Individueller Fragebogen

Vorbemerkung: Von den insgesamt 15 Gemeinden beantwortete in sechs Gemeinden niemand den individuellen Fragebogen. Es sind die Gemeinden, die schon Mühe hatten, den gemeinsamen Fragebogen in der Gruppe zu bearbeiten. Insgesamt antworteten 52 Personen aus 9 Gemeinden. Auch in diesen neun Gemeinden sind es in der Regel die aktivsten Teilnehmer, die auf die Fragen antworten. Die meisten Antworten kommen aus den beiden Gruppen aus Herzogenaurach und aus Ulm. Deshalb ist zu beachten, dass die Antworten auf die individuellen Fragebogen von den aktivsten Gemeinden und hier wiederum von den aktivsten Mitgliedern kommen. Deutlich ist zu beobachten, dass die individuellen Antworten offener sind, während es in der gemeinsamen Beantwortung ein Konsens gesucht werden musste. Die individuellen Antworten wurden in der Regel auch individuell abgegeben, ohne dass die übrigen Gruppenmitglieder über den Inhalt informiert wurden. Einige Gruppenmitglieder legten ausdrücklichen Wert darauf, dass sie ihre persönliche, auch abweichende Einschätzung einbringen durften.

Auch dieser Fragebogen wurde mit den Partnergemeinden zusammen entwickelt.

Fragen:

  • Was (wer) bewegte mich, bei der Gruppe mitzumachen?
  • War es zuerst der Gedanke der Partnerschaft oder kam dies erst später dazu?
  • Waren es die Art der Projekte? Oder auch die konkrete Möglichkeit, direkt helfen zu können?
  • Welche Erfahrungen von Enttäuschung, Ärger und Freude machte ich? ( in Bezug auf Gruppe und in Bezug auf Partnerschaft)
  • Was gibt mir die Kraft zum Durchhalten?

Zusammenfassung

Etwa ein Drittel nennt als Anstoß zur Mitarbeit die persönliche Ansprache durch Pfarrer, andere Gruppenmitglieder, Rückkehrer (ehemalige Entwicklungshelfer). Fast die Hälfte aber kam aus eigenem Antrieb zur Gruppe, wobei das entwicklungspolitische und weltkirchliche Interesse im Vordergrund stehen. Der Rest ist aus „Verpflichtung“ der Gemeinde gegenüber dabei. Der Partnerschaftsgedanke stand bis auf drei Ausnahmen anfangs nicht im Vordergrund bzw. er war völlig außer Sichtweite. Aber als der Partnerschaftsgedanke später dazu kam bzw. sich immer stärker entwickelte, wird dies übereinstimmend als große Bereicherung bewertet, was man nicht mehr missen möchte. Im Vordergrund stand eindeutig die Möglichkeit, direkt helfen zu können. Die Art der Projekte spielte keine große Rolle (nur zweimal).

Ausnahmen: „Wir lernten den Aufbruch der Kirche in Südamerika kennen. Wir lasen die Texte der Konferenzen von Medellín und Puebla. Und in der Zeit nach dem Konzil war die Enzyklika "Populorum progressio" ein Aufruf von höchster Stelle sich den Armen der Welt anzunehmen“. „Mein Vertrauen zu Misereor ist so groß, dass ich keine neue Gruppe zum Spendenfluss gründen muss. Das ‚Projekt‘ liegt für mich weniger in der Menge oder Effizienz der wirtschaftlichen Hilfe - als vielmehr in der Beziehung, die sich aus solchen Kontakten ergeben kann. Freunde und Interessierte hier werden durch die Verarbeitung der Informationen aus Peru immer tiefer in die Problematik hinein genommen, engagieren sich durch die direkteren, überschaubaren Verbindungen stärker und denken letztlich auch über ihre eigenen Lebensverhältnisse und die gegenseitigen Abhängigkeiten und Zusammenhänge nach. Auf diese Möglichkeiten, Lernprozesse auszulösen, kommt es mir an“.

Enttäuschungen ließen sich nicht vermeiden: Im Bezug auf die eigene Gruppe wird zuerst das Desinteresse, die mangelnde Resonanz und Mitarbeit genannt (innerhalb der Gruppe und Gemeinde insgesamt). Danach kommt der Ärger über zu viel Organisationsarbeit und Bürokratie (statt mehr inhaltlich arbeiten zu können), aber auch über fruchtlose Grundsatzdiskussionen.

Ebenfalls wird als große Enttäuschung genannt, dass es immer die gleichen sind, die alle Arbeit machen müssen und auch keine „Nachfolger“ in Sicht sind. Vereinzelt werden genannt: Ärger mit dem eigenen Pfarrer, keine Bewusstseinsveränderung in der Gemeinde ( je dreimal). Im Hinblick auf die Partner in Peru wird zuerst die mangelnde Kommunikation erwähnt (quantitativ und qualitativ, konkrete Fragen werden nicht beantwortet). Danach wird die Kooperation des peruanischen Pfarrers als sehr mangelhaft angesehen. Weiter ist man enttäuscht von der Arbeit und den Ansichten des neuen Bischofs.

Freude: Die entstandenen persönlichen Kontakte, meist auch in Zusammenhang mit den Besuchen, stehen mit Abstand an erster Stelle. Ohne diese Kontakte (und damit verbundenen Erfolgserlebnissen) wäre eine echte Partnerschaft nicht möglich. Diese persönlichen Kontakte, verbunden auch meist mit intensiven Erlebnissen, sind auch der wichtigste Grund, weiterhin an der Partnerschaft festhalten zu wollen und sich weiter zu engagieren. Nach dem Kennen lernen von Menschen und einer anderen Kultur spielen die Freude über gelungene Projekte und auch die entsprechenden Dankesbriefe der Partner eine eher untergeordnete Rolle. Entstandene Freundschaften innerhalb der Gruppe, ein gutes Gruppenklima, in dem das Miteinander Freude macht und freundschaftliche Kontakte zu anderen Peru-Aktiven in ganz Deutschland werden aus drei Gruppen berichtet. Diese Kontakte zu den Partnern sind es auch, die trotz aller Enttäuschungen genügend Kraft geben um durchhalten zu können.

Einige typische Aussagen: „Eben diese Begegnungen (s.o.) und das Beispiel von Leuten, die auch nach 20/30 Jahren und endlosen Enttäuschungen nicht resignieren. Das Gefühl, als Partner angenommen zu sein, der Auftrag des Evangeliums, die persönlichen Beziehungen zu den Freunden in Cajamarca. Kraft gibt mir der Glaube, die Einsicht in die Notwendigkeit und die Freude, die durch die Arbeit auch zu mir zurückkommt. Das Beschenktwerden durch die anderen. Die Bereitschaft für andere da zu sein und helfen zu können. Armen helfen, Kontakte, Probleme erkennen, insgesamt positive Idee. Kraft zum Durchhalten gibt mir das Wissen um das große Vertrauen, das von anderen in meine Arbeit gesetzt wird und mein christlicher Glaube, der mir besonders hier meinen Weg weist“.

  • Wie sehe ich selbst meine Mitarbeit und meine Stellung in der Gemeinde und wie hängt dies mit der Mitarbeit in der Gruppe zusammen?

Zusammenfassung: „Ich sehe die Mitarbeit in der Gruppe als aktive Mitarbeit in der und für die Gemeinde an“. „Ich sehe meine Mitarbeit und meine Stellung in der Gemeinde als wichtig an und ich denke, dass dies auch in der Gruppe so gesehen wird“. Diese Positionen sind - wenn auch mit anderen Worten - am häufigsten anzutreffen. Die Hälfte derer, die geantwortet haben, hat neben der Mitarbeit in der Perugruppe noch eine weitere Mitarbeit in der Gemeinde genannt, am meisten als Mitglied des KGR. Für die anderen ist die Mitarbeit in der Perugruppe die einzige Form der Mitarbeit in der Gemeinde, dies sehen sie aber als bewusste Gemeindearbeit (ausgenommen der nicht kirchliche Förderkreis). Die eigene Arbeit in der Gruppe wird durchaus als wichtig erachtet und aufgrund dieser Arbeit sieht man sich auch als wichtiges Mitglied der Gemeinde. Alle Antworten zeugen von einem starken Selbstbewusstsein, etwa die Hälfte aber moniert fehlende Anerkennung in der Gemeinde. Diejenigen, die von anderen als die treibende Kraft angesehen werden, sehen sich auch selbst so. Allerdings führt dies nur in einem Fall zu folgender Aussage: „Mache die Arbeit weitgehend selbst und vertrete die Gruppe hüben wie drüben nach außen“.

