Fragebogen der Pfarrer
Vorbemerkung: Von den 16 angeschriebenen Pfarrern der 16 Partnergemeinden (darunter drei Pfarrer, die nun nicht mehr als Pfarrer in einer Partnergemeinde tätig sind, aber für die Partnerschaft eine wichtige Rolle spielten) reagierten acht Pfarrer entweder überhaupt nicht - oder schickten in einem Fall eine Postkarte und in einem anderen Fall wurden alle Unterlagen zurückgeschickt mit der Aufforderung, ihn in Zukunft nicht mehr zu belästigen. Trotzdem gelang es mit vier dieser Pfarrer direkt telefonischen Kontakt aufzunehmen und auch die Gründe zu erfahren, warum sie sich nicht beteiligen wollen. Von den restlichen vier Pfarrern berichten die Gruppenmitglieder einhellig, dass kein Interesse an der Partnerschaft seitens ihres Pfarrers vorhanden ist, außerdem er jetzt schon völlig überlastet sei, er die Gruppe aber gewähren ließe. Bei diesen acht Pfarrern lassen sich aufgrund eigener Aussagen und der Aussagen der Gruppen folgende Gründe für die Absage nennen: Das Gefühl völliger Überlastung, verbunden meist noch mit der Aussage, von den jeweiligen Ordinariaten mit Papieren zugedeckt und ständig mit neuen Aufgaben zugehäuft zu werden (per Verordnung von oben) und dies noch bei gestiegener und auch kritischerer Erwartungshaltung der Laien.
Zwei Beispiele, von den betreffenden Pfarrern selbst im persönlichen Gespräch berichtet: Beiden Pfarrern wurde, natürlich unabhängig von einander, per Dekret und ohne persönliche Rücksprache mit ihnen, drei bzw. zwei weitere Pfarreien als Teilgemeinden zugeteilt, übrigens auch gegen den Willen der Gemeinden. Die beiden Pfarrer wollen laut eigener Aussage spätestens seit dieser Zeit nichts mehr von frommen Sprüchen wissen und machen „Dienst nach Vorschrift“, weil sie sich von ihren Oberen ausgenutzt, im Stich gelassen und menschlich sehr schlecht behandelt fühlen. Auch die anderen Pfarrer - wenn auch nicht in dieser extremen Form - berichten von ähnlichen Erfahrungen bzw. die Gruppen bestätigen dies. Zugespitzt formuliert kann man sagen, dass die Pfarrer heftiger die Kirchenpolitik (Bürokratie, Verwaltungen, Vorschriften statt Pastoral) kritisieren als es dies die Laien tun. Sie sind auch stärker betroffen und sie sitzen zwischen allen Stühlen. Diese Kritik üben sie aber nicht in der Öffentlichkeit, erst recht nicht in der nicht kirchlichen Öffentlichkeit. Acht Pfarrer bearbeiteten den Fragebogen, sechs von ihnen zeigten darüber hinaus ein großes Interesse an dieser Studie. Darunter sind auch die Pfarrer der Gemeinden, die die längsten und bis heute intensivsten partnerschaftlichen Beziehungen unterhalten (Dortmund, Ulm, Herzogenaurach, Tettnang)
1. Äußere Daten
Vier Pfarrer trafen die Partnerschaft bereits an, was aber in keinem Fall zu einem Problem führte, im Gegenteil: das Bestehen einer Partnerschaft wurde dankbar angenommen. Die Partnerschaft wurde wie bisher weitergeführt. „Die Partnerschaft traf ich erfreulicherweise schon an“, oder „ich habe mich sogleich auch intensiv über die Geschichte dieser Partnerschaft informiert“, so der allgemeine Tenor.
Bei den vier Pfarrern, die seit Entstehen der Partnerschaft dabei waren, wird die Partnerschaft als wesentlicher Bestandteil der Gemeinde und ihrer eigenen pastoralen Arbeit angesehen. „Der Anstoß zu einer konkreten Partnerschaft kam von einem Pastoraltheologen, der einige Jahre in Cajamarca tätig war. Die Idee fand verhältnismäßig schnellen Zuspruch bei einer Gruppe, die für die Mission besonders aufgeschlossen war. Wichtig war, dass der Gemeindepfarrer nicht nur seine Zustimmung gab, sondern die Idee persönlich mitgetragen hat“. Zwei dieser Pfarrer sind aber heute nicht mehr in dieser Gemeinde, der Übergang auf ihre Nachfolger ging nahtlos vonstatten (s.o.).
2. Verhältnis zur Gruppe
Sechs der Pfarrer sind bei den Sitzungen der Gruppe - so weit es möglich ist - immer dabei. Die beiden anderen Pfarrer fühlen sich dennoch stets auf dem laufenden, weil sie von der Gruppe gut informiert werden. „Wenn irgend möglich, bin ich bei der monatlichen Sitzung – meistens zeitweise – dabei, und das nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern aus Interesse“.
Einer dieser Pfarrer nimmt trotz großer Dritte - Welt - Erfahrung nicht an den Sitzungen teil. „Auf den Treffen und Sitzungen des AK Peru war ich noch nie dabei. Ich sehe mich dazu weder verpflichtet noch gedrängt. Ich gehe dankbar davon aus, daß in diesem Kreis sehr fähige, bewußte und engagierte Leute sind“. Alle Pfarrer fühlen sich von der Gruppe gut informiert, in einem Fall aber nicht verantwortlich für das, was in der Gruppe geschieht. „Ich bin über alles in der Gruppe bestens informiert. Dazu fühle ich mich verantwortlich“. „Auf jeden Fall fühle ich mich von der Gruppe gut unterrichtet (auch über die Protokolle hinaus), auch über das, was in ihr läuft – und weiß mich, nicht anders als jedes Mitglied, auch mit dafür verantwortlich“.
In allen Fällen kommt es über die Sitzungen hinaus zu persönlichen Gesprächen mit einzelnen Gruppenmitgliedern über Belange der Partnerschaft. Die Pfarrer vertreten die Belange der Partnerschaft auch nach außen und bekennen sich öffentlich zur Partnerschaft. „Natürlich soll und wird die Gemeinde spüren, daß ich hinter der Arbeit des AK Peru stehe und daß die Partnerschaft für mich etwas sehr wichtiges ist. Natürlich versuche ich bei allen Veranstaltungen des AK Peru in der Öffentlichkeit dabei zu sein“.
