen entworfen. Auf dem dritten Ulmer „Cajamarcatreffen“ im September 1997, an dem Vertreter von zehn Gruppen teilnahmen, wurde ein Rohentwurf zur Diskussion gestellt. In Gruppenarbeiten wurden dann Anregungen und Ergänzungen erarbeitet, darauf wurde im Plenum der Fragebogen „verabschiedet“. Einheitlicher Wunsch war, den Fragebogen aufzuteilen in einen gemeinsamen Teil für die Gruppe und einen individuellen Teil für die Gruppenmitglieder. Zusätzlich wurde ein eigener Fragebogen an die Pfarrer der Partnergemeinden erstellt. Dieser und der individuelle Teil können im Rahmen dieses Artikels nicht näher berücksichtigt werden.  

Die Befragungen und die entsprechende Beantwortung durch die Gemeinden fanden um die Jahreswende 1997/98 statt. Alle fünfzehn Gruppen bzw. Gemeinden, die mit Gruppen und Gemeinden in der Diözese Cajamarca in einer partnerschaftlichen Beziehung stehen, haben an der Befragung teilgenommen. Die Gruppen berichten von einer lebhaften, teilweise auch kontroversen Diskussion beim Ausfüllen. Insgesamt wurde die Beantwortung der Fragen als eine positive Gelegenheit betrachtet, über die Anfänge, Grundlagen, Erfolge, Enttäuschungen, Zielsetzungen usw. der Partnerschaft zu diskutieren. Allerdings mussten in den meisten Gemeinden gewisse Anfangshemmnisse überwunden werden, was nur durch ständiges Nachfragen und Motivieren gelang. Bei Nachfragen kam auch immer wieder zur Sprache (oft verschlüsselt), dass man es nicht gewohnt sei, über eigene Erfahrungen, erstrecht über eventuelle Schwierigkeiten oder gar Misserfolge, „öffentlich Rechenschaft“ abzulegen. Auch war eine gewisse Scheu festzustellen, „sinnlose Grundsatzdebatten“ zu führen und „alte Geschichten aufzuwärmen“, wo man sich doch in erster Linie als Praktiker sehen möchte. Um so mehr waren die Gruppen überrascht, wie fruchtbar und anregend das gemeinsame Ausfüllen war.  

Wichtig sind aber auch die Aussagen, die nicht getroffen, Fragen, die übergangen und Probleme und Schwierigkeiten, die ausgeklammert wurden. Entsprechende Ergänzungen ergaben sich aus Rückfragen an die Gruppen (auch in Peru) und einer Einordnung in einen größeren Zusammenhang auf der Basis der oben genannten Ausgangsfragen und Zielvorstellungen. Aufgrund der angetroffenen Situation in den Gruppen werden Probleme herausgestellt, die grundsätzlicher bzw. struktureller Natur sind und nicht als Kritik an den einzelnen Gruppen zu verstehen sind, denn sie arbeiten innerhalb eines bestimmten Kontextes, der in der Regel als fest zementiert erfahren wird. Diesen Kontextgilt es, ausgehend von den Quellen des Glaubens und den Erfahrungen der Partner, zu hinterfragen. Die daraus resultierenden „Ant-worten“ sind als Anfragen bzw. Thesen zu verstehen. Sie sind auch zu verstehen auf dem Hintergrund der Antworten peruanischer Basisgruppen auf die Frage nach ihrem Glauben, ihrer Praxis und einem Leben in Gemeinschaft als Kirche (siehe Teil I).  
 
1.  Die Frage nach der Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen
 
Im Rahmen einer Arbeit über die Partnerschaftsarbeit katholischer Kirchengemeinden sollte es selbstverständlich sein, dass sich die beteiligten Gruppen und Gemeinden über ihre Vorstellungen von Kirche, deren Fundamente, Praxis und Visionen austauschen bzw. dass sie im Bewusstsein handeln, selbst Kirche zu sein. Schließlich sind alle getauft, fast alle haben die Firmung empfangen, sind in die Gemeinde integriert und die Mehrheit der engagierten Gruppenmitglieder nimmt an der sonntäglichen Feier der Eucharistie teil. Doch während in den peruanischen Partnergruppen das Leben aus dem Glauben heraus und in der Gemeinschaft der Gläubigen das alltägliche Leben prägt, wird in deutschen Gruppen die Beschäftigung mit solchen Fragen als „akademische“ Beschäftigung von und für Experten angesehen, die mit dem alltäglichen Leben und auch der eigenen Praxis in der Partnerschaftsarbeit wenig zu hat.

Spätestens bei der Frage nach den Ansprechpartnern in den Partnergemeinden (d.h. auch für wen die Spenden sind und von wem sie verwaltet werden) müssen sich die deutschen Gruppen überlegen, mit wem sie Partnerschaft geschlossen haben, was ihre eigenen Motive und Intentionen sind und wer und was sie letztlich selbst sind und wollen. Verschärft wird die Problematik noch durch den Bischofswechsel und die damit verbundene Rückkehr in die Zeiten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (30: Bischof Simón hält das Konzil für eine Fehlentwicklung, weil es die Autorität der Kirche (will heißen der Priester und Bischöfe) untergraben hat). Welche Kirche wollen die deutschen Gruppen unterstützen (hier und dort) und wie ist ihr eigenes Kirchenbild?  
 
Die deutschen Gruppen sehen sich in erster Linie deswegen als kirchliche Gruppe, weil die Mitglieder schon vorher in der Pfarrei aktiv waren und ihr Ansprechpartner in der Partnergemeinde der Pfarrer ist. Zudem nutzen alle Gruppen die kirchliche Infrastruktur. „Die Treffen und Veranstaltungen der Gruppe finden in kirchlichen Räumlichkeiten statt“. „Die Gruppe arbeitet an der Gestaltung von Gottesdiensten mit“. „Die Kassenführung erfolgt über die Kirchenpflege“. „Die Kontakte zur Partnergemeinde laufen hauptsächlich über Priester und Nonnen in Peru“. „Wir feiern regelmäßige Gottesdienste“. Um den eigenen Ort in der Kirche zu bestimmen werden „äußere“ Begründungen genannt (Gottesdienst eingeschlossen, weil er hier als funktionaler Faktor genannt wird). Inhaltliche Gründe werden nur vereinzelt und zögerlich auf Rückfrage genannt („als kirchliche Gruppe sind wir für die Erfüllung des weltkirchlichen Auftrags verantwortlich“). Sich selbst als Kirche fühlen und aus diesem Bewusstsein heraus (innengeleitet), einen Auftrag verspüren, das Evangelium zu verkünden, das Brot zu teilen und aus einer biblisch begründeten Option für die Armen heraus die Begegnung mit den Armen zu suchen - eine solche Begründung (oder mit anderen Worten), lässt sich in den Antworten der Gruppen nicht finden.

Diese inhaltlichen Begründungen finden sich aber in den peruanischen Basisgruppen, nie dagegen „äußere“ Begründungen. Wenn die Frauen der Mütterklubs nach dem Motiv gefragt werden, warum sie eine so große Mühe auf sich neh- men, um regelmäßig in der Gruppe mitzuarbeiten und zu den Versammlungen der Gruppe zu kommen, so antworten sie: „Somos cristianos - weil wir Christen sind“. (31: Es ist eine missionarische und prophetische Deutung des eigenen Auftrags, vergleichbar mit dem Selbstverständnis und dem Wirken der ersten Christen.  Gerade eine solche Deutung lehnen die meisten deutschen Gruppenmitglieder nicht nur ab, sondern sie empfinden dies als Zumutung, als „romantische Spinnerei“. Andererseits wird ein solches Verständnis bei den Partnern nicht nur akzeptiert, sondern sogar bewundert - eine Projektion unerfüllbar erscheinender Träume und Sehnsüchte in die Ferne?) Wie die Katecheten begründen sie ihr Engagement mit dem Hinweis auf ihren Glauben an Jesus Christus, der wie sie auch inmitten der Armut geboren wurde und der ausgezogen ist, den Beginn einer neuen Zeit zu verkünden. Kirche sind sie selbst, d.h. es ist die Gemeinschaft, die aufgrund ihres Glaubens beginnt, sich und ihr Umfeld im Geiste Jesu zu erneuern.  

Von den deutschen Gruppen wird die Kirche hingegen eher als eine Organisationsform gesehen, die bestimmte Dienste anbietet und eine manchmal hilfreiche Infrastruktur besitzt, weniger dagegen als eine „immaterielle“ Größe, z.B. als sichtbares Zeichen des Reiches Gottes oder als Sakrament der Gemeinschaft mit den Ausgegrenzten. Die Kirche ist quasi das „Gehäuse“, das für die jeweiligen Interessen der Gruppe (durchaus auch zugunsten der Gemeinschaft) genutzt werden kann. Wie soll aber die Bedeutung der Partnerschaftsidee der Gemeinde (einschließlich einer Option für die Armen) vermittelt werden können, wenn die Partnerschaft selbst nicht vom Innersten des eigenen Glaubensverständnisses her und nicht als zentral für das eigene Kirchesein begründet werden kann?  Spätestens hier wird die Frage nach dem Fundament des christlichen Glaubens, die Frage nach Jesus dem Christus, drängend.

Während er für peruanische Partnergruppen das Fundament und das Ziel ihres gemeinsamen (!) Handels ist und dies für sie eine das eigene Leben verändernde Erfahrung darstellt, scheint diese lebensverändernde und befreiende Erfahrung in deutschen Gemeinden nicht gemacht werden zu können bzw. es wird dies gar nicht erwartet oder würde gar als Zumutung empfunden. Auch „von oben“ kann dies trotz aller ritualisierter Glaubenssätze (z.B. im Hochgebet der Eucharistiefeier) offensichtlich nicht hinreichend vermittelt werden, zumal immer deutlicher wird, dass angesichts der kirchlichen Praxis selbst die zentralen Lehrsätze und Glaubensinhalte der Kirche zu bloßen Worthülsen verkommen sind.

Für eine bedeutende Zahl aktiver (!) Christen in den Gemeinden scheint die Schilderung der österlichen Erfahrung der bleibenden Gegenwart des auferweckten Christus oder ähnlicher Zeugnisse aus den Partnergemeinden wie eine schöne Geschichte aus „1.001 Nacht“ zu klingen. Wenn gerade diese Erfahrung mit Jesus aber für die Partner die Schlüsselerfahrung ihres Lebens und Glaubens ist, ist damit zu rechnen, dass die deutschen Partner diese Art vom Glauben, wie er in Basisgruppen zu erleben ist, nicht verstehen (können), sondern ihn eher als Teil einer „Folklore“ (weil sie so arm und naiv sind...) begreifen, der für die eigene Wirklichkeit („wir leben ja in einer ganz anderen Welt...) nicht übertragbar, nicht machbar ist. Es gibt viele Hinweise, dass auch die „Kirche der Autoritäten“ diese Sprache nicht versteht oder zumindest österliche Erfahrungen nicht im Zentrum der verfassten Kirche stehen.
 
Selbst die Pfarrer, die ihre Partnerschaftsgruppe mit der größten Sympathie begleiten, sehen die weltkirchliche (katholische) Dimension der Kirche zuerst als Zusatz (Anhang), nicht aber als konstitutiv für (katholische) Kirche. Es herrscht weithin ein soziologisches Verständnis von Kirche vor. Dieses Verständnis von Kirche entspricht dem Verständnis, das auch die Hierarchie von Kirche hat, nach dem - de facto - das Volk Gottes, die Laien, als ein Gegenüber und damit als Objekt (als Masse der Gläubigen) gesehen wird, auch wenn diese Trennung - theoretisch, akademisch - als längst für überwunden angesehen wird.  Es besteht eine merkwürdige Ungleichzeitigkeit: Während in öffentlichen Verlautbarungen, Synodenbeschlüssen und diözesanen Reformpapieren angesichts der zukünftigen Perspektiven (wegen des Priestermangels!) immer stärker die notwendige Mitverantwortung der Laien herausgestellt wird, gerät deren tatsächliche Bedeutung als Gemeinschaft der Glaubenden und als Volk Gottes, dem die Amtsträger dienen, wieder mehr aus dem Blickfeld.

Der römischen Dimension von Kirche (dem römisch-germanisch inkulturierten Teil von Weltkirche mit entsprechender Rechtsform und Hierarchie) wird eine ungleich höhere Bedeutung beigemessen als dem gelebten Beispiel der ersten Christen und den als befreiend erfahrenen Glaubenszeugnissen der vom Evangelium und dem Zweiten Vatikanischen Konzil inspirierten Campesinos (u.a.). Die historisch gewachsene Form von Kirche, geprägt von antiken und mittelalterlichen Vorstellungen, wird als unantastbar definiert (de facto, nicht dogmatisch). Diese äußere, geschichtliche Form wird so zur Mitte, die universelle und auf Jesus Christus zurückgehende Form von Kirche als Gemeinschaft aller Menschen, die an Jesus den Christus glauben, wird zur Peripherie. Ein naheliegender Rückgriff auf die Fundamente der Kirche, deren Entstehungsgeschichte und die Praxis der ersten Gemeinden (und dem Entstehen von Glaubensgemeinschaften in den Elendszonen dieser Welt) wird folgerichtig als ein Angriff auf die so von oben her definierte Kirche gedeutet.

Denn die Einheit der Kirche wird von daher folgerichtig auch immer von oben her definiert, d. h. auf der Basis von Gehorsam gegenüber dem „Stellvertreter Christi“. Dieser bedingungslose Gehorsam (an dem sich letztlich selbst das Gewissen zu orientieren hat) wird somit zum entscheidenden Merkmal der „Rechtgläubigkeit“. Die faktische Aufwertung historisch bedingter äußerer und rechtlicher Strukturen zu „ewigen“ und quasi göttlichen Einrichtungen widerspricht nicht nur allen theologischen Erkenntnissen und den fundamentalen Dokumenten der Kirche (z.B. II. Vatikanum), sie muss sich auch die Frage nach dem Götzendienst gefallen lassen.
 
Gerade die engagiertesten Mitglieder einer Gemeinde und der Partnerschaftsgruppen leiden zunehmend unter dieser Ungleichzeitigkeit. Sie spüren, dass sie als Laien einerseits immer mehr gefordert sind. Sie werden gebraucht, weil sonst das Gemeindeleben zusammenbricht. Gleichzeitig spüren sie, dass sie bei den entscheidenden Fragen nicht ernst genommen werden. Auf die Partnergruppen in Peru bezogen bedeutet dies, dass sie ihre bisherige befreiende Praxis aufgeben und in den „Schoß der Kirche“ (in die Obhut der Priester) zurückkehren müssten. Tun sie das nicht, sind sie „draußen“ und damit ohne Hoffnung auf Erlösung und Rettung ihrer Seelen (laut bischöflich - lehramtlicher Definition des Bischofs von Cajamarca). Es handelt sich bei der Behandlung dieser Fragen nicht darum, ob diese oder jene Theologie interessanter ist oder nicht, oder darum, welche Vorlieben irgendein Bischof hat oder sonstige akademische Spielereien. Es geht um die (auch materielle) Existenz der Partnergruppen - von unzähligen Menschen, denen die Wege zu einem Leben in mehr Würde und Gerechtigkeit durch autoritäre Blockaden versperrt und die systematisch ausgegrenzt werden.
 
So ist es nicht überraschend, dass auf die Frage nach dem pastoralen Selbstverständnis der Gruppe nur von sechs Gruppen geantwortet wird. Alle Freiburger Gruppen gehen nicht auf diese Frage ein. Bei Nachfragen wurde gar Unverständnis geäußert, was die Frage denn soll. Nur eine Gruppe sieht den pastoralen Auftrag und die Kirchlichkeit der Gruppe als untrennbare Einheit. „Eine kirchliche Gruppe ist pastoral (im weitesten ‚peruanischen‘ Sinne) ausgerichtet oder es ist keine kirchliche Gruppe“. Noch eine weitere Gruppe sieht ebenfalls im pastoralen Auftrag das Fundament ihrer Partnerschaftsarbeit (und umgekehrt). „Alle Aktivitäten werden aus dem Selbstverständnis einer ureigenen pastoraler Tätigkeit heraus gemacht“. (Diese Formulierungen in den beiden Gruppen stammen von Laientheologen, die in ihrer Gruppe eine maßgebende Rolle spielen).

In den verbleibenden Antworten werden die Vorbereitung von Gottesdiensten und Werbung für die Partnerschaft genannt. „Wir möchten den AK innerhalb der Gemeinde bekannt machen und den Gedanken der Partnerschaft bewusst machen“. „Wir gestalten den Gottesdiensten an Perusonntagen“. „Wir beteiligen uns an Glaubensseminaren und an der Gestaltung von Gottesdiensten, innerhalb der Gottesdienste in Form von Gebeten, Spenden, Fürbitten“. Die Aktivitäten auf die eigene Gemeinde hin werden von den Gruppen als ihr spezifischer Beitrag zum Gemeindeleben betrachtet. Außer Fürbitten und besonderen Anliegen in den speziellen Gottesdiensten handelt es sich in der Regel um Informationen über die Partnergemeinden und Spendenaktivitäten. Die Aufzählung dieser Aktivitäten nimmt in den Antworten den größten Raum ein. „Der Perukreis veranstaltet Diavorträge, er hat aktiv an Pfarrfesten teilgenommen und über die Situation in Peru informiert, die Resonanz ist normalerweise - wie auch bei Aktivitäten anderer Gruppen - klein, das Erfolgserlebnis relativ bescheiden“. Der Einsatz der Gruppenmitglieder für die Partnerschaft ist in der Tat eindrucksvoll. Informationen und Spenden sind die Säulen der Partnerschaften. Bei den Informationen steht im Vordergrund, Verständnis für die Probleme der Partner zu wecken, an zweiter Stelle steht die Motivation für die Spenden.

Zwar wird von allen Gruppen gewünscht, mehr in die Gemeinde hineinwirken zu können, doch wie das geschehen könnte, bleibt meist vage. Die Vermittlung des Partnerschaftsgedanken wird als schwierig empfunden, weil man nicht sehen kann, was diese Arbeit hier einbringen soll. Viele Gemeindemitglieder sehen nach Aussagen der Gruppen die Partnerschaft hauptsächlich als eine einseitige Spenden - Patenschaft. Dazu kommen noch äußere Faktoren: durch terminliche Schwierigkeiten bei den Mitgliedern der Gruppen bleibt die Arbeit oft bei Wenigen hängen. Die wenigen Mitglieder sind oft auch in anderen Kreisen der Pfarrei aktiv und beruflich sehr belastet. Die bereits in der Gemeinde Engagierten haben sich um andere Themen zu kümmern, ein neues Thema können sie nicht mehr  aufgreifen (Überlastung der Kerngemeinde).  
 
Im Vergleich der deutschen und peruanischen Gruppen besteht im Verständnis von Pastoral ein eklatanter Unterschied zwischen den peruanischen Partnergemeinden (nicht unbedingt peruanische Priester, sondern Basisgruppen) und den deutschen Gemeinden. Während in Peru (zumindest in den Gruppen und Gemeinschaften, mit denen alle deutschen Gemeinden ja einen möglichst direkten Kontakt wünschen) die Einheit von Glaube und Alltag, Kult und Praxis und Feier des Glaubens und Gemeinschaft selbstverständlicher geworden ist, scheint es bei uns nicht zu gelingen, diese Einheit herzustellen. Die peruanischen Partner werden geradezu bewundert wegen ihrer Fähigkeit, ganzheitlich zu glauben und zu leben, während gleichzeitig die eigene Praxis als mangelhaft erlebt wird. Um so bemerkenswerter und überraschender ist die Ablehnung eines pastoralen Auftrags im Selbstverständnis der meisten Gruppen.

Pastoral wird in den Gruppen (und zu vermuten erstrecht in der Gesamtgemeinde) als Aufgabe der Hauptamtlichen betrachtet. Vor allem aber wird Pastoral auf Kult reduziert (Sakramente, Gottesdienst). Dafür aber sind Spezialisten zuständig, die nicht nur dafür ausgebildet wurden, sondern die auch dafür bezahlt werden. Selbst sonst sehr engagierte und fähige Mitarbeiter, ohne die in den Gemeinden wenig geschehen und die in einigen Bereichen noch gerne mehr Verantwortung übernehmen würden, erklären sich für die Pastoral nicht zuständig und/oder nicht kompetent. Es herrscht noch das (unbewusste) Muster vor, dass Laien für die weltlichen Dinge und die Geistlichen für die „überweltlichen“ Dinge zuständig sind (in der Praxis und laut Kirchenrecht sind dennoch die Geistlichen z.B. auch für so profane Dinge wie Finanzhaushalt, Arbeitsrecht etc. in letzter Instanz zuständig...).  

Wie ist es zu erklären, dass in unserer „aufgeklärten“ Gesellschaft die alten Muster von „Kult- und Opferpriestertum“, die Trennungen von Leib und Seele, von Spiritualität und Engagement offenbar noch wirksamer sind als in Campesinogemeinschaften, die über Jahrhunderte hinweg mit Gewalt gerade in diese Muster hineingepresst wurden? Ersetzt vielleicht ein schwärmerisches Verständnis von Basisgemeinden, in die alle vor Ort unerfüllten Hoffnungen auf eine lebendige Gemeinde und erneuerte Kirche hinein projektiert werden, das konkrete Auseinandersetzen mit den Verhältnissen vor Ort, so dass sich gerade deswegen so wenig verändert?  
 
Die Gruppen beklagen sich darüber, dass sie von der Gesamtgemeinde als „bloße Sammelvereine“ angesehen werden, sie wollen aber mehr sein. Es ist folgender Zwiespalt zu beobachten: Einerseits möchten sie Erfahrungen aus dem Umgang in den Partnergemeinden in die eigene Gemeinde einbringen; sie möchten eine Kirche unterstützen, die Partei für die Armen ergreift; sie möchten mehr Mitsprache und Verantwortung für die Laien, auch in der Partnergemeinde; sie möchten in der Partnerschaft auch eine spirituelle Dimension sehen. Andererseits lehnen die Gruppen mehrheitlich - wie erwähnt - einen pastoralen Auftrag ab und auf die Frage nach der eigenen Spiritualität weiß man keine Antwort, außer vereinzelt Gebet und Fürbitten. In einer Gruppe wird das Unbehagen, einerseits eigentlich viel mehr von der Bibel inspiriert leben und arbeiten zu wollen, andererseits aber keinen Weg zu finden, wie dies in Gemeinschaft praktiziert werden könnte, in einem anderen Zusammenhang so ausgedrückt: „Eigentlich möchten wir auch so in einer Gemeinschaft unseren Glauben praktizieren, wie dies unsere Partner tun. Aber irgendwie drehen wir uns immer im Kreis, haben immer etwas anderes zu tun oder wir rennen gegen eine Wand, wenn immer wir einen Schritt nach vorne machen wollen“. 

Ein weiterer Hinweis, dass die Gruppen durchaus mehr machen wollen als reine Entwicklungsarbeit (und ein Hinweis darauf, was diese Wand sein könnte) ist die Einschätzung aller Gruppen, dass die Partnerschaftsarbeit keinen hohen Stellenwert besitzt, weder in der Gemeinde, noch in der Kirche insgesamt. Die Gruppen werden zwar meist als aktive Gruppe anerkannt und als selbstverständlicher Teil der Gemeinde betrachtet. Dennoch sehen sie sich ganz überwiegend als eine Gruppe am Rande. (Dies ist deswegen kein Widerspruch, weil die Gemeinden und Pfarrer die Existenz einer solchen Gruppe gerne sehen, weil „Mission“ eben gemacht werden muss und man dankbar dafür ist, dass dies einige in engagierter Weise betreiben. Nur dürfen sich diese dann nicht zu wichtig nehmen oder gar Aufregungen verursachen.) Die Gruppe fühlt sich so zwar als notwendige Gruppe anerkannt, aber in ihren Intentionen verkannt und von der Gemeinde nicht getragen. Sie wird innerhalb der Gemeinde dann auch noch kritisiert, wenn sie zu wenig informiert und sie wird auch kritisiert, wenn sie schon wieder informieren will.  

Die Gruppen kommen zu dem Schluss: „Partnerschaft führt ein Schattendasein“. „Allgemeine Auffassung: ‚Gut, dass das jemand macht!‘ Wir sehen uns etwas auf verlorenem Posten“. „Wir machen zwar unsere Aktivitäten verschiedener Art, aber erhalten dazu kein Feedback seitens der Gemeinde“. „Wir stehen etwas isoliert da und koordinieren unsere Aktivitäten im Alleingang nach unseren Vorstellungen“. „Partnerschaft wird von manchen als Sache der Gruppe, nicht der Gemeinde angesehen“. „Das Interesse der anderen Gemeindemitgliedern an unserer Arbeit ist sehr gering. Der AK Peru bleibt eine Randgruppe im Gesamt der gemeindlichen Aktivitäten, das liegt auch daran, dass Peru weit weg ist“. „In der Kirche allgemein: Projektarbeit ist wichtiger als Partnerschaftsarbeit, diese hat keinen zentralen Stellenwert“. „Die Gruppe wird kaum zur Kenntnis genommen“. 