  • Habe ich „eigene“ Kontakte zu den Partnern (Einzelpersonen) gewünscht und gesucht?
  • Würde ich gerne die Partner besuchen? Warum? Was hält mich davon ab?

Zusammenfassung: Nur in einer Gemeinde standen eigene Kontakte zu den Partnern nicht im Vordergrund, sonst das stete Bemühen, eigene (will heißen über die „offiziellen“ Kontakte der Gruppe hinaus) Kontakte zu knüpfen. Dies geschieht wiederum am ehesten durch Besuche. Ein Besuch kommt für niemanden grundsätzlich nicht in Frage, ist aber aus Geldmangel oder gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Wer über eigene Kontakte verfügt, hat in der Gruppe und auch in der Gesamtgemeinde einen anderen Status. In einigen Fällen führt dies auch zum Konflikt in der Gruppe, weil über die einzelnen Kontakte unterschiedliche oder auch gegensätzliche Informationen in die Gruppe gelangen. Es besteht auch die Gefahr, dass dadurch das unterschiedliche Niveau in der Gruppe zementiert oder gar größer wird. Der „Besucher“ sieht sich nun in einer Rolle, in der er der einzige Experte ist und ihm deshalb auch die gesamte Arbeit und Verantwortung überlassen wird, was von den diesen teils selbst so provoziert wird, teils aber als Last empfunden wird.

  • Hat sich meine Motivation im Laufe der Zeit verändert, wie und durch was bedingt?
  • Wurden meine ursprünglichen Erwartungen bestätigt, revidiert, vertieft, enttäuscht?

Zusammenfassung: Motivation und Erwartungen:

Überwiegend kam es nicht zu einer Veränderung der Motivation, eher zu einer Vertiefung und Bestärkung. Zweimal wurde aber auch dies ausdrücklich verneint. Es wird von denen verneint, die in der Partnerschaft eine reine (materielle) Projektarbeit sehen. Die Vertiefung geschah durch die Besuche und Begegnungen, durch besseres Kennen lernen der Partner und ihrer Probleme und sie wurde intensiver, je mehr man Einblick in die dortigen Verhältnisse hatte und über die Lebensweise der Partner und über die Möglichkeiten der Hilfe Bescheid wusste. Zu einer Veränderung der Motivation (ein Viertel der Antworten) kam es durch den neu entdeckten Gedanken der Partnerschaft, durch die Entdeckung der politischen Dimension von „Entwicklung“ („Wir wussten auf einmal, dass wir hier auf der Seite der aus ihren Dörfern Vertriebenen stehen müssten“) und durch die gewachsene Erkenntnis, dass es nicht nur darum geht, „den Armen zu helfen“, sondern zu lernen und hier etwas zu verändern. Diese Minderheit ist in der Folge auch am stärksten daran interessiert, den Gedanken der Partnerschaft auch in die nichtkirchliche Öffentlichkeit zu bringen und ist offener für politische Aktionen.

Die Erwartungen wurden überwiegend revidiert und gleichzeitig vertieft, meist aber ohne weiteren Angaben. Es ist ein starkes Schwanken zwischen Enttäuschung (in Bezug auf eigene Gemeinde, auf die Partner, Kommunikation, Pfarrer und Bischof) und Vertiefung (Erfolgserlebnisse, Projekte, direkte Kontakte) zu beobachten. Eine verbreitete Stimmung trifft diese Aussage: „Eigentlich nicht, aber es hat bestimmt die Spontaneität, der Eifer nachgelassen, keine neuen Ideen mehr, fehlende Phantasie, mehr oder weniger zur Routine geworden (wie in der Ehe)“. Bei der Mehrheit (hier vor allem bei den älteren Partnerschaften) hat das Engagement
nachgelassen. Von einer Aufbruchsstimmung ist wenig mehr zu spüren. Die Energie, die zu Beginn in vielen Aktionen ein Ventil gefunden hat, ist zwar noch da, wird aber gebraucht, um den Veränderungen in Cajamarca (und Kirche allgemein) standhalten und den Partnern und den eigenen Zielsetzungen treu bleiben zu können. (Defensive statt Offensive)

  • Wie haben sich Glaube und Kirchenbild (Gemeindeverständnis) durch die Begegnung verändert?
  • Kam es zu einer anderen Sichtweise von Glaube, bzw. dessen Stellenwert für das eigene Lebenund innerhalb der aktuellen Gesellschaft?
  • Wie habe ich Kirchengemeinden in Peru im Vergleich zu uns erlebt?

Zusammenfassung: (Glaube, Kirchenbild, Gemeinde)

Es überwiegen die positiven Erfahrungen:„Trotz der vielen Schwierigkeiten, die wir durch Kirche erleiden, hat sich unser Glaube durch die Mitarbeit für die „Dritte Welt“ gefestigt. Er wurde menschlicher, entmythologisierter und stark entklerikalisiert. Die direkten, unter die Haut gehenden Erfahrungen in Peru, wie Menschen dort ihren Glauben mitteilen, sich in Gottesdiensten und Bibelgesprächen einbringen, aus dem Glauben leben im Alltag, hat meinen eigenen Glauben und meine Bereitschaft zum Engagement in der Gemeinde entscheidend gestärkt. Glaube als Impuls zum Einsatz für das Reich Gottes, für eine bessere Welt, wurde mir in der Konfrontation mit der Lebenswirklichkeit dort zunehmend wichtig. Gottes ‚Option für die Armen‘ habe ich dort begonnen zu begreifen“. „Positiveres Kirchenbild, weil sie sich mehr um Arme kümmert. Ich habe Kirche nicht als Hierarchie, sondern als Basisgemeinde erfahren. Durch den Blick mehr auf Weltkirche gibt es Ermutigung im Glauben, da bei der großen Gleichgültigkeit bei uns dort mehr Freude und Engagement sichtbar wird an und mit der Kirche. Wir sind Kirche“.

Die positiven Erfahrungen beziehen sich stets auf konkret erlebte Begegnungen in den Partnergemeinden und vereinzelt zusätzlich auf entsprechende Dokumente der Kirche („Option für die Armen“). Dadurch wird auch das Bewusstsein für die hier vor Ort existierende Kirche geschärft, ebenso für eventuelle Veränderungen „von oben“. Konkret: Auf dem Hintergrund der Erfahrung (und sei es auch nur einer möglichen Projektion) einer armen und eher solidarischen Gemeinschaft und eines gelebten Glaubens im Alltag, wird die eigene Ortskirche kritischer betrachtet als vorher. Dies kann zur Einsicht und zum Entschluss führen, in der eigenen Gemeinde sich mehr zu engagieren (in drei Gruppen).

„Ich erfahre Partnerschaft als Geschenk Gottes an uns Menschen. Gleichzeitig ist sie aber auch Herausforderung zum persönlichen Einsatz und Anfrage an den eigenen Lebensstil; so gab mir das erlebte Glaubenszeugnis unserer Schwestern in Porcón den letztlich entscheidenden Anstoß, mich für die Mitverantwortung in der Gemeindeleitung als Zweite Vorsitzende zur Verfügung zu stellen - eine Entscheidung, die mir nicht leicht gefallen ist“. Dieser Entschluss, sich in der eigenen Gemeinde zu engagieren, ist auch davon abhängig, ob Gemeindeleitung, die eigene Gruppe und Gemeinde insgesamt als so offen erlebt werden, dass dieser Einsatz auch als Erfolg versprechend angesehen wird. Aber auch das Gegenteil (mehrheitlich) ist der Fall: „Man wird oft noch wütender, wenn man von Besuchen in Lateinamerika zurückkehrt und erlebt, was Kirche oder auch Religion in Europa (sich) leisten. Wenn man dann noch das Gefühl hat, dass hierarchische Strukturen wieder mehr und mehr Einfluss auf die Menschen Lateinamerikas bekommen, dann ‚stockt‘ zumindest die Motivation“. „Kirchengemeinde empfand ich dort als Gemeinschaft, die mit dem Leben der Menschen zu tun hat. Hier empfinde ich nichts“.

