Vorstellung und Werbung für die Idee einer Partnerschaft (1981) von Willi Knecht
 

Vor der Vorstellung der Idee einer Partnerschaft noch ein Hinweis auf das Fundament, auf dem wir uns bewegen:

Wir sind nur dann wirklich Kirche, Volk Gottes, wenn in dieser Gemeinschaft nicht die einen auf Kosten der anderen leben - nicht die einen verhungern und die anderen immer dicker werden.

Diese Gemeinschaft ist nur dann möglich, wenn wir in den Ärmsten und Notleidenden dieser Welt unsere Brüder und Schwestern erkennen - und sie auch hören, sehen und wahrnehmen in ihrem Elend.

Jesus offenbart sich heute als Christus in den Elenden und Leidenden. Wir können nur dann wirklich glauben und Christus begegnen, wenn wir auf die zugehen, mit denen er sich identifiziert.

Mt 25: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das tut ihr mir...“ Wir sollen also helfen und wir tun es ja auch schon.

 

Aber wie hilft man am besten und nachhaltig? Wie kann man wirklich helfen, vor allem auch langfristig? Wie kann man sicher sein, dass die Hilfe auch wirklich ankommt und falls sie ankommt: ist diese Hilfe auch sinnvoll und wirksam, d.h. kommt es zu einer wirklichen Veränderung zu Gunsten der Armen? In unserem Arbeitskreis haben wir uns diesen Fragen gestellt. Es entstand die Idee, ob wir nicht mit einer Pfarrei aus der Dritten Welt, die besonders bedürftig ist, in direkten Kontakt treten könnten - und zwar in Form einer anzustrebenden Partnerschaft zwischen St. Georg und einer Pfarrei in der 3. Welt. Es gibt bereits mehrere Pfarreien in unserer Diözese, die mit einer Partnergemeinde in direkter Verbindung stehen und die dabei gemachten Erfahrungen sind fast durchweg positiv. Auch der Diözesanrat und der Bischof unterstützen und befürworten intensiv diese Bestrebungen. Ich glaube, folgende Punkte sprechen für eine Partnerschaft:

 

1. Wie der Name „Partnerschaft“ schon ausdrückt, besteht ein direkter und persönlicher Kontakt zwischen zwei Pfarreien. Voraussetzung ist natürlich, dass die persönlichen Anknüpfungspunkte bereits vorhanden sind, was aber bei uns der Fall ist. Man weiß, mit wem man es zu tun hat. In diesem Fall wäre es eine Indiopfarrei in Peru.

 

2. Man weiß auch, was mit dem Geld passiert, das man wegschickt. Und schon bei der Geldsammlung wissen alle Spender, für was und für wen sie spenden.

 

3. Der persönliche Kontakt ermöglicht einen Gedankenaustausch zwischen beiden Pfarreien. Man lernt viel besser die gegenseitigen Probleme kennen, aber auch die jeweiligen Hoffnungen und Sehnsüchte. Dies fördert sowohl das Bewusstsein, zur gleichen Gemeinschaft (Kirche) zu gehören als auch die gegenseitige Verantwortung.

 

4. Wir werden mit der Zeit merken, dass wir nicht nur geben, sondern auch empfangen werden. Denn was in den Kirchen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas an neuen Erfahrungen heranwächst, kann auch für unsere Gemeinden sehr inspirierend und hilfreich sein. Mission ist dann keine Einbahnstraße mehr.

 

5. Wenn wir uns mit einer konkreten Gemeinde zusammen auf den Weg machen, so führt das auch hier bei uns zu „Grenzen überschreitenden“ Erfahrungen, zu einer Art Befreiung aus der Enge - sowohl individuell als auch als Gemeinde.

 

6. Eine Gemeinde, die sich für die Ärmsten direkt verantwortlich fühlt, und zwar nicht für eine anonyme Masse, sondern für eine greifbare, ganz konkrete Gruppe, und die das Teilen und Mitteilen (auch das Mit-Leiden) lernt, wird eine sehr lebendige Gemeinde sein. Es wird ihr dann leichter fallen, auch die Probleme hier bei uns voller Mut und Hoffnung gemeinsam anzupacken.  

 

7. Der Arme bekommt durch die Partnerschaft ein Gesicht. Dies ermöglicht ein „von Angesicht zu Angesicht“ (cara a cara) und ist spirituell eine Hilfe, dem ganz Anderen (Gott) von Angesicht zu Angesicht begegnen zu können.

Das hier Vorgestellte ist bisher nur eine Idee. Dies heute soll ein Anstoß sein. Konkrete Schritte auf eine Partnerschaft hin wurden noch nicht unternommen. Die ganze Gemeinde, zumindest aber der KGR als Vertretung der Gemeinde, muss sich damit noch auseinandersetzen und dieser Idee eventuell zustimmen (was wir uns als Arbeitskreis natürlich wünschen)

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Erste Predigt (Anfang 1982) in St. Georg zum Thema Peru und Andeutung und Vorbereitung einer Partnerschaft.

 

Liebe Gemeinde!

