...In der Eucharistie feiert die Gemeinde den Aufbruch Gottes mit den Menschen (Befreiung), sie feiert die Gemeinschaft der Menschen untereinander und mit Gott und sie ist damit Zeichen dafür, dass die tödliche Spaltung der Menschheit überwunden werden kann. Sie ist Zeichen des Reiches Gottes. In einer Partnerschaft wird dieses Zeichen konkret erfahrbar und kann nachvollziehbar in eine entsprechende Praxis umgesetzt werden. Keine katholische Gemeinde kann von ihrem eigenen Selbstverständnis her Eucharistie feiern, ohne die Ausgegrenzten an ihren Tisch zu bitten. Mehr noch: nicht sie bittet an den Tisch, sondern es ist Gott, der zuerst die Ausgegrenzten einlädt, während die Reichen dankbar sein dürfen, wenn sie (eventuell auf Fürsprache der Armen hin) ebenfalls einen Platz am Tisch des Lebens erhalten. Für eine reiche Gemeinde ist es eine Gnade...

 
Partnerschaft als Sakrament der Einheit
 
Die Partnerschaft  zwischen  zwei  Gemeinden  unterscheidet  sich  in  ihren  Grundstrukturen nicht von der Partnerschaft zwischen zwei Menschen. Gegenseitiger Respekt, Offenheit und Treue (besonders in schwierigen Situationen) sind unabdingbare Voraussetzungen für das Gelingen jeglicher Partnerschaft. Dazu kommt das Interesse, den Partner in seiner Menschwerdung (Mündigkeit, soziale Verantwortung usw.) zu unterstützen und zu begleiten. Auf diesem gemeinsamen Weg erfährt jeder den anderen als Bereicherung und als Hilfe für die eigene Menschwerdung. Im gemeinsamen Weg wird die Grenze des eigenen Ich überschritten und auf den Anderen hin geöffnet. Dieser Andere ist zugleich Ursprung und Ziel des gemeinsamen Weges. Da hier implizit immer von einer christlich verstandenen Partnerschaft die Rede ist, ist so verstandene und gelebte Partnerschaft sowohl Voraussetzung als auch Konsequenz des Glaubens an den Einen Gott, der schon immer mit den Menschen unterwegs ist und der ihnen den Weg weist.
 
So wie es eine Gnade ist, im Anderen (implizit immer auch der „ganz Andere“) seine eigene Bestimmung zu entdecken, so ist es auch eine Gnade, sich auf dem gemeinsamen Weg immer besser zu verstehen und das gemeinsame Ziel immer deutlicher vor Augen zu sehen. Das Gelingen einer jeden Partnerschaft ist so immer auch ein Geschenk. Eine Partnerschaft ist nicht machbar, planbar, verfügbar - wie der Partner immer auch trotz aller Nähe der ganz Andere und Fremde bleibt und bleiben muss.
Für eine Gemeindepartnerschaft zwischen zwei christlichen (!) Gemeinden ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Jesus als Christus mit auf dem Weg ist, dass er Ursprung und Ziel des gemeinsamen Weges ist.*  Herausragendes (Kenn-) Zeichen dieser Wege - Gemeinschaft ist das Brotteilen. Die Gesamtheit des Volkes Gottes konkretisiert sich zum einen in der jeweili- gen Gemeinde als lebendiger und überschaubarer Teil des Volkes Gottes; vor allem aber konkretisiert sie sich in der gelebten Beziehung einer Partnerschaft mit einer Gemeinde in einem Teil der Welt, in dem der Mehrheit der Kinder Gottes ein Leben in Fülle - strukturell - verwehrt wird. Deutsche Gemeinden sind als materiell reiche Gemeinden - ob sie wollen oder nicht - in diesen Zusammenhang von Reichtum und Armut verwickelt. Im Kontext einer gelebten Partnerschaft können sie dazu beitragen, den tödlichen Kreislauf (Bruch der menschlichen Gemeinschaft und mit Gott) von zunehmender Verarmung für die Mehrheit aller Men- schen und zunehmender Bereicherung einer Minderheit zu durchbrechen. So wie auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus mit dem Unbekannten den Jüngern ein Licht aufgeht, als der Unbekannte mit ihnen das Brot bricht, so können deutsche Gemeinden durch Brotteilen mit den arm gemachten Menschen einer konkreten Gemeinde zum gemein- samen Weg des Volkes Gottes zurückfinden (umkehren und Orientierung finden). Eine so verstandene Partnerschaft zwischen einer reichen und einer armen Gemeinde ist das sichtbare Zeichen dafür, dass die Spaltung innerhalb der Kirche in reiche und arme Gemeinden überwunden werden kann und Kirche nur dann die wahrhaft katholische (universelle) und evange- lische (biblische) Kirche Jesu ist, wenn das gesamte Volk Gottes auch in der Tat gemeinsam auf dem Weg ist.

