Es war einmal - so um das Jahr 2000 herum (n. Chr.) - da wurde ein deutscher Kardinal gefragt, warum die Frauen in der Kirche nicht die gleichen Rechte hätten wie die Männer. Der Kardinal antwortete: „Die Antwort ist einfach: Hätte Gott es anders gewollt, dann hätte er nicht Adam vor der Eva erschaffen, sonders anders herum. Nun ist es nun aber so, dass der Mann zuerst erschaffen wurde ….“.
Zur gleichen Zeit wollte die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) unter dem Titel „Gottes starke Töchter“ eine Vortragsreihe in verschiedenen deutschen Diözesen starten. Doch in drei von vier Diözesen wurde dies von den Bischöfen mit der Begründung verboten, dass das Kirchenvolk nicht gegen die Bischöfe und den Papst aufgewiegelt werden sollten. Die „kdf“ musste klein beigeben (warum wohl?).
Inzwischen ist viel Zeit vergangen und natürlich alles anders. Wir in Böfingen haben nichts zu befürchten. Und wir wollen natürlich niemanden aufwiegeln. Wir wollen vielmehr eine "Entdeckungsreise" durch die biblische (Frauen-) Geschichte und Frauen in der Kirchengeschichte und der Gegenwart starten. In lockerer Abfolge werden biblische und aktuelle Themen angeboten, die für Frauen (und noch mehr für Männer?) besonders interessant sind, weil sie das Bild der Frau in der christlichen Tradition entscheidend prägten, Erfahrungen widerspiegeln, die Frauen auch heute noch machen und helfen können, den eigenen Glauben und Alltag zu reflektieren. Es geht auch um die Auslegungs- und Wirkungsgeschichte biblischer Texte. So kann am Beispiel der Maria von Magdala gezeigt werden, welchen Einfluss die Auslegungsgeschichte auf das christliche Frauenbild dadurch hatte, dass diese Maria durch die Jahrhunderte fälschlicherweise gleichgesetzt wurde mit der Sünderin im Lukasevangelium.
Ein Themenschwerpunkt ist ferner die Berücksichtigung der Sozialgeschichte der Frauen: Wie lebten die Menschen damals? Was prägte die Kultur, die Gesellschaft, die Religion? Was bedeutet das für die Lebenssituation von Frauen? Mit Beginn des neuen Kirchenjahres startet die Entdeckungsreise. In einem in Jungingen gestalteten Adventskalender werden bereits die „starken Töchter“ Sarah, Hildegard von Bingen, Edith Stein und Maria vorgestellt. Für den Advent wird Judith (AT) im Mittelpunkt stehen. In der Fastenzeit wollen wir mit Hilfe eines Hungertuches von Misereor die starken Frauen in den armen Ländern vorstellen, beispielhaft Rigoberta Menchú (Indígena aus Guatemala), die 1992 den Friedensnobelpreis erhielt. In der nachösterlichen Zeit steht Maria von Magdala im Mittelpunkt, nach dem Johannesevangelium die erste Verkünderin der Frohen Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi.
Es gab und gibt auch starke Frauen in Ulm. Das werden wir dann am Beispiel der Beginen sehen können, die auch in Ulm eindrucksvolle Zeugnisse eines engagierten Christentums vorgelebt haben. Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist auch seine Geschichte mit den Frauen. Die Bibel ist voll von ihnen, auch wenn sie über viele Jahrhunderte namenlos blieben oder totgeschwiegen wurden.
Die biblische Tradition berichtet von vielen faszinierenden Frauen wie z.B. Sara, Rut, Ester, Maria (Mutter Jesu) und Maria von Magdala. Deren Bild wurde jedoch zumeist durch eine patriarchalische Rezeption und Exegese nur unzureichend und verkürzt überliefert. Biblische Frauen wurden vielfach als Randfiguren gesehen und in der Regel nur im Zusammenhang mit entsprechenden Männern behandelt. Eine gründliche Aufarbeitung des Bildes biblischer Frauen ist daher notwendig. Dabei soll deutlich werden, dass Frauen der Bibel keine Randgestalten sind, sie spielen innerhalb der jüdisch-christlichen Überlieferung eine zentrale Rolle - und das, obwohl die gesellschaftlichen Rahmenbedingen der damaligen Zeit (und danach bis ins 20. Jh.) der Frau nur eine sehr beschränkte Rolle zugestanden. In biblischer Zeit war die Aufgabe der Frauen, sich um Haus (-halt) und Familie zu kümmern. Sie waren rechtlich und sozial vollkommen abhängig von den Männern. Für eine Frau war es entscheidend, möglichst viele Kinder zu gebären. Wenn sie keine Kinder bekam, konnte ihr Mann sie verstoßen. Eine Ehescheidung konnte nur der Mann vollziehen, nicht aber die Frau. Ebenso durfte ein Mann mehrere Ehefrauen haben, eine Frau jedoch nur einen Mann; sie gehörte zur Familie ihres Mannes. Nur ganz wenige Frauen übten einen Beruf aus wie z.B. die Hebammen (Exodus 1,15-21).