Zuerst in Stichworten etwas zu meiner Arbeit in Peru. Ich habe knapp 4 Jahre in einer Pfarrei im Andenhochland von Peru gearbeitet. Zur Pfarrei gehören etwa 100.000 Katholiken, verstreut über ein Gebiet so groß wie die Schwäbische Alb; in der Mehrzahl rein indianische Bevölkerung; 90% Analphabeten; im Durchschnitt besitzt eine Familie etwa 1 ha steiniges Land. Das reicht kaum zum Leben. Die Hälfte aller Kinder stirbt vor dem 6. Lebensjahr. Mit staatlicher Hilfe kann nicht gerechnet werden. Die Mittel der Pfarrei sind auch begrenzt, auch personell; so waren während der 4 Jahre meiner Mitarbeit nur für 2 Jahre 1 Priester in der Gemeinde. Ansonsten war ich der einzige „Hauptamtliche“. (Alle Daten: Stand 1975)

 

Was kann aber eine Pfarrei angesichts einer solchen Situation tun? Ein 1. Schritt war es, mit den Menschen über ihre Situation zu sprechen, zu fragen: warum leben wir so? Ist das Gott gewollt, Schicksal oder durch Menschen verschuldet? Ich muss hier einfügen: Als ich 1976 dorthin kam, waren die nun aufgezählten Schritte schon getan, dank eines prophetischen Bischofs auf der Seite der Armen und guter Mitarbeiter und mehrerer Priester. Anhand der Bibel kamen die Campesinos zu der Erkenntnis, dass auch sie vollwertige Menschen sind, dass auch sie ein Recht auf Leben haben, auf ein menschenwürdiges Leben! Ja, sie kamen zu der Erkenntnis, dass gerade sie es sind, mit denen Gott sein Werk der Befreiung und die Schöpfung vollenden möchte. So entdeckten sie, wie aktuell und befreiend heute die Botschaft Jesu ist. Sie entdeckten, dass Jesus auf ihrer Seite steht, dass er genau so arm war wie sie selbst, genauso verspottet und verachtet wurde, geschlagen und zuletzt zu Tode gefoltert.

 

In den letzten drei Jahren meines Aufenthalts wurden 2 Land-Katecheten von den Militärs erschossen, mehrere teils schwer verletzt, einige - vor allem die Mitglieder des KGR - ins Gefängnis geworfen und gefoltert. Ihre „Schuld“: Sie wollten im Geiste Jesu wie Menschen behandelt werden. Aber weil zum Tod Jesu die Auferstehung gehört, wissen, sie, dass er letztlich doch gesiegt hat, dass die Zukunft mit mehr Gerechtigkeit auch für sie schon begonnen hat und dass das Land der Verheißung denen gehört, die im Moment nichts haben, denen alles verweigert wird.

 

Ich selbst habe für mich entdeckt, dass man vielleicht nur dann die Botschaft Jesu in all seiner Fülle und ganzen Tiefe nur dann erfahren kann, wenn man wie die Indios ausgestoßen ist - man ihr Leben teilt - und gerade deswegen seine ganze Hoffnung auf Gott setzt. Vielleicht ist gerade das unser größtes Glaubensproblem hier in Deutschland. Wir haben und besitzen viel, wir planen, funktionieren, verwalten und organisieren und sind auch noch stolz darauf, dass wir das so gut können. Und dabei sind wir doch so arm - arm an Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen auf Gott.

 

Zurück zu Peru: Aufgrund ihrer Glaubenserfahrung haben die Indios begonnen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Gemeinsam werden Kanäle zur Bewässerung geplant, ebenso Schulen, eine Genossenschaft wurde gegründet und vieles mehr. Es gibt inzwischen fast 200 ausgebildete und verheiratete Katecheten, die in ihren über das Land verstreuten Gemeinden praktisch die Gemeinde leiten, Wortgottesdienste feiern, die Gemeinde um sich versammeln, so Kirche bilden, usw. Etwa 100 Katecheten haben zusätzlich die bischöfliche Erlaubnis zu taufen, Ehen zu schließen und die Eucharistie zu verwalten. Im letzten Jahr meiner Mitarbeit wurden die ersten Diakone geweiht (informell, aber beauftragt vom Bischof für die genannten Aufgaben). Meine Arbeit war damit zu Ende, eine Arbeit, die vor 20 Jahren begann (1962) und wo ich das Glück hatte, in den letzten Jahren als letzter dort tätiger Ausländer dabei sein zu dürfen. Heute steht die Pfarrei, inzwischen mit 2 einheimischen Pfarrern, auf eigenen Füßen.  

 

Schön und gut - aber was hat das alles mit uns zu tun? Sehr viel, meine ich. Die Kirche, die ja die ganze Welt umspannt, kann sich nur dann mit gutem Recht die Kirche Jesu Christi nennen, wenn sie eine Gemeinschaft ist, in der alle füreinander da sind und sich füreinander verantwortlich fühlen; in der nicht die einen auf Kosten der anderen leben und in der nicht die einen, die alles haben, die anderen ausschließen dürfen. In einer Gemeinschaft, deren Fundament ja die Liebe sein sollte, ist es das Mindeste was man erwarten darf, dass alle das Recht auf Leben, d.h. auf ausreichend Essen, Wohnen, Ausbildung, ärztliche Versorgung usw. haben. Dafür muss innerhalb dieser Gemeinschaft gesorgt werden. Das heißt nicht, dass alle dasselbe besitzen sollen, aber allen steht das zu, was ein Mensch zu einem menschenwürdigen Leben braucht. Das ist Gottes Wille, ja Gottes Gesetz! Doch dieses göttliche Recht, das jedem Menschen als Kind Gottes wesensmäßig zusteht, wird der Mehrheit der Menschen verweigert, auch der Mehrheit derer, die ja zu dieser einen Kirche Jesu Christi gehören. Es wird ihnen von Christen verweigert!

 

Es gibt einen Bruch in unserer Kirche, eine riesige Kluft tut sich da auf: auf der einen Seiten die arm gemachten Brüder und Schwestern, auf der anderen Seite die anderen Brüder und Schwestern, die vor lauter Überfluss nicht wissen wohin damit. Das ist unvereinbar mit der Botschaft Jesu, der sein Leben dafür hingegeben hat, dass eine neue Gemeinschaft entsteht, das neue Volk Gottes, in der jeder dem anderen in Wahrheit und in der Tat Bruder und Schwester ist. Wenn wir uns Christen nennen, dann müssen wir diese neue Gemeinschaft nicht nur wollen, sondern auch mit allen unseren Kräften anstreben.

