Fragebogen für ehemalige Mitarbeiterinnen - Auswertung (1999)
Vorbemerkung: Von zwanzig deutschen Entwicklungshelfern (EH), die in den Jahren 1963 - 1990 in Cajamarca gearbeitet haben, konnten noch achtzehn ausfindig gemacht und angeschrieben werden. Fünfzehn beantworteten die Fragebögen. Von denen, die nicht den Fragebogen beantwortet haben, konnte ich telefonisch ihre Gründe erfahren. Für sie ist die Arbeit in Peru zwar übereinstimmend eine wichtige Etappe in ihrem Leben gewesen, doch nun sei dies abgeschlossen. Alle haben noch Kontakte zu „Ehemaligen“. Zwei betonten noch ausdrücklich, dass sie über die heutige Situation in Cajamarca informiert sind und dass nun gerade in schwerer Zeit sich erweisen müsse, ob ihre Arbeit Wurzel geschlagen habe oder nicht. Die Menschen in Cajamarca müssten nun selbst damit fertig werden.
Es wurden nur kirchliche Mitarbeiter angeschrieben, will heißen: alle EH, die von Bischof Dammert bzw. kirchlichen Stellen aus Cajamarca angefordert wurden und dann im Rahmen der pastoralen Gesamtkonzeption der Diözese eingesetzt wurden. In Deutschland wurden sie von kirchlichen Stellen (meist AGEH und Caritas International) inhaltlich vorbereitet und organisatorisch betreut.
Die Zusammenarbeit mit anderen deutschen Entwicklungshilfeorganisationen war minimal, am ehesten noch in Bambamarca Ende der sechziger Jahre. Ein ehemaliger DED - EH arbeitete bewusst mit der Diözese zusammen und hat heute noch Kontakte zu Bischof Dammert und kirchlichen EH. Vier EH waren in einem Zweit- bzw. Mehreinsatz in Cajamarca. Die meisten EH waren in Bambamarca. Insgesamt waren in Bambamarca zwischen 1963 (erste EH überhaupt) bis 1980 zehn EH, sechs davon waren Frauen, dazu ein Ehepaar und zwei (männliche) Theologen. Drei waren in San Marcos/Ichocán (bis 1990), die übrigen waren in Cajamarca (mit Umgebung). Begleitend zum Fragebogen teilten mir vier EH mit, dass die Beantwortung der Fragen für sie sehr anstrengend, sogar belastend, aber letztlich befreiend gewesen sei. Auch sei die Erinnerung vor allem an die sechziger Jahre nur noch blass vorhanden. Herauszuheben ist, dass alle, die in den sechziger Jahren in Bambamarca tätig waren (sechs Frauen), an der Befragung teilgenommen haben.
1. Äußere Daten
- Alter, Geschlecht, Zeit der Ausreise, Beruf (vor Ausreise - nach Rückkehr), Organisation, Vertragsart und Finanzierung, Ausreise allein - als Familie (Paar)? In welchem Projekt?
Zusammenfassung: Neun Frauen und sechs Männer; drei Ehepaare (einmal mit zwei Kindern; zweimal die Ehefrau als „Mitausreisende“ ohne Vertrag; einmal beide Ehepartner mit Vertrag); zwei EH lernten sich im Einsatz kennen und heirateten. Durchschnittsalter bei der Ausreise: knapp unter dreißig Jahre. Die meisten EH waren in den sechziger Jahren im Einsatz, nur drei in der Zeit zwischen 1975 und 1990. Neben der mehrheitlich kirchlichen Finanzierung (Adveniat, Misereor, Diözesen und Pfarreien) wurden auf Antrag von Caritas fünf EH vom BMZ finanziert (1964 - 1973). Alle wurden auf ihren Einsatz vorbereitet und organisatorisch betreut, zuerst von Caritas (bis 1970), danach AGEH.
Die Berufe der EH: Gesundheit (4); (Sozial- Heil-) Pädagogik (5); Theologen (2); Sozialarbeit (4); Nach ihrer Rückkehr orientierten sich zehn EH beruflich um. Ihre Erfahrungen in Peru motivierten sie zu einer Zusatzausbildung, Umschulung oder generellen Weiterbildung. Sie wollten - (noch) mehr als vor ihrer Ausreise - in ihrem Beruf und Arbeit mit den sozial Schwächeren zusammenarbeiten und auch im gesellschaftlichen Bereich mehr Verantwortung übernehmen. Ein EH lebt heute als Nonne in einem Kloster, ein Ehepaar lebt und arbeitet in der „Integrierten Gemeinde“. Aber kein EH arbeitet mehr - im Gegensatz zu vorher - hauptberuflich in der Kirche (obwohl vier dies gerne tun würden).
2. Motive, Erwartungen:
- Wer, was hat mich bewegt, auszureisen? Welche Rolle spielte dabei der Glaube (Christentum)?
- War ich vorher in einer Solidaritätsbewegung engagiert, und nachher?
Zusammenfassung: Vier EH geben an, aus explizit religiös - kirchlichen Beweggründen nach Peru ausgereist zu sein (Beispiel von Bischof Dammert und Abbé Pierre, Theologie der Befreiung, Basisgemeinden). Bei weiteren fünf spielt der Glaube eine wichtige Rolle. Als Motive aus dem Glauben werden genannt: Glaube als Befreiung, weltweite Verantwortung der Christen, eine andere Art christlicher Gemeinschaft und Solidarität erfahren. Bei den übrigen spielten soziale Gründe (z.B. die Frage nach Gerechtigkeit) und der Wunsch, die Situation in armen, fremden Ländern hautnah kennen zu lernen, die Hauptrolle. Weitere Gründe: Abenteuerlust, Suche nach eigener Identität, Neugier, Ärgernisse an Gesellschaft und Kirche, etwas für die Kirche und die Armen tun. Neun EH waren vorher in der Kirche engagiert (Jugendarbeit, Familienkreis, Friedensgruppen, AK Dritte Welt). Bei drei EH spielten politische Gründe eine ausschlaggebende Rolle bzw. sie haben ihren Einsatz auch sehr politisch verstanden.
Diese drei sind auch nach ihrer Rückkehr bis heute politisch am aktivsten (politisch: Solidaritätsarbeit). Bei allen anderen spielten politische und allgemein gesellschaftliche Gründe (fast) keine Rolle. Die Bedeutung dieser Fragen wurde von allen erst vor Ort entdeckt. „Bewusstsein für die politischen Zusammenhänge war bei mir anfangs kaum vorhanden“. Solidaritätsbewegung gab es zu jener Zeit kaum (vor 1975). Niemand war vor der Ausreise in einer „klassischen“ Solidaritätsbewegung aktiv, nach der Rückkehr sind fünf in einer konkreten Solidaritätsgruppe aktiv geworden
- Warum gerade Cajamarca (war dies Zufall oder Wunsch)?
- Was erwartete ich konkret von meinem Einsatz in einem Land der „Dritten Welt“?
- Wollte ich was bewegen und/oder verändern und was? Rechnete ich mit einer Veränderung bei mir selbst? Wie politisch war mein Einsatz?
Zusammenfassung: Sechs EH wollten gezielt nach Cajamarca, einmal „selbst ausgewählt wegen Pastoral der Befreiung in Bambamarca“, viermal wegen Kontakt zu Bischof Dammert und zweimal mit Alois Eichenlaub, ansonsten war es reiner Zufall. Die vier EH (davon zwei, die schon das erste Mal bewusst nach Cajamarca wollten) mit Zweit- und Mehreinsatz kehrten bei neuerlichen Ausreise natürlich bewusst nach Cajamarca zurück. Alle rechneten damit, dass sie etwas lernen würden (einschließlich persönlicher Bereicherung) und die meisten waren auch offen für eine persönliche Änderung, sechs erhofften gar eine Veränderung der eigenen Persönlichkeit. „Erwartete einen politischen und sozialen Lernprozess, Vertiefung des christlichen Engagements und des Glaubens, hoffte insofern auf eine Veränderung bei mir“.
Als politisch sahen drei EH ihren Einsatz. „Ich war politisch hoch motiviert, Aufgabe als politische Herausforderung gesehen“. Aber selbst die drei politisch Motivierten wollten nicht zu erst viel bewegen oder gar verändern (revolutionieren), sondern eher lernen („um zu lernen und Fragen zu stellen“). Die Erwartungen, viel bewegen zu können, waren nicht vorhanden, eher das Gefühl, helfen zu können, Neues zu erfahren, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu tun. Nur einmal wird eher nebenbei erwähnt, dass man auch beruflich etwas Neues dazu lernen wollte.
- Welchen Kontakt hatte ich vorher mit Menschen aus „Entwicklungsländern“?
- In welchem Maße war ich mit der Entwicklungsproblematik bereits vertraut?
Zusammenfassung: Kontakt mit Menschen aus der Dritten Welt hatten vor ihrer Ausreise nur drei EH, bewusste Arbeit mit ihnen (Asyl, Flüchtlinge o.ä.) aber niemand. Vier EH geben an, vor der Ausreise mit der Entwicklungsproblematik vertraut gewesen zu sein. „Ich war seit Jahren stark mit der EH - Problematik beschäftigt (theoretisch), sehr viel Lektüre etc. Sehr kritisch gegen EH - Hilfe, gegen reiche Länder. Starke Beschäftigung mit der Kolonialgeschichte LA, mit Kultur, Wirtschaft, Befreiungsbewegungen und Literatur“. Einmal: „war durch eine Gemeindepartnerschaft mit Argentinien mit der Entwicklungsproblematik vertraut“. Oder: „Vertraut mit der Entwicklungspolitik waren wir im Rahmen der studentischen Revolte - Vietnam - Antiimperialismus, aber nicht in vorderer Linie dabei. Eher lernend in kirchlichen Erwachsenenbildungskursen - aber das war sehr schlecht, meist traditionelle Mission oder gegen den Kommunismus. Ich erinnere mich an eine Diaserie von Adveniat ‚Rote Gefahr aus China‘ und so“.
3. Vorbereitung:
- Wo (welche Organisation) und wie erlebte ich die Vorbereitung? Hat sie mir geholfen, bzw. was fehlte in der Vorbereitung? Wie habe ich mich darüber hinaus vorbereitet?
- Fühlte ich mich ausreichend vorbereitet (auf das Land, die Menschen, die Kultur, die Aufgabe) oder fühlte ich mich eher allein gelassen?
- Wie reagierten die Familie, die Freunde auf meinen Entschluss?
- Welche Kontakte gab es vor der Ausreise mit den Partnern in Cajamarca?
Zusammenfassung Vorbereitung: Die Vorbereitung in der AGEH bzw. in Freiburg (Caritas) wird allgemein als gutwillig und nett, aber als wenig hilfreich für das konkrete Projekt angesehen. Typische Aussagen: „Von der Vorbereitung in der AGEH sind mir geblieben die Wichtigkeit der Ehrfurcht vor der anderen Kultur. Es fehlte die Problematik des richtigen Helfens und die der finanziellen Hilfe“. „Eine Serie von guten Vorträgen, jedoch keine solide Einführung in die Gesamtproblematik oder in Leben und Projekt in Peru“. Drei EH (die „politischen“) kritisieren grundsätzlich diese Art der Vorbereitung: „Keine Hilfe (zu ideologisch, an westlichem - wirtschaftlichem Interesse ausgerichtet)“. „Wollte beim Ankommen schon wieder weg - so was Betütteliches.Die Leiterin war sehr autoritär, zum Teil mit persönlichen Gespräch, warum man nicht in der Morgenmesse war“.