Wenn Projektarbeit von kirchlichenStellen als wichtiger angesehen wird (so der Eindruck der Gruppen) als Partnerschaftsarbeit, wird das von den Gruppen als Mangel oder gar Verkürzung der christlichen Botschaft gewertet. Besonders in den Referaten Weltkirche der Diözesen (außer Freiburg) und auch den Hilfswerken (was hier verständlicher ist, denn dies ist deren Hauptaufgabe) geht es nach Auffassung der Gruppen zuerst um vorzeigbare Projekte und ent- sprechende Statistiken (32: Selbst wenn es sich hier um Vorurteile aufgrund mangelhafter Information handeln dürfte - und nicht alle Hilfswerke gleichgesetzt werden dürfen -  müsste es den Hilfswerken und Ordinariaten zu denken geben, wie es zu dieser verbreiteten Meinung kommen kann. Mit anderen Worten: Zumindest in der Vergangenheit ging es den Hilfswerken zuerst um Spenden und weniger um Veränderung hier in Deutschland (auf der Basis einer entsprechenden pastoralen Arbeit in den Gemeinden. Zu fragen wäre auch, ob die Apparate der Hilfswerke und Ordinariate für eine solche Aufgabe vorbereitet sind, personell und strukturell oder ob sie diese Aufgabe gar nicht sehen).

Allgemein wird festgestellt, dass es leichter wäre, reine Projektarbeit zu machen (was dann auch viele tun, weil sie sich darüber hinaus von niemand unterstützt fühlen).  Im Prinzip weiß man, dass „eigentlich“ eine bessere Koordination mit anderen Gemeinden in Fragen der Partnerschaft notwendig wäre, dass man junge Menschen in die Gruppe integrieren müsste, dass  man einfach mehr über die Partner und auch gesellschaftliche und kirchliche Zusammenhänge wissen müsste, doch alle Gruppen fühlen sich in diesen Fragen vor allem deswegen hilflos, weil sie sich in ihrem Engagement nicht ausreichend von „der Kirche“ (der eigenen Gemeinde und kirchlichen Stellen) unterstützt und ermutigt fühlen. Den engagierten Mitgliedern der Gruppen darf man keinen Vorwurf machen, wenn sie ihr Engagement nicht von der Mitte des Evangeliums oder von ihrer Taufe her begründen. Und wenn sie es tun, werden sie in ihre Schranken verwiesen. Denn trotz aller gegenteiligen Beteuerungen scheint man in der kirchlichen Behörde ein Übermaß an Aktivität der Laien und ein entsprechendes Selbstbewusstsein der Gemeinden mehr zu fürchten als deren Passivität (die mit „Frieden und Einheit“ gleichgesetzt wird, während das ehrliche Ringen um menschlichere und dem Evangelium gemäßere Formen als Streit und Aggression gegen die Kirche gedeutet wird). Wenn keine Partnerschaftsgruppe im Zentrum der Gemeindeaktivitäten steht, dann bedeutet das, dass keine Gemeinde die Partnerschaft in den Mittelpunkt ihrer Gemeindepastoral stellt. Die Partnerschaftsgruppe (wie jede Gruppe in der Gemeinde) ist für die Gemeinde nicht konstitutiv.
 
Was Gemeinde (Kirche) ist, wird nicht zuerst von den Gläubigen und deren Gemeinschaft her definiert. Was Gemeinde ist, bestimmt die Hierarchie. So wird am Beispiel peruanischer Partnergemeinden deutlich, dass Glaubensgemeinschaften, die auf der Basis des Evangeliums ihr Leben und ihren Glauben miteinander teilen (und Priester einladen) deswegen nicht Gemeinde sind, weil sie nicht „kirchlich anerkannt“ sind, während überall laut römischen Kirchenrecht dort Gemeinde (Kirche) ist, wo ein Priester von seinem Bischof zum Pfarrer bestellt worden ist, unabhängig von dessen Praxis, den betroffenen Menschen und davon, ob überhaupt eine Basis (Gemeinschaft) vorhanden ist oder nicht. Eine Gruppe, die im Kontakt und in der Begegnung (Comunio) mit den Ausgegrenzten deren Bedürfnisse und Glaubenserfahrungen als Orientierung für sich selbst ernst nimmt, wird innerhalb der organisierten Kirche zu einer Randgruppe. Überspitzt formuliert: der überwiegende Teil des Volkes Gottes, ausgerechnet gerade die Bedürftigsten, die am meisten Hunger nach Brot und nach Gott haben, werden von einer kleinen Minderheit, deren Tische überladen sind mit Brot und dem „Wissen von Gott“, an den Rand gedrängt (vergl. Lazarus).  
 
Exkurs:  Das Hauptargument der fehlenden Zeit, das von allen Gruppen genannt wird und der damit zusammenhängenden Überlastung lässt darauf schließen, dass in der Rangfolge der Prioritäten ein fundamentaler Unterschied zwischen deutschen und peruanischen Gruppen besteht. Während hier die Menschen wenig Zeit benötigen, um für den existentiellen Lebensunterhalt zu sorgen, aber dennoch keine Zeit haben, weil sie mit Dingen beschäftigt sind, die über das Existentielle hinausgehen, ist es in Peru anders herum: Die Menschen brauchen viel Zeit, um das Überleben zu sichern, haben aber darüber hinaus mehr Zeit - Zeit, die sie in die Gemeinschaft investieren, in die Verbesserung ihrer Beziehungen aber auch in die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. Es stellt sich die Frage, was für die Menschen hier existentiell so wichtig ist, dass sie trotz immer noch steigendem Wohlstand (auf die Mehrzahl der Gruppenmitglieder bezogen) in immer größeren Druck geraten bzw. sich immer mehr selbst unter Druck setzen. Im Grunde ist diese Frage nach den Prioritäten eine Frage nach dem Ersten Gebot, eine Frage nach Gott. Diese Frage wird von den Basisgruppen in Cajamarca eindeutig beantwortet: Ohne Gott gibt es kein (menschenwürdiges) Leben.  

Wichtig ist vor allem die Frage, was es für die Verkündigung der Botschaft Jesu bedeutet, wenn selbst für engagierte Gemeindemitglieder (die eigentlich nicht ums Überleben kämpfen müssen und Zeit hätten) die Verkündigung der Botschaft Jesu bzw. ein Ausrichten an seiner Botschaft entweder nicht mehr absolute Priorität hat oder (innerhalb bestimmter gesellschaftlicher und kirchlicher Strukturen) für utopisch und nicht realisierbar angesehen wird. Umgekehrt: nimmt man die eigene Taufe und damit die Verkündigung der Botschaft von Jesus dem Christus ernst, bleibt eine verschwindend kleine Zahl von Menschen, die unter den Bedingungen dieser Gesellschaft und der heutigen Zeit bereit und auch in der Lage wären, den Anbruch der Herrschaft Gottes zu verkünden und dies zeichenhaft in Gemeinschaft zu leben (als Kirche). Diese kleine Gemeinschaft hätte dann mit der zu noch 70% christlichen Gesellschaft wenig gemein. (In jeder Gemeinde gibt es engagierte Christen, die bis an den Rand der Erschöpfung sich für die Gemeinde bzw. Partnerschaftsarbeit einsetzen. Diese gilt es zu stützen und zu ermutigen. Dieser Exkurs richtet sich nicht kritisch an den Einzelnen, sondern an den gesellschaftlichen Kontext; es geht um strukturelle Anfragen an Gesellschaft und Kirche).

2.   Kommunikation (Besuche, Begegnung, Comunio, Kommunion)
 

Hier wird davon ausgegangen, dass die Eucharistie das Grundsakrament von Kirche ist. Die Eucharistie hat ihre Wurzeln in der Feier des Auszugs aus der Sklaverei und den Worten und Taten Jesu (Umkehr und Verkündigung des Reiches Gottes, dessen Zeichen u.a. die Tischgemeinschaft mit den Ausgeschlossenen und das gemeinsame Festmahl ist). Sie bedeutet, dass Jesus als Christus gegenwärtig ist, wenn Menschen in seinem Namen das Brot teilen (die Gaben der Schöpfung und all das, was Menschen zum Leben brauchen). Sie ist Vorwegnahme der Gemeinschaft mit Gott und allen Menschen, einer Gemeinschaft, in der alle Kinder Gottes „das Leben in Fülle“ haben werden. Dieser Anspruch von Eucharistie lässt sich nicht nur einlösen durch die sogenannte Sonntagspflicht. Voraussetzung für Eucharistie ist eine entsprechende Praxis bzw. eine entsprechende Praxis ist bereits Eucharistie, wenn diese Praxis ihren Ausdruck findet in einer gemeinsamen Feier (33) : "Eine Unterscheidung zischen einer „Eucharistiefeier“ ohne oder mit Priester wird hier nicht angestellt und stellt sich aus einer konkreten Praxis heraus nicht, bzw. eine solche Frage erweist sich als zweitrangig. Eine solche Unterscheidung entspricht nicht der Praxis Jesu und den Erfahrungen der ersten Christen und christlicher Basisgruppen, die aus der Situation heraus feiern und die Gegenwart Gottes erleben, wenn sie das Brot miteinander teilen. Dogmatische Fixierungen bedeuten letztlich, Gott selbst vorschreiben zu wollen, wann und mit wem er sich an den Tisch setzen darf.). Wenn nun deutsche Gruppen im Namen Jesu mit den Bedürftigsten das Brot teilen (und das wollen sie), dann ist das konstitutiv für Kirche".

Nach den Aussagen der Gruppen, findet aber die große Mehrheit der Gruppen keine Wege, um mit den Bedürftigsten in einen engeren Kontakt und Dialog einzutreten, der Vorausset- zung für Begegnung und miteinander Teilen ist. Die Bedürftigsten erfahren oft noch nicht einmal, dass jemand mit ihnen das Brot teilen und Gemeinschaft haben will. Die große Mehrheit der Gruppen berichtet zudem, dass nach dem Bischofswechsel die Kommunikation mit den Partnern schwieriger geworden ist und dass Bedürftige strukturell ausgegrenzt werden. Um es als Paradox auszudrücken: Kirche (der „Autoritäten“, der Mächtigen) verhindert Kirche (der Armen, der Machtlosen). Dies ist zwar eine uralte Tragödie, seit Kain und Abel. Sich damit abfinden heißt, den zentralen Glaubenssatz des Christentums vom Tod und von der Auferweckung Jesu nicht ernst zu nehmen.  Wie sieht es mit der Möglichkeit einer Begegnung mit den Armen aus, wie funktioniert Kommunikation und welche Möglichkeiten haben deutsche Gruppen, wirkliche Partner zu sein oder zu werden?  
 
a) Ansprechpartner:

Überall, wo es keine direkte Kontakte zu Gruppen bzw. wo es überhaupt keine aktiven Gruppen in der Partnergemeinde gibt, gibt es zur Zeit wenig oder keine Kommunikation. Der Wunsch aller Gruppen ist ein direkter Kontakt zu den Partnern, zu den Gruppen der Partnergemeinde und zur Partnergemeinde insgesamt. Als ein Hauptproblem der Partnerschaften stellt sich die Frage nach den Ansprechpartner in den Partnergemeinden heraus (Partnerschaft mit wem?).  Drei deutsche Gruppen stehen in direktem Kontakt zu Basisgruppen in der Partnergemeinde. Diese direkten Kontakte werden nach Ausschöpfen aller „kirchlich legalen“ Möglichkeiten unter Umgehung der Gemeindeleitung und gegen den Willen des Bischofs praktiziert. In den anderen Gruppen besteht ein wachsendes Misstrauen, dass der jeweilige Pfarrer der Partnergemeinde nicht (mehr) die dortige Gemeinde repräsentiert und das verbreitete und anerzogene Bild vom Pfarrer als Verkörperung und Repräsentant der Einheit einer Gemeinde gerät ins Schwanken. Besonders die Freiburger Gemeinden sind hier betroffen und sind auch am hilflosesten (34): Wenn sie sich in ihrer Not - wie in mindestens drei Fällen geschehen - dann um Hilfe an das Referat Weltkirche der Erzdiözese Freiburg wenden, werden sie von dessen Leiter darauf hingewiesen, unter allen Umständen den Kontakt mit dem Pfarrer aufrecht zu erhalten und in schwierigen Fällen den Ortsbischof um Vermittlung zu bitten. Nach einer solchen Auskunft fühlen sich die Ratsuchenden noch hilfloser und unter Umständen gar schuldig, weil sie die Schuld an dem nicht gelingen wollenden Dialog bei sich selbst suchen".

Der Wunsch nach direkten Kontakten deutscher Gemeinden zur „Basis“ (zu den Ärmsten) kommt in Konflikt mit der realexistierenden Gemeindesituation in den Partnergemeinden, in denen mehrheitlich die Pfarrer allein „Besitzer“ der Partnerschaft oder nicht behilflich sind, Kontakte zu den einzelnen Gruppen zu ermöglichen bzw. solche Gruppen überhaupt nicht wollen (besonders nicht auf dem Land, was wiederum für die deutschen Gemeinden am attraktivsten wäre). Die Frage, wer und was Gemeinde ist, wer die Träger der Partnerschaft und wer und was die bleibende und konstitutive Konstante in der Beziehung zweier Gemeinden sind, wird verdrängt. Oder die Probleme mit den Ansprechpartnern werden als spezifisches Lokalkolorit Cajamarcas angesehen, was im Grunde nichts mit der deutschen Realität zu tun hat und was letztlich akzeptiert werden muss. Ähnlich verhält es sich bei der Frage nach dem Bischof als Repräsentant der Kirche von Cajamarca. Nur in seltenen Fällen wird wahrgenommen, dass die peruanischen Partnergruppen erwarten, dass die deutschen Gemeinden Stellung beziehen und sie angesichts der Anmaßungen der offiziellen Kirche nicht im Stich lassen.

Viele deutsche Gruppen übernehmen (mangels Alternative) die Haltung der offiziellen Kirche, nach der die Einheit mit dem jeweiligen Bischof wichtiger ist als die Einheit mit den Ausgegrenzten. Den Gruppen ist diese Haltung in ihrer Konsequenz meist nicht bewusst, führt aber in der Praxis gerade zu einer Verweigerung der Partnerschaft mit den Bedürftigen, weil man die Terminologie der Amtsträger verinnerlicht hat (Ideologie einer Einheit und Comunio von oben), anstatt von den Armen und dem Evangelium her zu argumentieren und mit den Armen die Einheit und die Tischgemeinschaft zu suchen und Pfarrer und Bischof dazu einzuladen.

(35): Eine Delegation aller fünfzehn Partnergemeinden bat bereits am 22.10.1997 um ein Gespräch bei Adveniat, das dann im Frühjahr (trotz Bedenken von Mons. Spelthahn: „von der Sache her halte ich so ein Gespräch aber nur dann für sinnvoll, wenn auch der jetzige Bischof von Cajamarca, Mons. Simón Piorno, daran teilnehmen würde, denn es scheint mir kein guter Stil zu sein, über jemand in seiner Abwesenheit zu sprechen. Schließlich war in der Vergangenheit und ist es bis auf heute, ADVENIAT eine Instanz, die Brücken baut....“ usw.) zustande kam („zudem wollte ich mich aber auch vorher mit Herrn Domkapitular Sauer kurzschließen, da etwa die Hälfte der unterzeichneten Gemeinden ja aus der Erzdiözese Freiburg stammen“. Auf diesem Gespräch stellte der Geschäftsführer von Adveniat fest, dass jede Zusammenarbeit in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Ortsbischof geschehen muss, denn der Bischof von Cajamarca ist stets qua Amt die Kirche von Cajamarca. Alle Versuche, ohne dessen Erlaubnis in seiner Diözese zu wirken, ist gegen die Kirche gerichtet und spaltet somit die Kirche. In der Praxis werden damit Tausende engagierter Christen exkommuniziert. Wenn man die Worte Mons. Spelthahns konsequent zu Ende denkt und der Bischof von Cajamarca (d.h. alle seine Werke, sein Verhalten usw., über das umfangreiche Dokumente und Zeugnisse vorliegen) wirklich die Kirche wäre, dann sollten diese Zeugnisse tatsächlich vorgelegt werden, damit der Welt verkündet werde, was Kirche ist". 
 
Seit dem Bischofswechsel wird eine starke Zunahme der Kommunikationsschwierigkeiten registriert, weil der Bischof als Vermittler und „Notanker“ ausfällt. Seither schreiben die peruanischen Priester noch weniger oder auch gar nicht mehr. Ausländische Priester, die vorher eine große Hilfe in der Partnerschaft waren und oft als Vermittler eingesprungen sind, sind außer einem Pensionär nicht mehr in der Diözese. Am besten funktioniert noch die Kommunikation mit den Schwestern (die immer mehr durch Schwestern kontemplativer Ordensgemeinschaften aus Spanien ersetzt werden).

Der aktuelle Bischof steht somit (abgesehen von seinen eh schon theologischen häretischen Prämissen wie die Ablehunung des Konzils) einer wirklichen Partnerschaft im Weg, d.h. er verhindert Weltkirche (katholische Kirche), während es Aufgabe eines Bischofs ist, Gemeinschaft, Dialog und damit Partnerschaft zu ermöglichen. Das Problem liegt darin, dass ein Bischof (und jeder kirchliche Amtsträger) vom seinem Amt und seiner Weihe her definiert wird (und nicht von dem her, was er wirklich tut, wie und mit wem er lebt, von wem er Geld erhält und mit wem er sich an den Tisch setzt.... und dies gemessen am Beispiel des Guten Hirten, Jesus) bzw. ob er diesem Amt auch gerecht wird. Das Kriterium aber, ob er seinem Amt gerecht wird, ist wiederum institutionell vorgeben und besteht zur Zeit zuerst in der bedingungslosen Treue zum Papst (und nicht zum Evangelium und den Armen).
 
In der Abwicklung der Kommunikation haben die deutschen Gruppen einen großen Vorsprung gegenüber ihren Partnergruppen. Dies schließt die technischen Möglichkeiten mit ein, bezieht sich aber vor allem auf die Transparenz in der Kommunikation. In der Regel ist auf deutscher Seite die gesamte Gruppe an der Kommunikation beteiligt, auch die Gemeinde wird mit einbezogen. Der Pfarrer steht dabei nicht im Mittelpunkt. „Briefe nach und aus Cajamarca werden veröffentlicht“. „Die Kommunikation ist transparent. Jeder darf wissen, was wer geschrieben hat“. In den peruanischen Partnergruppen ist die Situation verschieden. In demokratisch organisierten Basisgruppen mit direkten Kontakten ist die Transparenz kein Problem (wohl aber die technische Abwicklung). In den Gruppen ohne Direktkontakte (oder zu wenig direkten Kontakten) wird diese Situation als schweres Hindernis für die Partnerschaft empfunden. „Die Kommunikation gestaltet sich oft schwierig, da oft wenig konkrete Information vorliegt“. „Unser Problem seit zwei Jahren ist der Umbruch in der Partnergemeinde, der uns ohne festen Ansprechpartner ließ, wir fangen daher fast wieder von vorne an.“ „Schwierig ist der Kontakt mit Bischof Simón und den Pfarrern“. „Es ist innerhalb der Partnergemeinde noch zu wenig bekannt, dass es uns gibt“. Wenn es wenig Ansprechpartner gibt und nur der Pfarrer schreibt oder die Besuchergruppe empfängt, erschwert dies ein Kennen lernen der Lebensumstände der Partnergemeinde. Deren Probleme, einschließlich der Ursachen, können dann nicht authentisch zur Sprache kommen.

Innerhalb der Diözese Cajamarca ist den einzelnen Gemeinden nicht bekannt, welche weitere Gemeinde eine Beziehung nach Deutschland hat. Ein Austausch von Erfahrungen ist daher auch unbekannt (36): Das Partnerschaftsbüro der Erzdiözese Freiburg in Lima wollte 1997 ein Partnerschaftstreffen in Cajamarca organisieren, doch kam es mangels Resonanz nicht zustande. Eine neue Situation entstand 1998 durch das exklusive Partnerschaftstreffen der sechs Freiburger (!) Partnergemeinden in Cajamarca unter der Leitung von Bischof Simón und auf  Drängen des Freiburger Partnerschaftsbüros in Lima. Es besteht vielmehr die Tendenz, bestehende Beziehungen zu verheimlichen. In Gemeinden mit demokratisch organisierten Basisgruppen ist das nicht zu beobachten, da sie von ihrem Selbstverständnis her auf Öffentlichkeit und Mitsprache hin angelegt sind.
 
b) Besuche: 

In allen Gemeinden kam es zu Besuchen. Das persönliche Kennen lernen ist für alle Gemeinden ein unverzichtbarer Bestandteil der Partnerschaft. Die Besuche werden ein hellig als entscheidend und wegweisend für die Partnerschaft genannt. „Besuche sind sehr wichtig für beide Seiten, persönliche Beziehungen tragen die Partnerschaft hier und dort“. „Der Stellenwert ist sehr hoch, Verteilung der ‚Lasten‘ hier auf mehrere Schultern“. „Die Besuche sind das feste Bindeglied zwischen uns und den Partnern und das fruchtbarste Lernfeld in der Partnerschaft“. „Durch die Besuche kann man sich ein besseres Bild machen über die reale Lebensweise der Menschen und Probleme und daraus resultierende Wünsche besser in konkrete Projekte umsetzen. „Den Stellenwert der Besuche schätzt die Gruppe sehr hoch ein, bisher wurden aber die Besuche nicht genügend vorbereitet, die Partnerschaft ist ‚Mensch‘ geworden und ist den Leuten bewusst geworden“.  
 
Besuche sind für alle Gruppen die dichteste Form der Kommunikation. Ansatzweise werden in den Antworten der Gruppen auch theologischen Dimensionen angedeutet, so wenn von der persönlichen Begegnung mit den Partnern von einer „Menschwerdung der Partnerschaft“ gesprochen wird. Allerdings haben die Gruppen mehrheitlich die Erfahrung gemacht, dass der Besuch des peruanischen Pfarrers in der deutschen Gemeinde, weder hier noch dort zu einer entscheidenden Belebung der Partnerschaft geführt hat (37): Spätestens 1981 begann mit der Einladung der beiden Pfarrer Antero Mundaca (Celendín) und Jorge Lopez (damals Bambamarca) durch die Gemeinde St. Martin, Dortmund ein der Partnerschaft wenig dienlicher „Rundreisetourismus“, der danach anderen jüngeren Pfarrern als Vorbild diente. Ein rühmliche Ausnahme bildet ausgerechnet der Besuch von Padre Perales in Ostrach, ebenso der Besuch von Padre Victorino in Herzogenaurach (der für die Situation in Herzogenaurach sehr hilfreich war, nicht aber für die weitere Arbeit in Tembladera). Peruanische Pfarrer sehen in ihrer Mehrheit den Besuch eher als „Lohn“ der Partnerschaft und weniger als Möglichkeit, mit neuen Ideen in die eigene Gemeinde zurückzukehren.

„Die Besuche hier fanden Beachtung, haben aber kein dauerhaftes zusätzliches Engagement gebracht“. „Leider gab es trotz guter Ansätze hier bei uns seitens der Partner keine weiteren Schritte mehr nach dem Besuch hier, wir sehen hier auch die Konsequenz aus der eindimensionalen Kontaktschiene“. Die Mehrzahl der Gemeinden ist daher mit Einladungen sehr vorsichtig, ist sich aber gleichzeitig bewusst, dass die Ungleichheit der Besuche die generelle Schieflage (von arm zu reich) eher noch bestärkt. Campesinos waren noch nicht zu Besuch. Einladungen an die direkt Betroffenen werden diskutiert, im Prinzip auch für wünschenswert erachtet, doch wegen der sehr großen sozialen und kulturellen Unterschiede nicht ausgesprochen (Sorge um Kulturschock).
 
Nach den Berichten aus den Gruppen war der Besuch in Peru mit weitem Abstand das schönste Erlebnis innerhalb der Partnerschaft. Mehrheitlich sind es die Besuche auf dem Land, die in Erinnerung bleiben. Wo es nicht zu diesen Besuchen auf dem Land kam, wurde dies schmerzlich vermisst. Das bedeutet, dass man gerne auf das Land gegangen wäre, dies aber z.B. vom Pfarrer der Partnergemeinde nicht vorgesehen war. Die Besucher möchten das Leben der Ärmsten (nicht nur auf dem Land) aus der Nähe kennen lernen, sie möchten deren Hütten sehen, wissen, was sie essen und wie und von was sie leben. Von diesen Armen eingeladen zu werden, ist für alle Besucher das schönste Erlebnis bzw. wäre der größte Wunsch. Man erinnert sich zuerst an die überschwängliche Gastfreundschaft, an die Freude und Begeisterung der Menschen und an die gemeinsamen (Wort-) Gottesdienste. Je ärmlicher dabei die Umgebung und um so ärmer die Menschen, desto nachhaltiger ist die Erinnerung. Diese so entstandene, stark emotionale Verbindung ist es, die viele Besucher heute zum Durchhalten befähigt.