Aber wie? Es genügt da sicher nicht, dass wir 1 bis 2 Mal im Jahr unsere Pflicht bei irgendeiner Spende erfüllen. Ich habe von diesem tiefen Abgrund gesprochen und wir, die wir auf der einen Seite stehen, werfen hin und wieder eine Münze denen auf der anderen Seite zu. So sinnvoll und notwendig das auch im Einzelnen mal sein kann - der Abgrund bleibt, im Grunde ändert sich nichts und vielleicht soll sich ja auch gar nichts ändern? Es kommt aber nicht nur darauf an, diesen Abgrund zu sehen - was schon nicht wenig ist - sondern diesen Abgrund ganz verschwinden zu lassen. Und dies erst recht innerhalb der einen Familie von Brüdern und Schwestern!

 

Die Campesinos glauben an diese gemeinsame Familie, sie glauben, dass Gott ihnen beistehen wird und dass diese Kluft verschwinden wird. Sie haben schon angefangen, daran zu arbeiten und auch daran, dass unter ihnen selbst Brüche und Abgründe verschwinden und sie immer mehr zu  einer einzigen Familie werden. Es liegt nun an uns, uns auch auf den Weg zu machen - in der Gewissheit, dass unsere Wege sich treffen werden, denn Gott ist ja unser gemeinsames Ziel. Ich habe hier den Eindruck, dass wir den Weg und das Ziel nicht mehr richtig erkennen. Wir haben die Orientierung verloren, tappen im Dunkel oder lassen uns blenden von anderen Dingen, vom materiellen Wohlstand, von Karriere, Besitzdenken, vom Tanz um das Goldene Kalb und merken gar nicht, wie wir dabei langsam zugrunde gehen - und nebenbei bemerkt: die ganze Welt, die Schöpfung Gottes, damit in den Abgrund stürzen.

 

Genauso wie beim Volk der Hebräer: Gott hat es aus der Sklaverei befreit, wollte es in das Gelobte Land führen, doch die Hebräer verloren unterwegs den Mut und den Glauben. Sie sehnten sich nach den vollen Fleischtöpfen in Ägypten zurück, sie bauten sich in der Wüste ein Goldenes Kalb und beteten es an. So versperrten sie sich selbst den Weg in die Befreiung. Geht es uns nicht auch so? Bei dieser Jagd nach Besitz, Konsum, Karriere und Erfolg, geht da nicht das kaputt, was wir am meisten brauchen: Liebe - Vertrauen - Gemeinschaft? Denn in Wirklichkeit hungern wir alle nach mehr Verständnis, Anerkennung, Liebe. Wir, auch wir sind am Verhungern - doch lassen wir uns einreden, dass Gold satt macht. Doch Geld und Gold machen immer nur noch gieriger und schafft noch mehr Hunger - in uns und weltweit. Kein Wunder, wenn da auch unser Herz zu Stein wird und dass wir selbst unfähig werden, Liebe zu geben und Brot für andere zu sein. Und so kommt es auch dann eben zu diesen Abgründen, nicht nur weltweit, sondern es gibt diese ja nur, weil es auch bei uns viele Brüche gibt, in unserer Gemeinschaft hier und in jedem von uns.

 

Das Beispiel der Campesinos und von Jesus selbst, kann uns helfen, die Augen zu öffnen. Bei ihm standen andere Werte im Vordergrund, nicht Besitz, Erfolg und Macht. Daran brauchte er sich nicht zu klammern, er wusste sich nämlich ganz und gar in der Hand seines Vaters, der auch unser Vater ist. Und so hatte er seine Hände frei für andere. Nur ein solches Grundvertrauen, ein solcher Glaube, ermöglicht Gemeinschaft, Hingabe und damit neues Leben. Im 1. Brief des Johannes steht: „Wir wissen, dass wir aus dem Tod zum Leben hinüber gegangen sind, weil wir die Brüder und Schwestern lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tode!“ Unsere Hoffnung und Zuversicht ist es nun, dass Gott uns alle, jeden einzelnen von uns, zu diesem neuen Leben berufen hat. Diesem Ruf zu folgen wäre dann auch unser wahrer Beitrag zur Mission, d.h. zur Überbrückung und dann zur Abschaffung dieses Abgrundes, der unsere Welt und unsere Herzen spaltet. Haben wir erst einmal diese neue Einstellung gewonnen, dann können wir auch die Verhungernden und Leidenden dieser Welt als unsere Brüder und Schwestern erkennen und wahrnehmen.

 

Dann auch wird uns deutlich werden, dass in den Augen verhungernder Kinder uns Jesus selbst ansieht und uns fragt: Warum siehst du mich nicht, warum gehst du an mir vorbei? Erst wenn unser Herz sich aus Stein in Brot verwandelt hat, wenn uns die Augen und Herzen aufgehen und wir uns nicht von Dingen blenden lassen, werden wir auch anderen nicht nur Steine geben. Erst dann können wir selbst zu Brot des Lebens werden für alle, die nach Liebe und Gerechtigkeit hungern - sei es in unserer nächsten Umgebung, sei es konkreten Menschen, die z. B. in Peru am Verhungern sind. Ich glaube an diese Verheißungen und an die Möglichkeit einer gerechteren und besseren Welt. Denn Gott hat uns versprochen, dass es so sein wird!

