Franziskus und "misereor" - das passt!
(siehe dazu mein Text zum Misereor-Hungertuch: "Wir haben den Hunger satt!". Da ich fast zeitgleich zur Papstwahl den Text zur Fastenaktion schrieb und am 2. Tag nach der Wahl eine erste Einschätzung schrieb, nun kurz danach - zusammen mit dem Misereortext - meine 2. Einschätzung zu Franziskus: Franziskus und "misereor" - das passt! Meines Erachtens ergänzen sich beide Texte (Einschätzung und Misereor auf ideale Weise - im Gegensatz zu "Misereor - Benedikt XV.) Die Mail ging bundesweit an viele Verteiler, am 18. März 2013.
Liebe Kolleginnen (Männer immer inklusive), ich bekam - wie sicher einige andere auch - einige Anfragen hinsichtlich meiner Einschätzung zu Papst Franziskus; vorher wurde ich gebeten, etwas zum Misereorsonntag am 17. März zu schreiben. Im Januar 2013 fand das kontinentale Treffen der Fidei-Donum-Priester in Lima, Peru, statt. Thema: „Prophetische Herausforderungen des 2. Vat. Konzils“. Dazu war ich eingeladen, weil dieses Mal die Erfahrungen einer befreienden Pastoral in Peru im Mittelpunkt standen (u.a. mit Gustavo Gutierrez als Referent).
Auf diesem Hintergrund einige Ergänzungen und Überlegungen, was das für unser weiteres Vorgehen bedeuten könnte:
1a) Deutsche Bischöfe können sich nicht mehr hinter dem deutschen Papst (vorher Glaubenswächter) verschanzen – vor allem im Hinblick auf die angeblich lehramtliche Klärung in Sachen Frauenordination. Hier wäre als 1. Schritt besonders darauf abzuheben, dass die beiden letzten Päpste entgegen Kirchenrecht und Konzil innerkirchliche Ordnungsregelungen (keine Dogmen) als quasi unfehlbare Wahrheiten verkündet haben. (Mich würde von Theologen interessieren zu wissen, ob man das so sagen kann). Dies muss jetzt benannt und aufgearbeitet werden.
1b) Staatliche Privilegien für Kirchen und Glaubensgemeinschaften, die Menschen wg. ihres Geschlechts und Geschlechtlichkeit diskriminieren und auch sonst gegen Grundrechte verstoßen (z.B. Recht auf Familienplanung, freie Entfaltung der Persönlichkeit auch im sex. Bereich, etc. ) müssen abgeschafft werden, ebenso die Zwangsabgabe selbst für Menschen, die exkommuniziert worden sind (Ausschluss aus Sakramenten). In den politischen Parteien ist hier eine zunehmende Sensibilität zu beobachten, auch im Hinblick auf eine gesamteuropäische Rechtsprechung. Das ändert nichts an dem Recht, vielleicht sogar Pflicht, dass eine Glaubensgemeinschaft mit ihren Mitgliedern zusammen Regeln zur Orientierung aufstellt und Glaubensgrundsätze formuliert.
2a) Deutsche Bischöfe – diesmal im berechtigten Hinweis auf Weltkirche – in die Pflicht nehmen, weil: Option für die Armen als zentrale Aussage der Bibel und einer Kirche der Armen (auch im persönlichen Vorbild, siehe Katakombenpakt, u.a.). Dahinter können sie nun nicht mehr zurück. Deutsche Bischöfe sind zuerst an ihrem Lebenswandel zu messen, ihrer Praxis im Umgang mit den Menschen, an ihrer Barmherzigkeit etc. etc. Aber auch Bischöfe sind Menschen und dürfen fehlen – aber nur gemeinsam und auf Augenhöhe (Respekt) können wir uns gegenseitig Stütze sein.
2b) Grundlage einer neuen Ökumene (statt das immer gleiche ökumenische Pingpong): Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung, Grundfragen der Menschen heute, ausgehend von den Ängsten und Hoffnungen der Hungernden und Ausgeschlossenen aller Art – und dies nicht nur im Sinne größerer Allianzen im gesellschaftspolitischen Bereich, sondern ausgehend vom Kern der Botschaft Jesu, spirituell und sakramental (siehe Misereortext im Anhang).
3a) Der Text "Wir haben den Hunger satt" ist nicht zuerst als Kampagnenbeitrag zu verstehen, sondern als Hinweis auf ein anderes, ein grundlegend biblisches Eucharistieverständnis, ausgehend vom Kern der Botschaft Jesu. In diesem neuen (ursprünglichen) Eucharistieverständnis geht es nicht zuerst um die Amtsfrage, sondern um die gemeinsam gelebte und erfahrbare Praxis in Gemeinschaft – als Antwort auf die entsprechenden Herausforderungen (z.B. zum Himmel schreiende Ungerechtigkeiten, Zerstörung der Schöpfung, Hunger) und als Antwort auf die Botschaft Jesu vom anbrechenden Reich Gottes.
3b) Gemeinde selbst wird zum Brot des Lebens und so wird Gemeinde auch zum Subjekt einer Transformation der Welt: „Herrschaft von Liebe und Gerechtigkeit“ und Aufstehen gegen die Götzen des Todes, den herrschenden Götzendienst – dies meint übrigens auch Papst Franziskus mit Entweltlichung. Dieses Verständnis ermöglicht (als „Nebeneffekt“) auch erstens ein völlig neues ökumenisches Kirchesein und zweitens wird die Frage, ob Mann oder Frau einer solchen Eucharistiefeier vorstehen (bzw. ob es überhaupt „Vorsteher“ braucht), zweitrangig, aber nicht unwichtig. (Auch hier die theol. Frage: kann man das so sagen – ich habe solche Feiern miterlebt und im Verständnis der Campesinos war so der gekreuzigte und auferstandene Christus auf diese Weise gegenwärtig )?
Eine solche Feier wäre ein wahrhaft sakramentales Zeichen, wenn die Teilnehmenden sich von Jesus gerufen auf dem Weg wissen, d.h. wenn ihre alltägliche Praxis glaubhaft und authentisch ist.
Ich möchte damit nur einige Gedanken in eine kreative Diskussion einbringen, die nicht nur Gedankenspiele sind, sondern die ansatzweise bereits zu einer bereits bestehenden, aber bei uns fast vergessenen Praxis geführt haben (z.B. "Vamos Caminando - Glaube, Gefangenschaft und Befreiung in den peruanischen Anden", Bambamarca 1976). Nun bietet sich, hoffentlich und vielleicht, eine einmalige historische Chance (nur kurzes Zeitfenster!?), dies vehement einzufordern und noch besser: zu tun.
Liebe Grüße, Willi Knecht