Aber selbst diese drei EH sehen heute die Zeit der Vorbereitung nicht als verlorene Zeit an. Wenn sie inhaltlich auch nicht viel gebracht hat, so war dies doch eine Zeit der „Einstimmung“ („gute Einstimmung in das Neue, Zeit zum Sammeln“). Man knüpfte auch interessante Kontakte und hatte Zeit, sich mit Fragen zu beschäftigen, für die man vorher keine Zeit fand und die zudem im Zusammenhang mit der folgenden Aufgabe standen. Nicht zu vergessen ist, dass für knapp die Hälfte der EH die Vorbereitung der erste Kontakt mit der Beschäftigung fremder Kulturen und der Entwicklungsproblematik war. Dass dabei nicht auf die einzelnen Länder oder gar Projekte eingegangen werden konnte wird zwar bedauert, aber rückblickend als verständlich angesehen. „Das Zusammenwohnen und -lernen mit Personen aus verschiedenen Berufen halte ich für eine gute Vorbereitung auf die Situation im Ausland“.
Die Sprachvorbereitung, außer dass sie notgedrungen nicht ausreichten konnte, wurde nicht als Problem erwähnt, allerdings auch nicht als etwas besonders bemerkenswertes. Zwei EH brauchten keine Sprachvorbereitung mehr. Darüber hinaus geben fünf EH an, dass sie sich intensiv von sich aus mit allen möglichen Fragen beschäftigt haben um sich möglichst optimal vorzubereiten. Dazu gehört auch die selbständige Kontaktaufnahme zu den EH oder z.B. zu Bischof Dammert oder Alois Eichenlaub.
Dreimal wird eigens Adveniat erwähnt, obwohl nicht danach gefragt war. Bei der Finanzierung durch Adveniat gab es eher Schwierigkeiten. So konnte man bei Adveniat in zwei Fällen nicht verstehen, dass verheiratete Männer von Bischof Dammert als Katecheten angefordert wurden (1965, 1968) und lehnte erst einmal ab. Einmal ging es auch um kirchliche Rechtgläubigkeit: ‚Warum gehen Sie denn nach Cajamarca? Da sitzen doch Kommunisten‘! Man bot mir statt dessen einen Posten als Referentin von Adveniat an. Ich sagte jedoch, dass ich mir meine LA - Erfahrung so nicht vorgestellt hätte. Später fragte man bei mir an, ob ich Haushälterin bei einem deutschen Bischof in Mittelamerika werden wollte“. Was eine Arbeit bei einem Bischof angeht, so machte auch eine andere EH, diesmal in Freiburg, eine ähnliche Erfahrung: „Während der Vorbereitungszeit in Freiburg wurden uns auch blöde Projekte vorgeschlagen, z.B. Haushalt und Pastoralarbeit bei einem Bischof“.
Familie und Freunde reagierten sehr unterschiedlich auf den Entschluss zur Ausreise. Man kann feststellen, dass die Familie überwiegend negativ, die Freunde mehrheitlich positiv reagierten. „Freunde reagierten auf den Entschluss positiv, die (sehr christliche) Familie überwiegend sehr negativ (mit Unverständnis und je frömmer desto negativer)“. „Meine Familie reagierte eher mit Entsetzen und Abneigung, kein Verständnis, vor allem da wir damals ja nur 100 DM monatliches Taschengeld bekamen. Das konnte meine Mutter gar nicht verstehen, dass ich für so wenig Geld hinausging“.
Bei den Freunden verhielt es sich umgekehrt: bei kirchlich Engagierten wurde der Entschluss sehr begrüßt, der Kirche Fernstehende zeigten eher Unverständnis, weil dieser Schritt der Karriere schaden würde. „Meine Eltern reagierten eher negativ auf meinen Entschluss, wollten mich nicht loslassen, außerdem: ‚Wahnsinn, eine so tolle Stelle aufzugeben‘. Freunde reagierten sehr unterschiedlich, teils unterstützend (z.B. kirchlich Engagierte), teils ablehnend (‚du bist ja verrückt‘). Fünf EH trafen Bischof Dammert bereits vor der Ausreise in Deutschland und konnten mit ihm über das Projekt sprechen. Vereinzelt gab es auch Kontakte zu Alois Eichenlaub und zu schon aus Cajamarca zurückgekehrten EH. Ansonsten gab es vor der Ausreise keine Kontakte mit den zukünftigen Partnern in Cajamarca.
4. Projekteinsatz (Beginn - Abschluss)
- Wie und von wem wurde ich am Einsatzort empfangen, aufgenommen und untergebracht?
- Waren die Partner auf mein Kommen und meine Mitarbeit eingestellt bzw. vorbereitet?
Zusammenfassung: Über den Empfang gibt es mit einer Ausnahme („wurde von niemanden empfangen, musste mich selbst zurechtfinden“) keine Klagen. „Vom Projektleiter wurde ich in Cajamarca empfangen, untergebracht und eingeführt“. Die ersten Mitarbeiterinnen in Bambamarca wurden noch am aufwendigsten empfangen, entweder von den Verantwortlichen oder Mitarbeitern der AGEH bereits in Lima. Dagegen war die Frage der Unterkunft in den meisten Fällen nicht eindeutig geklärt. Es hatte sich auch nie jemand auf peruanischer Seite die Mühe gemacht, zu überlegen, was ein Ausländer wohl für Bedürfnisse (im Bezug auf Wohnen, Küche, etc.) haben könnte.
Diese Überlegung wurde aber auch von keinem EH eingefordert bzw. kein EH hatte erwartet, dass die Peruaner wegen ihm große Umstände machen würden. Im Laufe ihrer jeweiligen Tätigkeit haben sich alle EH arrangiert, die meisten haben ihre Unterkunft verbessert um gegen Ende ihrer Tätigkeit in einigen Fällen (fünfmal) sogar Skrupel ob ihrer schönen Wohnung (im Vergleich zu den peruanischen Mitarbeitern) zu bekommen.
Die Partner waren darauf eingestellt, dass jemand kommt. Sie wussten aber in der Regel wenig bis nichts über die zukünftige Rolle, Status und Tätigkeit des neuen Mitarbeiters. Selten gab es gleich zu Beginn eine klare Rollenverteilung wie in einem Fall: „In Ichocán erwartete man mich schon ungeduldig, da Mitarbeiter fehlten, weil andere Pastoralreferenten aus persönlichen Gründen die Zone verlassen hatten“. Die Partner waren öfters eher verunsichert über den neuen Mitarbeiter. „Die Leute vom IER waren am Anfang sehr formal, vorsichtig ... Es hing auch mit Erfahrungen mit früheren Deutschen zusammen, die zum Teil sehr stark auf Versöhnung zwischen Großgrundbesitzern und unterdrückten Campesinos setzten (biblisch motiviert) und die politische Dimension nicht sahen“.
- Wie und von wem wurde ich in die Arbeit eingeführt?
- Wie reagierten die „Objekte“ des Einsatzes (z.B. Campesinos) auf das neue Gesicht?
Zusammenfassung: Fünfmal werden bei der Antwort auf die Frage nach der Einführung konkrete Namen genannt (zweimal Bischof Dammert, zweimal Elsbeth Neumann, einmal Alois Eichenlaub). Sonst wird eher unverbindlich das betreffende Team erwähnt. Viermal wird explizit gesagt, dass es keine Einführung gab. Eine umfangreichere Einführung in die jeweilige Arbeit lag nicht im Blickfeld der vor Ort schon Tätigen (es gab wichtigere Dinge zu tun). Da es auch keine sehr stabilen Strukturen gab (was aber von den meisten EH nach einer Eingewöhnungszeit als ein großer Vorteil angesehen wurde), wurde die Einführung und Eingewöhnung eher dem Zufall überlassen. Dies führte auch dazu, dass fast alle EH ausreichend Zeit zur Verfügung hatten und ihren eigenen Rhythmus finden konnten bzw. mussten. „In unserem Laienteam von vier Personen konnte ich zunächst hauptsächlich beobachtend anwesend sein, um dann nach und nach selbst Verantwortung zu übernehmen. Besonders aufschlussreich waren die Besuche in den Caserios“.
Das führte nur bei den EH zu Stress (dreimal erwähnt), die in relativ kurzer Zeit möglichst viel erreichen wollten. Für die Campesinos oder andere „Objekte“ des Einsatzes war der neue Mitarbeiter nie ein Problem (so gesehen aus der Sicht des EH). „Für die Campesinos waren Entwicklungshelfer nichts Neues - ich wurde von ihnen freundlich bzw. herzlich aufgenommen“. „Die Campesinos reagierten im allgemeinen mit Freude, Entgegenkommen und viel Verständnis für meine anfänglichen Sprach- und Verständnisschwierigkeiten“. „Campesinos reagierten freundlich, da sie schon an viele ausländische Mitarbeiter gewohnt waren.
Deren gute Vorarbeit erleichterte den Kontakt, es war ein „System bedingtes“ Vertrauen, da ich ja vom Bischof geschickt wurde“. Gerade bei den EH, die sehr viel direkt mit den Campesinos zu tun hatten, wird übereinstimmend deren große Toleranz, Freundlichkeit etc. genannt. Ebenso war gerade für diese EH wichtig zu betonen, dass ihnen wegen der engagierten Arbeit der Kirche (Dammert, oder in Bambamarca Padre Bartolini) der Zugang zu den Campesinos erleichtert oder gar erst ermöglicht wurde. Es gab ihnen gegenüber ein großer, nicht selbst „verdienter“ Vertrauensvorschuss. Dies drückt eine Eh so aus: „Oft habe ich mich gefragt: Wie schaffen es diese Menschen, bei jeder neuen Person die Fehler zu ertragen und neue Hoffnung zu schöpfen? So viele Personen haben sie doch schon verlassen!“
- War der Arbeitsbereich zu Beginn eindeutig geklärt?
- Hat sich der Arbeitsbereich, die Aufgabenstellung im Laufe des Einsatzes verändert, warum?
Zusammenfassung: Genauso wenig wie bei der Unterkunft war auch der Einsatzbereich meist nicht eindeutig geklärt, am eindeutigsten noch bei den sechs Frauen in Bambamarca. Aber selbst dort gab es große Freiräume. Sonst war einige Male noch nicht einmal im geographischen Sinne der Einsatzbereich (Ort) klar. Am freiesten war man in San Marcos. Viermal musste der Arbeitsbereich durch „höhere Gewalt“ geändert werden, zweimal wegen Katastrophenhilfe beim Erbeben von 1970 in Peru und zweimal wegen vorzeitigem Ende der Finanzierung.
Bei allen Mehrfacheinsätzen war der zweite Einsatz anders als der erste. Alle EH hatten eine große Freiheit, ihren Arbeitsbereich nach ihren eigenen Fähigkeiten zu gestalten. „Mein Arbeitsbereich hat sich im Laufe der Jahre mehrmals geändert“. „Den Arbeitsbereich konnte ich selbst abstecken, aus - eingrenzen oder ändern, wie ich wollte“. „Arbeitsbereich war völlig offen, keine konkrete Aufgabe - einfach da sein und mit sein. Arbeit passte sich den Notwendigkeiten der Campesinos an.
Sie waren der Maßstab für die eigene Arbeit. Arbeitsbereich umfasste alles und nichts“. „Ich hatte die Möglichkeit, meinen Arbeitsbereich gemäß meiner persönlichen Schwerpunkte zu gestalten und zu verändern“. Nur einmal wird in aller Deutlichkeit etwas anderes gesagt, natürlich aus den Anfangsjahren in Bambamarca: „Der Arbeitsbereich für mich war von Anfang an eindeutig geklärt. Ich war während der drei Jahre zuständig für die Kursarbeit mit den Landmädchen schwerpunktmäßig“.
Auffällig ist, dass Bischof Dammert bei all diesen Aussagen nicht erwähnt wird, das bedeutet, dass er seine Mitarbeiter frei gewähren ließ. Was nicht gefragt wurde, aber bei Gesprächen mit den EH immer wieder genannt wurde, ist der Umstand, dass es auch keine feste Arbeitsregeln gab, keine festen Urlaubszeiten, Freizeiten etc. Jeder konnte auch jederzeit dorthin verreisen, wohin er wollte - mit einer kleiner Einschränkung wiederum bei den Frauen in den Anfangsjahren Bambamarcas. Dies wiederum hing mit dem damals noch engeren Kontakt (Aufsicht) mit der Aussendestelle in Deutschland (Caritas in Freiburg) zusammen.