 

Noch ein wichtiger Hinweis: Die geschilderte Arbeit, der Aufbruch einer Gemeinde in Peru, wäre kaum möglich gewesen ohne die Partnerschaft mit einer deutschen Pfarrei (St. Martin in Dortmund). Und diese Pfarrei ist dadurch nicht ärmer geworden, sondern reicher, reicher an wichtigen Glaubenserfahrungen, reicher an spirituellem Leben und an Glaubwürdigkeit.

Im Mai 1982 hat dann der KGR von St. Georg einstimmig diese Partnerschaft beschlossen und sich verpflichtet - nur falls notwendig auch über die Spenden hinaus - eine stabile Unterstützung der Partnergemeinde zu garantieren.


 

1982:  Unsere Partnergemeinde in Peru - Partnerschaft statt Patenschaft (im Gemeindebrief)

In einer geschwisterlichen Gemeinschaft sollte es kein „oben” und „unten” geben, erst recht kein Leben auf Kosten der Mitmenschen. Echte Partnerschaft will auch nicht Abhängigkeiten schaffen oder zementieren, sondern bestehende Abhängigkeiten abbauen. Partnerschaft bedeutet nicht zuerst Almosen geben, sondern bedeutet eine Herausforderung unserer ganzen christlichen Existenz. Es bedeutet, über die Gründe des Elends, bzw. des Reichtums nachzudenken. Es bedeutet darüber nachzudenken, was eigentlich christlicher Glaube bedeutet und wie wir unserer Verantwortung gegenüber der Welt und dem Nächsten gerecht werden können. Und: welche Konsequenzen fordert dies für unser praktisches Handeln? Es bedeutet auch, ob wir das Leben unserer Mitchristen, die im Elend leben, auch wirklich ernst nehmen und wir ihnen, den Hungernden, Christus, wieder erkennen. Wollen wir also wirklich diese Partnerschaft, d.h. sind wir bereit, unser Denken, unser Handeln, unseren Lebensstil, unsere Art zu glauben und Kirche zu sein, in Frage stellen zu lassen oder wollen wir nicht doch lieber durch eine Spende gerade dies alles rechtfertigen?

Neben dem Geben und dem Miteinanderteilen müssen wir vielleicht erst lernen, zu hören. Könnte es nicht sein, dass Gott heute nicht anders erfahrbar wird, als durch die Worte der Armen - ist vielleicht ihr Schrei nach Brot, Gerechtigkeit und Frieden das Wort Gottes an uns? Woran liegt es denn, dass Gott in unserem alltäglichen Leben so selten erfahrbar wird? Liegt es vielleicht nicht auch daran, dass wir schnell bereit sind, Millionen von DM in Steine zu investieren und darüber selber zu Stein geworden sind (oder umgekehrt)? Ist Jesus eher gegenwärtig in einer goldenen Monstranz oder im unter die Räuber gefallenen Mitmenschen? Und wer ist der Nächste und wer ist der Samariter?

Aus einem Hirtenwort der peruanischen Bischöfe: „Die Verwirklichung der Gerechtigkeit unter den Menschen ist das Kernstück der biblischen Botschaft. Gerechtigkeit üben heißt Gott erkennen und somit ihn lieben. Wenn es keine Gerechtigkeit unter den Menschen gibt, wird auch Gott nicht anerkannt. Dort, wo ungerechte soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Ungleichheiten bestehen, wird der Friede Gottes, ja der Herr selbst abgelehnt“.

Aus einer Predigt von Kardinal Döpfner (München): „Um des Gekreuzigten willen beschwöre ich euch: lasst den Herrn in den Not leidenden Brüdern nicht vergeblich rufen. Sonst entfernt das Kreuz von allen Wänden, holt es von allen Türmen; denn es ruft das Gericht über ein Land, das sich christlich nennt und stattdessen das Gesetz der Selbstsucht erfüllt“.

PS: Informationen über unsere Partnergemeinde wurden schon des Öfteren veröffentlicht (zuletzt im Gemeindebrief). Genauere Informationen erteilt gerne der Missionsarbeitskreis.


 

Zum 1. Peru-Wochenende am 5. 9. 1982

Einige Informationen über die Pfarrei in Peru, zu der wir bereits Kontakte haben, und mit der wir eine Partnerschaft aufbauen möchten.

Die Pfarrei San Pedro liegt am Stadtrand von Cajamarca, einer Stadt mit etwa 60.000 Einwohnern im Andenhochland Nordperus. Zur Pfarrei gehören auch riesige Landgebiete mit einem Durchmesser von etwa 80 km. In dieser Pfarrei leben etwa 50.000 Katholiken, etwa 10.000 zum Stadtgebiet gehörend, die Mehrzahl aber sind Campesinos (Indios). Diese haben im Durchschnitt etwas weniger als 1 ha Land pro Familie. Das reicht in der Regel nicht zum Leben. So beträgt die Kindersterblichkeit (bis 6 Jahre) 50%, eine der höchsten in ganz Lateinamerika. Die „Stadtbewohner“ der Pfarrei leben überwiegend in den Armenvierteln am Rande der Stadt. Es gibt nur eine sehr kleine „gut bürgerliche“ Gemeinde. In den Gottesdiensten sind fast nur diese bürgerlichen Christen (Mittelschicht) anzutreffen.