Die Erwartungen an die Gruppe sind anspruchsvoll, aber in der Gewißheit, daß die Gruppe diese Erwartungen erfüllen kann und will. In zwei Fällen sieht sich der Pfarrer als lernender., „Ich habe die Erwartung, daß die Gruppe im heutigen Verständnis von Partnerschaft, das ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist, den Gedanken dieser Partnerschaft in der Gemeinde verbreiten und vertiefen kann. Mich interessiert vor allem persönlich sehr, welche Auswirkungen die Partnerschaft auf unseren persönlichen Lebensstil und auf unser politisches Bewußtsein haben könnte. Ich habe allerdings die Auffassung, daß nicht alles in der Gemeinde priesterzentriert laufen muß und sehe in unserem AK eine Gemeindegruppe, die ohne den Pfarrer eine ausgezeichnete Arbeit macht Ich bin deswegen auch persönlich froh, vom AK auch bewußtseinsmäßig mitgenommen zu werden. Übrigens arbeitet der Vikar im AK engagiert mit“.
Weiter werden genannt: Weggemeinschaft im Glauben und Umdenken; daß die Gruppe die Gemeinde umfassend informiert und zu entwicklungspolitischen Denken in der Gemeinde anregt; selbständiges Entscheiden und Handeln; den Gedanken der Partnerschaft in die Gemeinde tragen bzw. in ihr wachzuhalten. Und schließlich: „daß sich die Gruppe voll identifiziert mit der Option für die Armen, wie sie auch der Papst in seinen Ansprachen intendiert. Die Papiere von Medellín und Puebla sind dafür Ausgangspunkte.
Für Cajamarca wünsche ich mir von der Gruppe, daß sie die Intentionen von Bischof Dammert unterstützt und Personen, vor allem Pfarrer und Katecheten, die in seinem Sinne wirken wollen, solidarisch unterstützt. Ich möchte in einem zukünftigen Cajamarca - Gottesdienst die Problematik auch der Gottesdienstgemeinde vortragen und hoffe auf Zustimmung und Unterstützung auf breiterer Basis“.
In fünf Fällen ist die Beziehung des Pfarrers zur Gruppe eine besondere. „Insofern ist die Beziehung zu dieser Gruppe eine besondere, als ich diese Partnerschaft für etwas ganz wichtiges für unsere Gemeinde halte und erfreulicherweise feststelle, daß der AK Peru große Resonanz in der Gemeinde und Stadt hat und viel – vor allem bildungs- und bewußtseinmäßig - in die Gemeinde einbringt“. „Ja, in etwa, da mir die Partnerschaft besonders am Herzen liegt“. „Die Beziehung zur Gruppe ist insofern anders, als ich mit einigen Mitgliedern der Gruppe die Partnerschaft mehrmals besucht habe. Die Beziehung ist freundschaftlich“.
3. Besuche/Kontakte
Von den acht Pfarrern waren inzwischen sechs zu Besuch in der Partnergemeinde. Der Pfarrer aus Dortmund war am häufigsten in Peru. „Ich war schon sechsmal in Peru zu Besuch. Es gehört für mich dazu, daß eine Partnerschaft nur leben kann, wenn man sich gegenseitig besucht“. Zwei davon waren im Sommer 1998 nach der Befragung in Peru. „Ich plane einen Besuch in der Partnergemeinde - aus den Berichten derer, die schon (mehrmals) dort waren, und aus derer engagierter Sicht der Pastoral spüre ich, wie sehr ein solcher Besuch prägende Bedeutung haben kann, bzw. hat“. Die beiden anderen Pfarrer ziehen einen Besuch in Erwägung. „Ich war noch nie zu Besuch in Peru. Evtl. ziehe ich einen solchen Besuch in Erwägung, vor allem wegen seiner Zeichenhaftigkeit hier und dort. Andererseits ist knapp bemessener Urlaub, dieses Jahr 2 ½ Wochen, zu kurz und zu anstrengend für eine solche Unternehmung“.
Als Problem wird auch gesehen, wie ein Besuch dort aufgefaßt wird, ob er als einseitige Parteinahme oder als Affront gegen den Bischof oder Pfarrer angesehen wird, falls man zuerst die Campesinos und sonstigen Gemeindegruppen besucht. „Weil ich kein ‚Pendant‘ drüben habe, tue ich mich auch mit einem Besuch dort schwer, weil ich ja dort nicht allein als Gemeindemitglied auftreten kann, sondern das Einvernehmen mit dem Pfarrer dort brauche“. Es ist für alle besuchenden Pfarrer selbstverständlich, daß unabhängig von eventuellen Schwierigkeiten mit Bischof und Pfarrern diese über den Besuch unterrichtet werden sollten. Der Besuch brachte für alle Pfarrer wertvolle, zum Teil gar prägende Impulse. Die Partnerschaft wurde nun als Freundschaft erlebt und zum selbstverständlichen Teil der eigenen Seelsorge. Der Besuch hat zu einem vertieften Engagement geführt.
Aber nicht alle gehen so weit wie der ehemalige Pfarrer von St. Georg. „Die Begegnungen dort haben bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen. Es waren wichtige Stationen in meinem Leben. Sie haben mich wesentlich verändert. Ich erlebte die Armut konkret, aber auch die unterschiedliche Einstellung der Verantwortlichen in der dortigen Gemeinde. Die Option des Bischofs José Dammert Bellido war anders als die des Gemeindepfarrers. Der Bischof war für mich so etwas wie ein väterlicher Freund geworden, während der Gemeindepfarrer uns wohl eher als ‚Eindringlinge‘ betrachtet hat. Er war uns mehr Hindernis als Hilfe“. Daneben werden noch die „praktischen Vorteile“ eines Besuches genannt. „Die Hilfe konnte gezielter angesetzt werden. Die Werbung bei uns wurde gründlicher und die Anregungen für unsere Gemeinde zahlreicher“.
Alle Pfarrer stehen in einem direkten Kontakt zu den Partnern bzw. haben den Pfarrer der Partnergemeinde wenigstens kennengelernt (bei dessen Besuch in Deutschland). Sie spielen aber in keinem Fall die Hauptrolle, sondern reihen sich in die laufenden Kontakte der Gruppe ein, unterschreiben die Briefe der Gruppe mit oder lassen sich gar von der Gruppe Briefe schreiben, darunter auch manchmal notwendige Briefe „von Pfarrer zu Pfarrer“. Die Briefe „von Pfarrer zu Pfarrer“ haben in einigen Fällen eine große Bedeutung, weil der Brief eines Pfarrers bei den Adressaten eine unvergleichlich andere Wirkung hat, nämlich als „offizielle“ Äußerung der zuständigen Autorität. Ebenso ist es für die Partnergemeinde von großer Bedeutung zu wissen, daß hier die Gemeinde insgesamt (mit dem Pfarrer) hinter der Partnerschaft steht. Allzu leicht wird sonst die Partnerschaft, besonders von peruanischen Pfarrern (und Bischöfen), als private Marotte einiger Idealisten abgetan.
Die Pfarrer beziehen ihre Informationen über die Partnergemeinde ausschließlich (von zufälliger Lektüre einzelner Artikel und Nachrichten natürlich abgesehen) über die Gruppe und durch Informationen der Partner an die Gruppe und Gemeinde. Sie lassen sich von der Gruppe führen. „Über die Vorgänge in unserer Partnergemeinde bin ich durch die ‚Kanäle‘ der Gruppe regelmäßig informiert“.