- War nach Ablauf der Vertragszeit meine Aufgabe erfüllt? Konnte ich „ruhigen Gewissens“ meine Arbeit weitergeben?
- Wäre ich gerne noch geblieben, warum bzw. warum nicht?
Zusammenfassung: Nur zwei EH sahen bei ihrer Rückkehr ihre Aufgabe eindeutig als erfüllt an und sie konnten so ihre Aufgabe ruhigen Gewissens weitergeben. Allerdings kehrte die Mehrheit der EH gerne oder zumindest wie vorgesehen nach Ablauf der vertraglich festgelegten Zeit zurück. Bei ihnen überwiegt die Einsicht, dass eine so geartete Arbeit nie ganz „fertig“ und abgeschlossen sein kann. Bei allen ist zumindest zu spüren (nicht immer explizit), dass sie ihre Arbeit als sinnvoll und wertvoll angesehen haben, sowohl für andere als auch für sich selbst.
„Ich konnte die Arbeit ruhigen Gewissens dort weitergeben, weil viele neue Verantwortliche gefunden und alle in ihrem Selbstbewusstsein und in ihrem Können gewachsen waren, vor allem auch in der Kraft ihrer Organisation und in ihrer Fähigkeit, sich nicht unterkriegen zu lassen“. Aufgrund der in Cajamarca spezifischen Arbeit (z.B. niemand arbeitete an einem rein technischen Projekt, nach dessen Vollendung dann auch die Arbeit des EH endgültig beendet gewesen wäre) ist allen EH klar geworden, dass noch viel zu tun gewesen wäre. „Die Aufgaben waren nicht erfüllt - weil es kein festes Projekt war. Unterstützung von Organisationen, Bildungsarbeit usw. ist ein dauernder Prozess“.
„Im Prinzip ist eine solche Aufgabe natürlich nie erfüllt, sondern eine ständige Aufgabe und Herausforderung“. Übereinstimmende Meinung ist, auch bei denen, die noch gerne geblieben wären, dass „durch die intensive Arbeit von vielen Entwicklungshelfern und peruanischen Fachkräften einschließlich der Padres sicher ein stetiger kleiner Fortschritt in der Arbeit mit den Campesinos in der Region zu bemerken war. Vor allem war wohl eine Bewusstseinsmachung der eigenen Situation und Problematik entstanden“.
Fünf EH wären noch gerne geblieben, in diesen Fällen handelte es sich um eine „erzwungene“ Rückkehr. Zweimal wurde das Projekt nicht weitergeführt, zweimal waren „nervliche Belastungen“ die Ursache, einmal Sendero (Terror). Dreimal (bei den fünf genannten Fällen) war der Bischof der Meinung, dass es für den EH (und die Menschen vor Ort) besser wäre, zurückzukehren statt weiterzuarbeiten. Die „Personalpolitik“ des Bischofs wird einmal generell in Frage gestellt. „Die Campesinos wurden nicht gefragt, waren, was das Erdulden von Personal betraf, stets Objekte.
Es gab keine kontinuierliche Personalpolitik“. „Ich sah viele weitere und dringliche Aufgaben und war sehr besorgt darüber, dass ich sie weder persönlich weiterverfolgen konnte noch eine dass sich dafür eine Nachfolgerin fand. Sie wäre gerne geblieben. Bei denen, die gerne noch geblieben wären, wird dreimal die Befürchtung geäußert, dass die einheimischen Nachfolger nicht im gleichen Sinne und vor allem nicht mit dem nötigen Respekt für die Campesinos arbeiten werden.„Der nachfolgende peruanische Mitarbeiter war eher Patron als Compañero und behinderte die Emanzipation, die man eigentlich dadurch erhoffte, dass die Ausländer nun weg sind“.
Aber auch bei denen, die einvernehmlich mit den Projektträgern zurückkehrten bzw. ihre Arbeit übergaben, werden viermal Zweifel geäußert, ob die peruanischen Nachfolger mit dem gleichen Engagement die Arbeit weiterführen werden. „Ich hatte keinen Einfluss auf die Auswahl der peruanischen Facharbeiter, auch konnte ich weder über die bisherige Arbeit informieren noch weitere Pläne mit diesen neuen Helfern besprechen. Die neuen Fachkräfte kamen aus Cajamarca und Lima, es waren zu viele und allzu sehr theorisierende Profesionales. Das neue Team glich einem aufgeschwollenen Wasserkopf“.
- Welche Schwierigkeiten gab es nach der Rückkehr (beruflich, mental, emotional)?
Zusammenfassung: Bis auf ein Ehepaar sprechen alle EH von Schwierigkeiten nach der Rückkehr. Nur einmal sind es berufliche Schwierigkeiten, d.h. es war nicht möglich, im vorherigen Beruf wieder Arbeit zu finden. „Beruflich zeigte sich, dass, während ich mich in Peru immer globaler entwickelt hatte, in Deutschland der Trend zu immer mehr Spezialisierung gegangen war“. Alle anderen konnten wieder beruflich Fuß fassen, dies aber häufig nicht wegen, sondern trotz ihres Einsatzes als EH. „EH gelten als Vagabundierer und kritische Leute; selbst bei Institutionen, die vorgeben, Ihre Erfahrungen seien so wichtig, nimmt man lieber andere Personen. Zunächst bringt der Aufenthalt im Ausland eher Nachteile“.
Schwerwiegender sind bei fast allen die mentalen Schwierigkeiten. „Ich fühlte mich aber lange Zeit fremd in Deutschland und nicht mehr zugehörig zur Gesellschaft. Es dauerte etwa drei Jahre, bis ich mich in Deutschland wieder wohl fühlte“. „Mental hatte ich jahrelange Eingliederungsprobleme - nicht vom äußeren Leben, aber von der Wertsendung, den Sinnfragen zum Leben, zur Arbeit, Gesellschaft...“
Von den fünf EH die nicht freiwillig zurückkehrten, konnte nur ein EH dies schnell abhaken, die anderen sehnten sich nach Peru zurück und konnten hier nur nach langer Zeit und unter großen Vorbehalten „heimisch“ werden. „Ich stand doch viele Jahre lang immer mit einem Bein in Deutschland, mit dem anderen in Peru. Immer wieder überlegte ich, ob ich nicht doch zurückgehen sollte. Ich sah so viele Möglichkeiten zur Solidarität und so viele Informationen strömten auf mich ein, dass mir der Kopf schwirrte. Ich sehnte mich zurück nach dem überschaubaren Dorf, wo eine Arbeit an der Seite der Armen viel leichter erschien“. „Die Wiedereingliederung war sehr viel schwerer als das Einleben in die fremde Kultur“.
Zweimal wird noch ein grundsätzliches Problem angesprochen, das auch bei den meisten anderen zumindest durchscheint: „Äußerlich gab es wenig Eingliederungsprobleme, da neue Herausforderungen mit Familie und Beruf warteten. Grundsätzlich aber doch. Wer sich in Solidaritätsarbeit engagiert, erst recht in Kirche, ist ein systembedingter Außenseiter, Unruhestifter etc. Selbst christliche Grundaussagen sind in dieser Gesellschaft (inklusive Kirche) kaum ernsthaft, höchstens folkloristisch, zu vermitteln. Aber dies war mir schon vor der Ausreise bewusst. Rückkehr und entsprechendes Engagement als Rückseite der einen Medaille:
Wenn die Unterdrückung weltweit, der Zusammenhang zwischen Reichtum und wachsender Verelendung global ist, dann ist es egal, ob man in Peru oder Deutschland die letztlich gleichen Strukturen anklagt. Das Ziel ist das gleiche, nur der Ausgangspunkt ist verschieden und damit auch die Vorgehensweise“. „Ich wusste auch, dass mein Platz nun hier ist, vor allem, weil insbesondere auch das Verhalten der Menschen hier Armut, Ungerechtigkeit und Unfrieden hervorruft“.
5. Kontakte, Beziehungen während des Einsatzes
- Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den deutschen (europäischen) Mitarbeitern?
- Und wie mit den peruanischen Mitarbeitern (beruflich - menschlich)?
Zusammenfassung: Zweimal wird sehr deutlich gesagt, dass die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern schlecht war, in einem Fall mit den europäischen Mitarbeitern: „Europäer habe ich als sehr individualistisch erlebt, sie leben ihre eigenen Bedürfnisse aus, sind folglich wenig oder überhaupt nicht Team fähig. Sie können sich nicht unterordnen und berauschen sich an der Freiheit (und dem Status), die sie nur in Peru so haben können und halten dies für eine Aufopferung für die Ärmsten (klerikales Grundmuster).
Sie sind von ihrem selbst geschaffenen (altruistischen) Image überzeugt, das sie dann lebenslang pflegen. Nimmt man ihnen dieses Mäntelchen, erkälten sie sich und werden krank. Unabhängig davon: Freundschaften waren möglich bis heute, gerade auch vielleicht wegen Wesensverwandtschaft“. In dem anderen Fall betrifft es die peruanischen Mitarbeiter: „Ich fühlte mich persönlich nicht angenommen, auch wurde meine bisherige Arbeit nicht gewürdigt. Ich fühlte mich weder in meinen Idealen noch in den beruflichen Zielsetzungen vom peruanischen Arbeitsteam verstanden. Die peruanischen Mitarbeiter waren auch untereinander wenig offen“.
Alle anderen sprechen - mit kleinen Nuancen - nicht von größeren Problemen bei der Zusammenarbeit, weder mit europäischen noch mit den peruanischen Mitarbeitern. „Im großen und ganzen hatte ich im Kontakt sowohl mit den einheimischen als auch mit den europäischen Mitarbeitern kaum Schwierigkeiten“. „Auftretende Schwierigkeiten waren unabhängig von der Nationalität der einzelnen Mitarbeiter. Sie wurden, soweit möglich, in den einzelnen Teambesprechungen erörtert, konnten aber nicht immer gelöst werden“. „Natürliche“ Probleme bereiteten einige Male entweder das zu große Team oder auch im Gegenteil, die zu einsame Arbeitsbedingung, sowie die mangelnde Möglichkeit sich mit Seinesgleichen auszutauschen.
Auch eher allgemein übliche Probleme in der Zusammenarbeit werden genannt: „Es fehlte oft an Koordination der einzelnen Teams und auch innerhalb mancher Teams. Viele Einzelkämpfer taten sich hervor. Oft war die Situation chaotisch, und es war kaum durch zublicken, wer was wann und wo tat. Gelegentlich - sehr selten - griff Monseñor Dammert ein. Einmal wird festgestellt, dass nach außen hin viel zu sehr „auf Harmonie gemacht wurde“. „Ich habe gemerkt, dass in kirchlichen Kreisen viel zu sehr auf Harmonie gemacht wurde und Konflikte oft unter den Teppich gekehrt wurden“.
Dreimal wird deutlich auf den Unterschied zwischen europäischen und peruanischen Mitarbeitern hingewiesen: „Es war natürlich leichter, mit Europäern zu kommunizieren, da sie leichter einzuschätzen und zuverlässiger waren. Bei Kursen gab es keine Probleme der Zusammenarbeit mit Peruanern, mehr in der Planung der Gesamtvorhaben, da Peruaner damals schon empfindlich reagierten auf ‚Überfremdung‘ durch uns ausländische Mitarbeiter“. „Größtes Ärgernis war, dass einige Mitarbeiter ein nicht – machohaftes Verhalten für Schwäche oder gar Dummheit hielten. Sie hatten mehr Respekt vor denen, die sie von oben herab behandelten.
Auch ein unbefangener Umgang mit Frauen konnte von einigen Männern (auch vom Bischof) nicht eingeordnet werden. Weiteres Ungleichgewicht: Wenige Peruaner konnten und wollten sich in die Gemütslage ausländischer Mitarbeiter einfühlen - umgekehrt wird dies aber immer von den Ausländern gegenüber den Einheimischen als selbstverständlich vorausgesetzt (auch vom Bischof)“. „Bei manchen einheimischen Partnern ließen mich die Zweifel nicht los, ob ich als Mensch bzw. Fachkraft geschätzt wurde, oder als Reiche, von der man sich materielle Vorteile versprach“.
