Prophetische Herausforderungen des Zweiten Vat. Konzils
Es war kein Zufall, dass das Treffen zum Konzilsjubiläum ausgerechnet in Peru stattfand. Bereits im Laufe des Konzil entstand zuerst in einigen Diözesen Peru das, was Papst Johannes XXIII. dem Konzil bereits vor dessen Eröffnung als Auftrag mit auf den Weg gegeben hatte: „Die Kirche will eine Kirche für alle sein, vor allem aber eine Kirche der Armen“ (Radioansprache 11.09.1962). Was im Konzil sich noch nicht durchsetzen konnte, wurde dann auf der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz 1968 in Medellín zum Hauptthema. Im Lichte des Glaubens deuteten die Bischöfe die in Lateinamerika und weltweit herrschende Ungerechtigkeit als „eine Sünde, die zum Himmel schreit“. Fidei Donum – Ein Geschenk des Glaubens Vom 11.-19. Januar 2013 fand in Lima, Peru, das Kontinentaltreffen der in Lateinamerika tätigen deutschen Diözesanpriester statt. Das Thema: „50 Jahre danach – die prophetische Herausforderung des 2. Vatikanischen Konzils“.
Von über 120 Priestern waren etwa die Hälfte gekommen, dazu erstmals auch Weltpriester aus der Schweiz und Österreich. Mehrere peruanische Bischöfe sprachen Grußworte. Aktiv dabei waren auch einige „Ehemalige“, wie z.B. Pirmin Spiegel, Misereor und Bernd Klaschka, Adveniat. Auch vier Diözesanpriester von Rottenburg-Stuttgart waren bei dem Treffen dabei: Peter Mettenleiter (Guatemala), Josef Neuenhofer (Bolivien), Gerhard Vogt und Alwin Nagy (beide Argentinien); zwei weitere ließen sich entschuldigen bzw. mussten kurzfristig absagen. Als Gäste waren eingeladen, u.a.: Gustavo Gutiérrez (Peru) und Bischof Fritz Lobinger (Südafrika)
Fidei – Donum – Priester, ein Rückblick
Ein nicht zu unterschätzendes Element für das Selbstverständnis der Kirche als Weltkirche, der Katholizität der Kirche, ist das Entsenden deutscher Priester und Ordensleute in alle Teile der Welt. Anfänglich wurde dies sogar als das entscheidende Zeichen der neu entdeckten Weltkirchlichkeit gesehen. In der Enzyklika „Fidei Donum“ von Papst Pius XII. (21.4.1957) und noch mehr im Zweiten Vatikanischen Konzil (Lumen Gentium 23) wurde die Gesamtverantwortung der Bischöfe und Priester für die Weltkirche herausgestellt und angemahnt. Der Priestermangel in den armen Ländern war das entscheidende Motiv für die Entsendung von europäischen Missionaren.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass über Fragen wie z.B. die Frage nach den Ursachen der Armut, nur vereinzelt nachgedacht wurde. So stellen es heute zumindest die ersten ausgesandten Priester im Rückblick fest, eine entsprechende entwicklungspolitische Diskussion hatte noch nicht stattgefunden. „Vor 40 Jahren machte eine Gruppe deutscher Weltpriester einen Neuanfang und kam in verschiedene lateinamerikanische Länder. Es waren Fidei-Donum-Priester, die großherzig Antwort auf den Aufruf des Papstes gaben, ihre Heimat zu verlassen, um in Diözesen zu dienen, die nach Sprache und Kultur in einer ganz anderen Welt lebten. Sie waren Pioniere einer neuen Mission, die mit der Zeit eine Doppelspur hinterließ, einerseits bei denen, die auszogen, als auch andererseits bei jenen, die sie empfingen“. (Bischof Jorge Jiménez, Generalsekretär der lateinamerikanischen Bischofskonferenz, in: ….und sie machen einander reich“, eine Chronik der Fidei-Donum-Priester, Quito 1998, S. 11).
Von Emil Stehle, damals Geschäftsführer von Adveniat, stammt die Idee (1971), die in Lateinamerika tätigen Weltpriester nach dem Rundschreiben von Pius XII. nun „Fidei-Donum-Priester“ zu nennen. Die Kirche von Peru – weltweit ein Vorbild einer Kirche inmitten der Armen Es war kein Zufall, dass das Treffen zum Konzilsjubiläum ausgerechnet in Peru stattfand. Bereits im Laufe des Konzil entstand zuerst in einigen Diözesen Peru das, was Papst Johannes XXIII. dem Konzil bereits vor dessen Eröffnung als Auftrag mit auf den Weg gegeben hatte: „Die Kirche will eine Kirche für alle sein, vor allem aber eine Kirche der Armen“ (Radioansprache am 11.09.1962).
Was im Konzil sich noch nicht durchsetzen konnte, wurde dann auf der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz 1968 in Medellín (ursprünglich war Lima vorgesehen) zum Hauptthema. Im Lichte des Glaubens deuteten die Bischöfe die in Lateinamerika und weltweit herrschende Ungerechtigkeit als „eine Sünde, die zum Himmel schreit“. Besonders der Bischof von Cajamarca (Peru) und sein geistiger Schüler Gustavo Gutiérrez bereiteten für Medellín den Text über die Armut vor, der dann als Dokument Nr. 14 („Die Armut der Kirche“) lehramtlich bestätigt wurde. Daraus entwickelte sich die „Option für die Armen“ und bald darauf (1972) die „Theologie der Befreiung“ von Gustavo Gutiérrez (in der Folge einer Praxis der Befreiung in Cajamarca, u.a.).