Alle acht Pfarrer haben schon mindestens einmal Besuch von den peruanischen Partnern erhalten (meist die peruanischen Pfarrer, Bischof Dammert nicht mitgerechnet). Dieser Besuch war immer in das Gemeindeleben integriert, wobei zuerst die Gottesdienste gemeint sind. In zwei Gemeinden wurde der Besuch als überaus strapaziös, trotzdem aber positiv empfunden. Die Besuche wohnten im Pfarrhaus. Über die Dauer der Besuche, weitere Aktivitäten der Besucher in der Gemeinde etc. gibt es keine Angaben.
Die Besuche trugen zur Vertiefung der Partnerschaft bei, so der meist sehr knappe Kommentar. Nur einmal wird die Auswirkung des Besuches deutlich betont. „Diese Besuche haben die Freundschaft vertieft und Kontakte zu Gemeindemitgliedern geschaffen, teilweise familiäre und freundschaftliche“. Einmal wird vom Pfarrer der Besuch positiv geschildert, während die Gruppe dies anders sieht. „Natürlich hatten die Besuche Auswirkungen auf die Gemeinde. Die Gäste waren bei der Eucharistiefeier. Sie sprachen zu und mit uns über ihre Gemeinden, ihre Probleme und pastoralen Pläne. Ich bin überzeugt, daß diese Besuche das Kernstück unserer Partnerschaft waren“.
Vom gleichen Pfarrer wird dann auch erklärt, was mit Kernstück der Partnerschaft gemeint war: „Als wir der Gemeinde erklärten, daß der Pfarrer weite und schlechte Wege zurücklegen muß, um seine Filialen zu besuchen und daher ein Fahrzeug braucht, war das Adveniatopfer doppelt so hoch als sonst, 60.000 DM. Adveniat hatte die technische Abwicklung versprochen, während wir zahlen wollten“. Die Auswirkungen der eigenen Besuche in Peru lassen sich mit den Auswirkungen der Gegenbesuche nicht vergleichen, die Diskrepanz ist zu groß. Die Besuche der peruanischen Pfarrer in deutschen Gemeinden stellen ein Problem dar, natürlich nicht grundsätzlich, aber doch in der Weise, wie sie in den beteiligten Gemeinden abgelaufen sind. (dazu später mehr).
4. Verhältnis zu Pfarrer/Bischof und per. Kirchengemeinden
Nur ein Pfarrer berichtet, daß er zur Zeit zu dem Pfarrer der Partnergemeinde ein herzliches Verhältnis hat. „Das Verhältnis zu P. Victorino ist herzlich, brüderlich und von Vertrauen getragen“. Vier weitere Pfarrer deuten an, daß früher das Verhältnis zum jeweiligen Pfarrer der Partnergemeinde besser war, sogar bestens. Die jetzigen Pfarrer sind teilweise noch unbekannt, haben noch keinen Kontakt aufgenommen oder reagieren anders als vorher oder auch gar nicht.
Ein Sonderfall stellt Dortmund dar, nicht nur weil sie dort in den letzten 36 Jahren viele Pfarrer kommen und gehen sahen. „Das Verhältnis zu den Pfarrern war bisher ausgezeichnet. Es sind seit einem Jahr zwei Pfarrer in Bambamarca, die in einem Opus Dei - Seminar ausgebildet sind und sehr stark von dem neuen, sehr konservativen Bischof abhängen und deshalb bisher wenig Kontakt zur Campesino - Gemeinde haben. Wir haben eigens, hauptsächlich ihretwegen, in diesem Jahr einen Besuch in Peru gemacht (Sommer 97), um sie kennenzulernen und um Mißtrauen wegzunehmen. Ein wenig scheint das gelungen. Das Verhältnis zum Bischof ist sehr gespannt, da er voller Mißtrauen gegenüber allen Ausländern ist und auch ein sehr gespanntes Verhältnis zu seinem Vorgänger hat. Bei den letzten beiden Besuchen dort haben wir jeweils einen Besuch bei dem Bischof erreicht, konnten aber das Eis nicht brechen“.
Außer diesem Beispiel hat kein weiterer Pfarrer bisher einen persönlichen Kontakt zum aktuellen Bischof gefunden. Das Verhältnis zum aktuellen Bischof ist bestenfalls ambivalent. Außer einem eher folkloristischen Bericht gibt es keine weiteren Aussagen darüber, wie die peruanischen Kirchengemeinden erlebt wurden.
Drei Pfarrer können sich aber gut vorstellen, in der Partnergemeinde länger als Pfarrer zu wirken. „Ich möchte schon gern Pfarrer der Partnergemeinde sein. Ich werde von der Gemeinde dort auch ein bißchen so gesehen. Ich habe jedesmal dort in einem Gottesdienst predigen dürfen und regelmäßig Gespräche mit allen Gruppen dort“. „Ja, aber ob ich die Kraft zum teilweise anderen Verständnis von Seelsorge hätte?“ Ein Pfarrer lehnt dies klar ab. „Ich möchte weder dort Pfarrer sein noch die „Partnergemeinde“ als Teilgemeinde ansehen. Reizvoll wäre es, dort als Gast pastoral zu lernen“.
Ein weiterer: „Frage zu hoch gegriffen. Mein Alter, meine mangelnde Kenntnis des Spanischen, meine Gesundheit, lassen dies als illusorisch erscheinen“. Fünf Pfarrer könnten die Partnergemeinde auch als Teilgemeinde ansehen bzw. sie tun es auch, einmal entschieden nicht. Das heißt, sie fühlen sich mit verantwortlich für das, was in der Partnergemeinde geschieht. Einmal wird mit einer Frage geantwortet. „Partnergemeinde als Teilgemeinde? „Teilen“ sicher im Austausch pastoraler Konzepte und pastoral - pädagogischer Modelle (Katechese), Teilen materieller Hilfsgüter, sicher unter dem Aspekt einer Einheit in kultureller Vielfalt, ohne das Kulturell - Spezifische kopieren zu müssen oder zu sollen“.
Die anderen Pfarrer möchten sich zwar durchaus gerne verantwortlich fühlen für die Partnerschaft, aber sie können sich nicht verantwortlich fühlen, für das, was konkret im Moment an Änderungen etc. in der Partnergemeinde geschieht. Dies haben in der Tat die Gemeinden und die Pfarrer hier nicht zu verantworten. „Momentan kann ich mich nicht mitverantwortlich fühlen dafür, was in der Partnergemeinde passiert. Ich kann derzeit nur die Lebensfäden respektieren und mit auf sie setzen, die zwischen dem AK Peru hier und der Gemeinde dort, bzw. zwischen den Menschen, die sich schon begegnet sind, entstanden sind“.