Das Band der Zärtlichkeit ist das Fundament einer stabilen und echten Beziehung und es ist diese zärtliche Verbundenheit, die über alle Unterschiede hinweg trägt und so auch Rückschläge verkraften kann. Gerade die Menschen, die sich auf diese Ebene der Beziehung eingelassen haben, leiden dann am meisten, wenn die Partner der Willkür von „Autoritäten“ ausgeliefert sind. Sie können dann auch ihre Betroffenheit - selbst in der eigenen Gruppe - nur sehr schwer denen vermitteln, die diese Erfahrungen nicht gemacht haben oder rein formalistisch und legalistisch z. B. von den nun mal so vorhandenen kirchlichen Strukturen sprechen. Theoretische Erkenntnisse oder moralische Appelle vermögen vielleicht Einsichten zu schaffen, geben aber allein nicht die Kraft und bewirken keine Veränderung. Verhaltensänderungen, von denen vereinzelt berichtet wird, beruhen auf dem direkten Erleben von Elend und Unterdrückung im Zusammenhang der Begegnung mit den Partnern (vor allem Campesinos). Verhaltensänderung wird hier im Sinne von Bekehrung und Umkehr verstanden. Ist man bereit, diese Begegnungen und Verhaltensänderungen als religiöse Ereignisse ersten Ranges zu sehen, dann wird deutlich, dass es farbenfrohe, sinnliche und bewegende Momente sind, die den Menschen in seinem Innersten bewegen und Religion (Offenheit für das Andere) konstituieren.

Eine Begegnung mit dem „Anderen“ kann die Voraussetzung dafür schaffen, dem ganz „Anderen“ begegnen zu können (und umgekehrt). Dass es sich dabei auch um tiefe mystische und spirituelle Erlebnisse handelt, wird allerdings von den Betroffenen kaum so erfahren, da man nicht gelernt hat, in diesen Kategorien zu denken und zu sprechen. Man wird überwältigt, ohne zu wissen, was wirklich geschieht. Die Erschütterung, im notleidenden Nächsten das Antlitz des gekreuzigten Christus zu entdecken, ist der entscheidende Moment einer persönlichen Bekehrung und Umkehr - und um so wichtiger, wenn diese „grenzüberschreitenden“ Glaubenserfahrungen in den eigenen Gemeinden nicht gemacht werden (können).

Der „normale“ Gemeindegottesdienst, als eigentlich dichteste Form der Gemeinschaft mit Gott und den Menschen, bietet offensichtlich keinen Raum für solche Erfahrungen. Es sind dagegen gerade die erlebten Gottesdienste mit Campesinos (mit oder ohne Priester), die für einige Besucher zum ersten Mal erahnen lassen, was es heißt, mit den Armen das Brot zu teilen und gerade so die Gegenwart Gottes zu spüren. Etliche Besucher berichten von Tränen, derer sie sich nicht schämten. In den Gruppen sind diejenigen die aktivsten, die von solchen Erlebnissen erzählen können. Sie sind mit dem Herzen dabei, weil sie sich anrühren ließen und sich geöffnet und „ausgeliefert“ haben. Wo die Beziehung aber nur auf rein rationaler Basis besteht, finden sich auch bald rationale Argumente, um die Beziehung abzubrechen.  
 
Die vorliegenden Erlebnisberichte der Besucher und ihre Erfahrungen nach dem Besuch in der eigenen Gruppe und Gemeinde bestärken den weiter oben erwähnten Eindruck, dass in deutschen Gemeinden die zentrale christliche Frage nach Christus nicht ihre angemessene Bedeutung hat. Wenn (reiche) Menschen den Armen begegnen und in ihnen gar das Antlitz des gekreuzigten Christus entdecken, wenn sie aus dieser Erfahrung heraus zu einem neuen Engagement finden, werden sie gerade deswegen in der eigenen Gemeinde zu Außenseitern. Die Gemeinde ist permanent „mit anderen Dingen, einer Unmenge von Dingen, beschäftigt“, wie es eine Besucherin ausdrückt, aber sie ist nicht in der Lage oder hat keine Zeit, sich wirklich auf die in der Partnergemeinde gemachten Erfahrungen einzulassen. Überspitzt formuliert: die christliche Kirche in reichen Ländern (und deren kolonialen Ablegern bzw. Abziehbildern in armen Ländern) ist längst entchristlicht, weil die Frage nach Jesus Christus (Worte, Taten, Tod und Auferstehung) eine höchstens sekundäre Rolle spielt. Sie ist somit ohne Fundament und ohne Substanz. Es funktioniert aber noch der Apparat, den man bei Bedarf in Anspruch nimmt, weil man ja auch Steuern bezahlt.  

Erschütternd ist, dass diese Praxis gerade von Kirchenoberen zum Maßstab gemacht wird und als Vorbild dient, so in der Frage nach dem Kriterium der Mitgliedschaft in der Kirche, die (ist man erst einmal ungefragt Mitglied) ausschließlich über Geld (Steuern) definiert wird. Dagegen erscheint sogar die Praxis des Bischofs von Cajamarca logischer, der die monatliche Ohrenbeichte zum Kriterium der Mitgliedschaft in der Kirche macht und der somit wenigstens konsequenter an der Lehre der Kirche festhält als die „liberale“ deutsche Kirche (die er konsequenterweise als „protestantisch verseucht“, also als hoffnungslosen Fall darstellt). Wie können aber peruanische Basisgruppen, deren Fundament der Glaube an Jesus Christus ist, mit deutschen Partnergruppen eine gemeinsame Basis finden? Wer sind in den deutschen Gemeinden die Ansprechpartner z.B. für die Katecheten, die Basisgruppen usw.?
 
c) Projekte

In den Projekten vergegenständlicht sich die Kommunikation, sie sind die materielle Basis der Partnerschaft. Die Art und Effizienz der Projekte zugunsten der materiell Bedürftigen hängt in entscheidender Weise von der Art der Kommunikation ab.  Die deutschen Gemeinden möchten in keiner Weise den Eindruck erwecken, den Partnern bestimmte Projekte aufzuzwingen. Tatsächlich werden in keiner Gemeinde die Projekte von hier aus vorgegeben, sondern alle Projektvorschläge kommen von den Partnern. Hier wird dann lediglich geprüft, ob diese Projekte finanzierbar sind oder nicht. Auch wird peinlichst vermieden, den Partnern inhaltliche Vorgaben zu machen, außer - aus deutscher Sicht als selbstverständlich vorausgesetzt - dass die Arbeit und das Geld den Armen zugute kommt. Man vertraut dem Partner (meist Pfarrer), dass dieser am besten weiß, was zu tun sei. Dennoch wäre es allen Gruppen lieber, wenn die Vorschläge von den Bedürftigen selbst kämen, diese mindestens aber mit einbezogen würden. Aber das traut man sich, wenn überhaupt, nur sehr zaghaft zu formulieren, da es sonst als Zeichen des Misstrauens ausgelegt werden könnte.

Bedauert wird sehr, dass von den Betroffenen selbst keine Rückmeldungen kommen und auch von den Verantwortlichen kommt wenig. Dennoch möchte man nicht kontrollieren, um nicht als „Kolonisator“ zu erscheinen. Die meisten Gruppen stehen in dem Dilemma, einerseits sich den Spendern verantwortlich zu fühlen und diese auch entsprechend zu informieren und Rechenschaft abzulegen und andererseits den Partnern gegenüber äußerst verständnisvoll zu sein (sein zu müssen) und keine unnötigen bürokratischen Hürden einzubauen. Denn gerade darin möchte man sich von den großen Hilfswerken unterscheiden, ohne sich allerdings mit deren Arbeitsweise, Form der Projektbegleitung, Grundlagen und Zielvorstellungen intensiver befasst zu haben. Eine entschiedenere Begleitung der Projekte seitens der deutschen Gemeinden wäre wünschenswert. Dabei könnten die Erfahrungen der Hilfswerke (Misereor) von großem Nutzen sein, doch werden diese Erfahrungen aus verschiedenen Gründen wenig genutzt bzw. es besteht ein Informationsdefizit (beiderseits), was seitens der Gemeinden schnell zu Vorurteilen führt („wir handeln unbürokratisch, aber die Hilfswerke...“)  

Auch wenn rein technische Projekte, Bauten, Landwirtschaft usw. überwiegen und als leichter abwickelbar angesehen werden, möchten alle Gemeinden, dass in den Partnergemeinden mehr Gruppen entstehen, dass Katecheten mehr Verantwortung übernehmen und pastorale Fortschritte (einheimische Kirche, Rolle der Laien, Basisgemeinschaften) sichtbar werden. Diese Wünsche werden aber erst auf Rückfragen geäußert und sind eher unterschwellig vorhanden. Man findet keine Möglichkeit (oder ist nicht in der Lage), dies deutlich zu formulieren und auch den Partnern gegenüber zu vertreten, was zudem von der Mehrzahl der Gruppen als unzulässige Bevormundung betrachtet würde und deshalb unterlassen werden sollte.  
 
Über die Hälfte der befragten Gemeinden gibt nur zögerlich Auskunft über Projekte, vor allem wenn es um Probleme im Zusammenhang mit Projekten oder um die Höhe der Spenden geht. Noch zögerlicher ist man, wenn es um die Information in der Partnergemeinde selbst geht. Aus Angst, den peruanischen Pfarrer bloßzustellen, nutzt man nicht die Gelegenheit, z.B. bei Besuchen in der Partnergemeinde öffentlich über die Partnerschaft und konkret über die Höhe der geschickten Spenden zu informieren. Man fürchtet - neben der evtl. Bloßstellung - Neid und Streit zu verursachen, ohne zu bedenken, dass gerade eine mangelnde Information zu Unfrieden führen kann. Die Mehrzahl der peruanischen Gemeindemitglieder (bezogen auf die Gesamtheit der Gläubigen im statistischen Sinne und nicht bezogen auf die aktiven Gruppen) geht selbstverständlich davon aus, dass jeder Pfarrer, der Besuch aus Deutschland bekommt oder selbst schon in Deutschland war, seinen Teil erhält. Die Gemeinden mit direkten Beziehungen haben dank der vorhandenen Transparenz nicht diese Probleme. Ein peruanischer Pfarrer (Bischof), dem die Partnerschaft ein großes Anliegen ist, müsste in seinem eigenen Interesse und zu seinem eigenen Schutz für Transparenz sorgen.  
 
Alarmierend ist, dass nach Aussagen der Gruppen kaum wahrgenommen wird, was die Gelder bei den eigentlichen Adressaten bewirken oder welche Empfindungen sie auslösen können. Neben den schon erwähnten mangelnden Direktkontakten spielt hier auch die Unkenntnis der Mentalität der Empfänger eine Rolle. Es ist sehr schwer, sich als Außenstehender in die Mentalität der Empfänger einfühlen zu können. Dies sollte aber zumindest als Herausforderung erkannt und als Ziel nicht aus dem Auge verloren werden. Von diesem Bemühen hängt ab, ob es überhaupt möglich ist, sich dem Fremden (analog dem „Anderen“) zu öffnen, ohne dass dieser vereinnahmt und dessen Identität gefährdet, sondern stabilisiert wird.

Es ist auf Dauer nicht durchzuhalten, einerseits den Ärmsten helfen zu wollen, gar in einen konstruktiven Dialog „von Angesicht zu Angesicht“ eintreten zu wollen, andererseits aber ständig mit der Unmöglichkeit“ eines direkten Kontaktes konfrontiert zu werden. Durch die kaum vorhandene Wahrnehmung der Empfindungen der Betroffenen kann zudem nicht überprüft und notfalls korrigiert werden, ob der eingeschlagene Weg der Partnerschaft und Projektarbeit nicht doch zuletzt nur die bisherigen Muster der Abhängigkeit verstärkt oder nicht.
 
Fazit

Wenn die Eucharistie in ihren drei Dimensionen (Erinnerung - Gegenwart und Praxis - Vision und Zukunft) und ausgedrückt im Bild des Brotteilens und des gemeinsamen Mahles, das Grundsakrament von Kirche ist, ist es für kirchliche Gruppen von entscheidender Bedeutung, dass sie auf die Voraussetzungen, um mit denen das Brot teilen zu können, die vom Herrn zum Festmahl geladen sind, größten Wert legen. Zu diesen Voraussetzungen gehören der Kontakt mit den direkt Betroffenen, die Möglichkeit einer wirklichen Begegnung und eine effiziente materielle Unterstützung (Projekte). Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, steht nicht nur die Partnerschaft, sondern auch die Möglichkeit von weltweit Kirchesein auf tönernen Füßen. Ein Faktor aber lässt sich nicht planen und ist bei aller sonstigen Unvollkommenheit letztlich entscheidend: das Vertrauen.  

3. Einheit (Trennung) von Sozial und Pastoral
 
Dieses Thema ist in der Beschreibung der Arbeit in den peruanischen Partnergemeinden durchgehend präsent. In den Fragebögen wurde nicht direkt nach Sozialpastoral gefragt. Bei einer direkten Befragung hätten auch alle Gruppen bestätigt, dass Pastoral und Sozial zusammengehören (dieser Rückschluss ergibt sich aus den Antworten der Gruppen in anderen Zusammenhängen). In der Frage nach dem pastoralen Verständnis bzw. dem jeweiligen Ort in der Kirche, wurden bereits einige Hinweise auf das Verständnis von Pastoral gegeben. In den Partnergruppen und den Gemeinden gibt es einen Widerspruch: Im eigenen Selbstverständnis und in der konkreten Partnerschaftsarbeit (Projektarbeit) ist der pastorale Aspekt wenig ausgeprägt, der eigene Auftrag und die Zielsetzung wird nur selten „von den Quellen“ her begründet, das Soziale steht eindeutig im Vordergrund. Im Bezug auf die eigene Gemeinde und Gesellschaft steht dagegen das kultische Element im Vordergrund (Pastoral in seiner verengten Bedeutung) und die eigene Wirklichkeit (Gesellschaft, Wirtschaft, Politik) wird nicht im Lichte des Glaubens analysiert und folglich werden auch keine praktischen (gesellschaftspolitisch relevante) Konsequenzen daraus gezogen - das Soziale wird so in der eigenen Glaubens- und Gemeindepraxis vernachlässigt. (Wie beide Bereiche nicht nur zusammenkommen, sondern noch nicht einmal als verschiedene Bereiche gesehen werden - siehe die Artikel über Bambamarca: „Die Stimme der Campesinos“). Die folgenden Punkte sind lediglich als Ergänzungen gedacht.  
 
Diskussion um „Politik“ (innerhalb der Gruppen): 

In fünf Gemeinden kam es immer wieder zu heftigen Diskussionen um politische Fragen. „Die Frage, wie politisch dürfen wir sein? (Entschuldung, Jugendarbeitslosigkeit etc.), standen immer im Zentrum der Diskussion“. „Konflikte um die Theologie der Befreiung wurden in den Gruppen, teilweise auch in der Gemeinde, kontrovers diskutiert“. Das Engagement in der Friedensbewegung führte zu weiteren Konflikten, einmal gar zum Ende als MEF. In drei Gemeinden kam es zu Spannungen zwischen „Machern und Betern“, in zwei Gemeinden wurden die Spannungen durch den Auszug der „Macher“ bereinigt. In allen Gemeinden, in denen es innerhalb der Gruppe zu Konflikten kam, wurden die Konflikte dadurch gelöst, dass sich ein Teil der Gruppe (meist der „politischere“ Teil) zurückzog, resignierte oder sich anderswo engagierte. Dabei ging es stets um die Frage, ob bzw. wie eine kirchliche Gruppe sich in die Politik einmischen darf und ob ein Zusammenarbeiten mit nichtkirchlichen Gruppen (die durchweg als „links“ und als kirchenkritisch eingestuft wurden) erlaubt sei. In den Anfangsjahren waren mehr Menschen bereit, in den Gruppen mitzuarbeiten, die nicht primär vom kirchlichen Milieu geprägt waren.

Das Milieu der Gruppen in der Gemeinde und damit die Gemeinde selbst wird immer mehr verengt, d.h. sie finden keinen Zugang zu anderen Milieus und umgekehrt. Folglich wird heute in der Mehrheit der Gruppen eher ein Rückgang von Veränderungsmöglichkeit in der Ge- meinde und im gesellschaftlichen Umfeld festgestellt als zu Beginn der Partnerschaft. Von einer Aufbruchstimmung in den Gruppen oder gar Gemeinden ist nicht viel (mehr) zu spüren. Die Gruppen sind angepasster geworden. Inwieweit dies die Möglichkeiten einer „Partnerschaft mit Außenseitern“ (auch in der eigenen Gemeinde) erschwert, kann hier nicht verifiziert werden. Doch prinzipiell neigen sich verengende Gruppen eher dazu, sich abzuschotten, als sich zu öffnen. Kann durch eine Partnerschaft mit Ausgegrenzten vielleicht nicht doch gerade diese Verengung aufgebrochen werden?  Der Kirche sonst Fernstehende sind in den kirchlichen Gruppen nicht (mehr) zu finden. In den Anfangszeiten gab es mehr Reibereien und Auseinandersetzungen mit der Gemeinde. Als „Gemeinde“ wurde hier von den Gruppen meist der Kirchenrat wahrgenommen, der parteipolitisch ausgerichtet war oder auch die Gottesdienstgemeinde, die von „rein politischen“ Themen wenig wissen wollte. Pastorale Konflikte wurden außer dem Streit um die Theologie der Befreiung nicht genannt. Es gab eher Konflikte der Gruppe mit den Pfarrern und/oder meist konservativen Gruppen in der Gemeinde. Anlass war stets der Verdacht politischer Einseitigkeit und mangelnder Kirchlichkeit.  
 
Standort in der eigenen Gesellschaft - gesellschaftliche Veränderungen:

Für einen Katecheten in einer Comunidad (oder Präsidentin eines Mütterclubs einer Pfarrei in Cajamarca) ist es selbstverständlich, seinen Standort in der Gesellschaft zu bestimmen. Er erfährt sich als ein Ausgeschlossener, als Opfer von Verhältnissen, die von Menschen so eingerichtet sind, dass einige Wenige davon profitieren und Viele darunter leiden. Diese Standortbestimmung wird nicht nur erfahren, sondern der Katechet kann auch in der Regel erklären, warum das so ist und welche wirtschaftlichen Interessen dahinter stehen. Vor allem aber weiß er, dass diese Fragen fundamental mit seinem Glauben an den biblischen Gott des Lebens zusammenhängen. Aufgrund seines Glaubens beginnt er diese Gesellschaft zu verändern, weil er z.B. glaubt, dass es nicht Gottes Wille ist, dass seine Kinder nichts zu essen haben, keine Schule besuchen können und als „Indios“ weiterhin verachtet werden.

Wegen seinem Glauben sieht er das globale Wirtschaftssystem nicht als gottgegeben an, sondern als Ursache für die zunehmende Verelendung weltweit. Es gehört zu seinem Glauben, dieses gottlose System zu überwinden und er weiß um Alternativen aufgrund seines Glaubens. Er kennt in der Regel viel besser die grundsätzlichen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils und weiterer kirchlicher Dokumente als vergleichbar Engagierte in deutschen Gemeinden. Er weiß, was z.B. eine bestimmte Finanz- und Wirtschaftspolitik mit dem Glauben zu tun hat und kann seinen Glauben und das damit zusammenhängendes Engagement glaubwürdig begründen. Er ist von den Auswirkungen einer entsprechenden Politik direkt betroffen. Deutsche Gemeinden leben in den Zentren dieser Politik, doch es fällt ihnen schwer, darüber zu sprechen.   
 
Wer stellt die entsprechenden Fragen innerhalb der deutschen Gemeinden und deutschen Kirche? Welchen Standort nimmt der Einzelne und die Kirche innerhalb dieser Gesellschaft ein, die Wenigen (und dazu gehört die deutsche Kirche mit ihren Mitgliedern) weiter wachsenden Wohlstand bringt? Es geht hier nicht darum, fertige Antworten zu produzieren, vielmehr soll auf die Unterschiede in der Betrachtungsweise zwischen christlichen Gemeinden der Einen Kirche, die in Partnerschaft verbunden sind, hingewiesen werden. Alarmierend - und für die peruanischen Partner wenig ermutigend - ist es, wenn deutsche Gemeinden offensichtlich nicht in der Lage oder willens sind, alternative Wege zu den wirtschaftspolitischen und finanziellen Interessen der Mächtigen zu suchen oder gar beispielhaft als christliche Gemeinschaft alternativ zu leben. Veränderungen in der Gesellschaft werden von einem Großteil der Gesellschaft lediglich in Richtung von noch mehr Freiheit für den Kapitalverkehr und noch mehr individueller Selbstverwirklichung diskutiert und die damit verbundene Verheißung nach mehr Wohlstand hat den Platz der biblischer Verheißungen von mehr Gerechtigkeit eingenommen. Es wäre eine Aufgabe christlicher Gemeinden, die Stimme zu erheben und vielleicht doch noch eine Alternative zu entdecken und diese auch zu formulieren (sowohl im eigenen Interesse eines „sinnvollen“ Lebens als auch im Interesse der Partner).
 
Individueller Bewusstseinswandel infolge der Partnerschaft: Nur in den individuellen Fragebögen wird von einzelnen Gruppenmitgliedern - nie als Gruppe insgesamt - von einem neuen Nachdenken über den eigenen Standort berichtet. Es sind die Mitglieder, die entweder selbst länger im Ausland waren oder die Besuche bei den Partnern sehr intensiv erlebt haben. „Die Beschäftigung mit den Problemen der ‚Dritten Welt‘ hat unseren Blick für die Probleme unserer Gesellschaft verschärft, uns Mut gemacht die Dinge beim Namen zu nennen und aktiv zu sein“. „Man schüttelt mehr denn je den Kopf über die Konsum- und Ego-Gesellschaft hierzulande“. Der Blick auf die sozialen Verhältnisse dort bewegt dazu, noch mehr abzugeben“. Man möchte durchaus noch politischer werden, fühlt - eher als man es sich konkret vorstellen kann - dass sich etwas verändern müsste (auch bei sich), sieht sich aber vor allem durch das kirchliche Umfeld gebremst und unverstanden und als winzige Minderheit in der eigenen Kirchengemeinde. Gefühle des Unbehagens und von Schuld sind zu beobachten, weil man beisich selbst zu wenig Änderung bemerkt und auch das eigene Umfeld nicht ändern kann (noch nicht einmal die eigenen Kinder). Wenn man dann auch noch an die großen weltwirtschaftlichen Zusammenhänge denkt, überkommt einem erstrecht das Gefühl von Ohnmacht.  

Konkrete Beispiele in den Partnergemeinden erleichtern das Verständnis für entwicklungspolitische Zusammenhänge. Hervorzuheben sind hier die Fragen, was man in Deutschland unter Entwicklungspolitik versteht bzw. wem diese Hilfe bisher konkret zugute kam (Beispiel Staudamm bei Cajamarca), wie es möglich ist, dass in Cajamarca die größten Goldvorkommen in Amerika ausgebeutet werden und die Bevölkerung immer ärmer wird und die Frage der Auslandsverschuldung Perus, die zu immer größerer Armut in Peru führt, obwohl die Armen nichts von den Krediten sahen und die Schulden eigentlich schon längst getilgt sind. Positiv stellt sich die nicht in den Fragebögen berücksichtigte Kampagne zum Schuldenerlass 2000 dar. Hier ist beispielhaft die Diözese Freiburg zu nennen (vor allem die KAB), die in Zusammenarbeit mit ihren peruanischen Partnern viele Partnergemeinden in ihren diesbezüglichen Aktivitäten unterstützt oder diese gar erst angeregt hat. Einzelne Gruppenmitglieder sind bewusst als Christen in politischen Gruppierungen aktiv (Menschenrechtskomitees, Umweltorganisationen). Von der Kirche als Institution und von der Theologie fühlen sie sich im Stich gelassen oder zumindest unverstanden. Von einer Minderheit wird vor allem deswegen die (deutsche) Kirche kritisiert, weil sie sich aus deren Sicht um Dinge kümmert, die niemanden interessiert, mit sich und ihren Strukturen beschäftigt ist, materiell zu reich ist, spirituell aber arm und zu sehr mit dem politisch-wirtschaftlichen System verknüpft ist.
 