Einmal kam es innerhalb eines rein deutschen Teams zu unüberbrückbaren Gegensätzen, die zum Auseinanderbrechen des Teams führten. Nur einer der Betroffenen deutet dieses Geschehen an. „Die Zusammenarbeit mit den deutschen Entwicklungshelfern war besonders im zweiten Jahr sehr schwierig“. Die Zusammenarbeit mit den Campesinos dagegen wurde in keinem Fall als problematisch empfunden, vielmehr in der Regel als positive Bestätigung. „Die Campesinos dagegen machten gut mit, interessierten sich und waren dankbar für die Arbeit“.
- Kam es zu einer regelmäßigen Arbeitsbesprechung und Evaluierung der laufenden Arbeit („institutionell“ - freiwillig)?
Zusammenfassung: Die häufigste Form einer regelmäßigen Arbeitsbesprechung war jährlich stattfindende Diözesanversammlung. Die einzig konstanten Arbeitsbesprechungen fanden in den Anfangsjahren im Team von Bambamarca statt. „Wir hatten auch regelmäßig Arbeitsbesprechungen zusammen mit allen Freiwilligen und des öfteren auch mit Padre Bartolini. Dort wurden immer wieder neue Planungen und Evaluierungen vorgenommen“.
Überwiegend wird aber eine mangelnde Koordination und Auswertung der laufenden Arbeit festgestellt. Insbesondere wurde vom Projektträger (Bischof) keine regelmäßige Arbeitsbesprechung eingefordert oder gar organisiert. Freiwillige, spontane Arbeitsbesprechungen gab es phasenweise, institutionell geregelt aber nicht. Zu informellen Besprechungen kam es dagegen immer wieder, hier besonders zum Teil mit den engagierten Priestern“. Mit den Campesinos gab es keine geregelten Besprechungen oder gar Auswertungen. „Eine Zusammenarbeit und Evaluierung ist kaum gelungen, erst recht nicht mit den Campesinos selbst, kein „equipo de coordinación“, auch nicht auf Diözesanebene.
Problem: Die Verantwortung für das Geld wurde nie den Campesinos übertragen“. Die Campesinos waren keine Partner. Eine Auswertung (kritischer Rückblick) auf die Arbeit war besonders mit den einheimischen Mitarbeitern schwer zu erreichen, einmal wird dies gar als unmöglich dargestellt. „Eine Evaluierung in Form von Supervision oder Selbstkritik war nicht möglich, a) wegen der Individualität der Ausländer und b) der Scheu der Ausländer, mit Einheimischen offen über eigene und auch deren Fehler zu sprechen (‚als Ausländer haben wir kein Recht, die Einheimischen zu kritisieren‘).“
- Fühlte ich mich in meiner Arbeit und als Mensch manchmal im Stich gelassen oder verkannt? Wo lagen die Hauptprobleme in dieser Hinsicht (eher rein menschlich - eher strukturell)?
- Was wurde getan, um Probleme der Kommunikation, der zwischenmenschlichen Beziehung und der Abstimmung in der Arbeit aufzufangen oder zu lösen?
- Fühlte ich mich von den „Einheimischen“ (Arbeitspartner - Bevölkerung - Zielgruppen) akzeptiert und verstanden (eher als Fachkraft und/oder auch als Mensch)?
Zusammenfassung: Während die Arbeit mit den Campesinos als unproblematisch bezeichnetwird (s.o.), erwartete man nicht, dass man von ihnen als Mensch (mit all seinen Gefühlen, Problemen, als Ausländer, andere Herkunft, Kultur, Denkweise etc.) verstanden wird. In nur einer Aussage wird davon gesprochen, auch als Mensch bei den Campesinos anerkannt worden zu sein. „Von den Campesinos fühlte ich mich akzeptiert, vor allem auch von den Kursteilnehmern, sowohl als Mensch als auch als Fachkraft“.
Mit den einheimischen Mitarbeitern gab es mehr Kontakte auf menschlicher Ebene, doch auch hier überwiegen die Zweifel. „Bei manchen einheimischen Partnern ließen mich die Zweifel nicht los, ob ich als Mensch bzw. Fachkraft geschätzt wurde, oder als Reiche, von der man sich materielle Vorteile versprach. Seltener wird folgendes festgestellt: „Ich fühlte mich von den Einheimischen verstanden. Ich habe viele Freunde gefunden, Freundschaften, die bis heute anhalten. Ich glaube, man kann „eher als Fachkraft“ oder „als Mensch“ nicht trennen; es trifft beides zu“.
Doch auch diejenigen EH, die von solchen Freundschaften sprechen, haben echte Gesprächspartner vermisst. „Manchmal hätte ich mir gewünscht, jemanden als Gesprächspartner vor Ort zu haben, der meine Situation teilt (ausländische EH, Laie in der Pastoral). Da heben es Gruppen oder Ehepaare leichter“. Es wird bestätigt, dass auf der Ebene der Arbeit und des Berufes, das Verhältnis zu den einheimischen Mitarbeitern leichter war. „Zwei Ausländer blieben natürlich immer sichtbare Ausländer, in der konkreten Arbeit aber war die Akzeptanz da“.
Es gab auch Situationen, in denen der Kontakt oder gar Freundschaft mit Peruanern verweigert wurde. „Natürlich war das auch richtig, wenn wir uns weigerten, auf Geburtstagsfeiern von Familien wie dem Chef von Nestlé zu gehen, wo die Großgrundbesitzer dabei waren, die ihrerseits die Campesinos ausbeuteten“. Viele beklagen, dass es unter den deutschen und einheimischen Mitarbeitern immer wieder zu viele Verdächtigungen, Misstrauen und böswilligen Gerüchten kam. das gibt es zwar überall, doch hatte man selbst hohe moralische Ansprüche. „Ein Problem, nicht so sehr auf dem Lande, als vielmehr in der Stadt Cajamarca, war die Gerüchteküche. Hier hätte ich mir auch gewünscht, dass Bischof Dammert energischer eingeschritten wäre und nicht so sehr Ohr den „chismes“ geliehen hätte“. Viermal wird bemerkt, dass aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen und Lebensbedingungen, stets die Gefahr einer einseitigen Beziehung mit den Peruanern bestand.
„Einige peruanische Mitarbeiter hatten sicher zu hohe Vorstellungen von unserem ‚Gehalt‘ und neideten uns den europäischen ‚Wohlstand‘ (Foto, Tonband, Rad, Spielsachen für Kinder o.ä.) und - mit Recht - unsere soziale Absicherung. Ein EH kommt zusammenfassend zum Schluss: „Es gab ein strukturelles Problem: Ungleichgewicht bei Bezahlung, Voraussetzungen, Motivation etc.
Dass man als Mensch mit allen seinen Facetten und auch Problemen gesehen wird, als Gleicher unter Gleichen, ist eher unwahrscheinlich oder gar unmöglich. Man ist immer auch jemand, der einem nützen kann. Wir als Ausländer in Peru konnten uns dazu auch noch ein besseres Bild von den beiden Kulturen, von der Welt insgesamt machen, als der jeweilige peruanische Mitarbeiter, der natürlich noch nie in Deutschland war. Das, und vieles mehr, führt zu einem strukturellen Ungleichgewicht in den Beziehungen, erst recht wenn man den materiellen Ungleichheiten (Gehalt, Sicherheit etc.) noch mehr Bedeutung beimisst. Sieht man hingegen nur seine Arbeit, spielt dies keine so große Rolle.
Über diese Problematik wurde nicht gesprochen. Dieses Thema anzuschneiden hätte z.B. bedeutet, dass Dammert (und andere, auch Deutsche) sofort zu dem Urteil gekommen wäre, dass der Betreffende besser gar nicht gekommen wäre. Schließlich hätte man schon genug Probleme und könne sich nicht auch noch um die Gringos kümmern, die ja schließlich alle freiwillig gekommen seien. Es wurden Fachleute angefordert, doch es kamen Menschen, oft recht komplizierte zudem“. Im folgenden Beitrag wird darauf hingewiesen, dass dieses „Nichtsprechen“ offensichtlich verbreitet war und zu entsprechenden Konsequenzen geführt hat. „Meine Krankheit (übrigens gab es eine ganze Reihe psychisch Kranker in Cajamarca; vielleicht wäre es interessant zu untersuchen, warum wohl) hat mir gezeigt, dass es wichtig ist, Ärger herauszulassen und nicht hinunterzuschlucken“.
- Wie war der Kontakt zur Heimat (außer Familie), gab es z.B. eine „Unterstützergruppe“?
Zusammenfassung: Dreimal wird ein Kontakt zur Heimat im genannten Sinne verneint. Sonst waren es eher private Beziehungen zu Freunden und Bekanntenkreis, die dann auch überwiegend mit kleineren „Spenden“ aushalfen. Nur bei zwei EH stand eine organisierte Gruppe dahinter bzw. ist aus dieser Gruppe heraus der Einsatz mitgetragen worden. Drei EH organisierten regelrechte Rundbriefe, Zeitschriften etc. mit dem Ziel, eine breitere Öffentlichkeit in der Heimat zu informieren um zu einer Bewusstseinsveränderung beizutragen. Drei EH wurden von den Verantwortlichen ihrer Heimatdiözese besucht (Diözesen Speyer und Freiburg).
- Wie weit hatte ich während meines Aufenthaltes in Peru mit bestehenden Partnerschaften zu tun, war involviert?
- Habe ich Partnerschaften oder ähnliche Kontakte initiiert oder mit gestaltet - schon während des Aufenthaltes in Peru oder danach?
Zusammenfassung: Von einer eigentlichen Partnerschaft kann man bis in die achtziger Jahre nicht sprechen. Der Gedanke einer Partnerschaft war noch nicht entwickelt. „Zur ‚Partnergemeinde‘ in Dortmund kein Kontakt, eben weil es (noch) keine Partnergemeinde war. Erst 1979 erster Besuch einer Dortmunder Gruppe in Bambamarca. Ich bereitete den Besuch vor und begleitete ihn. Bis 1980 gab es noch keine Partnerschaften“. Fünfmal wird dennoch von einem Kontakt mit dem Thema Partnerschaft gesprochen, dabei handelt es sich viermal um die Beziehung Dortmund - Bambamarca und einmal Freiburg - San Marcos („Nach dem Besuch aus der Pfarrgemeinde wurde ein Gemeindepartnerschaft initiiert, die bis heute andauert“).
Daneben werden noch zwei weitere Beziehungen erwähnt, beide auf der Ebene kleinerer Sachprojekte. „Ich habe Kontakte zwischen Peru und unserer Pfarrei schon während meines Aufenthaltes hergestellt. Zunächst unterstützte die Pfarrei die Ausbildung einer Krankenschwester in Huacho, die dann zu Besuch kam. Heute helfen wir bei Mittagstischen in einem Elendsviertel in Lima. Bis zu einer wirklichen Partnerschaft ist es noch weithin“. Insgesamt kann man sagen, dass bis auf zwei Ausnahmen in der Arbeit und dem Bewusstsein der EH eine Partnerschaft keine oder eine sehr geringe Rolle spielte (selbst unter dem Vorbehalt, dass der Begriff „Partnerschaft“ schnell für jede Art der Unterstützung und Information benutzt wird).
Nach der Rückkehr wurden von zwei EH Partnerschaften begründet, die heute noch bestehen. „Ich bin bereits mit dem Ziel zurückgekehrt, eine echte Gemeindepartnerschaft zu etablieren. Sofort Anschluss an die Pfarrei gesucht, in der wir zufällig eine Wohnung gefunden hatten. Durch günstige Umstände gelang es bald, eine Partnerschaft mit einer Gemeinde in Cajamarca zu anzufangen“. In zweiten Fall dauerte es sieben Jahre, bis die Partnerschaft initiiert wurde. Ein anderer Weg wurde von zwei EH (Ehepaar) gewählt, die bewusst keine kirchliche Partnerschaft anstoßen wollten. „Nach der Rückkehr schon Arbeit mit Partnerschaften, aber weniger innerhalb der Kirche, weil es da schon genug Unterstützung gab, sondern für andere Bereiche, spezielle Gruppen wie EDAC, die dann Versuche im Bereich nachhaltig andiner Entwicklung machten etc.“.