Wenn auch schon immer von der Einheit und der Universalität der Kirche gesprochen wird, so wurde die (ideelle) Einheit der weltweiten Kirche zuerst vom Papst als Repräsentant der gesamten Kirche her abgeleitet. Partnerschaften repräsentieren aber (nicht
notwendigerweise im Gegensatz zum Symbol dieser Einheit, dem Papst, sondern gleichberechtigt) konkret und in der Praxis, die Einheit vom Volk Gottes her. Gelebte Partnerschaft, gemeinsam auf dem Weg sein, Brotteilen und miteinander an dem Mahl teilnehmen dürfen, zu dem Jesus eingeladen hat, ist somit konstitutiv für das Volk Gottes, sie ist das sichtbare Zeichen einer sonst nur abstrakt gedachten (nicht wirklich erlebten) Welt - Kirche: einer Gemeinschaft, in der Arme und Reiche an einem Tisch sitzen und gemeinsam das Brot des Lebens essen. Eine solche Gemeinschaft in Partnerschaft ist das Sakrament einer wahrhaft universellen Kirche:  Partnerschaft ist das Sakrament des Volkes Gottes.
 
Aktive Teilnahme (Teilhabe, Anteil nehmen, mit einander teilen) an der Partnerschaft ist praktizierte Eucharistie. Als solche steht sie nicht im Gegensatz zur Feier der Eucharistie, die per se immer auch schon im Namen der gesamten Kirche gefeiert wird, sondern sie ist notwendige Ergänzung und Erweiterung, besser gesagt: Konkretisierung und Vergegenwärtigung einer Gemeinschaft mit Ausgegrenzten. In der Eucharistie feiert die Gemeinde den Aufbruch Gottes mit den Menschen (Befreiung), sie feiert die Gemeinschaft der Menschen untereinander und mit Gott und sie ist damit Zeichen dafür, dass die tödliche Spaltung der Menschheit überwunden werden kann. Sie ist Zeichen des Reiches Gottes. In einer Partnerschaft wird dieses Zeichen konkret erfahrbar und kann nachvollziehbar in eine entsprechende Praxis umgesetzt werden. Keine katholische Gemeinde kann von ihrem eigenen Selbstverständnis her Eucharistie feiern, ohne die Ausgegrenzten an ihren Tisch zu bitten. Mehr noch: nicht sie bittet an den Tisch, sondern es ist Gott, der zuerst die Ausgegrenzten einlädt, während die Reichen dankbar sein dürfen, wenn sie (eventuell auf Fürsprache der Armen hin) ebenfalls einen Platz am Tisch des Lebens erhalten. Für eine reiche Gemeinde ist es eine Gnade, wenn sie von armen Menschen, die sich mit Christus auf den Weg gemacht haben, zu Tisch geladen werden. Partnerschaft bedeutet daher immer auch eine Herausforderung, sie ist nie am Ziel, sie ist keine genau beschreibbare Größe, kein Faktum, da sich in Zahlen ausdrücken lässt. Sie ist wie ein Senfkorn, das mit Gottes Hilfe zu einem großem Baum mit vielen Zweigen werden kann, auf dem alle Vögel des Himmels eine Heimat finden.