Für die riesige Pfarrei ist ein einzelner Pfarrer zuständig. Außer einer älteren Haushälterin hat er keine Mitarbeiter. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen (in Peru gibt es keine Kirchensteuer und keine Gehälter für Pfarrer) muss er wöchentlich noch 20 Stunden Religionsunterricht an einer staatlichen Schule im Stadtzentrum halten. Auf diesen geringen Lohn ist er angewiesen, auch weil er von seinen meist armen Gemeindemitgliedern keine Gebühren für Messen, Hochzeiten etc. verlangen will. Er ist Peruaner und hatte bisher keinen Kontakt zu ausländischen Organisationen und Geldgebern. Er hat einen uralten VW-Käfer und wohnt im Pfarrhaus bei der Kirche San Pedro.

Aus Geld- und Zeitmangel kann er nicht das für seine Gemeinde tun, was er gerne tun würde. Dazu gehören in erster Linie die Ausbildung von Katecheten, Kurse über Hygiene, bessere Anbaumethoden in der Landwirtschaft, Bau einiger Wasserkanäle etc. Wichtig ist und wäre vor allem, dass die Menschen in der Pfarrei lernen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, dass sie sich organisieren, zusammenschließen und sich gemeinsam für eine bessere und gerechtere Zukunft einsetzen. Das geht nur in Gemeinschaft. Eine Vertiefung ihres Glaubens, der bisher oft nur sehr oberflächlich ist, könnte dazu führen (und dafür gibt es hervorragende Beispiel in anderen Gemeinden der Diözese Cajamarca), dass genau dies erreicht werden kann. Wenn sie erst entdecken, dass Gott nicht will, dass ihre Kinder Hunger leiden, dass man dagegen was tun kann, dass es bestimmte Ursachen gibt usw., dann werden sie auch aus ihrem Glauben heraus sich engagieren, denn sie werden dann entdecken, dass Jesus Christus sie begleiten und sie nicht mehr im Stich lassen wird.

Machen wir uns auch auf den Weg! Wir erweisen uns dann als Kinder Gottes, wenn wir die Menschen, mit denen sich Gott solidarisiert und mit denen er leidet, als unsere Brüder und Schwestern erkennen und in der Tat auch so handeln. Mit unserer Partnerschaft wollen wir einen konkreten Anfang setzen. Damit dies alles nicht nur eine schöne Idee bleibt, brauchen wir die Hilfe und den Beistand aller Gruppen unserer Gemeinde. Wir werden auf die einzelnen Gruppen zugehen und wären für eine Einladung sehr dankbar. Sicher ist eine solche Partnerschaft eine große Herausforderung - aber sie kann auch zu neuen Ufern führen!

 

Damit die Welt nicht „zum Teufel geht“: Packen wir es an - in Gottes Namen!

Zum Mittagessen bieten wir Ihnen zwei typische peruanische Gerichte an: „Papa a la huancaina“ und “Chancho saltado con piña” (Rezepte zum Mitnehmen liegen aus). Wir wünschen Ihnen “Guten Appetit”. Es wird auch Ihnen sicher gut schmecken - und Sie werden vielleicht sagen: In Peru lässt es sich ganz gut leben! Spätestens an unserem Informationsstand werden Sie aber erfahren, dass dem nicht so ist. Über die Hälfte der Peruaner hat noch nie die oben genannten Gerichte essen können. Selbst für Lehrerfamilien ist ein solches Essen ein seltenes Festessen.

Warum bieten wir dennoch dieses Essen an? Weil das tägliche Essen der Mehrheit der Peruaner für unsere verwöhnten Gaumen ein „Zumutung“ (?) wäre. Muten Sie sich dennoch dieses tägliche Essen einmal zu und probieren Sie selbst aus, worum Millionen von Menschen in Peru tagein tagaus kämpfen müssen: Kartoffeln in Wasser ohne jede Zutaten (außer Salz). Auch in unserer Partnergemeinde San Pedro danken die meisten Menschen Gott, wenn von dieser Kartoffelsuppe - nachdem sie morgens einmal für den ganzen Tag gekocht wurde - zum Abend noch etwas übrigbleibt! Dieses „tägliche Brot“ der Campesinos gibt es nun bei uns „als Vorspeise“ - um auf den Geschmack zu kommen….! 


 

Ich mag Peru - und Du?

Nachbetrachtung zum 1 Peru-Wochenende - in allen Gottesdiensten verlesen und im Gemeindebrief an alle verteilt.

Spätestens seit unserem Peru - Sonntag am 5. September wissen die meisten in unserer Gemeinde, dass wir eine Partnerschaft in Peru haben. Es handelt sich um eine Pfarrei im Andenhochland Nordperus. 50.000 Katholiken müssen mit einem einzigen Pfarrer auskommen, der zudem noch über 20 Religionsstunden geben muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Was aber noch dramatischer ist: Gut 2/3 der Pfarrmitglieder sind „Indios“, die unter dem von der UNO errechneten Existenzminimum dahinvegetieren - bislang ohne Aussicht auf Hilfe und Verbesserung.

Was kann und will nun angesichts dieser Situation unsere Partnergemeinde tun bzw. welche Aufgaben stellen sich ihr?

Als Nahziele seien folgende genannt:

- Überblick über die dringendsten Bedürfnisse und Erstellen eines Arbeitsplanes mit konkreten Zielvorstellungen

- Gewinnen von Mitarbeitern, um die gestellten Aufgaben verwirklichen zu können

- Ausbildung von Katecheten als vorläufiger Schwerpunkt. Diese Katecheten sollen einmal als Leiter (evtl. auch Leiterinnen) von Basisgemeinden wesentliche Aufgaben des Pfarrers in ihren jeweiligen Gemeinschaften übernehmen.

- Organisation und Durchführung von Kursen aller Art (Hygiene, Ernährung, Landwirtschaft, Gesundheit, Handwerk)

 

Längerfristig ist an folgendes gedacht:

- Aufbau von Produktionsgenossenschaften, um unter anderem die Zwischenhändler zu umgehen.