Das genau gegenteilige Motiv wurde (einmalig) in einer der beiden oben genannten Partnerschaften verfolgt: Arbeit, Partnerschaft und Engagement bewusst innerhalb einer traditionellen Kirchengemeinde, um dort Gedanken der Solidaritätsarbeit einzubringen, weil dies in den traditionellen Kirchengemeinden nicht vorhanden war (ist), wohl aber - logischerweise - in den schon vorhandenen (nichtkirchlichen) Solidaritätsgruppen. Unabhängig von einer Partnerschaft geben weitere drei EH an, noch sehr gute Kontakte (mit gelegentlichen Hilfen) zu Einzelpersonen oder Gruppen in Cajamarca zu haben.
6. Inhalte der Arbeit
- Was waren die Zielvorstellungen für meine Arbeit (was sollte dabei herauskommen)? Von wem wurden diese, wenn überhaupt, vorgegeben und wurden sie auch kontrolliert?
- Stimmten diese Zielvorstellungen mit der vorgefundenen Realität und der Praxis überein? Geriet ich in Konflikt mit diesen Zielvorstellungen, evtl. auch mit den sie verkörpernden Personen? Und was war das Ergebnis?
Zusammenfassung: Allen EH war spätestens nach einigen Monaten ihrer Arbeit vor Ort der größere Rahmen der Zielvorstellungen bekannt. Hauptziel war nie bloß technische Wissensvermittlung, sondern die Bewusstseinsbildung der Landbevölkerung bzw. der Armen und Ausgestoßenen, „Stärkung des Selbstbewusstseins, mehr Bildung durch Bewusst machen der eigenen Ressourcen“. Innerhalb dieses groben Vorgabe arbeiteten alle Eh an der Bildung und Schulung von Führungspersonen mit.
„Ziel: Entwicklung zur selbstverantwortlichen Persönlichkeit einleiten und Führungsqualitäten für die Landarbeit zu entwickeln, vor allem für die Mädchen- und Frauenarbeit“. Zweimal heißt die Antwort auch nur lapidar: „siehe Bambamarca, Vamos Caminando etc.“. Zwei EH kamen schon mit der konkreten Vorstellung an, bei einer Pastoral der Befreiung mitzuarbeiten. „Zielvorstellungen: siehe Vamos Caminando, Pastoral (Praxis) der Befreiung. Vorgegeben vom eigenen Selbstverständnis und den entsprechenden Bewegungen innerhalb von Kirche und Theologie“.
Alle anderen passten sich den Zielvorstellungen ohne große Mühe an, weil diese Zielvorstellungen, wenn auch vor der Ausreise vielleicht nicht explizit benannt, ihren eigenen Vorstellungen entgegenkamen. „Mit den Zielvorstellungen des IER, die ganz allgemein die Förderung und die ganzheitliche Bildung der Landbevölkerung zum Inhalt hatte, konnte ich mich voll identifizieren“. Einmal wird zwar gesagt, „genaue Ziele waren nicht vorgegeben, erst an Ort und Stelle wurden die Ziele entdeckt“, doch auch hier ergibt sich aus dem Kontext der Antwort, dass der große Rahmen durchaus vorgegeben war und akzeptiert wurde.
Auch die Ausbildung z.B. von Lehrern, also nicht direkte Arbeit mit den Ärmsten, bestand in der Absicht, über die Lehrer den Ärmsten eine bessere zu geben bzw. um Lehrer zu motivieren, mit Campesinos zu arbeiten. Ziel der Ausbildung usw. war nie der Einzelne als solcher, sondern stets in Funktion der Gemeinschaft, in der er lebte. Es kam zuerst auf die Stärkung von Gemeinschaften und die Bildung von Organisationen an. „Gemeinschaftsbewusstsein im Sinne aktivierender Gemeinwesenarbeit entwickelt: Sehen - Urteilen - Handeln“.
Als allgemein förderlich wurde bei dieser Arbeit die Position Bischof Dammerts gesehen. Er hat diese Art der Arbeit mit den entsprechenden Zielvorstellungen nicht nur unterstützt, sondern hat sie persönlich verkörpert. „In Cajamarca traf ich auf einen Bischof, der mit der Option für die Armen ernst machte und seine Arbeit vorzugsweise den ausgebeuteten und vernachlässigten Campesinos widmete. Seine Verkündigung des Evangeliums bezog sich auf den ganzen Menschen, auch mit seinen materiellen Nöten und seinen gesellschaftlichen Ausgrenzungen.
Entsprechend schulte und motivierte er seine Mitarbeiter“. Im Bereich der Pädagogik wurden die Erkenntnisse aus der „Pädagogik der Unterdrückten“ von Paolo Freire, der beginnenden „Educación popular“, immer hilfreicher. Konflikte mit diesen Vorstellungen werden nicht genannt, einmal eher im Sinne einer Eigenkorrektur. „Größter Konflikt: Zu Beginn die Meinung, ebenso arm, wie ein Campesino leben zu können. Diese Haltung betrachtete ich dann als wenig menschlich und hilfreich und korrigierte sie“.
Auch Konflikte mit Bischof Dammert werden bis auf eine Ausnahme nicht genannt. „Mit Personen: die tragenden Säulen der Ideen (Dammert, einige Priester, einige Mitarbeiter) machten nicht unbedingt den Eindruck ‚befreiter‘ Menschen und reifer Persönlichkeiten (auf das rein menschliche bezogen). Die Campesinos (vor allem Frauen) waren in dieser Hinsicht viel glaubwürdiger. Ihr Einsatz war und ist letztlich auch - logischerweise - größer“. Aber auch hier handelt es sich nicht um einen Konflikt mit den eigentlichen Zielsetzungen, sondern um die Problematik menschlicher Beziehungen.
Zwar oft nicht ausdrücklich genannt, aber aus dem Zusammenhang ersichtlich ist, dass die Zielvorstellungen bzw. das Bewusstwerden und Erkennen derselben, sich prozesshaft entwickelt haben. Ganz stark ließ man sich dabei weniger von einer fertigen Ideologie, sondern vielmehr von der Realität selbst und den Bedürfnissen der Zielgruppen leiten. „Die Zielvorstellungen entwickelten sich mit der vorgefundenen Realität (die Realität, - will heißen Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Elend etc. - als Ausgangspunkt zu nehmen war Teil der Zielvorstellung)“.
- Worin bestand konkret meine Arbeit, bzw. meine Aufgabe?
Zusammenfassung: Aus den bisherigen Antworten ist einsichtig, dass über die konkrete Arbeit nur dreimal sehr ausführlich berichtet wird. Denn wenn die Zielvorstellungen schon genannt sind und auch so akzeptiert werden konnten und zudem die Mehrzahl der EH bereits von sehr freien Arbeitsbedingungen gesprochen hat, dann ergibt sich daraus, dass nur noch wenige ausführlich über Einzelheiten ihrer Arbeit berichten, zumal sich die Arbeit auch immer wieder flexibel den Bedingungen und Gegebenheiten des Umfeldes anpasste.
So ist mit den folgenden beiden Antworten bereits das meiste gesagt: „Pastoralarbeit und Sozialarbeit im weitesten Sinne in Bambamarca - gemäß den waltenden Notwendigkeiten und Bedürfnissen“. „Schwerpunktarbeit waren die Kurse auf dem Land und im Sozialzentrum Bambamarca“. Es geht jetzt nur noch darum, wie dies im Einzelnen geschah. Drei EH geben darüber ausführlich Auskunft (deren Antwort beschreibt auch im wesentlichen die Arbeit der übrigen EH).
Einige Beispiele: „Die Arbeit des IER umfasste Aktivitäten auf dem Land in den einzelnen Dörfern und Bildungsangebote in den beiden Zentralen. In den Dörfern war stets viel Motivationsarbeit zu leisten. Es kostete oft viel Mühe, die Campesinos zur Teilnahme an Projekten beispielsweise im landwirtschaftlichen und kommunalen Bereich zu gewinnen und sie davon zu überzeugen, dass sie sich zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen zusammenschließen müssen“. „Unsere Aktivitäten sahen so aus, dass wir vormittags Mütterkurse anboten, nachmittags junge Mädchen erreichten wollten und abends an den Männertreffs teilnahmen.
In den Mütterkursen informierten wir die Frauen über Säuglingspflege, Hygiene und einfache häusliche Krankenpflege“. „Der Arbeitsschwerpunkt der Zentrale Baños del Inca war die Frauen- und Mädchenbildung durch Kurse, Arbeits- und Freizeitgruppen und regelmäßigen Unterricht. Diese Aktivitäten ergänzten die Gruppenarbeit mit Kindern, Mädchen und Frauen in den Dörfern“. „Konkrete Arbeit war: Begleitung von Prozessen, mehr im Sinne von begleitender Reflexion, da ja keine konkrete Unterstützung möglich war, Fragen stellen; Gruppenleiterinnen fit machen im Handwerkzeug wie Gruppenarbeit, komplizierte Sachen einfacher auszuarbeiten etc.“.
- War diese Arbeit in einen größeren Kontext gestellt (z.B. regional/national, ideologisch, diözesan/kirchlich)?
- In wie weit wurden die äußeren Rahmenbedingungen (sozial, gesellschaftspol., Stadt - Land) berücksichtigt und führten diese zu Konflikten?
Zusammenfassung: (Kontext/Rahmenbedingungen)
Alle EH bestätigen, dass ihre Arbeit bewusst in einen bestimmten Kontext („Die Arbeit war eingebettet in den kirchlichen Rahmen der Diözese und betraf vor allem die ländliche Bevölkerung“.) gestellt war (siehe Zielvorstellungen) und die entsprechenden Rahmenbedingungen daher „automatisch“ auch zu Konflikten führen mussten. „Der nationale, diözesane, weltkirchliche Kontext war uns bewusst: Freire (Pädagogik der Unterdrückten) und Theologie der Befreiung“.
Es war Kennzeichen der sozialen, pädagogischen und pastoralen Arbeit in der Diözese Cajamarca, dass jede Arbeit mit den Armen, Campesinos etc. stets auch die Ursachen der Armut und der Ungerechtigkeit mit berücksichtigte. Dies gilt erst recht, wenn man es sich zur Aufgabe machte, die ungerechten Strukturen der Armut zu überwinden oder zumindest verändern zu wollen. Ebenso eindeutig war hier die Haltung der EH zugunsten (Option) der Armen, auch wenn über die Methoden und das „Wie“ unterschiedliche Meinungen bestanden (z.B.: soll man Umgang mit Großgrundbesitzern pflegen um so besser auf sie einwirken zu können oder soll man offen gegen sie Stellung beziehen).
Der größere Kontext zuerst der kirchliche Kontext (Pastoral der Befreiung), dieser war nicht zu trennen von der je aktuellen Situation in Staat und Gesellschaft. Als Schwerpunkte werden hier von den EH genannt: In den 60-er Jahren die Frage des Großgrundbesitzes, in den siebziger Jahren die Rolle des Staates („revolutionäre“ Militärregierung) und in den achtziger Jahren der Terrorismus - wobei die Grundkonstanten wie z.B. die Unterdrückung und Verachtung der „Indios“ durchlaufend vorhanden waren. „Ohne diesen Kontext (in jeder Beziehung) wäre diese Arbeit gar nicht verständlich. Die Situation der Menschen ist Ergebnis dieses Kontextes (bis hin zur Weltwirtschaft und römischer Kirche) und will man etwas mit den Menschen bewegen, muss auch der Kontext bewegt werden“.