Diakonie aus der Mitte der Gemeinde: Caritas  Für die christlichen Gemeinschaften in den Partnergemeinden in Cajamarca erwächst der Dienst am notleidenden Nächsten aus der Mitte des Glaubens heraus und er hat seinen „Sitz“ in der Mitte der christlichen Gemeinschaft. Dies war auch in den ersten christlichen Gemeinschaften im Vorderen Orient und im Mittelmeerraum so (siehe Apg. 2 und „Die Theologie der Kirche von Bambamarca“ in „Die Stimme der Campesinos“). Wenn in einem Mütterklub oder in einer Comunidad ein Mitglied leidet, wenn z.B. die Mutter von noch kleinen Kindern gestorben ist, nehmen die anderen Familien die Kinder auf. Zahllose weitere Beispiele ließen sich aufzählen. Das hat sicher auch etwas mit der Tradition und dem kulturellen Umfeld zu tun. Doch gerade in christlichen Gemeinschaften ist dies die Regel, aber außerhalb solcher Gemeinschaften - inzwischen auch in Peru - eher die Ausnahme. Diakonie ist fundamentaler Bestandteil der Glaubenspraxis, sie ist Glaubenspraxis. Sie ist auch konstitutiv für Kirche (neben der Verkündigung und der Feier des Glaubens, Eucharistie). Wenn eine dieser drei Säulen von Kirche aus der Gemeinde - gar noch institutionell gewollt oder zumindest gefördert -  ausgelagert wird, fehlt eine dieser drei Säulen. (Wenn auch noch die beiden anderen Säulen sehr brüchig sind, sie z.B. auch an die exklusive Vermittlung durch geweihte Personen gebunden sind, wenn z.B. Eucharistie nicht auch als konkretes Brotteilen erfahren und begriffen wird, wenn die „Laien“ sich nicht für Pastoral und Verkündigung zuständig fühlen und wenn es doch vereinzelt geschieht, gleich die Verwaltung einschreitet - was bleibt dann noch?)  

Allein schon durch die bloße Existenz des deutschen Caritasverbandes fühlen sich immer mehr Gemeindemitglieder in Fragen der Diakonie für nicht zuständig oder kompetent. Denn dafür gibt es Profis (siehe auch pastorales Selbstverständnis). Umgekehrt hat der Caritasverband keine Wurzeln in den Gemeinden, wenn es auch entsprechende Bemühungen gibt, diesen Zusammenhang zwischen Gemeinde und Caritas herzustellen (aus Gründen der Rekrutierung ehrenamtlicher Mitarbeiter). Inwieweit sich der Caritasverband zunehmend zu einem rein kommerziellen Dienstleistungsbetrieb (Konzern, Wirtschaftsunternehmen) in freier Konkurrenz zu andern (eventuell ebenfalls „christlichen“) Dienstleistern entwickelt, sei dahingestellt. Festzuhalten bleibt, dass eine Grundfunktion von Kirchesein in kirchlichen Gemeinden keine Heimat hat. Dies schmälert nicht den beispielhaften Einsatz vieler Gemeindemitglieder in Sozialausschüssen, Besucherdiensten etc., die sich aber auch nicht im Zentrum der Gemeinde fühlen und zudem ein überdurchschnittlich hohes Durchschnittsalter haben. Deren Einsatz ist um so bewundernswerter angesichts der genannten strukturellen und inhaltlichen Defizite.  
 
Analog dazu verhält es sich wohl mit der Theologie (hier als wissenschaftlicher Betrieb verstanden). Die Theologie als wissenschaftliche Disziplin hat sich längst zu einem von den Gemeinden unabhängigen Wissenschaftsbetrieb mit eigenen Spielregeln und Marktmechanismen entwickelt, der mit dem konkreten Gemeindeleben wenig zu tun hat und der deshalb auch keine gesellschaftliche Bedeutung hat. Selbst die akademischen Akademien der Diözesen führen ein Eigenleben - und würden von heute auf morgen alle theologischen Fakultäten und Akademien dicht machen, wer in den Gemeinden würde dies überhaupt bemerken?

Die Campesinos sprechen z.B. nicht von einer Theologie der Befreiung. Sie erzählen von ihrem Glauben, von ihrem Leben und wie der Glaube ihr Leben und ihr Umfeld verändert. Theologen, deren Leben wohl nur schwerlich vom Glauben (Umkehr, soziales Engagement etc.) verändert wurde, erlauben sich gleichwohl, die Glaubenspraxis der Armen zu zensieren, darüber zu diskutieren, Probleme aufzuwerfen und diese dann unter ihresgleichen zu diskutieren, Fragen und Antworten hin und her zu schieben um dann nach langem Bemühen und mit möglichst vielem Zitieren aller gängigen Modetheologen, das man für wissenschaftlich hält, z.B. zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Eucharistie (Brotteilen) vielleicht eine soziale Verantwortung implizieren könnte. Worauf sich dann ein Kollege berufen fühlt, dagegen oder dafür (was eigentlich egal ist) seine Bedenken zu erheben, Korrekturen anzubringen, worauf ein anderer ..... Man bewegt sich permanent im Uneigentlichen und hält dies schließlich für die ganze Welt (Gott eingeschlossen).

Eine solche Theologie kreist um sich selbst und reflektiert bestenfalls von ihr selbst erfundene oder geschaffene Probleme und sie hat daher nicht die Kraft, auf die wahren Überlebensfragen der Menschheit eine angemessene Antwort zu geben bzw. sich den entsprechenden Herausforderungen zu stellen. Der wissenschaftlichen Theologie ist die eigentliche Theologie, nämlich der Glaube des Volkes, der Glaube in der Gemeinde und deren Praxis, weitgehend unbekannt bzw. er ist noch nicht einmal von Interesse - höchstens als soziologisches Datenmaterial. Wie soll aber eine von der Basis abgehobene Theologie die Stimme der Armen hören können, auf die sie - eigentlich - existentiell angewiesen wäre, wollte sie christliche Theologie sein? Es ist der Theologie wohl auch nicht gelungen, neuere theologischen Erkenntnisse dem „Volk“ zu vermitteln und damit zu einer Stärkung und Begründung des Glaubens beizutragen. Sie hat eine Mitverantwortung für ein verbreitetes „christliches Analphabetentum“. 

Das Gesagte zielt nicht auf eine Aufhebung wissenschaftlicher und/oder „verstaatlichter“ Theologie, sondern auf eine gleichberechtigte Partnerschaft mit Gemeinden, die letztlich gerade auch die Stellung z.B. theologischer Fakultäten eher stärken als schwächen würde, weil sie dadurch eine gesellschaftliche Verankerung bekäme. Die vorliegende Arbeit ist als ein Versuch zu werten, Praxis und Theorie zusammenzubringen. Der Anstoß für diese Arbeit ging von einzelnen Partnerschaftsgruppen aus, die sich dann mit der Bitte um Unterstützung an die universitäre Theologie wandten). Auch für die Theologie gilt das Grundprinzip des Glaubens, wie dies im 2. Vat. Kinzil formluiert wurde: das Hinhören auf den Anderen, in besonderen Weise auf den Ausgeschlossenen und auf alle, die um das verheißene Leben in Fülle gebracht werden. Im Hinhören auf diese Menschen mit all ihren Ängsten und Hoffnungen offenbart sich Gott.

4. Konflikte und die Frage der Einmischung  
 
Ein Anlass für diese Studie war, die im Zusammenhang mit dem Bischofswechsel in Cajamarca aufgetretenen Schwierigkeiten in den Partnerschaftsbeziehungen zu analysieren und nach Wegen für eine gezieltere Zusammenarbeit mit den Partnergemeinden zu suchen. Hier spielt die Frage nach der Kirche eine entscheidende Rolle. Es ist eine Frage nach der Ernsthaftigkeit der Partnerschaft. Um die Armen wahrzunehmen, muss man die Stimme der Armen  hören und das Evangelium gemeinsam lesen (in Cajamarca werden kirchliche Gruppen aus der Kirche gedrängt, weil sie sich auf die Bibel berufen und eigenständig darin lesen). Das Beispiel der Gemeinde St. Georg zeigt exemplarisch, wie zwei Gemeinden gemeinsam um neue Wege gerungen und Auswege gefunden haben (siehe Artikel: „ Partnerschaft St. Georg...“)
 
Die meisten Gemeinden antworten nicht auf die Frage nach der Einmischung. In Rückfragen wird deutlich, dass dieses Thema zu heikel ist und dass man sich dazu nicht öffentlich äußern dürfe. Dabei werden zwei Argumente genannt: a) das Nennen von Missständen wird als Netzbeschmutzung angesehen, dies schadet der Glaubwürdigkeit und nützt vor allem den Kirchengegnern. b) Die Einheit der Kirche wird gefährdet und durch die Unterstützung von Basisgruppen wird eine Parallelkirche geschaffen, die Kirche wird gespalten. Sechs Gemeinden nehmen dennoch Stellung, zwei lehnen eine Einmischung grundsätzlich ab („Wir glauben an die Macht des Gebets“), vier sind entschieden für eine Einmischung: „Ja, durch entschiedene Parteinahme zugunsten der Bedrängten, durch Verweigerung finanzieller Unterstützung einer ‚Kirche gegen das Volk‘. „Die bedeutendste Einmischung ist z.Z. der Zusammenhalt mit dem dortigen Partner gegen die ‚Macht von oben‘, d.h. gegen die Macht, die von der neuen Diözesanleitung kommt“. „Solche Einmischungen sind eine Frage der Wahrhaftigkeit, des Gewissens - aber auch des Überlebens der dortigen Partnerschaftsgruppen“. „Das Anforderungsprofil für eine Welt und ein Leben in Fülle und für alle Menschen muss fundamentaler Bestandteil unseres christlich partnerschaftliches Handeln sein. Davon gilt es keine Abstriche zu machen!“

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung liegt in der Gruppe selbst. Eine begründete Stellungnahme zur Entwicklung in der Diözese Cajamarca und in den einzelnen Partnergemeinden und die damit verbundene Option setzt eine Auseinandersetzung über christlich - pastorale Grundfragen in der eigenen Gruppe und der eigenen Gemeinde voraus. Dabei ist nicht an theologisches Expertenwissen gedacht, sondern an „einfache“ Fragestellungen (eigentlich „Fragen an Taufbewerber“) wie die nach den pastoralen Fundamenten, Zielsetzungen und Schwerpunkten in der eigenen Gemeinde, nach dem Selbstverständnis der Gruppe als Teil der Gemeinde und der Kirche und dem Warum der eigenen Aktivitäten. Erst eine eigene, begründete Positionsbestimmung ermöglicht es, pastorale (Fehl-) Entwicklungen nicht nur zu erkennen, sondern auch Stellung zu beziehen und Standpunkte zu vertreten.

Konkret: wenn für alle Gruppen die Option für die Armen an erster Stelle steht, die Rolle der „Laien“ - insbesondere der Frauen, die qua Geschlecht alle Laien sind - hier und auch in den Partnergemeinden als wichtig angesehen wird und alle eine Kirche als gleichberechtigte Gemeinschaft aller Gläubigen wollen, dann müssten sie auch laut aufschreien, wenn in den Partnergemeinden und anderswo diese Grundsätze mit Füßen getreten werden. Fühlt man sich dabei auf sicherem Boden („abgesichert“ durch kirchliche Dokumente wie das Zweite Vatikanische Konzil, Medellín, deutsche Synodenbeschlüsse etc.), erstrecht aber bestärkt durch die positiven Erfahrungen einer „Kirche mit Poncho und Sombrero“ in Cajamarca, dann kann man auch in aller Gelassenheit und Entschiedenheit seinen Standpunkt vertreten und Anmaßungen und Verirrungen kirchlicher und vatikanischer Amtsträger als „antikirchlich“ (weil gegen die Gesamtheit des Volkes Gottes gerichtet) denunzieren.  

Während in den peruanischen Partnergruppen diese Grundsatzfragen ein stetes Thema sind, tauscht man sich in deutschen Gemeinden über pastorale Prioritäten nicht ausreichend aus. Neben einer Rückbesinnung auf das Wesen von Eucharistie, dem Grundsakrament von Kirche, ist vor allem eine Rückbesinnung auf das Sakrament der Taufe notwendig. Beide Sakramente scheinen in ihrer ursprünglichen Bedeutung von der Kirche nicht mehr allzu hoch eingeschätzt zu werden, weder von der Hierarchie noch von den einzelnen Gläubigen. Diese Aussage bezieht sich an dieser Stelle nicht darauf, dass der „Masse“ der Gläubigen aus kirchenrechtlichen Gründen die Eucharistie vorenthalten wird und dass damit Kirchenbildung behindert wird, sondern auf die Beobachtung, dass die Gläubigen, die auf den Namen von Christus getauft sind, sich so selten auf diesen Jesus Christus berufen, auf sein Leben, seine Passion und auf seine Auferstehung. Jeder Getaufte und jede Gruppe, die im Geiste Jesu handelt, ist der Ort, an dem sich Kirche insgesamt darstellt. Die Taufe - und nicht das Kirchenrecht - ist das maßgebende Sakrament für jeden Christen.  
 
Die schon erwähnte mangelnde Kommunikation, die fehlenden oder falschen Ansprechpartner und ambivalente und oft widersprüchliche Informationen, erschweren zusätzlich eine sachgemäße Unterstützung und Parteinahme zugunsten der Partner. Dabei ist den deutschen Gruppen kein Vorwurf zu machen, wenn sie sich streng an den „Dienstweg“ halten bzw. sich solange daran klammern, bis auch diese Stricke reißen. Wie sollen die Gruppen angemessen reagieren, wenn sie oft gar nicht (genau) wissen (können), was in der Partnergemeinde wirklich geschieht? Das Hauptproblem liegt darin, dass zwischen den eigentlichen Partnern ein (institutioneller) Vorhang gezogen ist, der den Blick auf das Wesentliche verhindert. Nur österliche Erfahrungen werden diesen Vorhang in der Mitte zerreißen und neues Leben ermöglichen. Besuche bei den Partnern können dabei helfen, weil sie den Blick freimachen und eine Begegnung von „Angesicht zu Angesicht“ ermöglichen (38):

Ein drastisches Beispiel für diesen „institutionellen Vorhang“ stellt folgende Begebenheit mit dem Leiter des Referates Weltkirche der Erzdiözese Freiburg dar: In einem mitnotierten Telephongespräch am 11. 2. 1998 ging es u.a. um die Frage der Einmischung. Als ich ihm versuchte darzulegen, dass unsere Partner in San Pedro, Cajamarca nichts eindringlicher wünschen, als dass wir sie begleiten, sie nicht auch noch verlassen, dass wir unsere Stimme erheben etc. (siehe „Stimme der Campesinos und Geschichte der Partnerschaft St. Georg, Ulm), antwortete Prälat Sauer: „Das ist so wie im Prager Frühling 1968, als die Altkommunisten ebenfalls um Hilfe vom Ausland riefen und dann die sowjetischen Panzer anrollten und alles platt wälzten“. Gemäß dieser Logik wird auch diese Studie konsequenterweise als unerlaubte Einmischung in innerperuanische Angelegenheiten angesehen und entsprechend bekämpft. Es wurde mit allen Mitteln versucht, sie zu verhindern. Ein Dialog mit einer solchen Position (und einem solchen Amtsträger) ist daher von vorneherein ausgeschlossen.

Angesichts der geschilderten Schwierigkeiten lassen sich bei den Gruppen (und auch innerhalb der Gruppen) zwei entgegengesetzte Verhaltensweisen beobachten. Einige Gruppen stellen die Erfolge ihrer Partnerarbeit besonders heraus, leben und zehren noch von diesen Erfolgen, auch wenn in mindestens drei Gemeinden die Realität in den Partnergemeinden inzwischen anders ist. Es besteht die Versuchung, in der Vergangenheit stehen zu bleiben (Nostalgie) und die Veränderungen nicht wahrzunehmen. So berichteten diese drei Gruppen noch begeistert von ihren Kontakten (Briefe, vergangene Besuche), während zu gleicher Zeit die Basis dieser Kontakte bereits weggebrochen ist. Dennoch kann diese Begeisterung als „gefährliche Erinnerung“ über die jetzige Situation hinaus weisen und sie so auch überstehen helfen. Sie bewahrt so die ursprünglichen Ziele und ist letztlich Ausdruck eines großen Vertrauens. Andere Gruppen dagegen sehen vor lauter Problemen nicht mehr den gemeinsam zurückgelegten Weg mit allen seinen vielen positiven Erlebnissen, Erfolgen und Freuden.

Hier besteht die Gefahr, dass die Kraft der ausgesäten Samenkörner unterschätzt, die Macht der (Kirchen-) Strukturen aber überschätzt wird. Nicht zuletzt werden auch die eigenen Möglichkeiten unterschätzt bzw. es wird gar nicht mehr nach Auswegen gesucht. Dies wirkt sich auch negativ auf das konkrete Verhalten und das Engagement in der eigenen Kirchengemeinde aus. Man hat keine großen Hoffnungen mehr, in der eigenen Gemeinde etwas zu bewegen, sondern ist eher auf das Festhalten des Bestehenden und die Verteidigung der mühsam erkämpften Freiräume fixiert. Nur wenige Gruppen benennen die Konflikte in der Partnerschaft und beziehen Stellung.

Als  hauptsächliche Konfliktpunkte werden genannt: „Unterschiedliches Verständnis von Amtskirche und Klerus, unterschiedliche Bewertung der bisher geleisteten Arbeit (auf der Linie Medellíns usw., Rolle Dammerts), unterschiedliches Verständnis von Verwendung der Spendengelder“. „Anderes Gemeinde- und Kirchenverständnis (zwar in Übereinstimmung unsererseits mit den eigentlichen Partnern, aber im Konflikt mit Klerus)“. „Konflikte: ablehnende, fast feindliche Haltung der Amtskirche“. Man ist in der Defensive, hat Angst vor Spendenverlusten oder gar vor dem Ende der Partnerschaft. Es kommt daher in den meisten Gemeinden nicht zu einer offensiven, positiven und öffentlichen Darstellung der eigenen Handlungsgrundlagen und Orientierungen (vorrangige Option für die Armen) und noch weniger zu einer kontroversen, konstruktiven Auseinandersetzung mit den Verantwortlichen in Cajamarca oder deren Amtsbrüder in Deutschland. Eine kritische und offene Auseinandersetzung mit den Amtsträgern könnte für diese heilsam sein. Eine christliche Gemeinschaft darf sich auch dann um „verlorene Schafe“ sorgen, wenn diese einen Bischofsmantel umhängen haben. Denn wer sorgt sich um diese „Seelsorger“?
 
Über die persönliche Belastung durch Konflikte scheint in den Partnergruppen nicht genügend gesprochen zu werden. Da innerhalb einer Gruppe der Grad der Betroffenheit sehr unterschiedlich ist, fühlen sich die sensibleren Mitglieder unverstanden und müssen überwiegend allein mit der Belastung fertig werden. Sie finden dabei auch wenig Verständnis bei ihrem Pfarrer. So kommt es auch in zehn berichteten Fällen vor, dass die Gruppe noch nicht einmal ahnt, wie sehr der Einzelne leidet (berichtet aus der Sicht der Betroffenen). Aus keiner Gruppe wird berichtet, dass diese Belastung in der Gruppe zum Thema gemacht wird. Die größte (seelische) Belastung ist das aus der Sicht der Betroffenen veränderte Verhalten der Pfarrer in den Partnergemeinden, meist verbunden mit dem enttäuschenden Verhalten des neuen Bischofs.

Dieses als klerikal, machtbesessen oder wie auch immer genannte Verhalten, wird als persönliche Niederlage empfunden, als eine Demütigung, die man ohnmächtig ertragen muss. Die Mehrzahl geht aber anders mit den Konflikten um. Die am meisten anzutreffende Strategie (vielleicht auch die „gesündeste“, rationalste) ist es, die Konflikte in der Partnergemeinde als innerkirchliche Probleme in Cajamarca anzusehen, die zwar die Partnerarbeit betreffen, aber sonst nichts mit uns zu tun haben, „denn in unseren Gemeinden können wir ja (noch) ungestört arbeiten“. Der zweithäufigste Ausweg ist die Konzentration auf die Projekte und so lange die nicht unterbunden werden, ist die Partnerschaft nicht in Gefahr. Auch für die Hierarchie ist die zweite Gruppe  angenehmer. Ausgerechnet diejenigen, die sich um die Kirche wirkliche Sorgen machen und ihr Herzblut daran hängen und entsprechend leiden, werden von den Amtsträgern als größere Gefahr betrachtet und anschließend diffamiert. 

 
        III. Teil:  Partnerschaft als Lernfeld einer ganzheitlichen Pastoral
                     - als Katechese und Hinführung zum Glauben in Gemeinschaft

 
 
Partnerschaft wird als ein Ort verstanden, an dem gerade das eingeübt werden kann, was an den aufgezeigten Problemen und Defiziten in Teil I und Teil II sichtbar geworden ist. Die Idee und Zielvorstellung der Partnerschaft wird als „lebensnotwendig“ für Gemeinden vorgestellt, die aus ihrer hausgemachten Unmündigkeit ausbrechen wollen um als Gemeinde „Inseln des Lebens inmitten des Todes“ zu werden. In den fünf folgenden Schritten wird die Anstrengung unternommen, diese Idee und Zielvorstellung als einen praktikablen und gangbaren Weg aufzuzeigen.  In einem ersten Punkt wird der Versuch unternommen, die These von der Partnerschaft als Lernfeld und Katechese zu vertiefen.

Der zweite Abschnitt geht direkt von den Antworten der deutschen Gruppen aus und verweist eher auf praktische Details. In der peruanischen Kirche wird über die Zielsetzungen der Partnerschaft sehr kontrovers „diskutiert“. Darauf muss in einem dritten Punkt eingegangen werden, durchaus in der Absicht, auch in deutschen Gruppen eine Diskussion zu entfachen.

In den letzten beiden Punkten (vier und fünf) geht es zuerst um die Partnerschaft als Sakrament der Weltkirche und zuletzt um einen zentralen Punkt lateinamerikanischen Selbstverständnisses: der Option für die Armen. Diese letzten beiden Punkte sind die Konsequenz und logische Schlussfolgerung aus den vorhergehenden Punkten.  
 
1. Partnerschaft als Katechese des Glaubens
 
Aus den verschiedensten Gründen, die hier nicht zur Debatte stehen, können Kirche, Familien, Gemeinden und Schulen nicht mehr in dem Maße das leisten, was zur Weitergabe des Glaubens an die folgenden Generationen notwendig wäre. Der über Jahrhunderte vorhandene gesellschaftliche - kirchliche Kontext als Stütze der Kirche und des Gemeindelebens hat sich weitgehend aufgelöst bzw. er hat sich dergestalt verändert, dass fast von einem Abbruch der Überlieferung gesprochen werden kann. Neben dem kontinuierlichen Zerbröseln des gewohnten Kontextes ist es auch zu einer Relativierung der zentralen Glaubensaussagen selbst bei den noch „praktizierenden Katholiken“ gekommen. Die Differenz zwischen den dogmatischen Lehraussagen und auch den Geboten der Kirche und dem Glauben und der Praxis der Gläubigen klafft immer weiter auseinander. Überspitzt formuliert: die Lehre wird noch vermeldet, aber niemand hört zu. Die christliche Substanz, nämlich der Glaube an Jesus den Christus als Fundament und primäre Orientierung für das alltägliche Leben, droht sich zu verflüchtigen. Weit und breit sind keine neuen Lernfelder in dieser Gesellschaft auszumachen, in denen elementare christliche Verhaltensweisen und ein entsprechendes Leben in Gemeinschaft eingeübt und gelebt werden kann. 

In dieser Situation  - und selbst wenn die Situation nicht so dramatisch wäre - eröffnet sich christlichen Gemeinschaften und etablierten Gemeinden die Chance, in einer Partnerschaft mit Gemeinschaften, für die der Glaube an Jesus Christus buchstäblich „Brot des Lebens“ ist, ihren eigenen Glauben neu zu buchstabieren, verschüttete Erfahrungen auszugraben und wieder zu entdecken, auf was es ankommt. Partnerschaft eröffnet die Möglichkeit, hautnah mitzuerleben (sich betreffen lassen und berührt werden), wie Menschen aufgrund ihres Glaubens an Jesus Christus ihr eigenes Leben und ihr Umfeld verändern. Dadurch eröffnen sich ihnen neue Horizonte - und selbst menschenverachtende Strukturen, die über Jahrhunderte fest zementiert erschienen, geraten ins Wanken. („Anschauungsmaterial“ hierfür bieten die Berichte aus den Basisgruppen z.B. in Bambamarca und anderswo).