- Herausgabe einer Gemeindezeitung, die auch zur Alphabetisierung beiträgt, Ratschläge für den Alltag gibt, Missstände anprangert, Probleme aufgreift und das Wort Gottes verkündet.

- Ausbildung von Gesundheitshelfern („Barfußärzte“ – promotores de salud), die ausgerüstet mit Basismedikamenten die Indiogemeinschaften besuchen und vor allem prophylaktisch (Vorsorge) arbeiten.

Alle diese Aufgaben sind von den Menschen dort machbar und leistbar. Der Wille ist da. Grundlage dafür ist die christliche Verkündigung und die Erkenntnis, dass jeder Mensch als Kind Gottes ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat. Für die Verwirklichung dieses Konzeptes müssen bestimmte materielle Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hier sind wir angefragt. Der gelungene 1. Peru - Sonntag hat uns Mut gemacht. Unser Dank gilt allen, die zum Gelingen beigetragen haben. Wir brauchen aber weiterhin engagierte Mitarbeiter. Sie sind in unserem Kreis herzlich willkommen. Sie werden mit uns in eine neue Welt aufbrechen dürfen, ganz anderen Menschen begegnen (vielleicht auch einmal real) und reich beschenkt mit neuen Erkenntnissen belohnt werden!

 


 

Informationen zum Peru-Wochenende am 10. Juli 1983 Zur Situation in Peru:

In den letzten beiden Jahren hat sich die Situation in Peru in allen Bereichen dramatisch verschlechtert. Durch die Politik der neuen „demokratischen“ Regierung kommt es zu einem Totalausverkauf des Landes. Ausländisches Kapital, subventioniert von der Regierung, zerstört u.a. Handwerk und Kleinbetriebe. Um Devisen für den Import von Farbfernsehern und Cadillacs für die Oberschicht zu bekommen, werden nicht nur alle Bodenschätze verhökert, sonders es werden sogar noch landwirtschaftliche Grundnahrungsmittel exportiert, oder auf den fruchtbarsten Böden des Landes werden Baumwolle, Kaffee usw. für den Export angebaut - u.a. auch um immer bessere Waffen kaufen zu können zum Schutz vor dem eigenen Volk. Aus deutscher Sicht (offizielle Regierungspolitik!) sieht das dann so aus: wir schaffen uns neue Absatzmärkte und sichern uns die lebenswichtigen Rohstoffe für die Zukunft. Ganz nebenbei erhalten wir dafür billige Bananen und hochwertiges Tierfutter für unsere Schweine und Rassenhunde und zur Produktion von immer größeren Schweine- und Butterbergen. So erhalten wir unseren Lebensstandard, unterstützen den freien Welthandel, und sind sogar bereit, diese unsere Freiheit mit dem Leben zu bezahlen. Gleichzeitig ist die amerikanische „Coca-Cola-Kultur“ dabei, wie ein unaufhaltsames Krebsgeschwür die letzten lebendigen Indiogemeinschaften im Namen der christlich- abendländischen Kultur zu zerstören. Diese Kultur zerfrisst die Seelen und die Hirne von immer mehr Menschen und alle wollen dann nur noch sein wie die im Fernsehen gezeigten Hollywood-Stars….

Zu allem Unglück wurde Peru von den schlimmsten Naturkatastrophen des Jahrhunderts heimgesucht („El Niño“). Aussaat und Ernte sind weitgehend vernichtet. Gegen Ende des Jahres droht eine landesweite Hungerkatastrophe.

 

Unsere Partnergemeinde San Pedro bleibt natürlich davon nicht unberührt. Die angestrebten strukturellen Verbesserungen mussten vorerst etwas zurückgestellt werden zu Gunsten sofortiger karitativer Katastrophenhilfe. So konnte etwas Leid gemildert, Hoffnung konnte geweckt werden, ja sogar Zuversicht für die Zukunft. Denn die Menschen in San Pedro wissen jetzt: sie werden nicht im Stich gelassen. (Ein Rechenschaftsbericht über die bisher geleistete Hilfe am Aushang und am Informationsstand). Vor allem aber sind die Campesinos von San Pedro im Glauben gestärkt worden: Der biblische Gott ist ein Gott der Gerechtigkeit und der Liebe - und er steht auf ihrer Seite, ihnen gehört die Zukunft und diese Zukunft hat bereits begonnen. Konkretes Zeichen dieser Hoffnung ist für sie Partnerschaft mit St. Georg.  

„Schaut, ich werde euch eine neue Erde schaffen. Ich werde aus meinem Volk eine neue Freude machen. Sie werden kein Haus mehr bauen, damit ein anderer darin lebt. Sie werden nicht mehr säen, damit ein anderer sich davon ernährt. Sie arbeiten nicht mehr vergebens. Sie bringen nicht mehr Kinder zur Welt für einen jähen Tod… denn sie sind die Nachkommen der vom Herrn Gesegneten“ (Jesaja 65).

 

Ähnlich wie im letzten Jahr, als wir Ihnen eine einfache Kartoffelsuppe (Kartoffeln mit Wasser) anboten, so wollen wir Ihnen auch dieses Jahr - vor dem eigentlichen Essen - eine Speise der Armen anbieten: Cachanga, ein typisches Essen auf dem Land, ein gutes und nicht alltägliches Essen, denn es wird aus Mehl (Weizen) bereitet und ist für das tägliche Essen zu teuer. Die beiden peruanischen Hauptgerichte, die wir Ihnen danach anbieten, liegen erst recht außerhalb der Reichweite der Campesinos. Es sind: “Chancho saltado con piña“ und “Ají de gallina”, für je 6 DM. Beschreibung der Speisen und Rezepte zum Mitnehmen am Infostand.