Allen EH war bewusst, dass sie sich durch ihre Arbeit einmischten (zugunsten der Armen) unddass dies zu Konflikten führen konnte bzw. dass die „Obrigkeit“ und alle, die von der Unterdrückung profitieren ihre Arbeit nicht gerne sahen. „Die örtlichen Autoritäten bewerteten unsere Arbeit äußerst negativ. Sie wollten nicht, dass die Campesinos politisches Bewusstsein entwickelten und sich gegen Ungerechtigkeiten wehrten“. „Natürlich führten die gesellschaftspolitischen Situationen zu Konflikten: z.B. in Bambamarca waren wir öfters zu Seminaren mit Campesinos eingeladen. Die jungen Funktionäre von SINAMOS (zur Vertiefung der Revolution, halt Ideologieanstalt der Regierung) riefen durch Lautsprecher auf dem Markt auf, nicht mit uns zu arbeiten, wir seien alle Imperialisten und Kommunisten.
Natürlich war die Arbeit mit politisch engagierten Studenten - auch kirchlich organisiert - ‚subversiv‘ und politisch“. Dennoch hatten die meisten EH keine direkten Übergriffe der Obrigkeit zu befürchten. Drei EH jedoch mussten zeitweise ihren Einsatzort verlassen, weil sie von Polizei und Militär gesucht wurden. Einer davon schreibt dazu: „Die notwendige Berücksichtigung der Rahmenbedingungen führte notwendigerweise zu schweren Konflikten (je ungerechter der Rahmen, desto größer die Konflikte).
Hauptkonflikte: Ausbeutung des Landes (‚Indios‘) durch die Stadt, verbunden mit starkem Rassismus; Staat als Büttel der nationalen Oberschicht und Wirtschaft einerseits und andererseits als verlängerter Arm der weltwirtschaftlichen Interessen. Folge: Gefängnis und Folter für enge Mitarbeiter, einmal musste ich selbst untertauchen (mit Hilfe des Bischofs)“.
- Wie bewerteten die örtlichen „Autoritäten“ diese Arbeit? Wie bewertete die Bevölkerung insgesamt und wie die jeweilige Zielgruppe die Arbeit?
- Wurde mit den Letztgenannten über Ziele, Inhalte und Methoden der Arbeit diskutiert, bzw. kam es daraufhin zu Korrekturen?
- Wie wurden ansonsten die Betroffenen in die Arbeit (als Subjekte) mit einbezogen?
Zusammenfassung: „Die örtlichen Autoritäten (als Statthalter eigener und fremder Interessen, s.o.) versuchten mit allen Mitteln den Aufbruch der Campesinos zu verhindern und ihre Interessen zu verteidigen. Je nach Grad der Dummheit wurden wir als Kommunisten, Protestanten (will heißen: ohne Religion), CIA - Agenten, Spione etc. bezeichnet. Die Bewertung der Arbeit durch die jeweilige Zielgruppe ist dementsprechend. Über Inhalte, Methoden etc. wurde nicht gezielt diskutiert, aber natürlich immer gemeinsam nach den besten Wegen gesucht“. Grob betrachtet passen alle Antworten in die zitierte Wertung.
Mit Dummheit wird hier gemeint, dass einige EH berichten, dass sie in der Tat von den selben Leuten sowohl als CIA-Agenten als auch als Kommunisten diffamiert wurden. Neben dem Wort „Kommunisten“ ist die Bezeichnung „Protestant“ die schwerwiegendste Beschimpfung, vor allem wenn sie sich auf die kirchliche Arbeit bezieht. Denn damit ist gemeint, dass der Betreffende als ein Mensch ohne Religion, will heißen ohne Tradition und Kultur, angesehen wird - z.B. weil er sich mit kulturlosen Indios einlässt, die Heiligen nicht in gebührender Weise verehrt usw.
Auch war allen EH klar, dass die „örtlichen Autoritäten“, obwohl manchmal sogar demokratisch gewählt, nicht die Interessen des Volkes vertreten, sondern die Interessen der privilegierten Schicht und dass sie deswegen die Arbeit der EH (und der damaligen Kirche in Cajamarca) zumindest misstrauisch beobachteten. „Oft jedoch war es notwendig, Campesinos bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen. Dabei kam es natürlich zu Konflikten mit staatlichen Stellen und lokalen Autoritäten“. Die heftigsten Konflikte gab es übrigens in Bambamarca, bereits seit Beginn und durchgehend bis heute, die schwierigste Zeit waren in Bambamarca die siebziger Jahre.
Die Zielgruppen bewerteten die Arbeit entsprechend. Die Zielgruppe bei allen EH war, wie schon erwähnt, das „Volk“. Obwohl einzelne Campesinos durchaus am Sinn der ausländischen Hilfe und Helfer zweifeln konnten, wird in keinem Fall ausgesagt, dass die Arbeit der EH von dieser Zielgruppe als ganzer nicht recht verstanden oder eingeordnet werden konnte. Durchaus typisch ist diese Einschätzung: „Die Betroffenen, die Kursteilnehmer, wurden zunehmend kritischer und auch aufgeschlossener, was die Inhalte und Methoden der Arbeit betraf. Sie konnten dann schon eher mitbestimmen und mit entscheiden, wie die Kursarbeit weitergehen sollte“.
Einige Male wird eher von einer Überschätzung der EH berichtet als von einer Unterschätzung: „Es gab immer wieder Situationen eines ‚positiven Rassismus‘ seitens der Campesinos, in dem Sinne, dass sie sagten: Ihr habt studiert, sagt uns, was wir tun müssen - und da war wichtig Vertrauen zu haben, offen zu sein und zu ‚beweisen‘, dass sie selbst ihre Lösungen finden können“. Trotz der (ideologischen) Nähe zu den Campesinos wurde offensichtlich mit ihnen nicht systematisch über die besten Methoden, Inhalte usw. der Arbeit diskutiert, eher geschah dies mit den peruanischen Mitarbeitern.
Dennoch wird eher indirekt - oder an anderer Stelle - immer wieder betont, dass man sich im allgemeinen an den Interessen der Betroffenen ausrichtete (zumindest war dies die gute Absicht). Nur zweimal wird explizit gesagt, dass die Betroffenen die Hauptakteure waren (in Bambamarca), einmal davon bezieht sich dies eher auf die Mitarbeit der Lehrer. „Die Lehrer wurden einbezogen durch Fortbildungen, auf denen sie zum Teil ihre Arbeitsmaterialien selbst herstellen mussten, oder durch freiwillige AG, die z.B. die Lesefibeln erarbeitete. Auch Alphabetisadores und Catequistas erarbeiteten ihre Materialien für den Unterricht in den Kursen und schrieben Texte für die Fibeln“.
- Was waren die größten Schwierigkeiten, Enttäuschungen und Erfolge innerhalb der Arbeit? Während meines Peru - Aufenthaltes insgesamt?
Zusammenfassung: Die negativen Erfahrungen beziehen sich bis auf eine Ausnahme („Enttäuschend war nach 2 ½ Jahren Lehrerfortbildung die innere Einstellung mancher Lehrer und Schulräte“) nicht direkt auf die Arbeit, sondern auf die zwischenmenschlichen Probleme, meist innerhalb des Arbeitsteams. „Die größten Schwierigkeiten bereiteten wohl das ungleiche Team und die ständigen Streitereien. Das hatte ich mir vorher nicht so vorgestellt“. Allerdings werden nur in der Hälfte der Antworten von negativen Erfahrungen berichtet. Einmal wird der Bischof mit in die negativen Erfahrungen einbezogen.
„Enttäuschungen: Wenig Teamgeist der ‚Hauptamtlichen‘; willkürliche, einsame Entscheidungen des Bischofs (Personalentscheidungen), die meist darauf zurückzuführen waren, dass er den Einflüsterungen seiner Umgebung zu leicht Gehör schenkte und auch damit verbundene mangelnde Menschenkenntnis und Personenführung. Probleme wurden nicht offen diskutiert. Ausländer waren für den Bischof nicht gleichberechtigt (nur aufgrund der Tatsache, dass sie Ausländer waren)“.
Noch eindeutiger sind in ihrer Übereinstimmung die positiven Erfahrungen. Sie beziehen sich immer auf die guten Kontakte zu den Campesinos, sei es generell oder speziell in der unproblematischen Zusammenarbeit. „Erfolge: das Vertrauen einfachster Leute, besonders auf dem Land, gewonnen zu haben“. „Besonderen Spaß machte mir die musische Arbeit in den Kursen, Malen, Singen, Tanzen, Spielen mit Kindern, Mädchen und Frauen auf dem Land“. Viermal werden zusätzlich die Erfolge bei der Erarbeitung bleibender Materialien, die zum Teil auch über die Grenzen des Landes hinaus bekannt wurden. „Gut war, dass Erfahrungen aus der praktischen Bildungsarbeit in einem Heftchen“ erscheinen konnte (mit TAREA) in Lima), dieses Heft in vielen Ländern LA nachgedruckt wurde und wohl viele Anregungen gab“.
7. Lernprozesse
- Wie habe ich die dort vorgefundene Kultur, Mentalität und Religiosität wahrgenommen?
- Konnte ich mich darauf einlassen, warum nicht? Kann man als „Gringo“ diese je verstehen?
Zusammenfassung Mentalität etc.:
Kein EH behauptet, dass er die vorgefundene Kultur sehr gut oder gar ganz verstanden hätte. Keiner sagt auch, dass er unbeeindruckt von der dortigen Kultur, Mentalität usw. seine Arbeit verrichten wollte. Alle wollten diese Kultur verstehen lernen, bemühten sich auch und glaubten, wenigstens etwas gelernt und verstanden haben. Für die Mehrzahl der EH war ja dies gerade einer der Motive, um ins Ausland zu gehen. Der Grad der Wahrnehmung ist natürlich verschieden und hängt u.a. von subjektiven Selbsteinschätzungen und objektiven Arbeitsbedingungen ab.
Generell wird die Begegnung mit dem Fremden als ein Lernprozess dargestellt. „Als spannenden Lernprozess; als Bereicherung; manchmal auch als Belastung, da rational einfach unerklärlich. Relativierung der eigenen Welt, des eigenen Horizontes und der eigenen Rolle als positiver Lernprozess“. Dieser Lernprozess wird allgemein als Bereicherung gewertet. Neben der Bereicherung wird oft noch die Fremdheit genannt, die nie ganz überwunden werden konnte (man war sich aber dessen bewusst, dass man diese nie ganz überwinden konnte). „Für die Campesinos waren wir, zumindest anfangs, alle ‚Fremde‘, egal ob Ausländer oder Peruaner von der Küste oder aus der Stadt.
Wir alle mussten lernen, die Denkweise der Campesinos zu verstehen und in ihrer Sprache zu sprechen, was natürlich nie ganz gelang. Öfters kam es deshalb zu Missverständnissen“. Einmal nur wird von dem Glauben der Campesinos gesprochen. „Ich habe die Menschen als sehr schüchtern, liebenswürdig empfunden, verhaftet in ihrer Kultur und ihrem Glauben, religiös sehr überzeugend“. Einmal wird die eigene „Beschränktheit“ reflektiert.„Anfangs habe ich die fremde Kultur als ‚exotisches“ Abenteuer‘, als völlig fremd, doch interessant erlebt. Insgesamt blieb ich meist zu rationalistisch und erfolgsorientiert. Doch glaube ich, einiges erspürt zu haben. So respektiere ich auch für mich nicht nachvollziehbare Rituale oder Haltungen als authentisch für andere Menschen“.