An dieser Stelle kommt sofort und reflexartig der Einwand, dass sich solche Erfahrungen von Campesinos aus den Anden nicht auf die deutsche Gesellschaft und Kirche übertragen lassen bzw. Erfahrungen aus der Dritten Welt lassen sich nicht auf die Erste Welt übertragen. Dies stimmt dann natürlich, wenn man die Definition dessen, was Kirche ist, eher an äußeren Merkmalen aufhängt und wenn man den wirtschaftlich und politischen  Zusammenhang zwischen „Erster und Dritter Welt“ außer Acht lässt. Auch ist selbstverständlich der Boden, auf den das Wort Gottes fällt, höchst unterschiedlich. Und deshalb wird das Wort nicht gehört, es wird zertreten, wird vom Unkraut verschlungen, fällt auf versteinerten Boden (Herzen) etc. Auch die deutsche Kirche und Theologie muss den Kontext beachten, in dem sie lebt und wirkt. Dies geschieht aber eher nicht.

Die lateinamerikanische Kirche dagegen hat in Medellín 1968 die wesentlichen Aussagen des Konzils auf dem Hintergrund einer Situation von Ausbeutung und Unterdrückung weiterentwickelt ("Ein Elend, das zum Himmel schreit"). Mit den Augen der Armen und von ihrem Standort aus wurde das Evangelium entsprechend gedeutet bzw. erst wieder neu entdeckt. Der gleiche Prozess geschah aber nicht in der europäischen Kirche. Man hätte dann vielleicht entdecken können (müssen) dass man als Kirche allzu sehr Teil dieser Wirtschaftsordnung ist und von dessen "guten Funktionieren" (d.h. auch der Ausbeutung armer Länder, der Zerstörung der Schöpfung etc.) abhängig ist. Solche Zusammenhänge zu entdecken und die Konsequenzen daraus zu ziehen wäre dann der Anfang einer echten Bekehrung..... Eine solche Bekehrung - wie alle Bekehrungen in den Erzählungen der Bibel - wird von "außen" angestoßen, kommt vom "Anderen her".

Hier ist der Ansatzpunkt für eine Besinnung auf das Wesentliche und einer Katechese, die zumindest zwei Fragen aufwirft: Zum Einen: was ist es, das die Herzen der Menschen zu Stein werden lässt, was haben sie vielleicht zu viel und was zu wenig? Zum Anderen: worin besteht das Wort Gottes, was sind die zentralen Anliegen der christlichen Botschaft und warum haben die Worte und Taten Jesu zu seiner Zeit und in seiner Umgebung eine so befreiende Wirkung gehabt, bei uns offensichtlich aber nicht? In Deutschland (Europa etc.) ging man bisher selbstverständlich (und gewohnheitsmäßig) davon aus, dass die Erfahrungen der Zeitgenossen und ersten Christen mit den Worten und Taten Jesu und der Erfahrung der „Begegnung mit dem Auferstandenen“ (das Evangelium als „Gute Nachricht“) für alle Menschen in allen Kulturkreisen in gleicher Weise verständlich und nachvollziehbar sind, noch extremer: dass diese Erfahrungen von einem neuen Leben bereits Neugeborenen eingeimpft werden können und dass in der Folge durch das Einhalten von Riten und Kult diese Art von „Glauben“ konserviert werden kann. Gleichzeitig hält man
es aber für ausgeschlossen oder empfindet man es als Zumutung, die gleichen Erfahrungen mit Jesus Christus seitens der Menschen, denen man als Partner „von Angesicht zu Angesicht“ begegnet, zu „übertragen“, d.h. als relevant für sein eigenes Glaubensverständnis und die eigene Glaubenspraxis zu werten.

Konzentriert man sich also nicht auf das äußere Gewand der Kirche, sondern auf die zentralen Anliegen Jesu und die befreienden Erfahrungen von Menschen, die diesen Jesus als Schlüssel zum Leben erlebt haben, dann stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit anders. Wenn man nämlich die befreienden Erfahrungen der Armen nicht als relevant für sein eigenes Leben erfahren könnte, als nicht übertragbar, dann würde dies bedeuten, dass das Evangelium selbst nicht auf unsere Zeit und Gesellschaft übertragbar wäre. Das Evangelium ist in einer Gesellschaft entstanden, die unserer „Wohlfahrtsgesellschaft“ noch viel fremder und „weiter“ (Vorderer Orient, Agrargesellschaft etc.) entfernt ist, als die Welt der Campesinos.

Es stellt sich also nicht zuerst die Frage der Übertragbarkeit von Glaubenserfahrungen aus den Partnergruppen, die ja vergleichbar sind mit den Erfahrungen der Zeitgenossen Jesu und der ersten Christen, sondern es geht um die Frage, ob das Evangelium in dieser Welt und in dieser Zeit noch irgendeine Bedeutung hat. Dass das Evangelium nicht nur eine Bedeutung hat, sondern dringlicher und aktueller denn je ist, wird hier vorausgesetzt (denn sonst wäre auch diese Arbeit und vieles mehr „sinn - los“). Es ist die Hoffnung auf „eine Neue Erde und einen Neuen Himmel“, wie sie z.B. in den Erfahrungen der Campesinos konkret fassbar und nachvollziehbar wird. Deren Erfahrungen können für deutsche Gemeinden die Brücke bilden, über die sie zu den Ursprüngen und Quellen des christlichen Glaubens zurückfinden können. Lernt man begreifen, um was es den Campesinos geht, wie sie den biblischen Glauben interpretieren und leben, dann kann das eine erste Annäherung an das Wiederentdecken des Evangeliums in unserer Zeit und Umwelt sein.
 
Bei einer Analyse der Antworten aus den Gruppen wurde deutlich, dass die christliche Substanz in den Gemeinden (unter Kirchgängern) dazu neigt, sich zu verflüchtigen (die Ergebnisse in weit umfangreicheren Studien und diesbezüglichen Befragungen bestätigen dies, teils auf eine noch erheblich drastischere Weise als hier angedeutet). Partnerschaft als Hinführung und Einführung in den Glauben bedeutet (u.a.):

  • Sich die befreienden Erfahrungen der Partner erzählen zu lassen, darauf eingehen und fragen, was sie für uns bedeuteten.  
  • „Die Armen evangelisieren uns“. Weil sie näher „an der Quelle sind“, weil Jesus mitten unter ihnen geboren wurde, erfahren Partner in der Begegnung mit ihnen die Nähe Gottes.
  • Glaube entsteht und realisiert sich zuerst in Gemeinschaft („Seht, wie sie sich lieben“).
  • Im Kontakt mit den Partnern kann deutlich werden, was z.B. Taufe und Eucharistie bedeuten. Eine „Taufkatechese“ für Erwachsene wäre der erste Schritt.
  • Sich mit der eigenen Umwelt auseinandersetzen (Frage, an was wir unser Herz hängen) und erkennen, dass das „Schicksal“ der Armen mit unserem Reichtum zusammenhängt.
  • Erfahrung einer Einheit von Glaube und Alltag, als Sorge um „Leib und Seele“, als Einheit von Spiritualität (als Wurzel) und Aktion.  
  • Der Kontakt mit den Armen kann die Augen für die Armen und Fremden vor der eigenen Haustür (und im eigenen Haus, der Kirche) öffnen.

Vorläufiges Ziel der „Katechese“ wäre die Stärkung der christlichen Substanz von der Quelle her (Bedeutung der Bibel und deren sachgerechter Auslegung) in den Gemeinden. In einer lebendigen Partnerschaft wächst die Hoffnung, dass der Glaube an Jesus Christus (immer ein- geschlossen seine Fesseln sprengende und Grenzen überschreitende Kraft) zu einer Basis für erneuerte Gemeinschaften und Gemeinden wird, wenn sie bereit und in der Lage sind, die Erfahrungen der Partner ernst zu nehmen. Neben dem Grundsätzlichen können in einer Partnerschaft auch eher praktische Dinge eingeübt werden: gemeindeüberschreitende Kontakte; Verknüpfung von finanzieller und pastoraler
Verantwortung (Spenden, pastorale Schwerpunkte); dass Kirche auch ohne viel Geld möglich ist und dass man kein „Profi“ sein muss, um seinen Glauben zu verkünden. Partnerschaften sind die geeigneten „Vehikel“, um die zu beobachtende Milieuverengung kirchlicher Gruppen mit ihren Tendenzen zur Abschottung und Ausgrenzung aufzuhalten und gar aufzubrechen.
 
Zusammenfassend wird hier die These vertreten, dass Partnerschaften einen (Aus-) Weg weisen können, wie das Evangelium und damit auch Kirche (denn ohne Kirche gibt es kein Evangelium und umgekehrt) in der Zukunft überleben können. Aber es geht nicht nur um die Kirche, es geht darum, den Menschen Wege aus dem Abgrund zu weisen - ein Abgrund auf den die Menschheit unweigerlich und je schneller zurast, je mehr die Werte des Evangeliums an Geltung und Orientierungskraft verlieren. Der Kirche kommt dabei auch deshalb eine besondere Verantwortung zu, weil sie einen unvergleichlichen Schatz hat, aber durch schuldhafte Verstrickungen und Fehlverhalten viel an Glaubwürdigkeit verloren hat, so dass immer weniger Menschen auf der Suche nach diesem Schatz diesen in der realexistierenden Kirche vermuten. Auch hier zeigen sich in den Partnergruppen und Basisgemeinschaften die Umrisse einer Kirche, die im Verzicht auf Reichtum (Teilhabe am Mammon), Macht und Herrschaft gerade deswegen zu einer authentischen „Autorität“ und zur Orientierung werden kann.

2.   Einige Hinweise zum Gelingen einer Partnerschaft (in Stichworten)
 
In einigen Diözesen gibt es gute Erfahrungsberichte, Hinweise auf die Gestaltung von Partnerschaften etc. Hier sei besonders auf die Erzdiözese Freiburg hingewiesen, die seit 1986 als Diözese eine Partnerschaft mit der peruanischen Kirche unterhält und in der Lage ist, allen Gemeinden, die mit einer peruanischen Gemeinde partnerschaftliche Beziehungen unterhalten, gutes Material zur Verfügung zu stellen. Das Referat Weltkirche der Erzdiözese Freiburg hat eine Menge von ausgezeichnetem Material ausgearbeitet, in dem eine Fülle von Anregungen zur Ausgestaltung und Vertiefung der Partnerschaft, zur Gruppenarbeit (Reflexion), zu Aktivitäten in der Gemeinde, zur Öffentlichkeitsarbeit usw. enthalten sind. Sie stellt dieses Material auch Gemeinden außerhalb der Diözese zur Verfügung und ein Teil dieser Materialien kann von den hervorragend gestalteten Webseiten des Referates Weltkirche heruntergeladen werden. Es gibt eine Menge von Merkblättern und Schriften, angefangen von grundsätzlichen Betrachtungen zur Partnerschaft über die Gestaltung von Partnerschaftsgottesdiensten bis zu Fragen des Geldtransfers. Diese Materialien werden hervorragend ergänzt durch die Arbeit des „BDKJ - Perubüro Heidelberg“, das u.a. über ein sehr umfangreiches Archiv verfügt und die Zeitschrift „Perunachrichten“ herausgibt. Deswegen wird in an dieser Stelle auf bestimmte Details, wie die mögliche Gestaltung eines Peru - Gottesdienstes u.v.m. nicht eingegangen. Es werden bruchstückhaft Themen und Inhalte vorgestellt, in denen Erfahrungen aus der Partnerschaftsarbeit (im Dialog mit den Partnern) für Gemeinde und Pastoral fruchtbar gemacht werden können. Dabei wird an die im ersten Teil gemachten Beobachtungen angeknüpft. 
 
a) Ort in der Kirche  
 

Im Idealfall spricht die Gruppe in Sachen Partnerschaft im Namen und im Auftrag der gesamten Gemeinde. Dies wird zwar nicht immer so sein oder sein können, doch dann wäre zu klären, woran und an wem dies liegt. Daraus ergibt sich, dass die Gruppe mindestens einmal jährlich im Kirchengemeinderat (KGR) Rechenschaft über ihre Tätigkeiten ablegt und über den Stand der Partnerschaft informiert. Komplizierter wird es, wenn die Verantwortung für die Gemeinde aufgesplittert ist in zwei Räte (Kirchenrat und Pastoralrat), die unter Umständen auch noch wenig mit einander zu tun haben (wollen). Das eigentliche Entscheidungsgremium, der Kirchenrat mit der Entscheidungsbefugnis über die Finanzen, ist in keiner der befragten Gemeinden direkt mit der Partnerschaft befasst. Der Pfarrgemeinderat mit seiner pastoralen Zuständigkeit wird eher als unverbindliche Spielwiese für Idealisten angesehen (aus der Sicht der Mitglieder). Die eigentliche Macht haben die Mitglieder des Kirchenrates, denn sie bestimmen über das Geld. Ebenfalls wird von den Gruppen berichtet, dass im Kirchenrat gewohnheitsmäßig die Honorationen christlicher Parteien, Verbände und andere wichtige Persönlichkeiten sitzen und deswegen auch die Männer, im Unterschied zu den anderen Gruppen in der Gemeinde, wo die Arbeit gemacht wird, weit in der Überzahl sind.

Es kann an dieser Stelle nicht weiter der Frage nachgegangen werden, warum in deutschen Gemeinden und Diözesen (bzw. deren Gremien) die Frage nach dem Geld offenbar die entscheidende Frage ist. Es ist offensichtlich so, dass dort, wo am meisten Geld ist, auch am meisten über Geld geredet wird. In den Pfarreien der Diözesen Freiburg und Rottenburg - Stuttgart (Baden-Württemberg), wo es nur einen Kirchengemeinderat gibt, ist die Partnerschaft mehr in die Gemeinde integriert und wird vom Kirchengemeinderat mitgetragen. Die Mitglieder und Kandidaten für den KGR lassen sich hier auch von einer eher pastoralen Motivation heraus für die Mitarbeit im KGR gewinnen. Es kann eine „missionarische“ Aufgabe der Gruppe sein, als einheitsstiftender Faktor in Erscheinung zu treten. Sie kann anhand ihrer konkreten Arbeit verdeutlichen, dass eine Trennung von finanzieller und pastoraler Verantwortung in der eigenen Gemeinde und in der Partnerschaft (auch in der Partnergemeinde) nicht zu verantworten ist.
 
Die Mehrzahl der an dieser Befragung teilnehmenden Gruppen hat die durch den Fragebogen angestoßene Reflexion über die eigene Entstehungsgeschichte, Motivation, Zielsetzungen usw. nach anfänglichen Bedenken („keine Zeit“) als sehr fruchtbar erlebt. Begreift man das Engagement in einer Partnerschaftsgruppe als Chance, zu lernen, neue Erfahrungen zu machen und gar als Hilfe im Glauben und als Chance zur Umkehr, dann ist eine regelmäßige Reflexion über das „Warum“ und „Wohin“ dringend erforderlich. Aus der Beantwortung der individuellen Fragebögen wird deutlich, dass dies von Vielen auch so „gefühlt“ und gesehen wird. Sie fühlen sich aber sowohl von der Gemeinde, den dort hauptamtlich Tätigen als auch den Verantwortlichen in den Referaten Weltkirche mit ihrer Betroffenheit allein gelassen. Ein riesiges Potential für Erneuerung und Umkehr bleibt ungenutzt, wenn hochmotivierte und für die Armen sensibilisierte Menschen mit ihrer pastoralen Erfahrung weder in den Gemeinden noch in der Kirche die Anerkennung finden, die sie verdient haben.

Es wird hier davon ausgegangen, dass die Institution Kirche auch tatsächlich engagierte und selbstbewusste Mitarbeiter und erneuerte Gemeinden fördern will. Die Diözese Freiburg bietet im Ansatz neue Wege und hat eine entsprechende Infrastruktur für eine solche Aufgabe geschaffen. Die Gruppen stehen demnach vor der Herausforderung und der Notwendigkeit, sich immer wieder ihrer Motivation und Zielsetzungen bewusst zu werden. Dies setzt eine große Offenheit in den Gruppen und die Fähigkeit, über seinen eigenen Glauben, sein Gottes- und Kirchenbild zu sprechen, voraus. Die Beschäftigung mit anderen, ganz unterschiedlichen Ortskirchen, setzt eine Definition und das Bewusstsein der eigenen Kirchlichkeit voraus. Die Gruppen dürfen sich nicht scheuen, dabei Hilfe und Beratung von außen einzufordern.
 
Eigentlich ebenso selbstverständlich wäre die Beziehung und Verflechtung der Gruppe mit überpfarreilichen Gremien und Organisationsformen. Im Sinne zukünftiger Pfarrstrukturen (Pfarrverbände, Seelsorgeeinheiten) und entsprechender Pläne in den einzelnen Diözesen, sollte es selbstverständlich sein, dass sich z.B. die Partnerschaftsgruppen eines Pfarrverbandes, des Dekanats oder unabhängig davon ähnliche Gruppen aus der näheren Umgebung, sich auf einen Erfahrungsaustausch einlassen, sich so gegenseitig unterstützen und eventuell sogar einen gemeinsamen „professionellen“ Ansprechpartner haben. Die Praxis ist weit davon entfernt (dies gilt auch für alle anderen Themenbereiche). Dies lässt sich auch nicht durch noch so gut gemeinte Verordnungen von oben durchsetzen, sondern muss von unten wachsen bzw. entsprechende Prozesse können dann „von oben“ begleitet werden.

Da die Partnerschaftsgruppen in der Regel eine große Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ihrer Partnergemeinde erwerben, können sie diese Erfahrungen in die zukünftige Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden einbringen oder diese gar erst anstoßen. Ebenso ist auf die große Erfahrung von Partnerschaftsgruppen hinzuweisen, die in den Partnergemeinden lebendige Gruppen erfahren haben, die auch ohne permanente priesterliche Anleitung Verantwortung übernehmen. Die Kompetenz und Erfahrung der in einer lebendigen Partnerschaftsarbeit stehenden Gemeinden für eine zukünftige notwendige Neugestaltung der Pfarrstrukturen und einer entsprechenden Vernetzung - aber auch die in der eigenen Praxis erfahrenen Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit zweier oder mehrerer Gemeinden  - scheint von den Planern in den Amtsstuben der Diözesen nicht hoch eingeschätzt zu werden.

Eine kompetente (mit langer Erfahrung in konkreter Gemeindearbeit, Partnerschaftsarbeit und pastoraler Dritte-Welt-Erfahrung) Ansprechperson in den jeweiligen Referaten, die auch bereit wäre, die meiste Zeit in den Gemeinden vor Ort zu verbringen, wäre in der Lage, brachliegendes pastorales Potential zu wecken, Partnergemeinden in ihren Problemen beizustehen und zu orientieren, Hilfe zu leisten bei der Vernetzung und mithelfen, die immer noch erheblichen Geldströme aus den Gemeinden so zu kanalisieren, dass damit auch wirklich einheimische Ortskirchen entstehen, die als prophetische Gemeinden inmitten einer „Kultur des Todes“ ein Leben in Fülle für alle Menschen verkünden. Andererseits bedeutet das nicht, dass die Gruppen darauf warten können, bis sich „oben“ etwas bewegt. Sie haben die Chance, neue Wege zu suchen, anzuregen, gar Druck auszuüben und so mit dazu beizutragen, dass verkrustete und verbeamtete Strukturen sich auf ihre eigentliche Aufgabe besinnen, nämlich der Weiterentwicklung der Gemeinden zu dienen. Vor allem aber können die Gruppen mit anderen Gruppen Kontakte aufnehmen, die z.B. in der gleichen Region (Diözese) ebenfalls Partnergemeinden oder Projekte haben. So sind die Ulmer „Cajamarcatreffen“ zu einer wertvollen Orientierung für die teilnehmenden Gemeinden geworden und haben nachweislich zur Stärkung von bestehenden Partnerschaften beigetragen.  

In der Partnerschaftsarbeit erwerben die Partnergruppen eine weitere Kompetenz: das Zusammendenken von den in Deutschland (vor allem in kirchlichen Gemeinden) noch getrennten Bereichen Ökologie und Eine-Welt-Themen. Partnergemeinden können aufgrund ihrer Erfahrungen Prozesse in ihrer eigenen Umgebung anstoßen und moderieren, verschiedene Seiten an einen Tisch und ein Gespräch in Gang bringen. Partnerschaftsarbeit heißt ja auch, Partner (als Gruppe und Gemeinde) auf dem Weg zur Selbsthilfe zu begleiten. Diese Fähigkeit der Moderation und ganzheitlichen Betrachtungsweise kann in der Partnerschaftsarbeit erworben und in das lokale Umfeld eingebracht werden. Verstärkend kann dabei das Mitwirken von ehemaligen Entwicklungshelfern wirken, die gelernt haben, geduldig und begleitend neue Wege zu suchen, „dicke Bretter zu bohren“ und die Vielfalt und die Komplexität von Partnerschaft in ihrer praktischen Arbeit kennen gelernt haben (39): Nach den Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern in Cajamarca (20 Befragungen), geben zwölf zu Protokoll, dass sie sich nach ihrer Rückkehr sehr gerne in einer Kirchengemeinde engagiert hätten, sie aber entweder keinen Kontakt fanden oder aber bald wieder aus der Gruppe ausgeschlossen fühlten, weil sie auf wenig Verständnis, sogar Feindseligkeit stießen (häufigster Vorwurf: Vermischung von Politik und Glaube und politische Einseitigkeit)
 
Die bekannten Hilfswerke haben die größte Erfahrung in der Projektarbeit, aber auch in Fragen der Partnerschaft, weil sie immer wieder mit Gemeindepartnerschaften zu tun haben und selbst auch Projektpartnerschaften anbieten. Inwieweit sie sich auch ihrer pastoralen Verantwortung für deutsche Gemeinden bewusst sind bzw. ob dies zu ihrem (praktischen) Selbstverständnis gehört, bleibt offen. Auf Dauer führt aber eine Vernachlässigung dieses Aspektes zur Vergrößerung des Ungleichgewichtes zwischen deutschen (reichen) Gemeinden und Gemeinden aus den arm gemachten Ländern des Südens: deutsche Gemeinden (und Hilfswerke) versuchen mit immer größeren Anstrengungen ihren finanziellen „Verpflichtungen“ (Spenden) nachzukommen, während die dafür notwendige pastorale und gemeindliche Basis immer brüchiger wird. Und umgekehrt entwickeln sich Partnergemeinden wegen (!) ihrer Bedürftigkeit (u. a. auch Priestermangel) zu lebendigen Keimzellen einer zukünftigen Kirche (40):  Zugespitzt formuliert: Während in Deutschland ein riesiger Apparat mit einer unvergleichlichen personellen und materiellen Infrastruktur um „Kundschaft“ ringt (um Menschen, die nicht mehr so gerne kommen und hören wollen), ist es in Peru eher umgekehrt: es gibt Unmengen von Menschen, die das Wort Gottes hören wollen (in seiner integralen Form), aber es gibt nur sehr wenige Menschen, die zu ihnen gehen, mit ihnen sein wollen und für die da sein wollen.

Beauftragte der Hilfswerke in den einzelnen Diözesen mit entsprechender Kompetenz, evtl. auch ehrenamtliche Mitarbeiter, könnten als Ansprechpartner und in enger Zusammenarbeit mit dem Referat Weltkirche den Gemeinden zu einer großen Hilfe werden. Es gibt zwar Missio - Beauftragte in den einzelnen Diözesen, doch aus verschiedenen Gemeinden wird berichtet (über den Kreis der in dieser Umfrage befragten Gemeinden hinausgehend), dass auf eine entsprechende Anfrage und Einladung hin ein Beauftragter kommt, einige schöne Dias zeigt und wieder geht. (Diese Feststellung soll das Engagement, die Kompetenz und den guten Willen der dafür Beauftragten nicht in Frage stellen, vielmehr handelt es sich hier um eine strukturelle Frage). Aber auch die Gemeinden tragen ihren Anteil, weil sie oft nicht einmal wissen, was sie wirklich wollen und sich mit einem schönen Diavortrag bei Kaffee und Kuchen zufrieden geben. Wenn eine Gemeinde wirklich zu Informationen kommen will, bekommt sie diese auch. Und bei entsprechender Hartnäckigkeit findet sie Menschen, die ihnen weiterhelfen können.