So spricht der Prophet Jesaja im Namen Gottes zu den Reichen des Volkes Israel: “Ihr kennt nicht das wahre Fasten, wie ich es liebe: die ungerechten Fesseln zu lösen, die Unterdrückten frei zu lassen und jegliches Joch zu zerbrechen. Du sollst dein Brot mit den Hungrigen teilen, die Armen ohne Haus sollen das Deine betreten, den Nackten sollst du begleiten und deinen Bruder sollst du nicht im Stich lassen“


 

Brief von Bischof Dammert aus dem Krankenhaus in Castrop Rauxel (06. 12. 1984)

Liebe Amelia, lieber Willi,

ich danke euch für die wiederholten Grüße per Telefon und Brief. Ihr hattet wohl schon die Vorahnung, dass mein Besuch in Ulm unmöglich werden wird. In der Tat, mein Aufenthalt von fast sechs Wochen in dieser Stadt und im Krankenhaus, macht mir alle Besuche unmöglich. So muss ich euch, wie anderen auch, mitteilen, dass ich bestimmt nicht kommen kann, denn sonst wäre meine Rückkehr nach Peru auf unbestimmte Zeit unmöglich.

Ich verließ Cajamarca am 1. September, so dass ich schon fast vier Monate abwesend bin. Wenn ich mir alle Punkte, die ich mir für meinen Besuch in Deutschland vorgenommen hatte, erfüllen wollte, müsste ich mindestens noch einen Monat länger wegbleiben. Leider hat die Operation, außer dass sie auch ein chirurgischer Eingriff in meinen Körper war, mich stark behindert. Ende der nächsten Woche kann ich endlich hier raus und dann nach Frankfurt fahren. Von dort werde ich nach Peru fliegen. Ich hoffe, nach einer kurzen Erholungsphase das Weihnachtsfest mit meiner Schwester Laura verbringen zu können und werde dann gleich danach nach Cajamarca reisen.

Den Brief, den ihr mir geschickt habt, werde ich Padre Vigo übergeben. In seinem Namen und in dem seiner Pfarrei danke ich euch für diese Großherzigkeit, die es ihm erlaubt, seiner pastoralen Verantwortung gerecht zu werden, die für die Gemeinde einen Neuanfang bedeutet, der bereits unerwartet viele Früchte getragen hat.

Ich lege euch die Kopie eines Interviews mit Frau Bollinger bei. Sie hat mich schon einmal 1977 interviewt. Das Interview gelang sehr gut, denn sie drückt klar aus, was ich denke. Meinen Bericht über das Treffen mit dem Papst habt ihr ja ebenfalls bekommen. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Wir peruanischen Bischöfe fühlen uns in unserer Linie voll bestätigt und werden alles tun, um noch mehr und besser mit den Armen zusammenzuarbeiten.

 

Ich halte es für höchst interessant und gut, welches Bild ihr den Gemeindemitgliedern von St. Georg über die Situation ihrer „Kollegen“ in San Pedro vermittelt und auch allgemein über die traurige Lage, in der sich Peru gerade wirklich befindet. Solche guten Schilderungen und Analysen der Situation liest man selbst in Peru selten!

Sei meiner Ankunft in Cajamarca 1962 hat mir die Pfarrei San Pedro sehr am Herzen gelegen. Denn abgesehen von einer sehr großen Zahl von Gläubigen in der Stadt, ist auch ihre Ausdehnung auf das Land hinaus enorm. So versuchte ich Padre Vigo zu helfen, in dem ich z.B. regelmäßig die 6-Uhr-Messe in der noch alten Kapelle gelesen habe. Die Diözese selbst hat ein Projekt unterstützt in Chetilla, das darin bestand, die alten Sitten und Gebräuche niederzuschreiben um diese Indiogemeinschaft mit ihrer eigenen Geschichte zu konfrontieren. Denn Chetilla ist eine Enklave innerhalb der Diözese mit eigener Indiosprache. Die andere Enklave, in der ebenfalls Quetschua gesprochen wird, gehört ebenfalls zu San Pedro. Es ist Porcón. Insgesamt stand aber San Pedro sehr allein und all die Jahre gelang es dort nicht, eine echte Landpastoral mit Katecheten usw. aufzubauen.

 

Umso mehr findet all das meine höchste Anerkennung und Hochschätzung, was ihr zur pastoralen Arbeit in San Pedro beitragen könnt, ja in diesem Umfang erst ermöglicht. Ohne eure Partnerschaft, die ihr in Ulm initiiert habt, wäre ein solcher Neuanfang nicht möglich gewesen. Hoffentlich wird es eines Tages noch mehr solcher Partnerschaften in Cajamarca geben! Deswegen bedauere ich auch so sehr, dass ich Ulm diesmal nicht besuchen kann. In Spanisch sagen wir: der Mensch denkt und Gott lenkt - genau das geschah nun mit mir.

Ich wünsche eurem Herrn Pfarrer und allen Gemeindemitgliedern von St. Georg ein heiliges Weihnachtsfest und dass der Herr die großmütigen Anstrengungen in der Zusammenarbeit mit San Pedro segnen möge!

Euch selbst eine freundschaftliche Umarmung José Dammert Bellido, Bischof von Cajamarca

Anmerkung 2006: Bischof Dammert war im Herbst 1993 zum letzten Mal in Deutschland. Zum Abschluss (und Erholung, wie er sagte) seines vierwöchigen Aufenthaltes in Deutschland war für 6 Tage bei uns zuhause in Ulm, wo er sich „wie zuhause fühlte“ (auch wegen Amelia, mit deren Eltern er sehr befreundet und die über Jahre seine Mitarbeiterin im Bischofshaus war).