5. Theologisch - pastorale Aspekte
Der Gedanke der Partnerschaft spielt bei sechs Pfarrern eine Rolle in ihrer Pastoralarbeit. Dies zeigt sich am meisten in der Gestaltung der Gottesdienste, sei es der Einbeziehung der Partner in die Fürbitten, gelegentliche Berichte aus der Partnergemeinde in den Gottesdiensten und natürlich in den speziellen Partnerschaftsgottesdiensten. Man will auch die Partnerschaft in anderen Gruppen der Gemeinde bekannt machen und dafür werben. Ein Pfarrer begründet dies ausführlicher. „Durch die lebendige Vermittlung von Eindrücken über die Gruppe bzw. die, die schon „drüben“ waren, haben sich auch meiner Vorstellung von Pastoral wichtige Gedanken eingeprägt, die einfließen in die Gottesdienstgestaltung (Fürbitten, Mementos, Kurzberichte etc. und in die Vorstellung von Gemeindeaufbau überhaupt: Kirche als nicht hierarchisch von oben her konstruierte Größe, sondern als Volk Gottes, als ‚Bau aus lebendigen Steinen‘, als ‚Mobile‘ von Charismen.
Dazu kommt der Blick darauf, daß die Ersten im Reich Gottes die Armen sind - die Armen, die uns etwas wesentliches vom Evangelium zu sagen haben. Freilich können die Erfahrungen der Partner nicht einfach verpflanzt werden - wir müssen unseren Weg unter unseren Bedingungen finden wie sie drüben auch“. Die Anstöße für die pastoralen Impulse gehen in zwei Fällen von den Pfarrern selbst aus, sonst von der Gruppe.
In der Sakramentenpastoral spielt die Partnerschaft nur vereinzelt eine Rolle.„Für unsere Kinder - und Jugendgruppen ist es selbstverständlich, für die Partnergemeinde viel zu tun, bei Gemeindefesten, Sternsingeraktionen etc.“. Außer den genannten Partnerschaftsgottesdiensten werden keine weiteren pastoralen Felder genannt (Seniorenarbeit, Kommunion- und Firmvorbereitung etc.). Einmal wird noch ein konkretes Pastoralmodell aus Lateinamerika (das aber gar nicht von dort kommt) genannt. „Bei der Sakramentenpastoral spielt das Modell der „catequesis familiar“ bei unseren Überlegungen eine Rolle, allerdings momentan nur als Anstoß auf unsere Weise mit Eltern verstärkt zu arbeiten. Ich selbst habe mich mit diesem Modell auch durch meine Freundschaft mit Albert Biesinger sehr beschäftigt“.
Auffallend auch hier, daß über Spiritualität nichts ausgesagt wird, ebensowenig wie zur bewußten Gestaltung des Kirchenjahres (nur einmal sehr vage: „Viermal im Jahr fühlen wir uns liturgisch verbunden“). Dagegen wird die Erwachsenenbildung dreimal genannt, die in der Verantwortung der Gruppe liegt. „Der AK Peru macht bei uns eine sehr qualifizierte Bildungsarbeit, die wir sehr schätzen, vor allem die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen hier“. Einmal (von drei Nennungen) wird unter Erwachsenenbildung dies verstanden: „Die Erwachsenen werden nach jeder Reise intensiv informiert. Oft war Bischof Dammert zu Gast und hat die Gemeinde immer durch seine guten Predigten bereichert“.
Über die eigene Gemeindepartnerschaft wird kaum mit den Amtsbrüdern gesprochen oder Erfahrungen ausgetauscht. Zwei Pfarrer bejahen dies, einmal ausführlicher. „Mit meinen (Kurs) Kollegen spreche ich hin und wieder über die Partnerschafts - Erfahrungen. Dabei zeigt sich, daß die meisten Projektpartnerschaften kennen. Ein Kurskollege, der ebenfalls in einer Partnerschaft mit einer peruanischen Gemeinde steht, berichtet von massiven Schwierigkeiten (ähnlich den unseren) mit der offiziellen Pfarrleitung dort, die keinen Einblick in die pastoralen Schwerpunkte dort geben will“.
6. Theologische Begründung der Partnerschaft
Sechs Pfarrer formulieren eine theologische Begründung der Partnerschaft. Da diese Formulierungen sehr dicht sind, seien sie hier ohne weiteren Kommentar genannt. „Wir sind Kinder des einen Vaters im Himmel. In der großen Familie Gottes gibt es himmelschreiende Ungerechtigkeiten, historisch mit verursacht dadurch, daß Teile der Erde strukturell in Abhängigkeit und Unterdrückung geführt worden sind. Diese strukturelle Sünde darf nicht einfach von einer christlichen Gemeinde übersehen und übergangen werden. Gott verpflichtet zu Versöhnung und Befreiung und er gibt uns dazu seinen Geist, damit Geschwisterlichkeit wächst“.
„Partnerschaft bedeutet für mich: Aus Fremden werden Freunde; zueinander finden und gemeinsam einen Weg gehen; einander ernst nehmen und voneinander lernen; wenigstens am Überfluß teilhaben lassen; das gemeinsame Ziel anstreben: Daß sein Reich komme!“ „Eine theologische Begründung von Partnerschaft sehe ich in der Kirche als ‚Comunio‘ von Teilgemeinden, die miteinander in regem Austausch und in gelebter Verbindung stehen, soweit dies Entfernung, Sprache usw. ermöglichen. Zunehmend überalternde Gemeinden erschweren aber diesen Prozeß“.
„Dazu möchte ich nur den ersten Satz aus der Pastoralkonstitution ‚Kirche in der Welt von heute‘ nennen: ‚Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.‘ Es ist gut, daß eine Gemeinde über ihre engen Grenzen hinausschaut und nicht nur von den Medien, sondern von konkreten Personen und Orten berichten kann. So kann besser auch Mitfreude, Mitangst, aber auch Mitsorge und Hilfe entstehen“. „Das Faszinierende: Trotz der Distanz in km und Kultur das gleiche Fundament und das gleiche Ziel“. „Unsere Kirche ist Gott sei Dank Länder und Kontinente übergreifend. Wir sind alle Brüder und Schwestern Jesu. Die Kirche hat von daher die besten Möglichkeiten, Brücken zu bauen. Wir lernen voneinander und wir können versuchen, Ungerechtigkeiten zu mildern und auch politisch aktiv zu werden. Pastoral - dort wie hier bei uns - muß immer befreiende, auch politische Pastoral sein. Darüber spreche ich auch mit Kollegen“.