Zur Zeit Jesu konnten Frauen Besitz erwerben und Geschäfte machen, aber vor Gericht brauchten sie einen Vormund. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass in der Bibel Frauen als starke, selbstständige Persönlichkeiten geschildert werden. Jesus nahm Frauen als ebenbürtige Partnerinnen in den Kreis seiner Anhänger auf. Oft waren es Frauen, die von der Gesellschaft geächtet wurden, deren er sich annahm (Lukas 7,37-50; Johannes 8,3-11). Einige Frauen zogen genauso wie die Jünger mit Jesus durch Palästina und trugen mit ihrem Vermögen zum Unterhalt der Gruppe bei (Lukas 8,1-3). Im Gegensatz zu den Jüngern, die geflohen waren, blieben sie bis zu seinem Tod am Kreuz bei Jesus (Markus 15,40-41).
Und schließlich waren es Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, die zuerst die Botschaft von der Auferstehung erfuhren und weitersagten (Matthäus 28,1-8). In den ersten Gemeinden hatten Frauen wichtige Ämter inne. Die Grußliste des Paulus in Römer 16,1-16 z.B. nennt zahlreiche Frauen und ihre Tätigkeiten. Es gab auch Gemeindeleiterinnen. Dabei gab es keinen hierarchischen Unterschied zwischen dienenden und leitenden Aufgaben: Leitung bedeutete ein Amt unter anderen. Wegweisend für einen neuen Umgang miteinander ist Galater 3,26-28: Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen können keine Rangordnung und erst recht keine Werteordnung begründen.
Denkt man an die Zeiten zurück, als den Frauen in den Kirchenräumen noch spezielle Plätze zugeordnet waren, als Frauen nach der Geburt eines Kindes unrein waren, als der Gesang von Klosterfrauen in einer Kirche oder Kapelle von einem für das Volk nicht einsehbaren Platz zu erfolgen hatte, als Ministrantinnen verboten waren und vieles andere mehr - dann bleibt wohl nichts anderes übrig, als festzustellen: In solchen Zeiten mussten sich die Frauen wie ungeliebte Kinder Gottes fühlen, ob sie so gesehen wurden oder nicht. Und wie steht es mit diesem Gefühl heute? Schließlich hat sich in der katholischen Kirche inzwischen einiges zugunsten der Frauen gewandelt. (?) So gibt es in den Kirchenräumen keine weiblichen Aufenthaltsverbote mehr, der Geburtsvorgang wird nicht mehr mit der Frage nach der (Un-) Reinheit verbunden, Frauen sind ganz selbstverständlich in der Seelsorge tätig, Ministrantinnen gehören zum Normalbild eines Gottesdienstes usw. Trotzdem fühlen sich offensichtlich immer noch viele Frauen in der Kirche wie ungeliebte Kinder Gottes.
Im Rahmen des Jahresthemas wollen wir uns nicht nur mit biblischen Frauen beschäftigen, sondern auch mit Frauen, die im Laufe der Geschichte - trotzt widrigster Bedingungen - herausragende Zeugnisse eines praktizierten Glaubens gelebt haben. Und nicht zuletzt soll ein Blick in die Gegenwart uns zeigen, dass es Frauen sind, die die eigentliche Stütze der Kirche Jesu Christi sind. Und es sind Frauen z.B. in der so genannten Dritten Welt, die mit aller Kraft für das Überleben ihrer Kinder kämpfen, die gegen Ungerechtigkeiten und Gewalt aufstehen, während die Männer sich oft davon machen oder gar die Ursache der meisten Probleme sind. Doch es soll nicht darum gehen, die Frauen gegen die Männer auszuspielen oder gar den Spieß herumzudrehen. Wir sind nur gemeinsam – Mann und Frau – und jeder mit seinen jeweiligen Stärken und Schwächen, das Volk Gottes. Denn Gott erschuf den Menschen als sein Ebenbild, als Mann und als Frau erschuf er ihn….!
Dr. Willi Knecht, Pastoralausschuss der Gemeinde "zum Guten Hirten", Ulm-Böfingen