„Das Kirchenbild ist Rom kritischer und distanzierter geworden, weil Rom zu konservativ ist; auch traurig darüber, dass doch zeitgemäße Antworten hier wie dort da sind und diese aber blockiert werden“. Nun scheint sich auch noch das bisher (zu ) positive Bild der peruanischen Kirche zu ändern: „Von der Kirche und meiner privaten Meinung, dass dies der einzige Ort ist, wo noch etwas für die Armen getan wird, habe ich inzwischen eher eine zwiespältige Meinung gewonnen. Ich habe keine Informationen darüber, dass der neue Bischof Simón von Cajamarca dieser wichtigen Aufgabe gerecht wird“. Ein großes Potential von Charismen kommt hier vor allem deshalb nicht zum Tragen, weil es einfach nicht eingefordert sondern eher ausgegrenzt wird. Es wird eher als Gefahr denn als Chance gesehen. Christlich motivierte Menschen, die es „umtreibt“, in Gemeinde, Kirche und Gesellschaft etwas im Geiste Christi verändern zu wollen, fühlen sich nicht ernst genommen und bleiben mit ihren Träumen allein. Zu gleicher Zeit wird in der Kirche von „Offiziellen“ beklagt, dass es immer weniger engagierte Christen gäbe.

Auch der Glaube und dessen Stellenwert für das eigene Leben und innerhalb der Gesellschaft hat sich geändert. Der Blick wurde geschärft für soziale Probleme. Etwa die Hälfte sagt, dass ihr Glaube politischer (öffentlicher) geworden sei, ohne dies aber näher zu konkretisieren. Nur eine kleine Minderheit (sieben Aussagen) wird konkreter: „Ich bin durch die Partnerschaft und durch konkrete Probleme dort zum politischen Denken und Handeln hingeführt worden, praktisch ‚zwangsläufig‘. Seither beschäftige ich mich persönlich mit politischen und wirtschaftlichen, mit ökologischen und sozialen Fragen des Überlebens der Menschheit und trage diese soweit möglich auch in die Gruppe und in die Gemeinde sowie in meinen persönlichen Wirkungskreis hinein.

Mein eigener Lebensstil hat sich dadurch ebenfalls verändert. Ich stehe in Verbindung zu Einzelpersonen und Gruppen, die ähnliche Einstellungen und Anliegen haben und suche die Zusammenarbeit“. „Ein offenes Kirchen-, Amts-, Sakramentenverständnis; Unterordnung des Kultes, der Verordnungen, Ämter... unter die existentiellen Bedürfnisse des ‚Volkes Gottes‘, der Gemeinde. Glaube muss glaubwürdig und lebbar sein. Überzogene Forderungen und nicht nachvollziehbare Riten, auch Sprache und Gesetze führen zu scheinheiligen Ersatzhandlungen, die nicht tragfähig sind“.

Vergleiche mit peruanischen Gemeinden und der eigenen Gemeinde fallen mehrheitlich zu Ungunsten der eigenen Gemeinde aus. Da aber einige Besucher über peruanische Gemeinden berichten, ohne das Gemeindeleben in ihrer Partnergemeinde näher kennen gelernt zu haben, sind diese Vergleiche naturgemäß sehr subjektiv und eher von den eigenen vorgefassten Vorstellungen geprägt. Verstärkt wird diese Tendenz noch durch den Umstand, dass die Besucher meist nur eine „feiernde“ Gemeinde erleben, weil zu Ehren der Besucher entsprechende Feierlichkeiten veranstaltet werden. Doch es gibt auch nüchternere Erfahrungen: „Kirchengemeinden in der Stadt unterscheiden sich nicht wesentlich von denen bei uns. Auf dem Land sind sie entweder als organisierte Gemeinde kaum zu finden, zumindest für uns wenig griffig - oder (wie um Bambamarca) wichtige Lebensgemeinschaften, die zum Teil das Überleben sichern und alle wichtigen Bedürfnisse angehen“.

„Offizielle Kirchengemeinde ist hierarchisch und vorkonziliär“. In der folgenden Aussage aber kommt die Meinung der Mehrheit zum Ausdruck, wie sie in ähnlicher Form immer wieder geäußert wird: „Ich habe aber den Eindruck, dass, bedingt durch materielle Not, dort die Hilfe untereinander stärker ausgeprägt ist und dass Dankbarkeit und Gastfreundschaft einen ungleich höheren Stellenwert haben als hier bei uns. Ich denke, da ist Wichtiges in unserer zivilisierten Welt verloren gegangen, vielleicht können wir es von unseren Partnern neu lernen“.

Auf das Thema „Spiritualität“ wird nicht eingegangen. Spirituell zu sein wird von einigen eher als Schimpfwort verstanden („Bin nicht fromm“, eine Aussage von einem kirchlich, christlich und in der Partnerschaft sehr engagiertem Mitglied). Es werden nur vereinzelt einige Stichwörter genannt: Freiheit, Eigenverantwortlichkeit, innere Bereicherung durch Partnerschaft. Dabei engagiert sich die überwiegende Zahl der Gruppenmitglieder deswegen so sehr in der Partnerschaft, gerade weil sie von einer tiefen Spiritualität erfüllt sind und Kraft daraus schöpfen.

  • Wie erlebe ich fremde Mentalität, Tabus, andere Weltanschauungen, andere Art zu glauben?
  • Erzählen Sie von Ihren Eindrücken, Gefühlen, Einstellungen, die sich durch die Kontakte entwickelten!

Zusammenfassung Eindrücke, Mentalität...:

Obwohl der individuelle Teil des Fragebogens von den Gruppen deshalb gewünscht wurde, um dann auch persönliche Erlebnisse und Eindrücke schildern zu können, wurde dann diese Möglichkeit nur selten wahrgenommen. Außer sehr allgemeinen Aussagen wie z.B., dass man durch die Begegnung mit anderen Kulturen, Sitten und Gebräuchen offener wird, einen weiteren Horizont gewinnt und von der Frömmigkeit, der Gastfreundschaft und der Fähigkeit, trotz großer Armut viel besser feiern zu können, sehr beeindruckt ist, gibt es nur sechs Beiträge, die darüber hinaus gehen: „Besonders stark ist die Erfahrung, dass die Partnerschaft keine Einbahnstraße ist. Wir könn(t)en viel empfangen, lernen (allerdings nicht übernehmen, kopieren). Es ist möglich - trotz aller Unterschiede - einander ganz ernst zu nehmen und daraus unmittelbar Kraft zu schöpfen. Ich bin beeindruckt von der tiefen Frömmigkeit und dem unkomplizierten Umgang unserer Partner mit dem Glauben“.

In drei Beiträgen werden einige Klischees auch hinterfragt, andere aber auch bestätigt. Dafür typisch ist folgender Beitrag: „Von Anfang an war für mich das Wichtigste das gegenseitige Kennen lernen. Die Probleme unserer Partner und die Art , wie sie dieselben bewältigen. Durch die Reise entwickelten sich bei mir sehr persönliche Eindrücke. Überwältigend war das Erlebnis der Gastfreundschaft, die Fröhlichkeit der Leute und das gemeinsame Feiern. Doch wenn man genauer beobachtete, sah man die vielen Probleme. Ich wollte ja Basisgemeinden kennen lernen. Doch was mit begegnete war die spanische Kirche. Mein Eindruck war, leider wollten dort die Leute nur Geld. Verständlich, denn die Armut ist dort sehr groß. Genauso schlimm die politische Unterdrückung. Am meisten beeindruckte mich, mit welcher Geduld besonders die Frauen, ihre Armut ertragen. Natürlich auch die Männer, aber da waren einige sehr betrunken. Hingegen arbeiten die Frauen und basteln, pflegen die Kranken, in einer Fröhlichkeit, die mich erstaunte“.

Mehrheitlich wird als positiv registriert, dass sich die eigene Mentalität durch die Begegnung mit einer anderen Mentalität relativiert hat. Man ist gelassener geworden, großzügiger, „weltläufiger“ und fühlt sich so nun eher als „Weltbürger“. Zwei typisches Zitate: „Der Blick über den eigenen Kirchturm hinaus hat mehr zum Nachdenken angeregt. Berichte in den Medien werden von mir viel aufmerksamer verfolgt“. „Der Umgang mit einer anderen Mentalität und Kultur erweitert den Horizont. Man blickt leichter über den Tellerrand hinaus, sieht Probleme im eigenen Land distanzierter“. Dreimal wird aber eine Veränderung der eigenen Position strikt verneint.