7. Kirchliche Aspekte der Partnerschaft
Über pastorale, theologische und kirchlich - strukturelle Vorgänge möchten alle Pfarrer besser informiert werden, am besten von den Partnern selbst. Doch dies geschieht selten. „Ich bin zwar sehr interessiert, aber allzu viel kommt nicht rüber“. „Über die kirchlich - strukturellen Vorgänge in der Partnergemeinde habe ich mich noch kaum eingehend informiert, um mir darüber ein Urteil zu bilden“. Bis 1992 war Bischof Dammert der Hauptinformant, doch seit dessen Rücktritt gibt es keine Informationen mehr, auch nicht mehr von Bischof Dammert, der unter keinen Umständen sich über seinen Nachfolger und die heutige pastorale Situation äußern möchte. „Über ehemalige Pfarrer der Partnergemeinde und über die führenden Campesinos in unserer Partnergemeinde werden wir über pastorale, theologische und kirchlich - strukturelle Vorgänge informiert, meistens über Briefe bzw. auf unseren Besuchen“.
Am besten fühlt sich der Pfarrer von St. Georg unterrichtet. „Wir sind über die Vorgänge, auch über die pastorale Zielsetzung, in unserer Partnergemeinde gut unterrichtet“. Für die Mehrzahl der Pfarrer spielt das Verhältnis zum „Gegenpfarrer“ (und zum Bischof) eine größere Rolle als für die Laien. Deshalb scheinen die Pfarrer unter den mangelnden, teilweise widersprüchlichen Informationen, besonders aber von dem Schweigen des Bischofs (des alten und des neuen!) und auch der dortigen Pfarrer zu leiden. Die - relativ wenigen - Informationen, die sich auf Bischof, Pfarrer und Pastoral beziehen, sind deswegen zur Zeit nicht erfreulich.
Kein Pfarrer berichtet von einem guten Kontakt zum jetzigen Bischof und dem oder den Pfarrer der Partnergemeinde. Erfreulich ist „nur“ das Verhalten der eigentlichen Partner. „Oft machen uns, besonders in den letzten Jahren, solche Informationen traurig, weil wir mit den Campesinos fühlen. Erfreut sind wir über die konsequente Haltung der leitenden Campesinas und Campesinos in der Partnergemeinde“.
„Entmutigend wirkt die mangelnde Einheit zwischen Kirchenvolk und Hierarchie, die Art und Weise, wie Konflikte angegangen und ausgetragen werden. Das lähmt das Engagement und die Motivation....Erfreulich das innere Engagement der im sozialen und katechetischen Bereich tätigen Priester und Laien, die Seite an Seite mit den Campesinos kämpfen und leiden“. „Gerade als Pfarrer bin ich traurig, daß durch den Wechsel des Bischofs und anderer maßgeblicher Personen in der Kirche bzw. in der Gemeinde dort und durch unsere Intervention, die als Einmischung übel genommen wurde, der Faden mit der offiziellen Leitung der Pfarrei fast ganz gerissen ist. Jetzt geht die Verbindung direkt zu den Campesinos bzw. Mütterclubs auf dem Land über einige Vertrauenspersonen - an der offiziellen Pfarrei vorbei“.
Angesichts dieser Situation lehnt es nur ein Pfarrer grundsätzlich ab („auf gar keinen Fall!“), sich in Belange der Partnergemeinde einzumischen. Drei weitere haben Bedenken, weil sie sich nicht so gut dort auskennen, deutsche Rechthaberei vermieden werden sollte und eine Einmischung deswegen unklug wäre. „Beim jetzigen Stand der Partnerschaft möchte ich mich nicht einmischen, da die Zeit dafür nicht reif erscheint und die Kontakte zu wenig ausgebaut sind. Grundsätzlich müßte es bei einer „geschwisterlichen“ Gemeinde möglich sein, aber als Deutscher möchte ich auch nicht den Anschein erwecken, daß ‚am deutschen Wesen‘ Welt und Kirche genesen soll“.
Drei Pfarrer halten ein Einmischung für geboten. „Als befreundeter Pfarrer darf man sich auch in dortige Angelegenheiten einmischen. Natürlich hat das mit der nötigen Zurückhaltung zu geschehen. Wir beobachten seit geraumer Zeit eine sehr konservative Entwicklung im dortigen Bistum, beobachten aber genauso, wie sich vor allem die leitenden Frauen und Männer der Partnergemeinde damit auseinander setzen und auch zur Wehr setzen“.
Als wichtig oder gar beispielhaft für die Zukunft auch der deutschen Kirche wird an erster Stelle die verantwortliche Mitarbeit der Laien in den Partnergemeinden genannt. „Die Eigenverantwortung der Frauen und Männer in Bambamarca, die Art und Weise, wie sie die Sorgen und Probleme ihrer Welt selbständig in die Hand nehmen, die Originalität, wie sie ohne Pfarrer in ihren kleinen Dorfgemeinden Gottesdienste vorbereiten und durchführen, beeindruckt uns und beeinflußt auch unsere vorsorgende Pastoral. Der alte Bischof hat diese Pastoral initiiert und getragen. Seine Art zu denken und Pastoral zu planen, dürfte auch der deutschen Kirche gut tun“. Ohne diese Mitarbeit der Laien, so wird es von allen Pfarrern bestätigt, wäre die Arbeit in der Partnergemeinde nicht möglich. Dabei ist allen Pfarrern auch bewußt, daß die Mitarbeit der Laien in der Diözese Cajamarca weit über das hinausgeht (hinausging) - sowohl zeitlich gesehen als aber auch vor allem qualitativ - was in deutschen Gemeinden üblich ist.
Wo diese Mitarbeit der Laien in den Partnergemeinden aber nicht zu sehen ist, sei es weil sie nicht (mehr) gewünscht wird oder weil es auch noch Regionen gibt, wo wenig oder gar nicht evangelisiert wurde, ist die Situation trostlos. „Ich habe viele armselige, verlassene Gemeinden erlebt, zumal es in ihnen auch keine Katecheten gab. Das ist ein abschreckendes Beispiel für uns. Da könnten wir lernen, wie man es nicht bei uns machen soll, wenn die Priester immer weniger werden“.
Dennoch ist man allgemein davon überzeugt, daß die Erfahrungen in den Partnergemeinden auch für unsere Gemeinden und die deutsche Kirche insgesamt sehr wertvoll sind und ein Anlaß sein könnten, um über die Zukunftsfähigkeit der eigenen pastoralen Praxis nachzudenken.„Pastorale Modelle aus Lateinamerika haben eine große Wirkung auf unsere Pastoral. Diese Wirkung wird um so größer, je mehr bei uns die Mittel schwinden“.
Es beeindruckt vor allem, mit wie wenig Geld, Strukturen und Hauptamtlichen die Menschen dort ihren Glauben leben und damit ihre Umwelt verändern. Eine Partnerschaft wird so als Chance gesehen, Ballast abzuwerfen und das Wesentliche wieder neu entdecken zu können. „Eine lebendige Partnerschaft von Gemeinde zu Gemeinde ist eine Bereicherung, sowohl persönlich als auch für die Gemeinde selbst. Sie relativiert viele Anschauungen, Vorschriften und Gewohnheiten, die sich oft hinderlich erweisen. Sie führt zum Wesentlichen und ist daher befreiend, geradezu wohltuend“.