Zweimal wird ein Teil der erlebten Kultur bewusst abgelehnt, es betrifft die so genannte Machokultur. „Und die ‚Machokultur‘ brauchten wir nicht zu verstehen, sondern sie war dauernder Reibungspunkt bei den Leuten, mit denen man mehr Kontakt hatte. Auch wird zweimal zwischen einer eher städtischen (kolonial - spanischen) Kultur und der Kultur der Campesinos unterschieden. Die städtische Kultur war einfacher zu verstehen (weil europäischer, gewohnter) aber schwerer zu ertragen, man rieb sich mehr an ihr. Die Kultur der Campesinos war schwerer zu verstehen, sie wird aber allgemein als sympathischer beschrieben. Überhaupt fällt auf, dass Campesinos generell kaum kritisiert werden, wohl aber die peruanischen (städtischen) Mitarbeiter. Nur einmal wird die Haltung der Campesinos kritisch betrachtet. „Die Haltung der Landbevölkerung schwankte zwischen manchmal schier grenzenlosem Vertrauen und großem Misstrauen. Letzteres zu überwinden war nicht einfach und gelang auch nicht immer“.
Kein EH ist der Meinung, dass man die fremde Kultur prinzipiell nicht habe verstehen können. Man konnte sich wenigstens darauf einlassen. „Könnte man dies grundsätzlich nicht, wäre menschliche Verständigung grundsätzlich nicht immer möglich. Sich einlassen heißt aber nicht auch gleich verstehen können. Man kann und soll versuchen zu verstehen, aber in dem Wissen, nicht alles verstehen zu können oder verstehen zu müssen. Wie soll man so fremde Menschen je ganz verstehen können, wenn man im Laufe eines ganzes Lebens nicht einmal sich selbst oder auch den Lebenspartner je ganz verstehen kann? Es gilt, das Fremde auszuhalten, so stehen zu lassen und zu respektieren. Es gibt aber auch Dinge, die man zwar versuchen kann zu verstehen oder gar zu erklären, die man aber nicht gut heißen muss, wie z.B. die verbreitete Machokultur“.
- War die Kirche (als Institution) eher ein Hindernis oder eine Hilfe in meiner Arbeit und im Verstehen der Fremdheit? War ich vorher - bin ich jetzt in der Kirche engagiert?
Zusammenfassung: Die Kirche wird von allen sofort mit der Person Bischof Dammerts identifiziert. Und dies ergibt immer ein sehr positives Bild. Nur einmal kommt es zu einer eher neutralen Bewertung. „In den drei Jahren hatten wir nicht oft Kontakt zu Bischof Dammert. Wir erlebten,ihn bei seinen pastoralen Besuchen, bei Firmungen etc. Wenn wir in Cajamarca waren, war mit ihm ein Erfahrungsaustausch angesagt“. Sonst wird Bischof Dammert stets als Motor und Orientierungspunkt der eigenen Arbeit gesehen, zumindest als Hilfe. Auch sein persönliches Zeugnis wird immer wieder hervorgehoben. „Ich habe in Monseñor Dammert einen Bischof erlebt, der für jeden ein offenes Herz hat, zuhören kann, einfach lebt und sein Leben mit den Campesinos teilt. Er hat auch immer ein offenes Ohr für unsere Nöte und Sorgen als Entwicklungshelfer gehabt“.
Daneben wird betont, dass sich das Berufen können auf Bischof Dammert die eigene Arbeit erleichterte oder gar erst ermöglichte. Dies war oft der Schlüssel, um das Vertrauen der Campesinos zu gewinnen. „Die Kirche, insbesondere in der Person Bischof Dammerts, war der Schlüssel dafür, überhaupt mit den Menschen vertrauensvoll arbeiten zu können. Weil diese wussten, warum ich da war, von wem aus ich geschickt wurde und mit wem ich zusammenarbeite (in wessen Auftrag), akzeptierten sie mich meist vorbehaltlos“. „Unsere Arbeit wäre in dieser Zeit ohne die Ortskirche - Diözese Cajamarca mit ihrem Bischof - nicht möglich gewesen. Er sah Pastoral- und Sozialarbeit als eine Einheit und kümmert sich persönlich nicht nur um die Verkündigung, sondern gleichermaßen um die Probleme vor allem der ausgebeuteten und unterdrückten Landbevölkerung.
Er selbst gab das Beispiel eines einfachen Lebens. Sein Haus stand allen offen, die mit ihm reden oder einfach nur ihr Gepäck abstellen wollten. Mitarbeiter dieser Diözese zu sein, verschaffte uns oft einen Vertrauensvorschuss seitens der Landbevölkerung. Die städtische ‚Haute Voleé‘ war weder mit dem Bischof und demzufolge auch nicht mit uns einverstanden“. Neben Bischof Dammert wird auch noch dreimal Padre Bartolini genannt. „Die Kirche mit ihrer Spiritualität und Einfachheit hat mich sehr überzeugt, vor allem Padre Bartolini im Umgang mit den Campesinos und in seiner Art Messe zu feiern und mit den Campesinos zu beten und zu feiern. Ich war vorher in der Kirche engagiert, bin es aber jetzt seit langem nicht mehr. Für mich ist die Kirche in Bayern eher eine Begräbnisveranstaltung ohne Leben und Anreiz“.
Nur ein EH hatte nach seiner Rückkehr dieselbe Einstellung zur Kirche wie vor der Ausreise. Bei allen anderen hat sich die Beziehung zur Kirche geändert. Dabei wird deutlich zwischen Kirche (weltweit, Cajamarca) und deutscher Ortskirche unterschieden. Die Distanz zur deutschen Ortskirche, meist einer konkreten Pfarrei, ist größer geworden. Dreimal ist danach sogar die Beziehung abgebrochen worden, ohne sich deswegen aber als weniger christlich - eher im Gegenteil - zu verstehen. Auch ist das Engagement in „kirchlichen - religiösen“ Themen, wie Solidarität, Friedensbewegung, Bewahrung der Schöpfung usw., nach der Rückkehr größer geworden.
Bei drei EH scheiterten die ambitionierten Versuche, nach ihrer Rückkehr diese Themen in ihrer eigenen Pfarrgemeinde zur Sprache zu bringen. „Jetzt sind wir nicht mehr in unserer Pfarrei engagiert - wo Kolping - Pfarrgemeinderat und CSU ‚eins‘ sind, wo der Pfarrer nach unserer Rückkehr sich sehr kritisch zur Theologie der Befreiung äußerte (obwohl wir noch etwas machen wollten wegen Cajamarca innerhalb der hiesigen Pfarrei) und wo er für Marienwallfahrten nach Jugoslawien mehr Lust hatte“.
Zwei EH gelang es trotz distanzierter Haltung zur Ortskirche (wegen Materialismus in der Kirche, mangelnder Glaubwürdigkeit, politischer Allianz mit den „staatstragenden und christlichen“ Parteien usw.) eine Partnerschaft innerhalb einer Pfarrgemeinde aufzubauen und zu etablieren. „Engagement in Kirche: vorher ja, danach ebenfalls, aber anders. Aufbau einer Partnerschaft bewusst, innerhalb kirchlicher Strukturen, um diese (römischen) Strukturen durchlässiger zu machen (was aber eigentlich ein hoffnungsloses Unterfangen ist; was bleibt, ist das Wissen um die Freundschaft und Gemeinschaft innerhalb einer gelebten Partnerschaft und Gemeinde)“.
- Wo musste ich umlernen, weil mein deutsches „Wissen/Können“ nicht zutraf?
- Was habe ich beruflich gelernt?
Zusammenfassung: Zur Frage, was beruflich dazugelernt wurde, gibt es nur wenige Aussagen. Einmal werden konkret natürliche Heilmethoden genannt: „Ich lernte viel von den traditionellen Hebammen. Auch die neuen Mitarbeiterinnen, die ich ausbildete, lernten viel von den bisherigen Hebammen. Wichtig waren Heilkräuter und traditionelle Heilmethoden“. Dreimal werden die Methoden der „Pädagogik der Unterdrückten“ genannt. „Beruflich haben wir im Bereich der Volkserziehung - Pädagogik - Freire etc. viel gelernt, im Bereich der Sozialarbeit eher weniger“. „Beruflich lernte ich die Pädagogik von Freire dazu sowie sozialpolitisches Denken“.
Dagegen wird, wie schon bereits erwähnt, allgemein festgestellt, dass ein allgemeiner Lernprozess stattfand und zwar weniger im rein technischen „Handwerkszeug“ umgelernt werden musste, dafür aber im eher grundsätzlichen, z.B. wie man an eine Aufgabe herangeht, was dabei zu beachten ist (Vertrauensbildung, zwischenmenschliche Atmosphäre, stärkere Berücksichtigung von Gefühlen), Relativierung des messbaren Erfolges, die Bedeutung der Zeit, der Feste, der Traditionen, Relativierung der rein rationalen Betrachtungsweise usw. „Die deskriptive Denkweise der Campesinos war mir anfangs nicht vertraut. Ich musste sie mir erst bewusst machen und sehe sie jetzt als den glaubwürdigeren Weg einer Weltsicht“. „Ich habe die Entdeckung gemacht, dass vieles nur Beziehung ist und der Kopf eine zu vernachlässigende Größe“.
Folgende Aussage ist typisch und fasst das Wesentliche zusammen: „Ich musste in Peru überall umlernen, d.h. neu lernen, wo die Menschen stehen, was sie an Unterricht und Wissen brauchen können in ihrer Kultur und für ihr zukünftiges Leben. Ich habe warten gelernt, evtl. ein bisschen mehr Geduld, einen anderen Zeitbegriff, flexibel zu sein, mit kleinen Erfolgen zufrieden zu sein und einfach zu leben. Ich habe gelernt, wie Menschen, die fast nichts besitzen auch noch den letzten Teller Reis und das letzte Ei mit der Gringa teilen. Ich habe mehr Herzlichkeit und Menschlichkeit erfahren als je in Deutschland“.
In den Anfangsjahre in Bambamarca kam für die betreffenden deutschen Helferinnen noch ein zusätzlicher Lernprozess bzw. ein Umlernen dazu, nämlich die Erkenntnis, dass man ohne eine ganzheitliche Betrachtung der Menschen nicht sinnvoll an deren „Entwicklung“ mitarbeiten kann. Und zur ganzheitlichen Sicht des Menschen gehört - speziell bei den Campesinos - der religiöse Aspekt, identisch mit einer Weltsicht, in der alles (Kosmos, Erde, Mensch, Tier, Pflanze und alle Materie) miteinander untrennbar verwebt ist und ein Trennen der zusammengehörenden Teile zu Krankheit, Chaos und Tod führt. „Das Religiöse war ein Kernpunkt der Versammlungen und Schulungen.
Der religiöse Hintergrund machte es erst möglich, auch an soziale Probleme heranzugehen. Das Mitwirken, die Motivation, das Übernehmen von Verantwortung, gab die Kraft, um die notwendigen Veränderungen durchzuführen - von dieser engen Verbindung zum Glauben.... Ich nahm an diesen Gottesdiensten als Laie, als Krankenschwester teil. Ich wurde dabei von den Mitbetenden aufgefordert auch etwas zum Bibeltext zu sagen und auch ein Gebet zu sprechen. Es war für mich neu und ungewohnt, beim Gottesdienst etwas beizutragen. Dank der Teilnahme an den Gottesdiensten öffneten sich die Menschen für die beruflichen Hilfen und weckte in ihnen das Vertrauen“.
- Wie sehr und wie habe ich mich selbst verändert meine Wahrnehmung der Welt (Gesellschaft, Politik, Wirtschaft) mein eigener Glaube (Gottesbild, Kirchenbild, Spiritualität, Engagement, Kirchlichkeit) meine Beziehung zu Mitmenschen, insbesondere zu Randgruppen, zu Ausländern mein eigener Lebensstil (Konsum, neue Arbeit? neuer Freundeskreis?)
- Was habe ich durch meinen Peru - Einsatz „gewonnen“ („was hat’s mir gebracht“), bzw. verloren (man kann auch negative Dinge verlieren)?