Es wird auch von einigen Tabus berichtet, diese werden aber nicht benannt. Man sieht offenbar keine Möglichkeit, das allzu Fremde zu verstehen, registriert es zwar, fragt aber selten nach und befasst sich lieber mit dem Vertrauten (Gastfreundschaft etc.). Aus den Berichten (oft nur Andeutungen) und nachfolgenden persönlichen Gesprächen lassen sich zwei Extreme (oft in einer einzigen Person vereint) herauslesen: das Fremde ist einerseits sehr anziehend, wird aber dann nur als positiv empfunden, wenn es in den eigenen Verständnishorizont eingeordnet werden kann. Kann es nicht eingeordnet werden, wird es ignoriert bzw. doch eingeordnet, nämlich unter die Rubrik „barbarisch“, was man aber - weil politisch nicht korrekt - nicht sagen darf.

Als „barbarisch“ kann schon die Tatsache bewertet werden, dass Meerschweinchen geschlachtet und gegessen werden und dass Frauen auf den Knien rutschend die Füße einer Heiligenstatue küssen. Andererseits besteht auch die Tendenz, das Fremde allzu schnell zu „verstehen“ und so zu vereinnahmen. Weil man schließlich tolerant sein will und sich für tolerant hält, werden Unterschiede sehr schnell bemäntelt. „Wir sind alle gleich“.

Nur sehr selten ist die Auseinandersetzung mit dem Fremden reflektierter und das Fremde kann auch so stehen gelassen werden: „Die Einfachheit, oft nur auf Überleben ausgerichteten Strategien, sind uns anfangs fremd und muten uns abweisend an. Mitleid kann nur ein Durchgangsstadium sein. Es liegt ein großer Wert in der Schlichtheit, im Elementaren. Solidarität unter Leidenden ist tragfähiger. Auch ihr Weltbild und ihre Philosophie sind differenzierter und vielfach ‚wahrer‘ als wir es begreifen können. Was würde geschehen, wenn die gleichen Campesinos in unserem üppigen Lebensstandard schwimmen würden? Wie würde sich ihre Persönlichkeit verändern, ihre Solidarität, ihr Gottesbild? Ich kann nur fasziniert hinschauen, jedoch nicht verstehen, wie das Weltbild der Campesinos von innen her aussieht.

Manche Verhaltensweisen erschrecken mich aufgrund ihrer Härte, andere ziehen mich an durch ihre menschlich-wohltuende Ausstrahlung“. Je intensiver die Kontakte sind und je näher man so den Campesinos menschlich kommt, desto differenzierter werden die Berichte, desto mehr lernt man auch die Unterschiede kennen, zu respektieren und versucht nicht, gleich alles verstehen zu wollen, was letztlich nicht anderes wäre, als das Fremde in die eigene Welt eingliedern zu wollen, es letztlich zu erobern und besitzen zu wollen.

  • Wie hat sich meine Beziehung (bzw. Stellung in) zur Gemeinde verändert?

Zusammenfassung Stellung in der Gemeinde: Hierzu kamen wenige Antworten. Für die meisten Gruppenmitglieder ist dies kein Thema, weil ihre Peruarbeit die Stellung in ihrer Gemeinde wenig berührt - entweder weil sie (in wenigen Fällen) in Distanz zur Gemeinde stehen („als Informant zu Peru werde ich anerkannt, ansonsten ist es für beide Seiten besser, wir bleiben auf vornehmer Distanz“), oder weil sie unabhängig davon mehrheitlich in der Gemeinde fest verankert sind, so dass ihr Ansehen in der Gemeinde nicht von der Partnerschaftsarbeit abhängt. Diese beklagen sich dann zwar zum Teil, dass ihre Partnerschaftsarbeit nicht als wertvoll anerkannt wird, aber ihre Stellung innerhalb der Gemeinde ist dennoch davon unberührt. Im Gruppenfragebogen wurde deutlich, dass die Zeit der Konflikte innerhalb der Gruppe im wesentlichen vorbei ist (durch Abgänge der „Störenfriede“) und dass diejenigen, die jetzt noch aktiv sind, ihren Ort gefunden haben.

So kommt es nur zu wenigen davon abweichenden Aussagen: „Meine Stellung in der Gemeinde hat sich insofern geändert, dass ich gefestigter und fundierter meine Vorstellungen von Hilfe und Partnerschaft vertreten kann. Ich habe oft Probleme mit der ‚Verkopftheit‘ unserer Gemeinde, die über alles immer endlos reden muss und Vieles dadurch zerredet“. „Nach meiner Reise musste ich erst einmal verkraften, dass die Eindrücke unserer Gruppe sehr unterschiedlich waren. Wir waren auf einmal zwei Gruppen und die Leute zu hause hörten lieber die Berichte der anderen Gruppe. Ich wurde immer einsamer und unsicherer“.

  • Wie gehe ich mit Konflikten in der (mit der) Partnergemeinde um?
  • Worin liegen die Ursachen vieler Konflikte (hier und dort)?
  • Was lösen Berichte aus der Partnergemeinde bei mir aus?

Zusammenfassung Konflikte/Ursachen/Berichte:

Wie schon in der Gruppe, so spricht man auch in den individuellen Antworten nicht gerne von Konflikten oder man behält die Informationen lieber für sich. Einige (ältere und sehr auf die Gemeinde bezogene) Gruppenmitglieder sprachen gar davon, dass solche Fragen sehr intim seien und nicht in die Öffentlichkeit gelangen dürften. Dennoch gab es 25 Antworten. Konflikte in den Partnergemeinden werden zumindest geahnt und werden als sehr belastend empfunden („sie gehen zu Herzen“). Zweimal wird aber auch dies verneint („weit weg, keinen Einfluss“). Einmal nur wird gesagt, ganz offen (als Einzelperson) darüber zu berichten.

Über die persönliche Belastung durch die Konflikte scheint in den Partnergruppen nicht genügend gesprochen zu werden, so dass Einzelne damit allein gelassen werden. Da auch innerhalb einer Gruppe der Grad der Betroffenheit sehr unterschiedlich ist, fühlen sich die sensibleren Mitglieder unverstanden und müssen überwiegend allein mit der Belastung fertig werden. Sie finden dabei auch kein Verständnis bei ihrem Pfarrer. So kommt es auch in zehn Fällen vor, dass die Gruppe noch nicht einmal ahnt, wie sehr der Einzelne leidet (berichtet aus der Sicht der Betroffenen). Auf jeden Fall wird aus keiner Gruppe berichtet, dass die Gruppe diese Belastung versucht offensiv aufzuarbeiten bzw. dass dies in der Gruppe zum Thema gemacht wird. Die größte (seelische) Belastung ist das aus der Sicht der Betroffenen veränderte Verhalten der Pfarrer in den Partnergemeinden, meist verbunden mit dem enttäuschenden Verhalten des neuen Bischofs. Dieses als klerikal, Macht besessen oder wie auch immer genannte Verhalten, wird teils als persönliche Niederlage empfunden, als Demütigung, die man ohnmächtig ertragen muss.

Die Mehrzahl geht aber anders mit den Konflikten um. Die am meisten anzutreffende Strategie (vielleicht auch die „gesündeste“, rationalste) ist es, die Konflikte in der Partnergemeinde als innerkirchliche Probleme in Cajamarca anzusehen, die zwar die Partnerarbeit betreffen, aber sonst nichts mit uns zu tun haben, denn in unseren Gemeinden können wir ja (noch) ungestört arbeiten. Der zweit häufigste Ausweg ist die Konzentration auf die Projekte und so lange die nicht unterbunden werden, ist die Partnerschaft nicht in Gefahr.

Ursachen der Konflikte: Auch bei den Gruppen, deren Partnergemeinden - wie noch zu sehen sein wird - vor gravierenden Veränderungen stehen, ist die Fähigkeit, mit den Konflikten umzugehen nicht stark ausgeprägt oder es werden Konflikte nicht gesehen. Eine rationale distanzierte Analyse der Ursachen ist äußerst selten und wird auch aus keiner Gruppe berichtet (außer: neuer Bischof, Klerikalismus und anderen Schlagwörtern). Das bedeutet aber nicht, dass sich nicht einzelne Gruppenmitgliedern sehr wohl damit befassen.