Dabei gilt es die den meisten kirchlichen Partnergruppen innewohnende Scheu zu überwinden, mit außerkirchlichen Solidaritätsgruppen zusammenzuarbeiten, die in der Regel sehr gut informiert sind, viele Erfahrungen gesammelt haben und oft in der Nähe anzutreffen sind.  Es könnte ein lohnende Aufgabe z.B. der Hilfswerke sein, alle deutschen kirchlichen Initiativen mit ihren Inhalten, Zielsetzungen und Projekten zu bündeln und nach Regionen (hier und dort) getrennt, via Internet den Gemeinden anzubieten. Auch könnten einzelne Partnergemeinden beraten und ermutigt werden, ihre Partnerschaft auf diesem Wege öffentlich zu machen und Beziehungen zu knüpfen. Warum sollte ausgerechnet die Kirche (laut eigenem Selbstverständnis die erste globale Gemeinschaft) nicht das tun, was aus rein wirtschaftlichen partikularen Interessen heraus für andere „Globalplayer“ bereits selbstverständlich ist?
 
b) Kommunikation und Begegnung
 
Eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht ist die dichteste Form der Kommunikation. Sie kann viele Mängel der schriftlichen Kommunikation kompensieren, ist allerdings kein Allheilmittel und schon gar nicht ein Selbstläufer. Es bedarf einer sehr sorgfältigen Planung und Vorbereitung des Besuches in den beiden Partnergemeinden. Die Vorbereitung des Besuches beginnt mit der Überlegung, wer und mit wem auf Reise geht. Nicht jeder, der gerne mal nach Peru möchte, ist auch notwendigerweise ein geeigneter Botschafter der Partnerschaft. Ein Auswahlkriterium ist, ob die Besucher nach ihrer Rückkehr in der Gemeinde bereit sind, ihre Erfahrungen einzubringen. Sämtliche Kosten der Reise werden in der Regel von den Teil- nehmern selbst getragen, ausgenommen Geschenke im Namen der Gemeinde. Um nicht nur begüterten Mitchristen die Chance für einen Besuch zu geben, ist die Eröffnung eines so genannten Begegnungskonto eine gute und bewährte Lösung. Für das Begegnungskonto wird gezielt um Spenden gebeten um in ganz konkreten Fällen aushelfen zu können. Von diesem Konto können dann auch mögliche Besuche aus der peruanischen Partnergemeinde finanziert werden. Die üblichen Spenden sollten hingegen tabu bleiben.  

Für die Vorbereitungstreffen der Reisegruppe werden in Zusammenarbeit mit der Partnerschaftsgruppe Lernziele und Themenfelder formuliert. Die inhaltliche Vorbereitung kann auch in der Form eines offenen Seminars für die Gemeinde angeboten werden, eventuell gar mit Sprachunterricht. In dem Themenkatalog (Kultur, Landeskunde usw.) sollte auch die theologische Auseinandersetzung (zumindest Kenntnisnahme) mit den verschiedenen Ten-denzen innerhalb der Kirche in Peru und weltweit nicht fehlen. Der Anlass einer Perureise ist eine große Chance und bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit, gezielt über die Partner und deren Lebensumstände (sich) zu informieren und sich damit auch auseinander zusetzen. Dies gilt in gleicher Weise für die Phase der Vorbereitung und der Nachbereitung. Zur Vorbereitung gehört auch die Planung der Reiseroute, hier vor allem die Frage, in welchem Verhältnis der eher touristische Teil zu dem eigentlichen Besuch bei den Partnern steht. Wenn man vielleicht einmal im Leben nach Peru fliegt, dann ist es nur zu verständlich und auch ratsam, die kulturellen Höhepunkte des Landes zu besuchen. Diese Eindrücke können die bei dem Besuch der Partner gewonnenen Eindrücke sehr gut abrunden und zum Verstehen erheblich beitragen.

Die Menschen in den Partnergemeinden, auch die Ärmsten, haben dafür Verständnis. Wenig Verständnis aber werden sie haben, wenn sie den Eindruck haben, dass die Besuchergruppe bei ihnen nur „en passant“ vorbei kommt um vielleicht „Guten Tag“ zu sagen und ein paar Fotos zu schießen. Sie müssen das Gefühl haben, dass man ihretwegen die Reise nach Peru unternommen hat. Mit anderen Worten: die Partnerschaft muss Vorrang haben und dies muss auch so vermittelt werden. Wichtig ist, dass die Menschen in der Partnergemeinde erfahren, dass man wegen ihnen gekommen ist und auch ihr Umfeld kennen lernen will. Ein Aufenthalt von zehn bis vierzehn Tagen in der Diözese Cajamarca ist somit das Minimum.  Ein intensiver Besuch auf dem Lande, in einer Comunidad, vielleicht sogar über Nacht oder mehrere Tage, wäre wünschenswert, ist aber je nach Verhältnissen, Stand und Grad der Partnerschaft sowie weiteren Umständen, nicht immer zu realisieren (44): Eine Jugendgruppe aus St. Georg (siehe Artikel: St. Georg...) war im Sommer 1999 für fünfzehn Tage bei den Partnern in Cajamarca, darunter auch vier Tage und Nächte auf dem Land. Die Erfahrungen waren für die Besucher und die Campesinos äußerst wertvoll. Dieser längere Aufenthalt auf dem Land war deshalb möglich, weil die Campesinos durch die lange und vertrauensvolle Beziehung den Besuch richtig einschätzen und deuten konnten. 

Auch die Partner wollen sich auf den Besuch vorbereiten und deswegen müssen bereits vor der Reise gewisse Absprachen mit den Partnern getroffen werden. Die Gefahr ist nicht, dass die Partner sich zu wenig vorbereiten, sondern zu viel und dass man für jede Stunde seines Besuches „verplant“ ist. Zur Vorbereitung seitens der Partner gehört auch die Organisation von Festen. Hier haben Besucher oft Skrupel, wenn man ihnen als Besucher reichlich auftischt, wo doch gleichzeitig so viele Menschen in der Partnergemeinde nichts zu essen haben. Eine diesbezügliche Enthaltsamkeit würde aber von den Partnern, ob arme Campesinos oder reiche Bürgerfamilien, nicht verstanden werden, sondern würde vielmehr Befremden hervorrufen. Hier, wie während des gesamten Besuches, ist eine Tugend gefragt und kann auch gleich hervorragend eingeübt werden, nämlich die Tugend sich beschenken lassen zu können, demütig und mit leeren Händen sich von armen Menschen einladen und auftischen zu lassen.  Die Gastfreundschaft darf auch nicht korrumpiert werden durch große Geschenke oder gar durch „Ersetzen der Unkosten“. Es ist für die Armen ein wichtiges, ja spirituelles Erlebnis, ihren Besuchern aus Deutschland, die nur wegen ihnen von so weit hergekommen sind, ihre Dankbarkeit und Freude zeigen zu dürfen. Sie gewinnen mehr an Würde und Selbstbewusstsein, wenn sie auch etwas geben dürfen, statt immer nur zu empfangen.  

c) Inhaltlicher Austausch
 
Wesentlicher Bestandteil von Partnerschaft ist der Austausch von Erfahrungen (im Glauben, pastorale Anregungen und Praxis), von Lebenswirklichkeiten, gegenseitiges Kennen lernen  und so auch gegenseitige Bereicherung. Trotz der schon näher besprochenen Probleme in der Kommunikation ist ein solcher Austausch grundsätzlich möglich. Doch selten kommt es zu einem Austausch über die inhaltliche Schwerpunkte in den jeweiligen Gemeinden. Im Rahmen von Projektbeschreibungen wird von den peruanischen Partnern hin und wieder über pastorale Schwerpunkte und das eigene kirchliche Selbstverständnis gesprochen (z.B. die Option für die Armen und deren konkrete Umsetzung). Deutschen Gemeinden scheint dies schwerer zu fallen. Es ist gar zu vermuten, dass die einzelnen deutschen Gemeinden gar keine pastoralen Schwerpunkte haben oder bewusst setzen. Hier wäre ein Ansatzpunkt für einen fruchtbaren Austausch mit den peruanischen Partnergemeinden. Die Partnerschaft kann helfen, den Blick in eine Zukunft der Kirche zu werfen (und sich entsprechend vorzubereiten),wie sie auch hierzulande kommen wird. Wird gar noch registriert, dass die Partnergemeinden ohne großen Apparat und Hauptamtliche - sei es auf Pfarr- als auch auf Diözesanebene - eine beachtliche Kreativität und Lebendigkeit entwickeln, dann sollte dies der Gemeinde und vor
allem den Verantwortlichen die Angst nehmen, was passieren könnte, wenn die Kirche eines nicht allzu fernen Tages diesen Apparat nicht mehr finanzieren könnte.
 
In den Partnergemeinden macht man sich nur schwerlich Vorstellungen von der Organisation und Struktur unserer Gemeinden und der Kirche in Deutschland. Angefangen von der Kirchensteuer über die einzelnen Gremien wie KGR, sonstige demokratische Strukturen, den damit verbundenen Möglichkeiten, den vorhanden anderen Gruppen in der Gemeinde und den Ausschüssen, der Verwaltung und Offenlegen der Haushaltsgelder bis zur Ökumene, gibt es eine Fülle von interessanten Details zu berichten. Wo diese Informationen vereinzelt schon den Partnern geschrieben wurden, war die Resonanz darauf sehr positiv. Dies erleichtert den Partnern, uns besser zu verstehen und manches sehen sie nun in einem anderen Licht und mit mehr Verständnis. Denn auch die Partner können von uns lernen. In deutschen Gemeinden sind alle Gelder und Haushaltspläne, sowohl der einzelnen Gruppen als auch der Gesamtgemeinde, öffentlich und es wird demokratisch entschieden. In der Mehrzahl der Partnergemeinden sind demokratische Gremien nicht so strukturell und institutionell verankert wie in Deutschland - und damit der Willkür eher ausgeliefert. Unverzichtbar ist eine Verständigung darüber, was die gemeinsamen Grundlagen der Partnerschaft sein könnten. Auch die entsprechenden gegenseitigen Zielvorstellungen sollten bekannt sein. Dies ist auch als Hilfe für die eigene Gruppe anzusehen, die dadurch gezwungen wird, eventuelle vage Vorstellungen (z.B. „den Armen helfen“, Mitverantwortung der Laien) schriftlich zu formulieren, zu begründen und innerhalb der Gruppe zu diskutieren.

Wenn die Gruppen nicht (mehr) in der Lage sind, sich in konstruktiver Auseinandersetzung über gemeinsame Zielvorstellungen, Gemeindeverständnis und Kirchenbild zu verständigen, steht eine wichtige Voraussetzung für jede Partnerschaft auf einem sehr brüchigen Fundament. Dies ist aber nicht den Gruppen zum Vorwurf zu machen, sondern ist im Kontext des pastoralen und kirchlichen Selbstverständnisses deutscher Gemeinden insgesamt zu sehen. Es sollte hellhörig werden lassen, wenn trotz „optimaler“ äußerer Voraussetzungen (Milliardenaufwendungen für Religionsunterricht, Bildungshäuser, permanent tagende Gremien, Tausende von hauptamtlichen „Experten“ in den Diözesen usw.) die Kerngruppen der Gemeinden sich nicht in der Lage sehen, sich den pastoralen Herausforderungen der Zeit zu stellen, vielleicht gar keinen pastoralen Auftrag verspüren und/oder in dem Bemühen darum sich allein gelassen fühlen. In demokratisch organisierten Basisgruppen in Peru wird über die Grundlagen des Glaubens, dessen praktische Anwendung, über „Kirchenpolitik“, den pastoralsozialen Auftrag usw. lebhaft „gestritten“. Sie sind es gewohnt, Rechenschaft über ihren Glauben abzulegen und diesen Glauben öffentlich zu bekennen - obwohl es dort z.B. keine Bildungswerke gibt.  
 
Ein identisches Kirchenbild der Partner ist nicht zu erwarten (das gibt es auch nicht innerhalb der Gruppe), aber eine Verständigung darüber, was Kirche und Gemeinde für uns bedeutet, wie wir Kirche leben und sind, ist für eine lebendige Partnerschaft unerlässlich. Eine Partnerschaft zwischen Gemeinden mit sehr unterschiedlichen Zielvorstellungen ist denkbar, gerade darin kann sich eine Partnerschaft bewähren. Voraussetzung ist aber der gegenseitige Respekt, der sich darin zeigt, dass der (deutschen) Partnergemeinde zugestanden wird, ihre Vorstellungen von Kirche und Partnerschaft gleichberechtigt einbringen zu dürfen ohne dass dies als koloniale Bevormundung diffamiert wird. Schwer vereinbar mit einer Partnerschaft sind hingegen Versuche, Vertrauenspersonen und bisherige Stützen der Partnerschaft aus dem Weg zu drängen oder Bedingungen zu stellen wie: „Ihr dürft uns zwar euer Geld schicken, aber sonst habt ihr nichts zu sagen“. Pfarrer, Bischof und kirchliche Strukturen sind lediglich die Vermittler (oder Mittler) der Partnerschaft und nicht Selbstzweck.

Das Volk Gottes - die jeweilige Gemeinde - ist die Konstante, während Pfarrer und Bischöfe kommen und gehen. Strukturen und Ämter haben eine dem Volke dienende Funktion, der sie mehr oder weniger gerecht werden können und sollen. Werden sie dieser Funktion nicht gerecht, ist es für die Partnergemeinden um so dringlicher, sich um so enger als jeweilige Teilkirchen beizustehen. Das Kriterium ist aber nicht die theologische Rechthaberei, sondern ob bestimmte Verhaltensweisen, Konzepte und Lehren die Armen eher ausgrenzen oder nicht. Es ist das Verhalten Jesu den Ausgegrenzten seiner Zeit gegenüber, das als entscheidendes Kriterium bleibt und trägt.
 
d) Geld und Projekte
 
Die Projektförderung steht für alle Gruppen im Zentrum ihrer Arbeit. Projekte wirken wie ein Gravitationszentrum, das alle Kräfte zusammenführt. Um so erstaunlicher ist es, dass nur ganz vereinzelt auf das Fachwissen der Hilfswerke zurückgegriffen wird. Eine Beratung durch Misereor ist dann dringend, wenn das Projekt eine bestimmte Größenordnung überschreitet (wenn die Kosten höher liegen, als die Gruppe durchschnittlich in einem Jahr an Spenden aufbringen kann). In mindestens der Hälfte der befragten fünfzehn Gemeinden wurde ein größeres Projekt (ab 10.000 DM) in den Sand gesetzt. Ein Problem ist, dass gezieltes Nachfragen in Peru schon im Vorfeld des Projektes auf Misstrauen stoßen kann. Dies ist dann um so wahrscheinlicher, wenn der jeweilige Pfarrer allein verantwortlich für das Projekt ist und ist nie der Fall in den Partnergemeinden, in denen die Verantwortung für die Projekte unter Mitwirkung der Betroffenen auf mehreren Schultern verteilt ist. Weil es in letzteren Gemeinden bereits vor der Antragstellung innerhalb der Gruppen, Komitees etc. zu Diskussionen kam, ist es für die Antragsteller selbstverständlich, dass auch die Geldgeber, die als vertraute Partner erlebt wurden, ihre Meinung zu den vorgeschlagenen Projekten äußern dürfen.

Da die Mehrzahl der hiesigen Gruppen eine  Scheu besitzt, mit entwicklungspolitisch gut orientierten, außerkirchlichen Gruppen punktuell zusammenzuarbeiten, fehlt oft das entwicklungspolitische Know-how, um Projekte in den Partnergemeinden besser einordnen zu können. Um so wichtiger ist die Rolle der Referate Weltkirche und der Hilfswerke, die gutes Material produzieren, das aber den Gruppen wenig „vermittelt“ wird. Da die Hilfswerke von dem Geld der Gemeinden „leben“, werden sie auch gerne den Gemeinden helfen wollen (auch die Gelder der Hilfswerke kommen aus den Gemeinden und sind nur „geliehen“). Viele Gruppen verharren aber in ihrem eigenen Saft und laufen Gefahr, den größeren Kontext aus den Augen zu verlieren und nicht mehr nach neuen Wegen suchen zu wollen oder zu können.
 
Durch die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch mit benachbarten Kirchengemeinden, die ebenfalls Erfahrungen in der Partnerschaftsarbeit haben, können neue Anregungen und Anstöße in die Gruppe kommen. Eine weitere Anregung wäre, wenn Gruppen, die mit Gemeinden der gleichen Diözese in Peru oder anderswo, nicht nur zu einem Partnerschaftstreffen zusammenkommen würden, sondern auch Gemeinde überschreitende Projekte ins Auge fassen könnten. Bei manchen Ereignissen, wie z.B. der Überschwemmungskatastrophe von 1998 in weiten Teilen Perus, wäre dies gar dringend erforderlich gewesen. Doch können sich in Deutschland und in Peru die Gemeinden selten auf gemeinsame Projekte verständigen. Sowohl der nachbarschaftliche Kontakt auf lokaler Ebene, als auch die genannte Projektzusammenarbeit scheint für Gemeinden ein unüberwindliches Hindernis darzustellen. Jede Gemeinde ist ein Kosmos für sich und möchte dies auch bleiben. Die Erfordernisse der Partnerschaft könnten Gemeinden dazu bringen, weniger um sich selbst zu rotieren und auch offener gegenüber ihren eigenen Nachbargemeinden zu werden (den Partnergemeinden gegenüber sind sie ja auf dem Weg...). Ganz düster sieht es diesbezüglich in der Ökumene aus. So kommt es nicht selten vor, dass in der gleichen Stadt evangelische und katholische Gemeinden partnerschaftliche Beziehungen in die gleiche Region haben und niemand weiß etwas davon, noch schlimmer: niemanden interessiert es. 
 
3.  Diskussion um die Partnerschaft
 
a) Umgang mit Konflikten
 
Hier geht es nicht darum, konkrete Hinweise auf den Umgang mit Konflikten zu geben. Die Art möglicher Konflikte ist von Fall zu Fall so verschieden, dass jede Gruppe selbst ihre je eigenen und spezifischen Lösungen finden muss. Vielmehr geht es hier darum, auf die Existenz möglicher Konflikte hinzuweisen. Denn nach den Aussagen der betroffenen Gruppen werden Konflikte mehrheitlich verdrängt, bewusst nicht wahrgenommen oder sie können gar nicht wahrgenommen werden. Dies bezieht sich sowohl auf die eigene Gruppe als auch auf den Umgang mit der Partnergemeinde und den dort auftretenden Konflikten. Als Leitbild scheint die idealistische Vorstellung durch, dass man in der Kirche nicht streiten darf. Wer es dennoch tut, zerstört die Einheit.

Dabei wird eine inhaltliche Auseinandersetzung mit persönlich diffamierenden und von persönlichen Interessen geleiteten Streit verwechselt. Die verschieden Aussageebenen geraten durcheinander. Wird z.B. eine Aussage der Sache wegen in Frage gestellt, fühlt sich der Betreffende oft selbst in Frage gestellt oder gar abgelehnt. Diese Erscheinung betrifft zwar nicht nur spezifisch kirchliche Gruppen, doch in diesen Gruppen bekommt sie ein besonderes Gewicht, weil hier existentielle Fragen, verknüpft mit tiefer wurzelnden Vorstellungen „von Gott und Welt“ eine besondere Rolle spielen. Für einen gläubigen Menschen kann es eine Katastrophe sein, wenn er meint, man wolle ihm - im Namen des Glaubens - die Ernsthaftigkeit seines Engagements oder gar den Glauben absprechen.  
 
Angesichts dieser Herausforderungen ist es verständlich, wenn die reine Projektarbeit für die Gruppen als unproblematischer angesehen wird. Sie erfahren in der Projektarbeit auch eine Form der notwendigen Anerkennung, die ihnen sonst versagt bleibt. Diese Projektarbeit ist schließlich auch für die Partner von großer Bedeutung. Durch kirchenpolitische Veränderungen und Veränderungen in der pastoralen Zielsetzung seitens der Diözesanleitung, die von oben den Partnergemeinden aufgezwungen werden, kann aber auch die reine Projektarbeit gefährdet werden. Nicht nur wegen der Frage der Finanzhoheit, sondern vor allem durch das Setzen anderer Prioritäten (statt zugunsten der Armen und deren Promotion) geraten Projekte in Gefahr bzw. werden einer anderen Bestimmung zugeführt. Spätestens hier werden die deutschen Gemeinden mit kirchenpolitischen und pastoralen Konzepten und Herausforderungen konfrontiert, mit denen sie eigentlich nichts zu tun haben wollten.

Wie soll man sich z.B. verhalten, wenn ein von Deutschland finanziertes Ausbildungszentrum für Landkatecheten in ein Einkehrhaus für dem Opus - Dei nahe stehende Gruppen umfunktioniert wird?  Unabhängig von der rechtlichen Frage nach der Zweckbestimmung, haben deutsche Gemeinden nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, ihre Auffassung von Kirche (in Übereinstimmung mit dem Konzil, allen kirchlichen Dokumenten und neuzeitlichen theologischen Positionen) kundzutun. Dies sind sie auch den eigentlichen Partnern, den Spendern und letztlich auch sich selbst schuldig. Es ist keine Schande, sich auf die Bibel, die Dokumente der Kirche und die Bedürfnisse der Armen zu berufen. Wer dies tut, spaltet nicht die Kirche, sondern leistet einen unverzichtbaren Dienst an der Kirche, d.h. an der Gemeinschaft und Einheit all derer, für die Jesus als Christus der Maßstab ist. Um dies tun zu können, müssen die einzelnen Gruppen sich ihres Kirchenbildes bewusst sein und den Mut haben, es offensiv zu vertreten.
 
Bei den wenigen Gruppen, die ihre Arbeit auch als einen pastoralen Auftrag verstehen, wird die Auseinandersetzung mit den Veränderungen in den Partnergemeinden zu einer Klärung der eigenen Standpunkte genutzt, sowohl innerhalb der eigenen Gemeinde als auch gegenüber den Partnern. Eine offensive pastorale Auseinandersetzung führt zu einer Stärkung der Partnerschaft sowohl innerhalb der eigenen Gemeinde als auch zu einer Bestärkung der Gruppen in den Partnergemeinden, die eine entsprechende Option der deutschen Gemeinde als Zeichen der Solidarität verstehen, das ihnen Mut macht, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Die Gruppen, die einen pastoralen Auftrag zurückweisen, ziehen sich angesichts der Veränderungen in den Partnergemeinden - nun auch argumentativ - auf reine Projektarbeit zurück, sehen die kirchenpolitischen Veränderungen als gegeben an und/oder arrangieren sich mit den „kirchlichen Autoritäten“, oft ohne zu wissen, was dies für ihre Partner bedeutet (alle Gruppen geben ja an, dass sie den Ärmsten helfen wollen, auch die Spender gehen davon aus).
 
So wird eine Partnerschaftsgruppe im Fall des Ausbildungszentrums (und es gibt viele ähnliche Beispiele in Cajamarca) den Ortsbischof auf die eigentliche Zweckbestimmung hinweisen dürfen, einschließlich theologischer Begründung. Selbst wenn dies keinen Erfolg zu versprechen scheint, so erfahren die Partner (die Armen) dennoch, dass sie nicht auch noch von der deutschen Kirche im Stich gelassen werden. Dies stellt eine Bestärkung der Partner in ihrem Glauben und ihrem Engagement dar, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Es führt aber hier und dort zu Resignation (in einigen Gruppen wird dies so deutlich gesehen), wenn man sieht, wie z.B. Adveniat zulässt, dass der Ortsbischof ein Priesterseminar, das von Adveniat mit nahezu einer Million DM finanziert wurde, unmittelbar nach dessen Fertigstellungschließt (jetzt leben dort vier Karmeliterinnen) (42): Siehe den Artikel von Miguel Garnett: „Das Seminar San José, Cajamarca. Aus sicherer Quelle ist bekannt (u.a ein Bericht einer päpstlichen Vistation in Person eines chilenischen Erzbischofs), dass die Schließung des Seminars schon längst beschlossen war, man wollte aber vorher noch das Gebäude luxuriös herrichten lassen und gab Adveniat vor, das Seminar ausbauen zu wollen. Das ist ein schwerer Betrug, der dann auch noch Adveniat schön geredet wird und andere deutschen Prälaten solidarisieren sich mit den Tätern und verleumden die Opfer.

Erstrecht hat es eine lähmende Wirkung, wenn von Adveniat argumentiert wird, dass der jeweilige Bischof von Cajamarca (und dies gilt grundsätzlich) schließlich die Kirche von Cajamarca sei. Grundlage der Beziehungen, so  Adveniat, ist das Vertrauen zu den Partnern. Wenn die Partner (der Bischof) neue Prioritäten setzt, so muss das von Adveniat und deutschen Gemeinden akzeptiert werden. Die deutschen Partner hätten kein Recht, den Partnern Vorschriften zu machen. Alle Versuche, auch ohne den Bischof direkte Kontakte zu den Partnergemeinden zu unterhalten, sei als Anschlag auf die Einheit der Kirche zu werten. Die zweifellos guten Absichten einer solchen Argumentation verkehren sich in ihr Gegenteil, wenn die Realität außer Acht gelassen wird und die Stimme der Armen (die nicht als eigenständige Partner wahrgenommen werden) nicht gehört wird. Die deutschen Partnergemeinden haben die Pflicht, Adveniat aus ihrer Kenntnis der Realität vor Ort darauf aufmerksam zu machen und darauf zu bestehen, dass die Spenden entsprechend verwendet werden. Es sind Spenden von mündigen Christen für mündige Christen.