* Der Wege - Gedanke ist grundlegend für das Selbstverständnis der ersten christlichen Gemeinden und der Christen in Cajamarca heute. Dem liegt das biblische Bild des Volkes Gottes zu Grunde, das den Ruf Gottes hört und das sich unter seiner Führung auf den Weg aus der Sklaverei in das Gelobte Land macht. Im Neuen Testament ist es u.a. das Bild von den Jüngern von Emmaus, die sich enttäuscht von Jerusalem abwenden und denen auf dem Weg mit einem Fremden, Unbekannten ein Licht aufgeht. Sie erkennen den auferstandenen Christus, als er mit ihnen das Brot bricht. Gemeinsam als Volk Gottes auf dem Weg sein (Umkehr, Aufbruch), miteinander teilen, was der Mensch zum Leben braucht und die österliche Erfahrung der bleibenden Gegenwart Gottes, sind die tragenden Fundamente christlichen Glaubens und von „Kirchesein“. Sie sind auch die Fundamente einer christlich verstandenen Partnerschaft (sowohl einer Partnerschaft zwischen zwei Menschen als auch einer Partnerschaft zwischen christlichen Gemeinschaften). Das Volk Gottes ist stets als Gemeinschaft unterwegs. Dieses Volk ist in (mitunter sehr) verschiedenen Gruppen organisiert, den Gemeinden weltweit. Die Gemeinde als überschaubare Gemeinschaft von Menschen, die den Ruf Gottes hören, sich (mit anderen Gemeinden) auf den Weg machen, das Brot miteinander brechen und sich so als Tischgemeinschaft erfahren, repräsentiert stets auch die gesamte Kirche, sie ist Kirche im Vollzug, sie ist Kirche. Sie ist diese Kirche um so authentischer, wenn sie in ihrem Vollzug und in ihrer Praxis die anderen Gemeinden in der Welt nicht ausschließt (was sie per definitionem gar nicht kann), sondern wenn sie gerade dieje- nigen in ihr konkretes Leben mit einschließt, die sonst nach den global herrschenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten dieser Welt ausgeschlossen werden. Dem ausgegrenzten Volk offenbart Gott seinen Namen und als das Volk Gottes auf den Ruf hört und sich auf den Weg macht, erfährt es diesen Gott als Gott der Befreiung, der sein Volk nicht im Stich lässt, sondern der immer da ist.
 
* Eine solche Sicht lässt „das Problem der Ökumene“ als überholt erscheinen. Ökumene bedeutete ursprünglich nichts anderes als die eine, miteinander geschwisterlich verbundene Kirche in der ganzen Welt. Die Partnerschaft zwischen zwei Gemeinden in den so unterschiedlichen Teilen der Welt ist praktizierte Ökumene. Die Spaltung der Christenheit besteht nicht darin, ob einige Christen sich eher zu den Ängsten der Menschen im 16. Jahrhundert mit der daraus resultierenden Lehre von der eigenen (!) Rechtfertigung bekennen oder ob vielleicht nicht auch „Gute Werke“ eine Bedeutung für das eigene Seelenheil haben können. Sie besteht vielmehr darin, dass von Christen Verhältnisse geschaffen wurden und aufrechterhalten werden, innerhalb derer Christen auf Kosten anderer Christen leben. Der Bruch der von Gott gewollten menschlichen Gemeinschaft ist der eigentliche Skandal (Ur - Sünde). Eine ökumenische Bewegung in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes ist in ihrem Kern das, was Kirche ausmacht: die Gemeinschaft des Volkes Gottes, das den Ruf Gottes hört und aus der Sklaverei Ägyptens und des Mammons aufbricht, die das Unrecht anklagt und Gerechtigkeit verkündet, die auf dem Weg das Brot miteinander teilt und die Gegenwart Gottes feiert. Partnergemeinden können und müssen Wegbereiter (Pioniere) dieser ökumenischen Bewegung sein. Sie sind die Keimzellen einer erneuerten Kirche.