Es herrscht ein eher unterschwelliges Gefühl der Ohnmacht und ein stilles, passives Leiden vor. Es trägt auch zur Verunsicherung bei, dass die am meisten von den Veränderungen in der Pastoral in Cajamarca Betroffenen offenbar keine Möglichkeiten haben, ihre Partner zu informieren. Genauer gesagt: Die Mehrzahl der Gemeinden hier hat keinen Kontakt zu den wirklich Betroffenen. Man weiß eben nicht so recht, woran man ist, an was man sich halten kann und ob Berichte aus Cajamarca - von wem auch immer - vielleicht doch zu einseitig sind. Nur in den Gemeinden Ulm und den beiden Gruppen in Herzogenaurach wird von den einzelnen Gruppenmitgliedern offen über die Ursachen der Konflikte berichtet. Mehrere Aussagen aus Ulm: „Die Ursache der Konflikte liegt in der unterschiedlichen Auffassung von Gemeindeverständnis zwischen Basis und Gemeindeleitung, in verkrusteten Strukturen und Auffassungen.

Es gibt ein unterschiedliches Gemeindeverständnis und ein Desinteresse an der Partnerschaft seitens der offiziellen Kirche“. Herzogenaurach: „Die Konflikte in den Partnergemeinden entstanden durch das Ausscheiden Bischof Dammerts aus seinem Dienst und durch den neuen pastoralen Stil des neuen Bischofs. Das hat uns alle tief getroffen, vermutlich sogar gespalten. Ursache vieler Konflikte sind auch nicht geklärte Vorurteile und parteiliche Positionen. Zum Freundeskreis (der Pfarrei): diese Gruppe ist sehr heterogen in ihrem Glaubensverständnis. So werden Herzogenauracher ‚Glaubenskriege‘ auf die Partnerschaft übertragen.

Die ‚Papst- und Klerusfrömmigkeit‘ und ihre entsprechenden liturgischen und pastoralen Konsequenzen reibt sich sehr an etwas offener denkenden und handelten Mitbürgern (die teils kaum als ‚Mitchristen‘ anerkannt werden). Mangelnde Landes- und Kulturkenntnis und der oft weit auseinanderklaffende Informationsstand vergrößern vorhandene Konflikte“. „Die Ursache vieler Konflikte in unserer Gruppe ist in der Person des vorherigen Pfarrers Pedro Cáceda zu suchen, der durch seine ‚privaten‘ Kontakte zu einigen Gruppenmitgliedern eine ‚Quasispaltung‘ unserer Gruppe bewirkt hat.

1992 kam der große Schlag. Bischof Dammert wurde pensioniert. Es kam Bischof Simón. Sein erster Brief an die Gruppe war eine Geldforderung und überhaupt, dass alles Geld über ihn laufen sollte. Von Partnerschaft war keine Rede mehr. Laien interessierten ihn nicht. Er wollte seine Priester zu einer Elitetruppe ausbilden. Wir waren schockiert“. Auf Berichte aus der Partnergemeinde wird stark emotional reagiert (ist positiv gemeint). Dabei stehen positive Emotionen und Reaktionen deutlich im Vordergrund, nämlich neuer Motivationsschub, Freude, Dankbarkeit und Anerkennung für die Leistung der Partner (Campesinos, Frauengruppen, Katecheten). Wut, Schmerz und Ärger führen nur in zwei Fällen zu einer „inneren Aufkündigung“ der Partnerschaft, sonst zu vermehrtem Mitgefühl, Wunsch nach mehr Kommunikation und mehr Aktivitäten hier (bei der Gruppe als ganzes sieht es anders aus!).

  • Habe ich in der Partnerschaftsarbeit die (Amts-) Kirche eher als Hilfe oder Last erlebt?

Zusammenfassung (Amts-) Kirche: Auch wenn es streng genommen keine Amtskirche gibt und vor allem die Amtsträger diesen Begriff (zu Recht) nicht gern hören, so wird er dennoch hier verwendet, weil in der Sprache des Kirchenvolkes klar ist, was und wer damit gemeint ist. Trotz des Bewusstseins „Wir sind Kirche“ wird in der Regel immer von der Kirche als einem Gegenüber gesprochen, vor allem wenn es um Kritik geht. Fast alle antworten mit einem teils - teils (positiv, hilfreich - negativ). Die eigene Gemeinde (Pfarrer) wird bis auf fünf Antworten (aber aus einer Gemeinde) nicht als Last oder Hindernis (in Bezug auf Partnerschaft ) erlebt. Es ist auch zu beachten, dass für die Mehrheit der eigene Pfarrer nicht zur Amtskirche gezählt wird.

Die Amtskirche in Deutschland spielt in Bezug auf die Partnerschaft keine Rolle (weder positiv noch negativ). Überwiegend wird festgestellt, dass die kirchlichen Strukturen dazu beitragen, Hilfe effektiver zu gestalten und auch die Beziehungen zu den Partnern dadurch erleichtert werden. Man kann den Apparat der Kirche als Vehikel für die Zwecke der Partnerschaft nutzen.

Bei der Amtskirche in Cajamarca wird allerdings klar unterschieden zwischen Bischof Dammert (und anderen „Bischöfen Medellíns“) und dem jetzigen Bischof. Bischof Dammert wird nicht ein einziges Mal negativ erwähnt, sondern folgende Aussage zieht sich wie ein roter Faden durch alle Antworten: „Wir haben in Bischof Dammert zum erstenmal einen Vertreter der Amtskirche erlebt und erfahren, der sich den Problemen der ‚Welt‘ und den Menschen zu wandte und keine Formalitäten in den Vordergrund stellte“. Aber auch die sich (als negativ empfundene) vollziehende Veränderung der Amtskirche in Gestalt des Bischofs von Cajamarca (und anderswo) steht nicht im Mittelpunkt des Interesses.

Denn es wird allgemein festgestellt, dass die Frage nach der Amtskirche eher eine Frage nach den Rahmenbedingungen und nicht die zentrale Frage ist. Es wird in diesem Zusammenhang auch nicht ein einziges Mal der Papst erwähnt. Es geht den Gruppen letztlich nicht um die Amtskirche, sondern um die Partner und die Amtskirche kommt darin nur insofern vor, ob sie die Partnerschaft behindert oder fördert, ob sie im Wege steht oder mit auf dem Weg ist. Folgende Aussage ist repräsentativ für alle Antworten: „Mein Wunsch ist, die Armen in ihrem Bemühen um ein menschenwürdiges Leben zu unterstützen und nicht eine ‚Amtskirche‘ in Cajamarca zu stärken, von der ich nicht weiß, auf welcher Seite sie steht“.

  • Führte eine evtl. veränderte Mentalität und Sichtweise zu einer kritischeren Sicht der eigenen Gesellschaft?
  • Wurden wir durch die Partnerschaftsarbeit politischer, bzw. sensibler auf unsere soziale Situation vor der eigenen Haustür? (wachsende Armut, Minderheiten, etc.)
  • Ergibt sich daraus ein neues Interesse an Menschenrechtsfragen, an internationaler Sozial - Wirtschafts - und Entwicklungspolitik?
  • Gibt es daher besondere Kontakte zur politischen/wirtschaftlichen Welt, bzw. zu staatlichen Organisationen (lokal und/oder überregional)?

Zusammenfassung Gesellschaft (kritischer, politischer, sensibler): Davon abgesehen, dass für ein gutes Drittel diese Frage sich nicht zu stellen scheint, liegen die Antworten weit auseinander (auch innerhalb einer Gruppe). Generell ist aber auch hier festzustellen, dass in den Gruppen, die schon von ihrer Zielsetzung her den Blick nicht nur auf karitative Hilfe und Projekte gerichtet haben, die Frage nach der Veränderung im eigenen Umfeld und Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt. Es sind hier auch wiederum vor allem (aber nicht ausschließlich) die Gruppen, die entweder von Beginn an eine Partnerschaft anstrebten oder deren Mitglieder schon vorher Erfahrungen in der Dritte-Welt-Arbeit gesammelt haben, die am deutlichsten Stellung beziehen.