Auch die Spenden für Adveniat wurden von einer großen Mehrheit in dem Vertrauen gegeben, dass das Geld auch wirklich den Ärmsten zugute kommt. Wird dieses Vertrauen enttäuscht, sind die Folgen unabsehbar. Da Adveniat in Deutschland ganz gezielt Werbung betreibt mit dem Hinweis, dass die Spenden gezielt den Armen zugute kommen, ebenso dem Aufbau von Basisgemeinschaften, der Ausbildung von Katecheten und verantwortlichen Laien und auch sonst (in der Werbung) der Mitarbeit der Laien, besonders der Frauen  hervorgehoben wird, weil man weiß, was in Deutschland ankommt, dann aber gleichzeitig in immer mehr Diözesen in Peru und anderswo mit Geldern von Adveniat genau das verhindert wird, dann hat das eine Bedeutung, die über das rein Kirchliche hinausgeht. Unabhängig von dem theologisch fragwürdigen Kirchenverständnis, wird auch Adveniat in Zukunft sich verstärkt Gedanken machen müssen, wem sich Adveniat zuerst verantwortlich fühlt (den Spendern hier und den Bedürftigen dort) und wem nicht (43):

Zusatz: Der Bau der Priesterseminars wurde von einem deutschen Architekten geleitet, der von Misereor bezahlt wurde. Das Priesterseminar wurde in ökologischer Bauweise, mit altbewährten Materialien der Region wie z.B. Lehmziegeln hergestellt. Auf nationaler Ebene erfuhr dies u.a. von peruanischen Zeitungen sehr positive Würdigungen. Bischof Simón ließ einen Teil davon abreisen und mit „modernen“ Materialien - „material noble“ - wie Zement etc. ersetzen, weil „primitive“ Materialien für ein Bischöfliches Palais nicht angemessen sind. Zudemließ er hochwertiges Material aus Sevilla - Fließen, Kacheln, Bodenbeläge - einführen und die Räume mit wertvollen Teppichen auslegen. Als eine Delegation der Mütterklubs von San Pedro um ein Gespräch mit dem Bischof bat, wurden sie bereits aus dem ersten der inzwischen drei Vorräume mit der Begründung verjagt, dass sie mit ihren ungewaschenen Füßen die wertvollen Teppiche verunreinigen würden. Seit 1999 wird ein weiterer Teil des ehemaligen Seminars abgerissen und stattdessen eine Ladenzeile errichtet, weil man dadurch hohe Mieten erzielen will. Weitere ähnliche Beispiele von Zweckentfremdungen kirchlicher Gebäude, die von Deutschland aus finanziert wurden, sind belegt. Ob hier eine rein kirchenrechtlich - autoritäre Argumentation wirklich hilfreich ist und dem Willen der Spender gerecht wird?

Für heftige Diskussion und Unverständnis sorgt in den Gruppen (hier und dort) der Umstand, dass der Bischof von Cajamarca sich offensichtlich nicht um die Versorgung (einiger) seiner Priester kümmert, noch klarer ausgedrückt: alle Pfarrer (mindestens acht Pfarrer von Partnergemeinden), die an der Partnerschaft festhalten wollen (aus unterschiedlichem Interesse) und erstrecht sämtliche Pfarrer, die an einer Landpastoral und Arbeit mit den Armen festhalten wollen, bekommen nicht nur kein Gehalt, sondern sie werden vom Bischof bewusst an den Rand gedrängt und von allen Finanzquellen (so weit sie in seiner Macht liegen) abgeschnitten. Wenn sie sich doch an ihren Bischof wenden, werden sie mit der Begründung abgewiesen, dass sie sich an die deutschen Gemeinden halten sollen. Selbst nach dem Kirchenrecht ist jeder Bischof verpflichtet, für „seine“ Priester Sorge zu tragen.

In Anlehnung an die deutsche Praxis, Kirchenmitgliedschaft von dem Bezahlen von Steuern abhängig zu machen, könnte man folgende Regel aufstellen (eine Variante zu der von den deutschen Bischöfen aufgestellten Verpflichtung zur Bezahlung von Kirchensteuern): „Ein Bischof, der sich der Verpflichtung gegenüber seiner ihm anvertrauten Mitbrüder (und Gläubigen) entzieht, verstößt in grober Weise gegen die Solidarität der Gläubigen. Dies ist eine so schwere Verfehlung, dass er erst wieder in die sakramentale Gemeinschaft der Kirche aufgenommen werden darf, wenn er bereit ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen“. Während Laien mit der denkbar schärfsten Sanktion (Kirchenausschluss) bestraft werden, wenn sie ihre „Verpflichtungen“ (Steuern bezahlen) nicht einhalten, wird ein Bischof, der in gröbster Weise gegen seine Verpflichtungen verstößt, zum Vorsitzenden der „Kommission für den Klerus“ der peruanischen Bischofskonferenz ernannt und er wird von auch Adveniat in dieser Eigenschaft unterstützt. (Siehe auch Artikel: „Cajamarca - eine Diözese in den Anden“)
 
Die bunte Vielfalt von Partnerschaften stellt einen hohen Wert dar. Es gibt keinen einheitlichen Weg, da alle einen verschiedenen Ausgangspunkt haben. Eine Partnerschaft wird an der Verschiedenheit, einschließlich der verschieden eingeschlagenen Wege, nicht zerbrechen, wenn das gegenseitige Vertrauen, das von unten her wachsen muss, überwiegt und wenn ein Grundkonsens vorhanden ist. Zu diesem Grundkonsens gehören neben einer zeitgemäßen Auslegung der Bibel die Anerkennung der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und der für die Partnergemeinden richtungsweisenden Dokumente der lateinamerikanischen Bischofskonferenzen. Verglichen damit ist die jeweilige Position eines einzelnen Bischofs oder Pfarrers von nachrangiger Bedeutung, wenn sie auch in der Frage der Durchsetzung (Macht) von entscheidender Bedeutung sein kann. Notfalls muss man entscheiden, was wichtiger ist und welche Prioritäten gesetzt werden. 

b) Die Bedeutung des Bischofswechsel in Cajamarca
 
Es geht nicht um die Person eines einzelnen Bischofs, es geht um die strukturelle Frage nach der „Verfassung“ der Kirche - in dem Wissen, dass das Aufwerfen dieser Frage in den Augen der „Verfassungshüter“ die „Todsünde“ schlechthin ist. (Siehe u.a. die Maßnahmen gegen Leonardo Boff, der erst dann "gefährlich" wurde, als er in seinem Buch "Kirche: Charisma und Macht" die Frage nach der Legitimität der real herrschenden Hierarcjie stellte). Unbestritten ist, dass durch den von Rom von langer Hand eingefädelten Bischofswechsel (Bischof Dammert hat dafür Beweise, die noch an anderer Stelle aufzuarbeiten sind) die überwiegende Mehrzahl der Gemeinden in Deutschland und ihre Partnergemeinden in Cajamarca vor große Herausforderungen gestellt wurden.  

In Cajamarca war das Echo auf die überraschend schnelle Ablösung von Bischof Dammert und die Erwartung (Hoffnung, Skepsis) in den neuen Bischof erheblich größer, als man dies in Deutschland für möglich halten kann. Dies ist begründet in der außerordentlichen Machtfülle des jeweiligen Bischofs. So hat der Bischof (ob rechtlich abgesichert oder nicht) de facto immer auch die alleinige Verfügungsgewalt über alle kirchlichen Besitzungen (in Gemeinde, Diözese). Darauf ist deshalb besonders hinzuweisen, weil eine Infrastruktur mit Gemeindehäusern, Kurs- und Ausbildungszentren, Versammlungsräumen etc. in der Regel mit Hilfe von ausländischen Spendengeldern mit dem Ziel errichtet wurde (zumindest in Cajamarca), einen Beitrag zu einer authentischen Kirche des Volkes, einer „Kirche mit Poncho und Sombrero“, zu leisten. Ein Bischof in Peru kann in einsamer Entscheidung die gesamte Infrastruktur  einer „Kirche des Volkes“ zerschlagen, in dem er die entsprechenden Grundstücke und Gebäude räumen lässt (notfalls mit Hilfe staatlicher Gewalt) und einem anderen Zweck zuführt.  
 
Ein weiterer Knackpunkt ist die Mitarbeit engagierter Laien. In der Diözese Cajamarca gab es zur Zeit Dammerts etwa zwanzig hauptamtliche kirchliche Mitarbeiter. Ein Bischof in Peru hat die Macht, alle Laien von heute auf morgen zu entlassen, falls ihm diese Mitarbeiter nicht genehm sind. Es gibt keinen arbeitsrechtlichen oder sonstigen Schutz für die Laien. Noch gravierender, aber viel subtiler, ist der Einfluss der (Amts-) Kirche in einem zentralen Bereich kirchlichen und religiösen Selbstverständnisses. Für die überwiegende Mehrheit der Gläubigen in der Diözese Cajamarca ist der Empfang bestimmter Sakramente von großer Bedeutung. Dahinter steht manchmal noch ein magisches Verständnis von den Sakramenten. So wird die Taufe hin und wieder noch als ein Mittel angesehen, um Krankheiten von Kindern fernzuhalten und natürlich auch, um der Hölle zu entgehen. Wenn nun z.B. Campesinos, die weiterhin auf eine Versammlung von „alten“ (aber „abgesetzten“) Katecheten gehen wollen, gedroht wird, ihre Kinder in Zukunft nicht mehr zu taufen und ihnen auch sonst offen mit der Hölle gedroht wird, dann bedeutet dies eine Fülle der Machtausübung, wie sie in Deutschland kaum noch möglich wäre. Gleiches gilt für alle Gruppen und auch für andere Sakramente wie die Eucharistie, die denen vorenthalten wird, die keine monatliche Beichte nachweisen (!) können oder Frauen, die in Mütterklubs organisiert sind, die direkte Kontakte zu einer deutschen Gemeinde unterhalten.

Es soll an dieser Stelle keine theologische Auseinandersetzung mit dem Neukatechumenat oder dem Opus Dei geführt werden, es geht darum, die Möglichkeiten eines Bischofs in Peru anzudeuten. Ein solcher Bischof kann auch ohne Sanktionen zu fürchten, offen gegen grundlegende Traditionen und Dogmen der Kirche verstoßen. So hat Bischof Simón alle Taufen und Eheschließungen, die von Katecheten gespendet wurden, für ungültig erklärt und den so verheirateten Paare ausrichten lassen, sie würden in wilder Ehe leben, also in schwerer Sünde, und sie könnte erst wieder zur Kirche gehören können, wenn sie ihre schwere Sünden beichten würden. Der päpstliche Nuntius hat dieses Durchgreifen von Bischof Simón ausdrücklich gelobt und diese Missstände (dass Laien taufen dürfen u.a.) als eine schwere Verwirrung in der Folge des Konzils bezeichnet (mit anderen Worten: das Konzil war und ist eine Katastrophe).
 
Um so überraschender ist es - im Nachhinein betrachtet - wenn man sich auf den bevorstehenden Bischofswechsel in Cajamarca mit seinen absehbaren Folgen nicht eingestellt hat. Auf die Partnerschaften bezogen ist folgendes gemeint: ein diözesanes Netz gut funktionierender Partnerschaften mit demokratischen Strukturen, von engagierten Gruppen in Kontakt mit Gruppen anderer Gemeinden und mit deutschen Gruppen, ein finanzieller Ausgleich innerhalb der Gemeinden, Partnerschaftsgruppen in den Partnergemeinden mit der Verantwortung für die Partnerschaftsgelder, die Institutionalisierung (!) demokratischer Gremien und die Ernennung von verantwortlichen Laien zu Gemeindeleitern oder die Weihe von Diakonen, hätte zwar vieles nicht verhindern können, aber es wären ganz andere Voraussetzungen geschaffen worden, damit lebendige Partnerschaften und Gemeinden weiterhin bestehen können (44):

Bereits 1987, zum 70. Geburtstag Bischof Dammerts, wies eine Delegation von St. Georg mit dem damaligen Pfarrer Alfred Vögele im Gespräch mit dem Bischof darauf hin, wie Vorsorge getroffen werden könnte, damit  ein Nachfolger nicht alles zerstören könnte, was bisher aufgebaut wurde. Dabei wiesen die Ulmer insbesondere auf die positiven Möglichkeiten einer basisorientierten Partnerschaft hin. Doch es geschah auf Diözesanebene wenig in dieser Hinsicht und auch die engeren (auch deutschen) Mitarbeiter von Bischof Dammert vertrauten eher dem Hl. Geist als selbst Hand anzulegen und Partnerschaften gezielt zu stärken. Dies geschah vermutlich auch deshalb, weil damals noch nicht die Bedeutung einer Partnerschaft in all ihren Dimensionen erfasst wurde.  

Bischof Dammert hätte die „Macht“ gehabt, in allen Partnergemeinden die schon erwähnten Kriterien und Mindestanforderungen einer Partnerschaft durchzusetzen. Doch ist wenig geschehen. Dies ist um so tragischer, als alle Partnergemeinden in den Befragungen angeben, eine „Kirche mit Poncho und Sombrero“ unterstützen zu wollen, diese Kirche aber heute von der Diözesanleitung nicht mehr gewünscht wird.  
 
Bischof Simón hält eine Partnerschaft, wie sie von den deutschen Gruppen ansatzweise intendiert ist, nicht für möglich (s.u.). Bei genauerem Hinsehen und Analyse der theologischen Positionen von Bischof Simón, wie sie aus seinen Ansprachen und Predigten (die audiovisuell vorliegen) ersichtlich wird, wird die Ablehnung einer wie oben verstandenen Partnerschaft verständlich. So kann eine Partnerschaft tatsächlich dazu führen, die Rolle und das Selbstbewusstsein der Laien zu stärken (vor allem der Frauen); sie kann dazu führen, dass die Option für die Armen auch zu konkreten Ergebnissen führt und dass eine Kirche im Dienste des Volkes, mit dem Volk zusammen, Ungerechtigkeiten denunziert und eine neue Gerechtigkeit verkündet. All dies widerspricht dem, was Bischof Simón unter Kirche, göttlicher Ordnung und Autorität versteht.

Der Hauptvorwurf Bischof Simóns gegenüber den deutschen Gemeinden ist der Vorwurf ungerechtfertigter Einmischung in innerperuanische und innerkirchliche Angelegenheiten. Einige deutsche Amtsträger solidarisieren sich bekanntlich in dieser Frage mit Bischof Simón. Sie sollten aber zumindest wissen, mit wem bzw. gegen wen sie sich letztlich solidarisieren und warum sie dies tun. Oft wird auch von Kolonialismus gesprochen, von Dollarimperialismus, deutscher Besserwisserei etc. („Ihr Gott ist ‚San Marko‘, deswegen halten sie sich für unfehlbar“, wie es ein dem Bischof nahe stehender Pfarrer sagt - wobei er vielleicht in einem anderen Sinne mehr Recht hat, als er ahnt). Den deutschen Gemeinden wird jegliches Recht abgesprochen, Stellung zu den Vorgängen in ihren Partnergemeinden und der Diözese zu nehmen (45):

Der Vorwurf des „Imperialismus und Kolonialismus“ ist um so merkwürdiger, da er ausgerechnet von denen erhoben wird, die ohne Rücksicht auf den Glauben des Volkes europäische (römische) Praktiken durchsetzen, die die spanische Geschichte der Missionierung verherrlichen und die spanische Fliesen einfliegen lassen, weil das einheimische Material zu primitiv sei ... usw. usw. Siehe auch die Berichte aus Bambamarca, in denen geschildert wird, wie Priestern auf der Seite des Volkes von den reichern Geschäftsleuten und Großgrundbesitzern vorgeworfen wird, Agenten des CIA und Kommunisten zu sein. Auf diesem Niveau ist dann eine konstruktive Auseinandersetzung nicht mehr möglich. 

Auch ist der Vorwurf zu hören, dass von Deutschland aus versucht wird, peruanische Kirchenpolitik zu machen. Aus der Sicht der Partner in Cajamarca stellt sich das Problem der Einmischung wie folgt dar: In allen betroffenen Gemeinden und Gruppen in Cajamarca ist es der sehnlichste Wunsch der Gruppen an der Basis, dass sie nicht auch noch von den Partnern im Stich gelassen werden. Sie erfahren durch die Solidarität der Partner eine Hoffnung, die sie ermutigt weiterzumachen; sie erleben in der Solidarität und dem Brotteilen eine Gemeinschaft und eine Kirche, wie sie Jesus wollte. Nicht zuletzt fühlen sie sich bestärkt durch die kirchlichen Dokumente der lateinamerikanischen Bischofskonferenzen und durch das prophetische Zeugnis von Bischöfen wie Bischof Dammert und dem Zeugnis unzähliger Märtyrer in Lateinamerika. Sie sind es, die dieser Kirche treu bleiben wollen und sie sehen sich in dieser Treue bestärkt, wenn sie in der deutschen Partnergemeinde eine Kirche (!) erleben, die weiterhin auf ihrer Seite ist.  

Deutschen Gemeinden sollte es in der Tat nicht zuerst darum gehen, wer  wo und wann Bischof ist. Es geht darum, mit den Partnern weiterhin zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen. Wenn deutsche Gemeinden dies mit ihren Partnern gemeinsam tun, dann kann man das zwar Einmischung nennen oder wie auch immer. Es hat aber nichts mit Bevormundung und Kolonialismus zu tun, sondern mit Solidarität und damit, weltweit Kirche sein zu wollen. Befremdlich erscheint, dass ausgerechnet Bischof Simón - stellvertretend für andere Bischöfe - von Kolonialismus spricht, wo er doch selbst den Glauben, die Erfahrungen, die Leiden und Hoffnungen des Volkes von Cajamarca nicht wahrnehmen kann oder will und statt dessen importierte Ideologien vornehmlich spanischer (und römischer) Herkunft den Menschen von Cajamarca aufzwingen will. Bei seiner Amtseinführung („toma de poder“ - Machtergreifung) waren alle Campesinos und Basisgruppen ausgesperrt (militärische Absperrung), die erste Reihe in der Kathedrale war für die (ausländischen) Vertreter der Goldminen reserviert.
 
c) Partnerschaft als neue Form des Kolonialismus?
 
Die Instrumentalisierung historischer Schuld (z.B. Kolonialismus) zur Verteidigung eigener Interessen ist zwar als solche leicht zu durchschauen, dennoch müssen sich deutsche Gruppen fragen lassen, was sie mit der Partnerschaft wirklich wollen. Es ist in der Tat so, dass die Idee der Gemeindepartnerschaft ein deutsches Konstrukt ist. Es könnte von außen betrachtet leicht den Anschein erwecken, dass für deutsche Gemeinden eine Partnerschaft die Lösung für viele Probleme darstellt. Man will schließlich helfen, hat nun in der Form von konkreten Partnern die idealen Adressaten der eigenen Hilfsbereitschaft gefunden, man glaubt, effektiver zu sein als die Hilfswerke und erhält noch dankbare Briefe als Bestätigung. Die Gemeinde insgesamt kann ihre weltkirchliche Verantwortung der Partnerschaftsgruppe übertragen und kann sich dann ungestört ihren eigentlichen Aufgaben (z.B. Sakramentenpastoral) widmen.

Auch der Gedanke der ideellen Bereicherung, das Hoffen auf pastorale Impulse aus lebendigen Basisgruppen in Ländern der Dritten Welt, geht zuerst von den eigenen Bedürfnissen und Erwartungen und nicht von den Bedürfnissen der Partner aus. Da zudem an die Partner auch Forderungen gestellt werden (insbesondere wie sie den Transfer des Geldes und dessen Kontrolle organisieren sollen), ist die Frage berechtigt, ob von Deutschland aus nicht ein Modell den Partnern übergestülpt werden soll, das einseitig von den Bedürfnissen deutscher Gemeinden ausgeht. Umgekehrt gilt auch, dass peruanische Gemeinden (fast immer zuerst der Pfarrer) sich an die deutsche Kirche (z. B. die Erzdiözese Freiburg) wenden und um die Vermittlung einer Partnerschaft bitten. Natürlich sind damit auch bestimmte Erwartungen verknüpft.
 
Die gegenseitigen Erwartungen sind dann legitim, wenn man sich zugleich sehr ernsthaft und redlich mit den wirklichen Bedürfnissen der jeweiligen Partner auseinandersetzt. Doch wie kann man das, wenn z.B. schon die Kommunikation so schwierig ist? Die eigenen Erwartungen zu formulieren (sich auch die eigenen Beweggründe bewusst machen) und den Partnern mitzuteilen ist als erster Schritt ein Zeichen der Offenheit und Ehrlichkeit. Auch in der Beziehung zwischen zwei Menschen sind „egoistische“ Beweggründe die Regel, sie sind sogar notwendig. Was aber, wenn der „Partner“ gar keine Beziehung will, z.B. weil er bereits schon ausreichend mit sich selbst beschäftigt ist?  

Nimmt man die Option für die Armen ernst (auch diese Option, ebenso wie das Evangelium, könnte man nach den gleichen Kriterien als Ideologie bezeichnen, die den Armen von oben bzw. von außen übergestülpt wird), so muss für alle deutsche Gemeinden in Sachen Partnerschaft gelten, dass sie zuerst die zukünftigen Partner fragen, wie diese sich denn Partnerschaft vorstellen, welche Bedeutung Partnerschaft für sie hat und unter welchen Bedingungen sie diese überhaupt wollen. Es gibt in der andinen Kultur lange Erfahrungen über die Zusammenarbeit und Beziehung verschiedener Comunidades (Gemeinden) und die peruanischen Partnergemeinden können davon viel mit in die Partnerschaft einbringen. Die Prioritäten, die sie aufgrund ihrer Erfahrungen und Bedürfnissen stellen, sind der Maßstab für die deutschen Gemeinden. Findet eine deutsche Gemeinde trotz langem Bemühen keinen Zugang zu dem, was die Menschen in der Partnergemeinde wirklich bewegt, sind auch der schon erwähnte Grundkonsens und eine gemeinsame Basis nicht herzustellen, dann muss man ehrlicherweise auf eine Partnerschaft verzichten. Partnerschaft setzt auch immer die Freiheit voraus, nein zu sagen zu dürfen.
   
Eine Partnerschaft, kann nur schwer als eine interessengeleitete Ideologie bezeichnet werden, die dem (schwächeren) Partner übergestülpt wird, wenn sie von den Bedürftigen ausgeht und deren Anliegen Priorität einräumt und wenn sie biblisch - theologisch begründet und auch entsprechend gelebt wird. Der spanische Bischof von Cajamarca (der sich nach eigenen Angaben zuerst Rom verpflichtet fühlt) spricht nun aber nicht nur von der Partnerschaft als übergestülpter Ideologie, sondern er spricht von der  grundsätzlichen Unmöglichkeit einer Partnerschaft, so wie sie hier verstanden wird. Partnerschaft bedeutet für ihn eben primär Geld zu erhalten, vielleicht auch noch karitative Arbeit, aber keinesfalls ein gemeinsames Gehen des Volkes Gottes in der schon skizzierten Bedeutung (erstrecht nicht, wenn dabei auch noch die Frage nach kirchlichen Strukturen eine Rolle spielt). Wie aus vielen Gesprächen mit deutschen Besuchern deutlich geworden ist, spricht er seinen eigenen Gläubigen ein tiefer gehendes Verständnis von Partnerschaft ab, weil sie nach seiner Meinung für biblisch - theologische Begründungen gar nicht zugänglich sind.

Nach seinen eigenen Aussagen wollen Arme zuerst Geld.  Doch dann muss aber eine noch viel wichtigere Frage gestellt werden: wenn eine (wie oben skizzierte) Partnerschaft grundsätzlich (!) nicht möglich sein sollte, ist dann katholische Kirche überhaupt möglich? Wenn es nicht möglich sein sollte, sich über alle Kulturen (ohne diese zu vergessen) und Grenzen hinweg, sich als das Eine Volk Gottes zu begreifen, wenn es nicht möglich sein sollte, mit den Ausgegrenzten das Brot zu teilen (nicht nur im karitativen Sinn) und sich als Gemeinschaft derer zu begreifen, die in der Nachfolge Jesu sich für einen neuen Himmel und eine neue Erde einsetzen, dann wäre auch katholische Kirche nicht möglich - dann wäre jede Feier der Eucharistie hierzulande und anderswo eine Gotteslästerung. Dass eine solche Kirche möglich ist, haben schon unzählige Menschen bewiesen und viele Menschen haben diesen ihren Glauben mit Folter und Tod bezahlt. Wer diese Art von Kirchesein leugnet (und damit das Opfer vieler Menschen) stellt sich selbst außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen und stellt sich in die Reihe von Herodes und Pilatus.
 