Es geht aber nun nicht darum, pastorale Modelle zu importieren oder nachzuahmen. Die in den Partnergemeinden gemachten Erfahrungen (die selbst nicht auf Modellen beruhen) haben ihre ganz spezifische Verankerung sowohl in den äußeren Gegebenheiten als auch in der inneren Verfassung der Menschen in Cajamarca. Vielmehr geht es als erstes darum, auch bei uns sowohl diese äußeren Gegebenheiten als auch die Bedürfnisse der Menschen hier genau zu analysieren, kennenzulernen und sie in Beziehung zu setzen.
Und als zweites kann uns dann ein Blick auf die Partner helfen, wie diese ihren Glauben leben und praktizieren. Die Pfarrer wollen nicht imitieren, sondern sich anregen lassen. Nur einmal wird von einem konkreten Modell gesprochen, die schon erwähnte „catequesis familiar“. Ansonsten werden konkrete Modelle nicht erwähnt, sondern es geht mehr um generelle Anregungen, Einsichten, Geisteshaltungen und sich in Frage stellen lassen.
Unabhängig aber von den unterschiedlichen Lebensbedingungen wird das Verbindende gesehen - der gleiche Gott des Lebens, das gleiche Evangelium und die Eine Welt, in der wir alle leben und in der mehr denn je alles aufeinander bezogen ist. „Da der Geist Gottes überall auf der Welt der gleiche ist und die Menschen in ihren letzten Sehnsüchten auf das gleiche Ziel gerichtet sind, gibt es sicher Einsichten, die aus der Kirche Lateinamerikas nach hier übertragbar sind.
Der indianische Grundsatz, daß Grund und Boden, ähnlich wie die Luft, unteilbar sind, deckt sich ja mit dem urchristlichen Grundsatz, daß alles allen gehört – sicher ein Prinzip, das im Blick auf die Globalisierung der einen Welt auch im Abendland Schritt für Schritt Grundlage einer gesamthumanen Gesetzgebung sein könnte“. Ohne diesen verbindenden Glauben wäre auch Partnerschaft nicht möglich. „Es ist eine Kirche“, wie es ein Pfarrer sagt, deswegen ist Austausch nicht nur möglich sondern notwendig.
Um so schlimmer ist es für die Mehrzahl der Pfarrer, daß sie vor dem Dilemma stehen, einerseits an der Partnerschaft festhalten zu wollen, weil sie diese für sehr wertvoll halten, andererseits aber sich eine Gemeindepartnerschaft ohne oder gar gegen den Willen des Pfarrers der Partnergemeinde entweder für nicht möglich halten oder zumindest als sehr problematisch. „Das wird kaum zu verwirklichen sein“. „Nur unter großen Schwierigkeiten ist eine Gemeindepartnerschaft unter den neuen Bedingungen, die der Bischof schafft, möglich. Dabei wird es nicht ohne Besuche gehen“. „Ob man gegen den Pfarrer oder gegen den Bischof Aktionen durchführen soll? Da würde ich lieber nicht gegen eine Person, sondern für eine Sache, so z.B. für die von der Goldmine betrogenen Campesinos, eintreten“.
Ich halte eine Gemeinde - Partnerschaft gegen bzw. ohne den dortigen Pfarrer für problematisch, aber unter bestimmten Bedingungen (Vertrauenspersonen, persönlich enge Kontakte, Besuche dort von Gemeindemitgliedern) durchaus möglich, wie unser Beispiel zeigt. Aber als Pfarrer kann und darf ich nicht an der dortigen Leitung vorbei agieren und dadurch zusätzlich Konflikte erzeugen“. Zwei Pfarrer sprechen sich klar dafür aus, daß in einer Gemeindepartnerschaft die Gemeinde zuerst zählt und man sich eine Gemeinde auch ohne Pfarrer vorstellen kann.
„Eine Gemeindepartnerschaft ohne oder gegen den Willen des Bischofs ist von meinem Verständnis von ‚Kirche‘ durchaus möglich, wenn nicht sogar geboten, wenn sich Amtsträger ihren pastoralen Pflichten und ihrer Fürsorge für die ihnen Anvertrauten entziehen“. „Der Pfarrer und der Bischof ist nicht die Gemeinde, deswegen ist eine Partnerschaft auch jederzeit gegen den Willen des Bischofs und des Pfarrers möglich, wenn die Gemeinde will“.
8. Erwartungen/Hoffnungen
Von den schon erwähnten als negativ bewerteten Vorgängen und Änderungen durch den Bischofswechsel abgesehen, werden die ursprünglichen Erwartungen („Ich habe mir von der Partnerschaft sowohl für die Gemeinde als auch für mich selbst Anregungen und auch Korrekturen unserer eigenen pastoralen Arbeit in der Gemeinde erhofft“), die man in die Partnerschaft setzte, überwiegend positiv bestätigt oder gar übertroffen.
In zwei Fällen (als Pfarrer erst seit 1995 bzw. 1996 in der Gemeinde) wurde auch die schon vorgefundene Problematik bestätigt „Die ursprüngliche Problematik hat sich bestätigt, veranlaßt mich aber vorerst noch nicht, auszusteigen, sondern weiter zumachen“) bzw. man geht ohne Erwartungen auf die Partnerschaft zu. „Ich habe weder Skepsis noch Euphorie, was die Partnerschaft angeht“. Allgemein werden auch die vielen Tiefs gesehen, doch die Hochs überwiegen. „Viele Berg- und Taleindrücke, viele Hochs, aber auch Tiefs“. Trotz der Tiefs und der jetzigen pastoralen Situation in der Diözese Cajamarca stellt kein Pfarrer die Partnerschaft zur Disposition. Vielmehr versuchen alle, mit oder auch ohne den neuen Bischof, die Partnerschaft zu vertiefen.
Dies auch deswegen, weil man dies für die eigene Gemeinde weiterhin für vorteilhaft hält, vor allem aber, weil man die Partner nicht im Stich lassen möchte. „Ich habe hier eine lebendige Partnerschaft und ein lebendiges Bewußtsein von Partnerschaft angetroffen, und bemühe mich, aus den schon gemachten Erfahrungen zu lernen und weiß mich ihnen verpflichtet. Freilich - das weiß auch die Gruppe - bleibt es eine kontinuierliche Aufgabe und Herausforderung, die Partnerschaft in der eigenen Gemeinde wach zu halten und vor allem (das wird ein immer größeres Problem) neue tragende Interessenten und vor allem Mitarbeiter/innen in der Gemeinde zu finden, die mitmachen“.