Zusammenfassung: Ausnahmslos bestätigen alle EH, dass sie sich durch den Einsatz in Peru in vielfacher Weise verändert haben. „Öffnung, Befreiung, mehr Weitsicht, Unabhängigkeit von Kirchenstrukturen und - Autoritäten. Soziales Engagement hier und dauerhafte Mitarbeit in Friedens- und Solidaritätsarbeit“. Am häufigsten werden genannt: Politischer geworden: sozial sensibler, aufmerksamer für weltweite (wirtschaftliche) Zusammenhänge, Mechanismen der Unterdrückung (weltweit und lokal); „Gelernt habe ich, vieles hier bei uns anders und kritischer zu sehen und die Zusammenhänge von Ausbeutung, Unterdrückung und ungerechten Strukturen hier und in den Ländern der Dritten Welt zu erkennen“.
„Ich wurde wacher, kritischer auch gegenüber politischen Problemen, z.B. die Abhängigkeit von der Ersten Welt, der ungerechte Welthandel und die Verschuldung. Auch heute ecke ich mit meinen Meinungen an, wenn ich darauf hinweise, dass die Reichen, auch die reichen Länder, immer reicher werden auf Kosten der Armen“. Dieses Veränderung im Blick auf Gesellschaft und Politik führte dazu, dass heute zwölf EH angeben, nach der Rückkehr sich bewusst in diesem Sinne in verschiedenen Gruppen und Bewegungen engagiert zu haben. „Dies hatte Einfluss auf meine berufliche Tätigkeit hier und mein berufspolitisches Engagement, auf meine Mitarbeit in Gewerkschaft, Bürgerinitiativen und Gruppen der Städtepartnerschaft (Nicaragua)“. Nur ein EH betont, dass sein „Einsatz nun vorbei sei“.
Glaube: „Neues Gottesbild, neues Bild von Kirche (Bischof), andere Bibellektüre (mit anderen Augen). Ich habe gelernt zu beten wie die Campesinos, zu sprechen in der Kirche, über die Rolle der Frau nachzudenken (in Kirche und Politik). Ich fühle mich nun als Mitglied einer universellen Kirche (hilft mir den Frust hier zu überwinden)“. „Mein Gottesbild hat sich verändert; zuerst zu einem Christus in den Anderen, dann zu einem kosmischen Christus - aufgrund der selbst mit erfahrenen Naturreligion“. „Entdeckung der Spiritualität als Fundament allen Engagements“.
Alle EH sehen diese Veränderung positiv, einige Male auch als Befreiung. Sie sind im eigentlichen Sinne religiöser geworden (sich zurück gebunden, getragen und verpflichtet fühlen einem größeren Ganzen, den Mitmenschen und einer Gemeinschaft gegenüber, im Sinne einer Option, einer bewussten Entscheidung für Menschen und für einen Gott, der befreit), aber weniger kirchlich im traditionellen Sinn wie kirchliches Milieu, Kult und Sitten und Gebräuche (weniger römisch, aber mehr katholisch). „Ich wurde politischer, der Welt zugewandter, toleranter, eindeutiger in meiner Option zu Kirche, Welt, Gesellschaft.
Mein Glaube befreite mich von ‚Kleingläubigkeiten‘, meine Beziehung zu ‚Kirche‘ wurde differenzierter und freier“. Diese Veränderungen in Weltsicht und Glaube führte bei neun EH zu einem veränderten beruflichen Engagement oder zumindest zu neuen Schwerpunkten innerhalb der bisherigen Arbeit zugunsten sozial benachteiligter Menschen. „Seit sieben Jahren arbeite ich als Sozialpädagogin in der Betreuung von Flüchtlingen bei der Caritas.
Ohne meine Arbeit als Entwicklungshelferin hätte ich diesen Bereich sicher nicht gewählt“. Eine EH wurde Ordensschwester und lebt heute in einem Kloster in Bayern. Die insgesamt positive Bewertung schließt nicht aus, dass dies auch zu Schwierigkeiten führen kann, eben weil diese Veränderung bei vielen altbekannten Mitmenschen und sogar Freunden auf Unverständnis stößt. Der Gefahr (bzw. dem Privileg, weil nicht mehr bloßer Mitläufer) zum Außenseiter werden zu können, ist sich die Mehrheit bewusst.
„Nach der Rückkehr fühlte ich mich oft wie ein Wesen vom Mars, das auf der Erde gelandet ist (vor allem bei der Arbeit innerhalb der Kirche) - ohne die Chance, je verstanden zu werden“. Aber selbst in diesem Fall führte dies nicht zur Resignation. Zweimal werden auch ansatzweise Schuldgefühle genannt. „Seit meinem Einsatz in Peru lässt mich der Gedanke, unverdient in entwicklungsfördernden Verhältnissen geboren und aufgewachsen zu sein nicht mehr los - mit der daraus entstehenden Verantwortung“.
Auch der eigene Lebensstil wird eher in Frage gestellt als vorher. Fünfmal wird ein bis heute starkes Unbehagen an einer Konsumhaltung ausgedrückt, die den Menschen hindert, den Blick auf das Wesentliche richten zu können. „Mein Einsatz hat mir ganz neue Werte und Ansätze gezeigt. Ich habe nach wie vor Probleme mit unserer Konsumgesellschaft, mit den Ansprüchen in unserer Gesellschaft etc.“. Wie schon angedeutet, wird der Blick nun mehr als vorher auch auf die bei uns Ausgeschlossenen gerichtet. „Ausländer sehe ich heute sehr anders (emotional), weil ich weiß, was es heißt, in einem fremden Land zu leben. Angesichts der Menschenfreundlichkeit, mit der ich in Peru aufgenommen wurde, bemühe ich mich hier, Menschen aus anderen Ländern besonders entgegenzukommen“.
Insgesamt kommt ein Gefühl von Dankbarkeit zum Vorschein, Dankbarkeit für die Möglichkeit, in Peru, speziell unter den engagierten Bedingungen zugunsten der Ärmsten in Cajamarca, gearbeitet und gelebt haben zu dürfen. Diese Gefühl der Dankbarkeit führt auch zu mehr Gelassenheit in der Hektik unserer Zeit und zu einer Relativierung der eigenen Probleme. „Dankbar bin ich dafür, dass ich durch die peruanischen Menschen und deren Lebensumstände in der Diözese Cajamarca eine andere Lebensphilosophie vermittelt bekam, die mir hilft, vermeintlich Schweres heute in meinem Leben leichter ertragen zu können“. „Die insgesamt sechs Jahre in Peru waren für mich eine wichtige Zeit. Die Schwierigkeiten, die ich jeweils am Anfang hatte, sind in meiner Erinnerung ziemlich verblasst. Ich habe mich dann wohl gefühlt und hatte Freude an meiner Arbeit, trotz aller Probleme“.
- Welche Verbindung nach Peru habe ich noch und welches Interesse an allem, was in Peru passiert? Wie informiere ich mich?
Zusammenfassung: Bis auf zwei EH haben heute alle anderen EH noch Beziehungen nach Peru (auch die beiden EH „ohne Beziehungen“ freuten sich stets riesig, wenn sie Bischof Dammert während einer Deutschlandreise besucht hat). Es sind naturgemäß sowohl rein persönliche Beziehungen (Freundschaften) als auch projektbezogene Kontakte und wo beides zusammenwirkt, sind die Beziehungen am dichtesten. Neben den schon erwähnten Partnerschaften arbeiten heute noch
drei weitere EH in „Peruprojekten“ mit, eingeschlossen entsprechende Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland. Die Geschehnisse in Peru - Cajamarca werden von allen (ausgenommen zwei, s.o.) mehr oder weniger aufmerksam verfolgt. Die Informationen erhält man entweder aus entsprechenden Informationsmaterialien und/oder aus den direkten Kontakten nach Cajamarca bzw. zu Menschen, die mit Cajamarca zu tun haben. „Was in Peru passiert, interessiert mich nach wie vor
sehr. Ich informiere mich über die hiesigen Medien und erhalte immer wieder direkte Nachrichten aus Cajamarca von Freunden und von Bischof Dammert. Auch die ‚Informationen aus Cajamarca‘ von Dortmund lese ich immer mit großem Interesse“. „Über Familie Hillenbrand, Nagel, Bischof Dammert und Familie Meister habe ich immer noch Informationen über Peru und die weitere Entwicklung mit dem neuen Bischof in Cajamarca macht mir große Sorgen“.
- Was würde ich heute anders machen, wenn ich nochmals in Peru arbeiten würde?
- Welchen Rat würde ich einem neu ausreisenden Entwicklungshelfer zuerst geben?
Zusammenfassung: Neun EH machen sich Gedanken darüber, was sie heute anders machen würden. Dabei werden an erster Stelle genannt, dass man sich mehr Zeit lassen, sich nicht selbst unter Erfolgsdruck setzen und viel mehr Zeit in Begegnungen, Feste und Muse investieren würde. „Heute würde ich in aller Ruhe Lieder lernen, ebenso Quena oder Charrango und mehr Bücher lesen“. „Ich würde dafür sorgen, dass ich in regelmäßigen Abständen mal richtig Urlaub machte, Exerzitien oder dergleichen; d.h. einmal richtig abschalten und Standortbestimmung“. Als weiteres wird für wichtig gehalten, nicht (vorschnell) versuchen seine Herkunft und Identität zu leugnen oder zu verstecken. Das beinhaltet, auch öfter nein sagen zu können. „Z. B. würde ich häufiger einmal ‚nein‘ sagen ohne Angst, dass ich die Menschen vor den Kopf stoße. Ich würde mehr zu meinem Anderssein stehen“.
Dreimal wird rückblickend angemerkt, dass vielleicht doch zu sehr die Campesinos verklärt wurden, d.h. sie wurden so gesehen, wie man sie gerne gesehen hätte. So wie man selbst oft nur als „Ausländer ohne Gesicht“ angesehen wurde (bzw. das so empfunden hat), hat man umgekehrt die Campesinos eher als Kategorie und weniger als Individuen wahrgenommen. „Ich würde die Campesinos nicht glorifizieren, wie ich (und andere Mitarbeiter) das manchmal getan haben. Sie sind Menschen wie du und ich mit ihren Stärken und Schwächen“.
Dazu gehört auch, dass man heute offener über die Situation innerhalb der Kirche auch zu Dammerts Zeiten sprechen würde. „Ich würde freier auch über Missstände in der eigenen Kirche (in Cajamarca selbst) reden, die es auch zu Zeiten Dammerts gab, was man aber nicht als Ausländer thematisieren durfte“. Zweimal wird der Wunsch geäußert, einfach als Mensch unter Menschen in Cajamarca sein zu dürfen. „Ohne offiziellen Auftrag arbeiten müssen, einfach nur mitleben und tun, was notwendig ist (aus der Situation heraus)“.
Entsprechend sehen auch die Ratschläge an neu ausreisende EH aus: „Rat für einen neu ausreisenden EH: Sei offen, vergiss deine deutschen Normen, die Reinlichkeit und den Komfort. Vergiss alles, was du im Studium gelernt hast und tu erst mal nichts, schau dir alles nur an. Du kannst die Welt nicht verändern und die Ungerechtigkeiten nicht abschaffen. Nur die ganz kleinen Schritte zählen. Sei zufrieden mit ihnen!“ Oder: „Als Neuling sollte man zuschauen, nachdenken, fragen, nichts besser wissen - und das mindestens drei Jahre lang. Es ist besser, als Lernender dorthin zu gehen. „Beraten“ oder Eingreifen sollten wir nur, wenn man uns dazu zwingt“.
Zum Schluss ein Appell: „Verleugnet eure Herkunft nicht! Steht zu eurem Anderssein, was ja nicht heißt, dass ihr den Einheimischen nicht sehr nahe stehen könnt. Entscheidend ist nicht, so zu werden wie sie, sondern ein Austausch, ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Seid vorsichtig mit dem Geld! Seht zu, dass keine Abhängigkeiten entstehen! Passt auf, wenn ein Peruaner "ja“ sagt, aber doch „nein“ meint. Das ist keine Lüge, sondern eine Form der Höflichkeit. Mit der Zeit lernt ihr es schon zu wissen, was gemeint ist. Seid keine Einzelkämpfer, arbeitet im Team! Und vor allem: hört den Einheimischen gut zu und lernt von ihnen“!