Für zwei Drittel der Antworten, sind folgende Aussagen typisch: „Das Verhältnis zur eigenen Gesellschaft ist kritischer geworden. Es hat mein eigenes Leben insofern etwas verändert, dass mein Lebensstil bescheidener wird. Der Blick auf die sozialen Verhältnisse dort bewegt dazu, noch mehr abzugeben“.„Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich allgemein sensibler und noch sehr viel kritischer gegenüber der ‚3.Welt-Politik‘ geworden bin, gleichzeitig sehe ich die Verknüpfung mit den Problemen vor der eigenen Haustür“. „Man schüttelt mehr denn je den Kopf über die Konsum- und Ego-Gesellschaft hierzulande“. „Sicher erlebe und beurteile ich unsere Gesellschaft seit meiner Rückkehr entschieden anders, da ich die Schatten erlebte, die unsere Wohlfahrtsgesellschaft in Peru wirft. Ich wähle andere Parteien als vorher und sehe auch die Kirche anders“. „Die Beschäftigung mit den Problemen der ‚Dritten Welt‘ hat unseren Blick für die Probleme unserer Gesellschaft verschärft, uns Mut gemacht die Dinge beim Namen zu nennen und aktiv zu sein“.

Der Zusammenhang zwischen unserer „Überflussgesellschaft“ und Armut bei den Partnern wird hier gesehen und auch thematisiert. Man möchte durchaus noch politischer werden, fühlt - eher als man sich konkret vorstellen kann - dass sich etwas verändern müsste (auch bei sich), sieht sich aber - vor allem durch das kirchliche Umfeld - gebremst und unverstanden, als winzige Minderheit in der eigenen Kirchengemeinde. Gefühle des Unbehagens oder gar von Schuld sind zu beobachten, weil man bei sich selbst zu wenig Änderung bemerkt und auch das eigene Umfeld nicht ändern kann (noch nicht einmal die eigenen Kinder). Wenn man dann auch noch an die großen weltwirtschaftlichen Zusammenhänge denkt, überkommt einem erst recht das Gefühl von Ohnmacht. Auch von der Kirche als Institution und von der Theologie fühlt man sich im Stich gelassen oder zumindest unverstanden. Von einer Minderheit wird vor allem deswegen auch die (deutsche) Kirche kritisiert, weil sie sich aus deren Sicht um Dinge kümmert, die niemanden interessiert, mit sich und ihren Strukturen beschäftigt ist, materiell zu reich ist, spirituell aber arm und zu sehr mit dem politischen System verknüpft ist.

Ein Drittel stellt keine Änderung in der Bewertung der Gesellschaft fest, die Hälfte davon (neun Antworten) lehnt einen Zusammenhang zwischen Partnerschaftsarbeit und politischer Fragestellung entschieden ab. „Nein, wir holen auch deren Probleme ins eigene Land und die Sache wird für diese und für uns dadurch nicht einfacher“. „Wir konzentrieren uns auf die Partnerarbeit und wollen uns nicht in Probleme einmischen, die uns nichts angehen oder wo wir doch nichts ändern können“. Bei den Fragen, ob man durch die Partnerschaftsarbeit politischer und sensibler geworden ist, sind die Antworten und Zahlenverhältnisse deckungsgleich, wie oben.

Die Sensibilität für politische, soziale, wirtschaftliche Probleme wurde bei der Mehrheit ausgeprägter. „Sicherlich macht Partnerschaftsarbeit auch sensibel für soziale Situationen hier und allgemeine Menschenrechtsfragen“. „Andererseits bemerkt man schneller Elend und Armut vor der Haustür. Man wird Minderheiten gegenüber offener, bisweilen steigert sich diese Haltung sogar zur Intoleranz gegenüber bisher vertrauten Menschen. Man wird ‚subjektiver‘, verliert den objektiven Standpunkt, wird streitbarer“. „Der Umgang mit den Partnern zeigt uns, wie ähnlich oft die Verhältnisse hier und dort sind. Die Schere zwischen reich und arm geht auch bei uns langsam stärker auf, wenn auch auf einer anderen Ebene“.

Mit Verwunderung wird sechs mal festgestellt, dass man sich in seinem konkreten Engagement, z. B. eine Unterschriftenaktion gegen Rüstungsexport oder Asylgesetzgebung, nun plötzlich in einem großen Gegensatz zu christlichen Parteien (besonders in Bayern) sieht. Das bisher fest gefügte Weltbild gerät ins Wanken. Aus diesen Einsichten ergeben sich auch Konsequenzen. „Wie im Gruppenfragebogen angedeutet, erwachsen daraus vielfältige Engagements in der Friedensbewegung, Dritte Welt- , Ausländer- , Behindertenarbeit und punktuell an anderen sozialen Brennpunkten“.„Mein Interesse an internationaler Wirtschafts- und Sozialpolitik wurde verschärft. Die Zusammenhänge lassen sich besser verstehen. Es ist leichter, bei Diskussionen eigene Standpunkte zu vertreten und zu anderen Stellung zu nehmen“. „Durch Partnerschaftsarbeit entstand ein neues Interesse an Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. Gerade damit beschäftige ich mich mehr denn je“. „Ich erkenne immer stärker, wie die armen Länder überall - in Südamerika, Afrika, Asien - von den reichen Ländern ausgenutzt werden. Unsere Aufgabe ist es, in unserer Gesellschaft mehr Aufgeschlossenheit gegenüber den Problemen dort zu wecken“.

Doch stellt die Mehrheit bedauernd und selbstkritisch fest, dass zwar die Einsicht da ist, die entsprechende Praxis aber fehlt. „Interesse ja, persönliche Konsequenzen kaum“. Das Verständnis in gewisse Zusammenhänge und auch die Bereitschaft, bei entsprechendem Anschub bei einer Aktion mitzumachen, ist dennoch gewachsen. Selbst das für alle als schwer zu verstehend bezeichnete Thema der Weltwirtschaft wird mehrheitlich als wichtig angesehen, um bestimmte Zusammenhänge, die das Leben in den Partnergemeinden betreffen, zu verstehen.

Hervorzuheben sind hier vor allem die Fragen, was man in Deutschland unter Entwicklungspolitik versteht bzw. wem diese Hilfe bisher konkret zugute kam (Beispiel Staudamm bei Cajamarca); wie es möglich ist, dass in Cajamarca die größten Goldvorkommen in Amerika ausgebeutet werden und dort die Bevölkerung immer ärmer wird und die Frage der Auslandsverschuldung Perus, die zu immer größerer Armut in Peru führt, obwohl die Armen nichts von den Krediten sahen und die Schulden eigentlich schon längst getilgt sind. Unterstützung in diesen Fragen bekommen die Gruppen vor allem von Misereor, was sehr dankbar angenommen wird.

Einzelne Gruppenmitglieder (12) sind bewusst als Christen in politischen Gruppierungen aktiv (Menschenrechtskomitees, Umweltorganisationen, Bürgerbewegungen etc.). Wenn politische Aktionen wie Unterschriftensammlungen etc. von einzelnen Gruppen beschlossen werden, stößt dies auf Widerstand in der Kirchengemeinde bzw. Kirchenrat/Pfarrgemeinderat. „Die Agenda 21 wurde im Pfarrgemeinderat eingebracht, doch obwohl Kohl unterschrieben hatte und selbst die CSU, war dies trotzdem im PGR sehr schwierig gewesen“.

Das Unverständnis und die entsprechenden Reibungspunkte zwischen Partnerschaftsgruppe und den demokratischen Gremien der Pfarrei sind dort am größten, wo diese Gremien aufgespaltet sind in Kirchen (-verwaltungs)rat und Pfarrgemeinderat. Das eigentliche Entscheidungsgremium, der Kirchenrat mit der Entscheidungsbefugnis über die Finanzen, ist in keiner Gemeinde mit der Partnerschaft befasst, während dort der Pfarrgemeinderat mit seiner pastoralen Zuständigkeit eher als unverbindliche Spielwiese für Idealisten angesehen wird (aus der Sicht der Mitglieder). Ebenfalls wird berichtet, dass im Kirchenrat gewohnheitsmäßig häufig die Honorationen christlicher Parteien, Verbände und andere wichtige Persönlichkeiten sitzen und deswegen auch die Männer weit in Überzahl sind.