Von der „Mutter aller Partnerschaften“, der Gemeinde St. Martin in Dortmund, wird die besondere Unterscheidung zwischen „vor Dammert“ und „nach Dammert“ nochmals eigens herausgestellt. „Man muß deutlich zwei Phasen unterscheiden. Unter Bischof Dammert konnten wir erleben, daß die großartigen Ansätze der Befreiungstheologie, wie Bischof Dammert sie verstand und sie auch in der Priesterausbildung forcierte, von den Campesinos begeistert aufgenommen, verstanden und auch umgesetzt worden.
Natürlich gab es auch mal Fehlentwicklungen und Enttäuschungen, die aber die grundsätzlich positive Entwicklung nicht störte“. Der ehemalige Pfarrer von St. Georg, Ulm hat die positiven Erfahrungen der Partnerschaft auch in seine neue Gemeinde mitgenommen, was wesentlich zum Aufbau einer guten Partnerschaft zu einer afrikanischen Gemeinde beigetragen hat. Er ist auch weiterhin an der Entwicklung in Cajamarca interessiert und ob der pastoralen Veränderungen sehr betrübt, aber nicht überrascht. „Die Erfahrungen mit der Partnerschaft St. Georg / San Pedro haben mein Leben geprägt. Es hat nicht lange gedauert, bis ich auch in der mir neu zugeteilten Gemeinde St. Maria, Friedrichshafen, eine Partnerschaft angeregt habe.
Die örtlichen Gegebenheiten legten es nahe, die Fühler nach Uganda auszustrecken. Diese Partnerschaft lebt vom jährlichen Besuch unsererseits in Uganda und vom Gegenbesuch jedes zweite Jahr in Friedrichshafen. Es ist bewußt eine Partnerschaft von Gemeinde zu Gemeinde. Die Zusammenarbeit ist gut. Unsere Partnergemeinde hat das Recht zum Aufbau ihrer Gemeinde Schwerpunkte zu setzen und über die Spenden mitzubestimmen. Die Informationen werden hier wie dort breit gestreut. Bischof Wamala, Kampala, ist über die Partnerschaft informiert und unterstützt unsere Aktionen. Es ist erfreulich, daß auch geistige Impulse ausgetauscht werden. Der Gemeinde St. Maria tut es gut, aus der anonymen Missionstätigkeit ausgebrochen zu sein. Die konkreten menschlichen Beziehungen sind wie das Salz in der Suppe“.
9. Lernprozesse auf die eigene Person (als Priester) und Kirche hin
Nur einmal wird verneint, daß sich das eigene Priesterbild verändert hat. Sonst sieht man die Partnerschaft als positive Herausforderung auch an sich selbst, als Mensch und als Priester. Neben den schon weiter oben erwähnten Veränderungen werden genannt: „Natürlich hat die Partnerschaft auch mein Priesterbild herausgefordert und ein wenig geändert. ich versuche, nicht klerikal zu sein, vielmehr das Prinzip der Subsidiarität zu beachten, möglichst viel Selbständigkeit von Gemeindemitgliedern zu fördern und mit allen Verantwortlichen im Team zu arbeiten“.
Da in dem Fragebogen an die Pfarrer naturgemäß die Rolle der Pfarrer im Mittelpunkt steht, wird dies einmal zu Recht als sehr priesterzentriert aufgefaßt. „Ich sehe mich als Christ durch die Partnerschaft herausgefordert. Ihre Fragestellungen insinuieren eine ziemlich priesterzentrierte Gemeinde. Mein Priesterbild ist von der Gemeinde und von ihren Bedürfnissen her bestimmt“.
Speziell als Gemeindeleiter sieht man sich durch die Erfahrungen in der Partnerschaft ermutigt, mehr Aufgaben zu delegieren als vorher. Mit Erstaunen (verbunden mit leichter Verunsicherung) wird registriert, daß in den viel größeren Partnergemeinden der Priester entbehrlicher zu sein scheint als in den deutschen Gemeinden. Doch statt größerer Gelassenheit und dem Bewußtsein, daß man auch einmal die eigene Gemeinde sogar für einige Wochen „im Stich lassen“ könnte, fällt es ausgerechnet den Pfarrern, die am meisten von Delegation und Mitbestimmung sprechen am schwersten, die Gemeinde über einige Wochen hinweg „unversorgt zu lassen“. Zweimal wird aber ausdrücklich und dankbar bestätigt, daß die Gemeindegruppen heute selbständiger sind und die Anwesenheit des Pfarrers in den Gruppen nicht mehr immer notwendig ist. Aber auch diese Pfarrer haben deswegen nicht mehr „Freizeit“.
Aus dem veränderten Priesterbild bzw. der etwas anderen Rolle als Gemeindeleiter, mit beeinflußt durch die Partnerschaft, ergibt sich auch allgemein ein anderes Verständnis von Kirche und Gemeinde (und/oder umgekehrt). Für alle Pfarrer (auch der Pfarrer, der ein verändertes Priesterbild für sich verneint hat), hat sich das Verständnis von Gemeinde und Kirche mehr in Richtung von „Volk Gottes“ entwickelt, in dem das ganze Volk als Gemeinschaft Kirche ist und trägt. „Kirche als Volk Gottes habe ich in Bambamarca konkret erlebt. Dies Bild bestimmt auch mehr und mehr mein Verständnis von Kirche“.
Ein Pfarrer verstand seine Rolle als Gemeindeleiter schon immer so, fühlt sich aber nun um so mehr darin bestärkt. „Kirchenbild und Gemeindeverständnis haben sich eigentlich bei mir nicht verändert, da ich Kirche als Comunio seit den Tagen des Konzils zu verstehen suche und mich in diesem Sinne als Gemeindeleiter verstehe. Ich möchte, daß sich diese Auffassung auch mehr und mehr in den europäischen Kirchen durchsetzt und das herkömmliche Kirchen- und Priesterbild einer hierarchisch verfaßten Kirche, das in einer traurigen Agonie liegt, überwunden wird“.
In einem engen Zusammenhang mit dem Verständnis der eigenen Rolle steht auch die persönliche Art und Weise des eigenen Glaubens und der eigenen Spiritualität. Alltag und Liturgie werden nun in einem engeren Zusammenhang gesehen. Überhaupt wird durch die Erfahrung der Partnerschaft Glaube und Alltag mehr als Einheit gesehen. Um so mehr wird dies nun in deutschen Gemeinden vermißt und es wird deshalb als pastorale Herausforderung gesehen, diesen Zusammenhang in der eigenen Gemeinde wieder bewußt zu machen.
Als weitere wichtige Erfahrung wird genannt, daß viel stärker als ursprünglich im eigenen Blickfeld, Glaube und Politik zusammengehören. Diese Erfahrung machte man mit den Partnerschaftsgruppen zusammen vor allem dann, wenn es um konkrete Fälle von Ungerechtigkeiten in den Partnergemeinden ging und auch entdeckte, daß diese Ungerechtigkeiten weltweite Ursachen haben. „Glaube ist für mich immer vom Evangelium her Glaube in dieser Welt und hat viele politische Implikationen. Das ist mir in der Partnergemeinde noch deutlicher geworden“.