 

Miteinander glauben - miteinander teilen

Leitartikel Kath. Kirchenblatt Ulm/Neu - Ulm/Blautal zum Tag der Weltmission, 28.10.1984.

 

„Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten“ (Mt 5, 13, aus dem heutigen Evangelium). Salz gehört in die Speise. Bleibt es im Topf, im Sack, ist es nutzlos. Es offenbart sein Wesen nur, wenn es tätig wird. Ebenso kann ein Christ nur Zeuge Jesu Christi sein, wenn er Christsein als Dienst an der Welt, als „Mission“ begreift. Sind wir aber Salz, fordern uns die weltweiten Probleme unserer Zeit heraus: die wachsende Verelendung in der Welt, die Bedrohung der Schöpfung, die steigende Rüstungsproduktion, die zunehmende Gewalt, die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher, der schwindende Glaube an Jesus Christus... . Wir müssen uns diesen Problemen stellen und nach alternativen - dem Evangelium gemäßen - Antworten suchen. Wenn wir zu all dem nichts zu sagen haben, sind wir schales Salz, nutzlos.

Haben wir aber etwas zu sagen - und selbst wenn: wer hört uns noch? Wir leben in einer zunehmend heidnischen Gesellschaft. Die Zerstörung der Natur, unserer eigenen Lebensgrundlage und die der kommenden Generationen, ist nur ein Beispiel und Symptom einer zutiefst atheistischen Grundeinstellung, von Götzendienst: nämlich sich selbst an die Stelle Gottes setzen wollen oder sich eigene Götter zu schaffen, die da sind: Profit, Habgier, Macht, materieller Wohlstand usw. Wenn diese Götzen angebetet werden, dann braucht man sich nicht mehr zu wundern, wenn ein blühender Handel mit menschlichen Embryonen existiert oder wenn man Millionen von Menschen in den Tod treibt, weil man ihnen mit Gewalt ihr Land genommen hat, um darauf dann Sojabohnen für unsere Schweine anzubauen.

„Ihr seid das Salz der Erde“. Müssen wir uns nicht fragen, ob wir uns beim Tanz um das Goldene Kalb nicht allzu sehr haben blenden und berauschen lassen? Dennoch: Wir Christen sind beauftragt, „Salz der Erde“ zu sein, Licht gerade in dieser Finsternis. Und wir können dies auch, Gott zumindest traut es uns zu. Dabei können wir auch voller Hoffnung auf Lateinamerika schauen, wo eine Kirche nach Jahrhunderten langer Agonie zu neuem Leben erwacht.

 

Menschen, die im Elend leben, entdecken neu die befreiende Botschaft Jesu. Sie lesen zusammen die Bibel und entdecken, dass der Kreuzweg Jesu Christi ihr eigener Kreuzweg ist. Sie fragen aber auch, warum Jesus gekreuzigt wurde und warum sie selbst in solchem Elend leben müssen. Dabei lernen sie die Ursachen ihres Elends kennen, aber auch, dass Elend und Unterdrückung nicht dem Willen Gottes entsprechen. Ihr Elend ist die Folge von sündhaftem Verhalten und sündhaften Strukturen, die von den Mächtigen dieser Erde aus Habgier errichtet und gewaltsam aufrechterhalten werden. Sie vertrauen voll auf Gott, der dieses Unrecht nicht duldet. Gott steht auf der Seite der Armen und in Jesus solidarisiert er sich mit ihnen bis zum Tod am Kreuz. Doch das Kreuz ist nicht das Ende. Gott hat ihnen, hat uns allen, sein Wort gegeben - über den Tod hinaus. Sie wissen, dass die Herrschaft Gottes schon jetzt aufleuchten soll. Dieses Reich Gottes nimmt konkrete Gestalt an im Einsatz gegen Elend und Ungerechtigkeit und überall dort, wo Menschen sich gemeinsam auf die Nachfolge Jesu einlassen. Ihnen, den Armen, gehören die Verheißungen eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Und die Reichen? Auch sie sind eingeladen und gerufen. Aber für sie ist es Ruf zur Umkehr und umzukehren ist sehr schwer für Reiche…

 

Wir gehören zu den Reichen. Sind wir verloren? Ja, wenn wir den Ruf der Armen nach Gerechtigkeit nicht hören, wenn wir uns verkriechen, mit den Wölfen heulen, Angst haben und kleingläubig sind. Nein, wenn wir die Götzen von ihrem Sockel stürzen und uns bedingungslos dem Gott des wahren Lebens anvertrauen.

In einem wahrhaften Dialog mit der lateinamerikanischen Kirche können wir nichts verlieren - nur gewinnen. Es seien nur kurz erwähnt: die Erfahrungen von christlichen Basisgemeinschaften, die erfrischende Mitarbeit von Laien, eine Kirche des Volkes, in der Bischöfe und Priester wahre Diener des Volkes Gottes sind; Begeisterung und Hoffnung, Feier und Dank; die Erfahrung des Miteinanderteilens und Beschenktwerdens; die Einheit von Glauben und Alltag; das rückhaltlose Vertrauen auf den Gott der Liebe, der sein Volk nicht im Stich lassen wird.

Das ist die Botschaft der Armgemachten heute an uns. Zuhören und offen sein ist ein erster Schritt. Es könnte ein Anstoß sein zu einer Befreiung von den Dämonen dieser Zeit, von Zwängen und Ängsten, und zu einem Freiwerden für Gott und den Mitmenschen. Dazu sind wir gemeinsam herzlich eingeladen - gerade auch an diesem Tag der Weltmission.