Es kann an dieser Stelle nicht weiter der Frage nachgegangen werden, warum in deutschen Gemeinden (bzw. deren Gremien) die Frage nach dem Geld offenbar die entscheidende Frage ist. Es ist offensichtlich so, dass dort, wo am meisten Geld ist, auch am meisten über Geld geredet wird. In den Pfarreien der Diözesen Freiburg und Rottenburg - Stuttgart (Baden-Württemberg), wo es nur den einen Kirchengemeinderat gibt, ist die Partnerschaft stets mehr in die Gemeinde integriert und wird vom Kirchengemeinderat mit getragen. Die Mitglieder und Kandidaten für den KGR lassen sich hier auch von einer eher pastoralen Motivation heraus (in Städten eher als auf dem Land) für die Mitarbeit im KGR gewinnen. „Offizielle“ Kontakte zu politischen und wirtschaftlichen Organisationen im engeren Sinne (Parteien, Unternehmen) gibt es nur in den beiden Gruppen Herzogenaurach, vor allem aus der Zeit des Staudammprojekts und in Tettnang. Diese Kontakte spielen aber auch dort keine große Rolle (mehr).

  • Wird die Rolle (Aufgabe) der Kirche in der globalen Gesellschaft neu bewertet?

Zusammenfassung Rolle der Kirche:

Auch hier sieht eine Minderheit (ein Viertel) keineÄnderung in der Bewertung der Rolle der Kirche innerhalb einer immer globaler werdenden Gesellschaft. Innerhalb dieser Minderheit lehnt die Hälfte jede auf die Gesellschaft bezogene Aufgabe der Kirche ab. „Ich sehe die Aufgabe der Kirche nicht zuerst in einer Gesellschaftsveränderung, sondern in der Lebensermutigung. Die Gesellschaft müssen alle gestalten“. Die Mehrheit aber kommt zu einer neuen Bewertung der Rolle der Kirche. Einhellig wird ein entschiedenerer Einsatz für die Armen und Unterdrückten gefordert sowie eine entschiedene Stellungnahme zu sozialen Verwerfungen und Parteinahme für die Opfer dieser Verwerfungen.

Dabei ist unter Parteinahme stets gemeint, dass eine Analyse der Ursachen der ungleicher Verteilung von Reichtum und Armut unbedingt dazu gehört. Neben Anwalt und Stimme der Armen soll die Kirche auch aktiv für Frieden eintreten, ohne Rücksicht auf politische Kräfte. Bei einer kleinen Minderheit wurde durch die Partnerschaftsarbeit erst entdeckt, dass die Kirche in vielen Orten der einzige Anwalt der Armen ist und auch die kirchlichen Dokumente eine Orientierungshilfe sein können. Acht Gruppenmitglieder (die nun zu den aktivsten zählen) bewerten deshalb heute die Kirche positiver oder haben gar ein neues Verhältnis zu Kirche gewonnen (wobei bei diesen acht Menschen die Kirche nicht zuerst als Amtskirche
gesehen wird). Die Erwartungen an die Kirche sind bei fast allen Mitgliedern noch sehr hoch, d.h. man traut der Kirche noch etwas zu, wenn sie sich nur auf ihren Ursprung besinnen würde. „Meine Erwartungen an die Orts- und Weltkirche wären sehr groß - ich kann z.Z. nicht glauben, dass sie nur teilweise erfüllt werden. Die Orts- und Weltkirche müsste ähnlich der lateinamerikanischen Kirche im Aufbruch der 60/70 -er Jahre nach Vatikanum II, Medellín und Puebla nicht nur laut aufschreien, sondern solidarisch und mutig die Option für die Armen und für gleiche Rechte für alle kämpfen, statt mit den Mächtigen um die Macht zu buhlen“.

„Ich wünsche mir, dass sich die offizielle Kirche endlich total und überall auf die Seite der Unterdrückten und Benachteiligten stellt, hier und dort“. Eine starke Minderheit innerhalb der Befürworter einer engagierteren Rolle der Kirche in der Gesellschaft zu Gunsten der Benachteiligten würde zwar immer noch ein entsprechendes Verhalten der Kirche wünschen, hat aberdie Hoffnung auf eine Änderung der Kirche verloren. „Durch die letzten kirchenpolitischen Maßnahmen der Kirche (Ernennung von Bischöfen, Rolle der Laien) habe ich den letzten Rest der Hoffnung verloren, dass man in der Kirche je etwas begreifen wird. Wenn ich trotzdem weiter mache, dann um der Freunde in Cajamarca willen“.

Von einer kleinen Minderheit (anzutreffen innerhalb der starken Minderheit) wurde die Rolle der Kirche in Geschichte und Welt schon immer skeptisch beurteilt. „Die Rolle der Kirche wird ambivalent gesehen: einerseits als Mitverursacher des Übels, zumindest als Institution, die das Ganze weltanschaulich abgesichert hat, andererseits als Ventil für befreiende Nächstenliebe (Theologie der Befreiung). Mein Verständnis für Solidarität war aber noch nie auf kirchliche Einflüsse allein beschränkt, es speiste sich immer auch aus sozialdemokratischen Traditionen“.

Gruppenmitglieder, die Kirche grundsätzlich ablehnen, gibt es nicht (bzw. dies wurde nicht geäußert). Die eher „kritischen Geister“ haben alle ein „Verhältnis“ zur Kirche, haben sich mit ihr auseinander gesetzt, leiden auch unter und an der Kirche, lassen sich aber mehr von den Werten des Evangeliums leiten als von Tradition und Erziehung. Innerkirchliche Themen wie Zölibat, Priestertum für Frauen etc. spielen in der Kritik und auch in derDiskussion innerhalb der Gruppen offenbar keine Rolle.

  • Was war für mich das schönste Erlebnis und was die größte Enttäuschung?

Zusammenfassung schönstes Erlebnis/Enttäuschung:

Das schönste Erlebnis war mit weitem Abstand der Besuch in Peru (oder auch Gegenbesuch). Nur vier Antworten nennen andere Ereignisse an erster Stelle (erfolgreicher Abschluss von Projekten). „Es gibt viele ‚schönste Erlebnisse‘, sie spielen alle in Peru. Wenn ich eines auswählen müsste: Der gemeinsame (Wort-) Gottesdienst von acht Campesinogemeinschaften in Callatpampa“. „Bei unseren Besuchen auf dem Lande die Freude der Menschen erleben zu dürfen“. Mehrheitlich sind es die Besuche auf dem Lande, die in Erinnerung bleiben. Wo es nicht zu diesen Besuchen auf dem Lande kam, wurde dies schmerzlich vermisst. Aber auch hier war es der Kontakt zu den Schwestern oder auch in zwei Fällen mit den Pfarrern, die an erster Stelle genannt werden. „Das schönste Erlebnis war die Begegnung mit der dortigen Gemeindeleiterin Sr. Antonia“. „Schönstes Erlebnis: Hl. Messe mit Padre Pedro im Garten“. Einmal war es auch die Begegnung mit Bischof Dammert. „Schönstes Erlebnis: Bischof Dammert an meinem Krankenbett“.

Man erinnert sich zuerst an die überschwängliche Gastfreundschaft, an die Freude und Begeisterung der Menschen und an die gemeinsamen (Wort-) Gottesdienste. Je ärmlicher dabei die Umgebung (z. B. abgelegene, verfallene Kapelle auf dem Land) und um so ärmer die Menschen, desto nachhaltiger ist die Erinnerung. Diese so entstandene, stark emotionale Verbindung ist es, die Viele heute zum Durchhalten befähigt. Das Band der Zärtlichkeit ist das Fundament einer stabilen und echten Beziehung und es ist diese zärtliche Verbundenheit, die über alle Unterschiede hinweg trägt und so auch Rückschläge verkraften kann. Allerdings sind es genau diese Menschen, die sich auf diese Ebene der Beziehung eingelassen haben, die dann auch am meisten (mit-) leiden, wenn die Partner der Willkür von sogenannten „Autoritäten“ ausgeliefert sind. Sie können dann auch ihre Betroffenheit hier nur sehr schwer denen vermitteln, die nicht diese Erfahrungen gemacht haben oder rein formalistisch und legalistisch z.B. von den nun mal so vorhandenen kirchlichen Strukturen sprechen.