Zum Thema Spiritualität kommt kein Beitrag, außer: „Um eine Spiritualität, die den Armen gerecht wird, müssen wir uns immer bemühen. Ich selbst und viele sind noch weit davon entfernt“. Die von allen Pfarrern geteilte Option für die Armen (Grundlage und Ausgangspunkt jeder christlichen Spiritualität) scheint in ihrer ganzen Dimension bestenfalls geahnt zu werden. In ihrem Bemühen, dieser Option immer mehr gerecht zu werden, sehen sie sich aber in der Mehrheit allein gelassen und sich „von oben“ (Kirchenleitung) eher entmutigt als ermutigt. Man „beneidet“ den Amtsbruder in Peru wegen dessen größerer Freiheit von Bürokratie und Verwaltung (ohne allerdings dessen vielleicht andere Zwänge zu kennen), weil man sichselbst von Bürokratie, Verrechtlichung und Verwaltung vom Eigentlichen abgehalten sieht.
10. Erlebnisse/Träume
Wie bei den übrigen Gruppenmitgliedern war auch bei den Pfarrern mit einer Ausnahme die persönliche Begegnung mit Abstand das schönste Erlebnis. Dabei spielen die Begegnungen mit den Pfarrern der Partnergemeinde und mit Bischof Dammert eine besondere Rolle, wenn auch hier die Begegnungen vor allem mit den Campesinos am nachhaltigsten gewirkt haben. „Die schönsten Erlebnisse waren die großen Treffen von Bischof Dammert mit den Campesinos“. Auch die gemeinsamen Gottesdienste sind unvergeßlich. Aus diesen Begegnungen erwuchs eine Treue, die verpflichtet. Aber auch hier gilt, daß sich ein Einlassen auf diese Beziehungen bedeutet, daß nicht nur die Freude daran sehr tief reicht, sondern auch der Schmerz, wenn diese Treue enttäuscht wird.
Diese Enttäuschung bezieht sich im übrigen immer auf den „Amtsbruder“, den neuen Bischof und die damit veränderte Situation in Cajamarca, nie aber auf die „einfachen Gläubigen“ oder die Partnerschaft an sich. „Die größten Enttäuschungen: die Besuche bei dem neuen Bischof“. Einmal wird zusätzlich noch die Enttäuschung mit der eigenen Gruppe genannt. „Die größte Enttäuschung: daß sich der hiesige Cajamarca - Kreis verhärtet hat und derzeit unfähig ist zu einem fruchtbaren Austausch. Es fehlt an einer Einheitlichkeit im Handeln, so daß trotz großer Hilfsbereitschaft keine Einigkeit zu erzielen ist, wer, wo, wann materiell oder ideell unterstützt werden soll“.
Von einem Pfarrer, der noch nicht zu Besuch in Peru war wird einmal als positivstes Erlebnis.genannt: „Ein schönes Erlebnis ist es, als Pfarrer in eine Gemeinde zu kommen und einen so aktiven Arbeitskreis anzutreffen mit so vielen engagierten Leuten, die die Dimensionen einer Partnerschaft mit einer Gemeinde in Lateinamerika erkennen und sehr selbständig und selbstbewußt auszufüllen versuchen. In meinen vorigen Gemeinden mußte ich oft die Dinge selbst schleppen und die Kontakte unterhalten und konnte das oft nur oberflächlich tun“. Über Visionen von Kirche, gerade auch im Zusammenhang mit der Partnerschaft, wurde schon weiter oben berichtet.
Es soll hier noch einmal betont werden, daß alle Pfarrer durch die Partnerschaft (vor allem die persönlichen Begegnungen) angeregt wurden, sich über die Zukunft der Kirche mehr Gedanken zu machen als sie dies schon ohnehin getan haben. Dabei spielen Themen wie Gemeinschaft, gelebter Glaube, Option für die Armen, weniger Bürokratie (äußere Dinge) und Konzentration auf des Wesentliche - die Botschaft Jesu - die zentrale Rolle. „Mehr Freiheiten der Ortskirche. Jesus Christus ist unser Fundament.“ Durch das Erleben von Menschen, die konsequent diese Ziele anstreben und teilweise schon vorleben, fühlen sich die Pfarrer in ihrer Berufung ermutigt. Gerade deswegen fühlen sie sich aber auch innerhalb der vorgegebenen (deutschen, römischen) Kirchenstrukturen eher gefesselt als unterstützt oder gar befreit. „Meine Vision von Kirche ist die Gemeinde als Gemeinschaft von Gemeinschaften. Auch diese Vision stammt aus der sogenannten Dritten Welt. Wir stehen uns leider kirchenpolitisch, aber auch religiös, soziologisch und mentalitätsmäßig weitgehend noch selbst im Weg, zu dieser Vision hin die notwendigen Schritte zu tun. Auch hier denke ich, können uns die jungen Kirchen auf die Sprünge helfen“.
Letztlich sehen die Pfarrer ihre Berufung darin, die Welt im Geiste Jesu zu verändern. Dadurch werden sie durch die Partnerschaften ermutigt und bestärkt. „Die Treffen mit Bischof Dammert und den verantwortlichen Campesinos haben Träume in mir angeregt, daß das Volk Gottes, vom Geiste Jesu ergriffen, die Welt verändern könnte. Davon träume ich auch in Bezug auf unsere eigenen Gemeinden“.
Hinzugefügt werden von drei Pfarrern noch die folgenden abschließenden Überlegungen:
- „Für eine dauerhaft gelingende Partnerschaft scheint mir wichtig: Partnerschaftsgruppen als ‚Motoren‘ in beiden Gemeinden. Die Pfarrer müssen positiv dahinter stehen. Der finanzielle Aspekt darf keinerlei im Vordergrund stehen. Man muß sich auf Hochs und Tiefs einstellen. Gegenseitige Besuche sind wichtig. Es darf nie nur eine Einbahnstraße sein“.
- „Persönliche Schlußfolgerung: Ich bin überzeugt, daß unsere Partnerschaft sinnvoll und erfolgreich war. Die Verbindung nach Peru hat mich in meinem Beruf bestärkt. Die Kirche, das Evangelium Jesu Christi, das jüngste Konzil, sind Kräfte, die das Angesicht der Erde erneuern können“.
- „Hinzufügen möchte ich noch ganz persönlich, daß mich das so bewundernswerte, aus voller Überzeugung des Herzens kommende Engagement der Mitglieder unseres ‚Missionsarbeitskreises‘ sehr beeindruckt und (wie ich hoffe) auch beeinflußt hat. Im übrigen hat mich die Begegnung mit Bischof Dammert bei seinem letztem Besuch (1993) hier tief bewegt“.