4.  Partnerschaft als Sakrament
 
Die Partnerschaft zwischen zwei Gemeinden unterscheidet sich in ihren Grundstrukturen nicht von der Partnerschaft zwischen zwei Menschen. In beiden Partnerschaften sind der gegenseitige Respekt, Offenheit und Treue (besonders in schwierigen Situationen) unabdingbare Voraussetzungen für das Gelingen einer Partnerschaft. Dazu kommt das Interesse, den Partner in seiner Menschwerdung (Mündigkeit, soziale Verantwortung usw.) zu unterstützen und zu begleiten. Auf diesem gemeinsamen Weg erfährt jeder den anderen als Bereicherung und als Hilfe für die eigene Menschwerdung. Im gemeinsamen Weg wird die Grenze des eigenen Ich überschritten und auf den Anderen hin geöffnet. Dieser Andere ist zugleich Ursprung und Ziel des gemeinsamen Weges. Da hier implizit immer von einer christlich verstandenen Partnerschaft die Rede ist, ist so verstandene und gelebte Partnerschaft sowohl Voraussetzung als auch Konsequenz des Glaubens an den einen Gott, der schon immer mit den Menschen unterwegs ist und der ihnen den Weg weist. So wie es eine Gnade ist, im Anderen (implizit immer auch der „ganz Andere“) seine eigene Bestimmung zu entdecken, so ist es auch eine Gnade, sich auf dem gemeinsamen Weg immer besser zu verstehen und das gemeinsame Ziel immer deutlicher vor Augen zu sehen. Das Gelingen einer jeden Partnerschaft ist so immer auch ein Geschenk. Eine Partnerschaft ist nicht machbar, planbar, verfügbar - wie der Partner immer auch trotz aller Nähe der ganz Andere und Fremde bleibt und bleiben muss.  

Für eine Gemeindepartnerschaft zwischen zwei christlichen (!) Gemeinden ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Jesus als Christus mit auf dem Weg ist, dass er Ursprung und Ziel des gemeinsamen Weges ist. Herausragendes (Kenn-) Zeichen dieser Wege - Gemeinschaft ist das Brotteilen. Es verweist über die materielle Notwendigkeit und zeichenhafte Gegenwart Gottes hinaus darauf, dass das Volk Gottes immer nur als ganzes Volk auf dem Weg ist. Die Gesamtheit des Volkes Gottes konkretisiert sich zum einen in der jeweiligen Gemeinde als lebendiger und überschaubarer Teil des Volkes Gottes; vor allem aber konkretisiert sie sich in der gelebten Beziehung einer Partnerschaft mit einer Gemeinde in einem Teil der Welt, in dem der Mehrheit der Kinder Gottes ein Leben in Fülle - strukturell - verwehrt wird. Deutsche Gemeinden sind als materiell reiche Gemeinden - ob sie wollen oder nicht - in diesen Zusammenhang von Reichtum und Armut verwickelt. Im Kontext einer gelebten Partnerschaft können sie dazu beitragen, den tödlichen Kreislauf (Bruch der menschlichen Gemeinschaft und mit Gott) zu durchbrechen.  

So wie auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus mit dem Unbekannten den Jüngern ein Licht aufgeht, als der Unbekannte mit ihnen das Brot bricht, so können deutsche Gemeinden durch Brotteilen mit den armgemachten Menschen einer konkreten Gemeinde zum gemeinsamen Weg des Volkes Gottes zurückfinden (umkehren und Orientierung finden). Eine so verstandene Partnerschaft zwischen einer reichen und einer armen Gemeinde ist das sichtbare Zeichen dafür, dass die Spaltung innerhalb der Kirche in reiche und arme Gemeinden (was in seinem Skandal noch erheblich verschärft wird, wenn man die geschichtlichen und aktuellen Ursachen der Verelendung nicht verdrängt) überwunden werden kann und Kirche nur dann die wahrhaft katholische (universelle) und evangelische (biblische) Kirche Jesu ist, wenn das gesamte Volk Gottes auch in der Tat gemeinsam auf dem Weg ist. Wenn auch schon immer von der Einheit und der Universalität der Kirche gesprochen wird, so wurde die (ideelle) Einheit der weltweiten Kirche zuerst vom Papst als Repräsentant der gesamten Kirche her abgeleitet. Partnerschaften repräsentieren aber, konkret und in der Praxis, die Einheit vom Volk Gottes her. Gelebte Partnerschaft, gemeinsam auf dem Weg sein, Brotteilen und miteinander an dem Mahl teilnehmen dürfen, zu dem Jesus eingeladen hat, ist somit konstitutiv für das Volk Gottes, sie ist das sichtbare Zeichen einer sonst nur abstrakt gedachten (nicht wirklich erlebten) Kirche: einer Gemeinschaft, in der Arme und Reiche an einem Tisch sitzen und gemeinsam das Brot des Lebens essen. 

Eine solche Gemeinschaft in Partnerschaft ist das Sakrament einer wahrhaft universellen Kirche und sie ist Sakrament des Volkes Gottes.  
 
Aktive Teilnahme (Teilhabe, Anteil nehmen, mit einander teilen) an der Partnerschaft ist praktizierte Eucharistie. Als solche steht sie nicht im Gegensatz zur Feier der Eucharistie, die per se immer auch schon im Namen der gesamten Kirche gefeiert wird, sondern sie ist notwendige Ergänzung und Erweiterung, besser gesagt: Konkretisierung und Vergegenwärtigung einer Gemeinschaft mit Ausgegrenzten.

In der Eucharistie feiert die Gemeinde den Aufbruch Gottes mit den Menschen (Befreiung), sie feiert die Gemeinschaft der Menschen untereinander und mit Gott und sie ist damit Zeichen dafür, dass die tödliche Spaltung der Menschheit überwunden werden kann. Sie ist Zeichen des Reiches Gottes. In einer Partnerschaft wird dieses Zeichen konkret erfahrbar und kann nachvollziehbar in eine entsprechende Praxis umgesetzt werden. Keine katholische Gemeinde kann von ihrem eigenen Selbstverständnis her, Eucharistie feiern, ohne die Ausgegrenzten an ihren Tisch zu bitten. Mehr noch: nicht sie bittet an den Tisch, sondern es ist Gott, der zuerst die Ausgegrenzten einlädt, während die Reichen dankbar sein dürfen, wenn sie (eventuell auf Fürsprache der Armen hin) ebenfalls einen Platz am Tisch des Lebens erhalten. Für reiche Gemeinde ist es eine Gnade, wenn ihr von armen Menschen, die sich mit Christus auf den Weg gemacht haben, die Augen geöffnet wird. Partnerschaft bedeutet daher immer auch eine Herausforderung, sie ist nie am Ziel, sie ist keine genau beschreibbare Größe, kein Faktum, da sich in Zahlen ausdrücken lässt. Sie ist wie ein Senfkorn, das mit Gottes Hilfe zu einem großem Baum mit vielen Zweigen werden kann, auf dem alle Vögel des Himmels eine Heimat finden. 
 
5. Partnerschaft - eine Option für die Armen
 
Seit Papst Johannes XXIII. vor der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962 zum ersten Mal von einem Vorrang der Armen sprach und dies als die große Herausforderung für die Kirche der Zukunft bezeichnete, ist die Option für die Armen (zwar noch nicht auf dem Konzil in dem Maße wie von Johannes XXIII. erhofft, aber in der Folge davon in Medellín 1968) zu einem Thema vieler theologischen Werke und Synodenbeschlüsse geworden. Es sollen hier darüber nicht weitere Überlegungen angestellt werden, es genügt der Hinweis, dass (frei nach G. Gutiérrez) die Option für die Armen keiner weiteren theologischer Begründung bedarf, weil es die Option Gottes selbst ist. Es ist vielmehr an der Zeit, sich der Überprüfung der Praxis zu widmen (noch besser: daran mitarbeiten), statt eine theologische Diskussion in Hörsälen und Akademien weiterzuführen (46):

In diesem Zusammenhang sei auf den Beitrag von Bischof Luigi Bettazzi hingewiesen, in dem über Bischöfe berichtet wird, die eine Option für die armen zu ihrer Maxime werden ließen. Genannt sei an dieser Stelle auch das Buch: „Die Armen zuerst! - 12 Lebensbilder lateinamerikanischer Bischöfe“ (darunter Bischof Dammert), erschienen im Matthias - Grünewald - Verlag, 1999, hrsg. Von Johannes Meier, Mainz. Dazu gehört auch die akademische und nur scheinbar wissenschaftliche Frage, ob die Theologie der Befreiung „tot“ sei, weil ja der Ost - West - Konflikt nicht mehr bestehe - ein Hinweis auf das Niveau der Diskussion in der deutschen Theologie und im Bildungsbürgertum.
 
Alle befragten deutschen Gemeinden stellen in ihrem Engagement für der Partnerschaft die Sorge für die Armen in den Vordergrund. So sprechen zwar nicht alle bewusst von einer Option für die Armen, aber sie treffen gefühlsmäßig das, was mit einer Option für die Armen im Ansatz gemeint ist. In dieser Haltung treffen sie sich mit ihren Partnergemeinden. Die „Sorge für die Armen“ ist in der Theorie (und meist in der Praxis) die gemeinsame Basis in der Partnerschaft. Es werden Partnergemeinden gewünscht, in denen die Armen gleichberechtigt oder gar bevorzugt zu Worte kommen. Die „Sorge für die Armen“ ist freilich nicht immer identisch mit der „Option für die Armen“, wie sie z.B. in Medellín verstanden wird. Es soll nun andeutungsweise versucht werden, was für deutsche Gemeinden eine Option für die Armen aus der Sicht der Armen bedeuten könnte. Es werden um der Klarheit der Unterscheidung willen die Positionen überspitzt dargestellt, wohl wissend, dass die Realität komplexer ist und auch innerhalb deutscher Gemeinden Gegensätze zwischen reich und arm anzutreffen sind.

Die jeweilige Option ist zuerst von ihrem jeweiligen Kontext her zu verstehen. Die Mitglieder der deutschen Partnerschaftsgruppen gehören, wie auch die überwiegende Mehrheit in der Gemeinde, der breiten (bürgerlichen) Mittelschicht an. Die Gemeindemitglieder wie die Gemeinde als Ganzes sind mehr oder weniger gut funktionierende Bestandteile dieser Gesellschaft. Auch die beiden Konfessionen sind als Kirchen auf regionaler und nationaler Ebene eng mit Staat und Gesellschaft verflochten. Dies zeigt sich nicht nur in der Kirchensteuer (die bekanntlich um so höher ausfällt, je höhere Gewinne die Wirtschaft erzielt), sondern auch in der Zustimmung zu den herrschenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Natürlich gibt es Bruchstellen, doch diese Bruchstellen gehen auch quer durch die Gemeinden. Gemeinde und Kirche sind nicht nur Stützen dieser Gesellschaft, sie sind diese Gesellschaft. Als Gemeinde und Teil dieser Gesellschaft sind sie Teil des dazugehörenden Wirtschaftssystems (oder umgekehrt) und sie haben ein existentielles Interesse an dem Erhalt und der Funktionstüchtigkeit dieses Systems, das auch ein globales System ist. Aus diesem Interesse ergibt sich de facto (nicht unbedingt in der Theorie oder in der guten Absicht) eine entsprechende Option.  

Die peruanischen Partnergemeinden in ihrer Strukturierung als Gemeinschaft von Basisgruppen (so möchten sie die deutschen Gruppen ja gerne verstehen) gehören hingegen nur insofern zu diesem System, als dass sie sich als vom System Ausgegrenzte erfahren. Mit anderen Worten: sie sind die Opfer eines Systems, das seit 500 Jahren so funktioniert, wie es in einer Ausstellung der Gemeinde St. Georg (als Diaserie übernommen in den Verleih der diözesanen Medienstelle in Stuttgart) aus dem Jahre 1984 heißt: „Die bestehende Weltordnung basiert auf dem Recht des Stärkeren und der absoluten Vorherrschaft des Kapitals. Der wirtschaftliche Kreislauf wird allein von den Interessen des Zentrums (reiche Länder) bestimmt und führt zu mehr Reichtum unsererseits und zu immer mehr Elend andererseits“. In den peruanischen Partnergemeinden gehören 80 - 90 % der Menschen zu den Armen. Die Armen sind das Volk, sie sind auch das Volk Gottes. Und als Arme und als Volk sind sie Opfer der von Menschen so geschaffenen Verhältnisse. Diese Verhältnisse stellen sich so dar, dass die unterschiedlichen Rollen in dem gleichen System so verteilt sind, dass eine Minderheit auf Kosten der Mehrheit lebt.

In den Texten der erwähnten Ausstellung heißt es: „Aus unserer Sicht sieht das so aus: Wir schaffen uns neue Absatzmärkte, sichern uns wichtige Rohstoffe, erhalten unsere Arbeitsplätze, vermehren unseren Wohlstand, verteidigen dadurch unsere bürgerlichen Freiheiten und den freien Welthandel und sind bereit, für die Erhaltung dieser Ordnung Gottes Schöpfung als Ganzes aufs Spiel zu setzen. ... Für Peru bedeutet dies (u.a.): Ein Volk, das hungert, pflanzt in den fruchtbarsten Gebieten des Landes Baumwolle, Kaffee, Bananen und Futtermittel für unsere Schweine an. Der Staat braucht Devisen für die Rückzahlung der Zinsen, für den Import von Satelliten - TV und zum Kauf von vielen Waffen, um sich vor dem eigenen Volk zu schützen. Dieses System der Unterdrückung reproduziert sich in jedem Land bis ins letzte Dorf“.  

Der Kontext, in dem die überwiegende Mehrheit der Menschen in den peruanischen Partnergemeinden lebt, ist geprägt von zunehmender Gewalt und Verelendung. Diese Menschen begreifen aber immer mehr, dass zwischen der Situation in der sie leben und dem, was sie an Überfluss und Luxus in den Medien und der Werbung sehen, ein innerer Zusammenhang besteht. Evangelisierung in den Landgemeinden und den Elendsvierteln Perus bedeutet ja gerade, auf diesen Zusammenhang hinzuweisen, diese Situation im Lichte des Glaubens zu deuten und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Eine Option für die Armen aus deutscher Sicht bedeutet in diesem Zusammenhang:   

  • Hören auf die Menschen in den Partnergemeinden, sie innerhalb ihres Kontextes wahrzunehmen und sich ihrem Weg anzuvertrauen, weil ihnen ja der Weg von Jesus gezeigt wird und er mit ihnen ist. Sie sind für deutsche Gemeinden eine Brücke zum Verständnis der ursprünglichen Botschaft. Notwendige Voraussetzung dafür ist Bekehrung (kehrt machen, den eigenen Weg zumindest in Frage stellen, neue Wege suchen) bzw. Umkehr ohne Angst, etwas zu verlieren.  
  • Eine Analyse des eigenen Kontextes, diesen im Lichte der Bibel zu deuten, die Auswirkungen des wirtschaftlichen Handelns an den Pranger zu stellen und angesichts einer Verherrlichung  materieller Werte (Materialismus, Götzendienst), die zum Tode führt, den biblischen Gott des Lebens zu verkünden. Mit Hilfe peruanischer Partnergemeinden kann dies eingeübt werden. Das Mindeste: Anwalt derer zu sein, die keine Stimme haben.
  • Eine Gemeindepartnerschaft ist ein hervorragender Ort, um die beiden scheinbar nicht miteinander zu vereinbarenden  Gegensätze (Pole innerhalb des gleichen Systems) von Reichtum und Armut zu überwinden. Kirche ist der Ort, wo der Bruch der Gemeinschaft der Menschen untereinander und mit Gott überwunden wird. Die Kirche wird dann zur Kirche Jesu Christi, wenn nicht die einen auf Kosten der anderen leben, sondern wenn Gemeinden im Geiste Jesu als Gemeinden eine Tischgemeinschaft (Kirche) bilden. Für deutsche Gemeinden ist es wesentlich schwerer, diese Einladung anzunehmen. Peruanische Gemeinden haben einen (biblisch, theologischen) „Standortvorteil“. Gott ist ihnen nahe, weil sie arm (unterdrückt) sind.  

Ist es für deutsche Gemeinden schon schwer genug, die Ursachen der Verelendung in ihren Partnergemeinden zu entdecken, so ist es noch viel schwerer, den eigenen Kontext (die Ursachen des Reichtums) zu analysieren. So wie in den Partnergemeinden die Menschen über Jahrhunderte hinweg von einer bestimmtem Kultur, Religion, gesellschaftlichen Konventionen und politischen Systemen geprägt wurden, so natürlich auch die Menschen in Deutschland. Mag man auch an manchem Althergebrachtem nicht mehr festhalten wollen, so ist eine grundsätzliche Kritik sehr selten oder erscheint als nahezu unmöglich. Jede Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen von der Wurzel her stellt letztlich auch jeden Einzelnen in Frage, der dann das Gefühl hat, man wolle ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. Da auch die Grenzlinien zwischen Gesellschaft und Kirche kaum auszumachen sind, eine klarere Abgrenzung auch gar nicht von der Mehrheit der Gläubigen gewünscht würde, hat die (evangelische und katholische) Kirche die Kraft verloren, Alternativen aufzuzeigen oder gar Widerstand und prophetische Kritik zu üben. Eine Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Kontext wird noch erschwert durch die Auffassung, dass eine solche Arbeit bzw. Beschäftigung und Auseinandersetzung mit wirtschaftspolitischen Fragen nichts mit dem persönlichen Glauben zu tun habe bzw. nicht zum Auftrag der Kirche gehöre.  

In der Partnerschaft zwischen einer reichen und armen Gemeinde erfahren aber die in der Partnerschaft Engagierten, dass Alternativen möglich sind. Wenn sie sich auf die Geschichte der Armen einlassen, entdecken sie, dass selbst jahrhundertlange Unterdrückung und gewaltsame Integration in ein materialistisches und gottloses System Menschen nicht davon abhalten kann, den Aufbruch und den Auszug zu wagen. Als in den sechziger Jahren in Bambamarca und anderswo Campesinos zum ersten Mal mit dem befreienden Wort Gottes konfrontiert wurden, entdeckten sie, dass Jesus so gelebt hat wie sie, dass er wie ihre Kinder auf dem Lehmboden im Stall zur Welt kam, dass er wie sie von den Mächtigen seiner Zeit ausgestoßen und schließlich gefoltert und gekreuzigt wurde. Sie übertragen die Bibel direkt auf ihr Leben und erfahren so, dass Gott mitten unter ihnen ist, mit ihnen lebt und leidet. Und weil das so ist, machen sie sich nun auf den Weg und machen schon jetzt die Erfahrung von Auferstehung. Es beginnt für sie ein neues Leben. Sie schließen sich zusammen, lesen immer wieder die Bibel und entdecken von neuem solche Werte wie Solidarität, Gemeinschaft, Miteinanderteilen. Auch kirchlich gesehen nehmen sie ihr Schicksal in die eigenen Hände. Sie sind Kirche! In entstehenden Basisgemeinschaften feiern sie diesen Neubeginn. Sie sagen Dank, feiern die Gegenwart Gottes, teilen miteinander ihre Sorgen und ihr Brot. Diese Gemeinden sind nsel des Lebens inmitten des Todes. Sie haben erfahren, dass Jesus der Schlüssel zum Leben ist, Fundament ihres Lebens, Brot des Lebens.  
 
Es ist für die peruanische Gemeinden leichter aufzubrechen als für deutsche Gemeinden. Partnerschaft heißt in diesem Zusammenhang auch, die eigene Ohnmacht zu erkennen und sich von den scheinbar Schwächeren an der Hand nehmen zu lassen. Es ist keine Schande, sich von den Armen die Geschichte Gottes mit den Menschen erzählen zu lassen. Sie sind es doch, denen Gott besonders nahe steht (und umgekehrt) und mit ihnen gehen dürfen heißt, die Einladung Gottes anzunehmen und den Weg Gottes zu gehen. Es sind die „Hirten auf dem Felde“ (heute die Indios, Campesinos, Ausgegrenzten) denen sich der Himmel öffnete und denen zuerst die Botschaft von Jesus dem Messias verkündet wurde.

Deutsche Gemeinden, die sich den Standpunkt ihrer Partner zu eigen machen, werden von dem neu gewonnenen Standpunkt aus ebenfalls „den Himmel schauen“ können. Dies wird nicht möglich sein, wenn sie weiterhin eingeschlossen bleiben in einem goldenen Käfig. Wer in diesem Käfig eingeschlossen bleibt, wird nur sehr schwer das Wort Gottes, das von außerhalb kommt, hören können. Begegnungen mit den Opfern der Geschichte können zum Schlüssel werden, um diesen Käfig zu verlassen und Gott auf der Seite der Armen zu entdecken. Für deutsche Gemeinden und die deutsche Kirche bedeutet dieser Weg, auf vieles zu verzichten. Doch bei genauerem Hinsehen (und Ausprobieren) wird man erfahren, dass es nur Ballast war, den man weggeworfen hat und nun frei ist, ohne Rücksicht auf Privilegien das Wort Gottes zu verkünden. Eine Partnerschaft mit einer armen Gemeinde erleichtert den Aufbruch. Sie macht Umkehr möglich bzw. sie ist der erste Schritt zur Umkehr. Eine Partnerschaft ist eine praktische und praktikable Option für die Armen und mit den Armen. Sie ist kirchenbildend, weil sie Einheit stiftet. Sie ist das Sakrament einer wahrhaft katholischen Kirche.
 
Nach den in den Welt herrschenden Maßstäben stehen deutsche Gemeinden eher im Lichte, die Partnergemeinden und mit ihnen die Mehrheit der Menschheit, stehen im Schatten. Doch in diese Nacht hinein wurde Jesus geboren. Der Himmel öffnete sich und die Armen fanden den Weg. Der Stern über der Hütte erleuchtete die Nacht. Die Frommen und Mächtigen in Jerusalem konnten diesen Stern nicht sehen, denn sie ergötzten sich in ihrem eigenen Licht.

Deutsche Partnergruppen gleichen den Weisen aus dem Morgenland, die aus ihrer Heimat aufbrechen und - geleitet von dem Stern über der Hütte - sich auf den Weg zu Jesus machen. Ihr Weg führt zuerst über Jerusalem, doch dort weiß man von nichts. Dennoch finden sie Jesus in der Hütte. Reich beschenkt kehren sie zurück. Weil sie Jesus in der Hütte gesehen und sie die Stimme Gottes gehört haben, finden sie den Weg in die Heimat - ohne in Jerusalem zuvor um Rat zu fragen. 

Zusatz: Ökumene
 
Ökumene bedeutete ursprünglich nichts anderes als die eine, miteinander geschwisterlich verbundene Kirche in der ganzen Welt. Die Partnerschaft zwischen zwei Gemeinden in den so unterschiedlichen Teilen der Welt ist praktizierte Ökumene. Die Spaltung der Christenheit besteht nicht darin, ob einige Christen sich eher zu den Ängsten der Menschen im 16. Jahrhundert mit der daraus resultierenden Lehre von der eigenen (!) Rechtfertigung bekennen, oder ob sie sich von der pompösen Machtentfaltung und Selbstinszenierung absoluter Herrscher beeindrucken lassen. Sie besteht vielmehr darin, dass von Christen Verhältnisse geschaffen wurden und aufrechterhalten werden, innerhalb derer Christen auf Kosten anderer Christen leben.  

Wenn für deutsche Theologen und Bischöfe die Ökumene - wie sie hierzulande verstanden wird - ein wichtiges Thema sein mag und ein weiterer deutscher Spitzentheologe und Bischof nun eigens nach Rom berufen wird, um die so verstandene Ökumene voran zu bringen (wobei dies kaum möglich sein wird, weil die römische Kirche per definitionem nicht in einen vorbe- haltlosen Dialog Gleicher mit Gleichen eintreten kann), so ist dies lediglich ein Hinweis darauf, dass die wirklichen Bedürfnisse der Armen nicht erkannt werden. Während der Mehrheit der Menschen das Brot genommen wird, statt es mit ihnen zu teilen (auch innerhalb der verfassten Kirche, weil Teil des Systems), beschäftigen sich Theologen und Bischöfe mit selbst geschaffenen Problemen und bestätigen und rechtfertigen gerade dadurch die Spaltung der Menschheit und die Spaltung der Kirche. Der Bruch der von Gott gewollten menschlichen Gemeinschaft ist der eigentliche Skandal (Ur - Sünde).

Eine ökumenische Bewegung in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes ist in ihrem Kern das, was Kirche ausmacht: die Gemeinschaft des Volkes Gottes, das den Ruf Gottes hört und aus der Sklaverei Ägyptens und des Mammons aufbricht, die das Unrecht anklagt und Gerechtigkeit verkündet, die auf dem Weg das Brot miteinander teilt und die Gegenwart Gottes feiert.  Partnergemeinden können und müssen Wegbereiter (Pioniere) dieser ökumenischen Bewegung sein. Sie sind die Keimzellen einer erneuerten Kirche.  
                                                                
Willi Knecht, August 1999 („update“ Ende Dezember 1999)