Allein theoretische (theologische, wirtschaftliche etc.) Erkenntnisse oder moralische Appelle vermögen vielleichtEinsichten zu schaffen, geben aber allein nicht die Kraft und bewirken keine Veränderung. Verhaltensänderungen, von denen vereinzelt berichtet wird, beruhen auf dem direkten Erleben von Elend und Unterdrückung im Zusammenhang der Begegnung mit den Partnern (vor allem Campesinos). Verhaltensänderung wird hier im Sinne von Bekehrung und Umkehr verstanden. Ist man bereit, diese Begegnungen und Verhaltensänderungen als religiöse Ereignisse ersten Ranges zu sehen (auch wenn sie manchmal an „Events“ erinnern), dann wird deutlich, dass es (auch im übertragenen Sinne) farbenfrohe, sinnliche und bewegende Momente sind, die den Menschen in seinem Innersten bewegen und Religion (Offenheit für das Andere) konstituieren. Eine Begegnung mit dem ‚Anderen‘ kann die Voraussetzung dafür schaffen, dem ganz ‚Anderen‘ begegnen zu können (und umgekehrt). Dass es sich dabei auch um tiefe mystische Erlebnisse handelt, damit auch um sehr spirituelle Erlebnisse, wird allerdings von den Betroffenen kaum so erfahren, da man nicht gelernt hat, in diesen Kategorien zu denken, zu sprechen und zu fühlen. Man wird überwältigt ohne zu wissen, was wirklich geschieht.

Auffallend sind es gerade die erlebten Gottesdienste mit Campesinos, die für einige zum ersten Mal erahnen lassen, was es heißt, mit den Armen das Brot zu teilen und gerade so die Gegenwart Gottes zu spüren. Selbst etliche Männer berichten von Tränen, derer sie sich erstmals nicht schämten. In den Gruppen sind diejenigen die aktivsten, die von solchen Erlebnissen erzählen können. Sie sind mit dem Herzen dabei, weil sie sich anrühren ließen und sich geöffnet und „ausgeliefert“ haben. Wo die Beziehung auf rein rationaler Basis besteht, finden sich auch bald rationale Argumente, um nicht mehr weiter zu machen. Neben den geschilderten Erlebnissen sind es „das Erleben lang erkämpfter Erfolge“ in der Projektarbeit und hier innerhalb der Gruppe das Empfinden und Handeln im Geist geschwisterlicher Solidarität.

Bei den Enttäuschungen stand eindeutig die veränderte Situation, verursacht durch den Bischofswechsel, im Vordergrund. „Am schlimmsten hat mich getroffen, dass durch einen Bischofswechsel vieles, wenn nicht alles, zerstört werden kann“. „Mit großer Sorge und Enttäuschung beobachten wir die Entwicklung nach der Pensionierung von Bischof Dammert“. „Enttäuschend sind die Entwicklungen in der Diözese Cajamarca, wo ein neuer Bischof eine Kirchenhierarchie schuf, die weit von dem entfernt ist, was sein Vorgänger, Bischof Dammert, an Offenheit, vertrautem Umgang, Solidarität und Nächstenliebe geschaffen hat“. Nur in zwei Gemeinden wird davon nicht gesprochen, einmal wird der neue Bischof ausdrücklich gelobt, weil er sich im Gegensatz zum vorherigen Bischof auch um die eigenen Priester kümmert und sie aufwertet.

Daneben wird auch mehrfach bedauert und als enttäuschend bezeichnet, dass es keinen direkten Kontakt zu den dortigen Gemeindegruppen gibt oder dass diese gar nicht (mehr) existieren. Einmal heißt es gar: „Die größte Enttäuschung ist, dass es kaum einen dauerhafter Bezug zu den Einheimischen gibt“. Als letztes wird die eigene Gruppe genannt, von der man sich mehr Zusammenleben oder zumindest Zusammenhalt erhofft hat. Auch der Weggang engagierter Gruppenmitglieder wegen Unstimmigkeiten in der Gruppe oder mit dem Pfarrer und auch Pfarrgemeinderat wird in vier Gemeinden von verschiedenen Gruppenmitgliedern als große Enttäuschung genannt.

  • Welches Ziel (in der Partnerschaftsarbeit) steht für mich an erster Stelle? Wie sollte es sein? Welchen Traum habe ich?

Zusammenfassung Ziele/Träume: An erster Stelle steht der Wunsch, das Ziel, den Partnern (den Armen), weiterhin bzw. besser helfen zu können. „An erster Stelle in der Partnerschaftsarbeit steht für mich meine Pflicht als Christ, mich für die Belange der Armen einzusetzen, dabei habe ich trotz vieler Enttäuschungen den Traum von einer „gerechteren Welt“ nicht aufgegeben“. Neben materiellen Verbesserungen, die im Vordergrund stehen, werden Hilfe zu einem menschenwürdigen Leben, spirituelle (Gebet) und moralische Unterstützung, Hilfe zur Selbsthilfe, selbstbewusstes Handeln der Partner fördern, sie im Bestreben nach mehr Gerechtigkeit zu unterstützen, genannt. „Dass die Leute dort gleichgestellt, anerkannt und als Menschen geachtet werden“.

An zweiter Stelle steht der Wunsch, die Freundschaft zu vertiefen, noch mehr Begegnungen und Besuche, eine wirklich gleichberechtigte Beziehung, lernen von den Partnern und gegenseitige Bereicherung im Alltag und im Glauben. „Wichtigstes Ziel für Partnerschaftsarbeit ist die zwischenmenschliche Begegnung in den Gruppen hier und mit den Partnern in Übersee“. „Ziel der Partnerschaft war für mich schon immer, eine Beziehung aufzubauen, in der beide Seiten gleichberechtigt sind. Man sollte sich gegenseitig beraten und helfen, aber auch vor konstruktiver Kritik nicht zurückschrecken“. „Ich hätte den Traum, eine größere Gruppe hier für die Partnerschaft zu gewinnen und die Kontakte zu intensivieren, vielleicht einmal etwas länger in Peru zu sein und dort mitzuarbeiten“.

In drei Gruppen (bzw. bei deren einzelnen Gruppenmitgliedern) steht die Veränderung hier vor Ort und im weltweiten Kontext im Vordergrund. „Das wichtigste Ziel ist für mich heute die Veränderung unseres Lebensstils und unseres Handelns im Sinne von ‚Zukunftsfähigkeit‘, damit wir alle leben können. Die Partnerschaft mit ihren persönlichen Beziehungen sehe ich dabei als treibende Kraft und Motivator zum Durchhalten im langen zähen Kampf um Veränderungen, persönliche wie gesellschaftliche.

Aus diesem Grund ist es mein Bestreben, die Partnerschaft in immer mehr Herzen in unserer Gemeinde hineinzutragen, damit immer mehr Leute hier sich zur Umkehr bewegen lassen“. Vereinzelt werden noch folgende Träume genannt: Der Traum von einer solidarischen Kirche „dass die Amtskirche mehr dem Auftrag und Anspruch des Evangeliums entspricht“; die Wiederherstellung der Einheit in der Gruppe und die Einheit der dortigen Gruppen mit ihrer Gemeindeleitung. „Gedeihliche Zusammenarbeit aller Gläubigen mit der Gemeindeleitung in unserer Partnergemeinde“; dass Jugendliche den Partnerschaftsgedanken aufgreifen und weitertragen. Aber es gibt auch Gruppenmitglieder, die gar keine Träume mehr haben. „Wir sehen zur Zeit keine Möglichkeit einen Traum für die „Dritte Welt“ zu träumen und trotzdem möchten wir unsere Kräfte auch weiterhin für Menschen in Peru einsetzen“. Oder: „Ich bemühe mich nicht mehr zu träumen“.

  • Was möchte ich noch ausdrücklich dem bisherigen hinzufügen?

Zusammenfassung: Da von den allermeisten Gruppenmitglieder die Beantwortung der Fragen als sehr anstrengend empfunden wurde („Nach 29 Fragen absolut nichts mehr!“) gibt es nur noch wenige zusätzliche Aussagen. Die folgenden beiden Aussagen mögen am Ende stehen, zeigen sie doch auch auf, um was es geht: „Hoffentlich trägt diese Studie in Deutschland wie in Peru zur Neuorientierung bei und öffnet neue Handlungsmöglichkeiten“. Und: „Wie kann unsere Partnerschaft überdauern, wenn Gemeindeleitung und Pastoral sich ändern?“