Inhaltliche Schwerpunkte:
Ein Höhepunkt des Treffens war für der Vortrag von Gustavo Gutiérrez. Im großer geistiger Klarheit fasste er die wesentlichen Aussagen des Konzils und von Medellín zusammen, hier in Stichworten: Das Konzil hatte drei Schwerpunkte: Präsenz der Welt in der Kirche (und umgekehrt) – Ökumene – Armut. Letzteres wurde am wenigsten aufgenommen, war dann aber zentral in Medellín. Kardinal Larraín und Dom Helder Camara drängten darauf, das Thema Armut, das im Konzil angesprochen wurde, in Lateinamerika aufzugreifen, sonst bliebe das Konzil ohne Bedeutung für Lateinamerika.
In Medellín war die zentrale Herausforderung: Das Elend des Volkes – das ist die theologische und kirchliche Herausforderung; Armut ist nicht nur ein soziologisches Problem, sondern ist zentral theologisch und ekklesiologisch. Medellín ist aber in Europa nicht bekannt, d. h. zentrale Aussagen von Kirchesein sind nicht bekannt > die entsprechende Theologie ist nicht bekannt > das Konzil ist nicht bekannt bzw. wird verkannt. „Wenn man von Kirche spricht, dann aus der Perspektive der Armen“. Rahner, Congar, Chenu u.v.a. machen zwar „große Theologie“, aber ohne den Kontext des weltweiten Elends zu berücksichtigen, ohne von den Opfern her zu denken und zu handeln.
Theologie bedeutet immer im Dialog mit der Welt zu stehen, speziell mit der Welt der Armen und den Ursachen der Armut. Glaubwürdigkeit, Wahrhaftigkeit, Orthodoxie zeigt sich in einer konkreten Praxis und was daraus entsteht im Hinblick auf mehr an Würde und Rechten der Menschen. Dazu bedarf es einer erneuerten Spiritualität - in dem unter die Räuber Gefallenen das Antlitz des gekreuzigten Christus entdecken - und einer erneuerten Evangelisierung (von Galiläa ausgehend - den Ausgestoßenen - nicht vom Tempel in Jerusalem aus, denn dort wurde der Tod Jesu Christi beschlossen).
Dass dies nicht alles „bloße Theologie“ (Theorie) ist, zeigt sich im Blick auf eine konkrete Praxis, wie sie z.B. in Cajamarca inmitten der Campesinos gelebt wurde. Neben dem Vortrag von Padre Gustavo war dies ein weiterer Schwerpunkt des Treffens. Denn die Diözese Cajamarca eignet sich in hervorragender Weise für eine exemplarische Darstellung des kirchlichen Aufbruchs in Lateinamerika seit dem Konzil. Die Sozialpastoral und die Kirche in Cajamarca gelten zusammen mit der in Recife (Helder Camara) und Riobamba (Leonidas Proaño) als Modell einer einheimischen Kirche auf der Seite der Armen.
Als charakteristisches Merkmal der Erneuerungen des Konzils gilt in Lateinamerika die Entdeckung der Kirche als das (unterdrückte) Volk Gottes, das sich im Kontext von Geschichte und Gegenwart auf dem Weg zu einer integralen Erlösung und Befreiung befindet.
Laut Zeugnis von Bischof Luigi Bettazzi war Bischof Dammert nach dem Konzil auch die treibende Kraft für den Zusammenhalt der Bischöfe, die sich im Katakombenpakt verpflichtet hatten, im Geiste der Armut Zeugnis abzulegen für eine glaubwürdige und erneuerte Kirche. Er war deren Koordinator und Seele. Die gelebte und gut dokumentierte befreiende Praxis zeigt u.a., dass die Kirche aus sich heraus in der Lage ist, sich ausgehend vom Evangelium und daraus abgeleiteten Prioritäten rundum zu erneuern.
Länderberichte (grundlegende Gemeinsamkeiten in allen Ländern):
Jeden Tag standen die Berichte aus den verschiedenen Ländern auf dem Programm. Übereinstimmend wurde von zunehmender Ungleichheit, Zerstörung von Lebensgrundlagen für alle Menschen und wachsender Gewalt berichtet. Trotz (oder wegen) wirtschaftlicher Wachstumsraten nimmt die Ungerechtigkeit zu. Als die zwei dringendsten Probleme wurden genannt: Die Gier nach Rohstoffen und der Klimawandel. „Der Reichtum an Rohstoffen und Land machen uns arm“.
Binnenkirchlich ist die Bilanz sehr zwiespältig. Einerseits wird berichtet, dass fast nur noch ausländische Priester in den sozialen Brennpunkten anzutreffen sind bzw. dass die Präsenz der Kirche unter den Armen, dem Volk, sehr schwach geworden ist. Gleichzeitig ist ein starkes Anwachsen meist fundamentalistischer Sekten zu beobachten, die das Evangelium ins Gegenteil verkehren (auffordern zu rücksichtslosem Streben nach Reichtum und Selbstverwirklichung, Arme gelten als Loser etc.). Andererseits wird die Arbeit der „ausländischen Missionare“ immer noch sehr geschätzt und die Kirche gilt in vielen Ländern als zuverlässiger Anwalt der Menschenrechte. Unter allen Beteiligten des Treffens ist die Zuversicht sehr groß, dass der Samen, den sie gesät haben, aufgehen wird….!
Willi Knecht, eingeladen als „Zeuge der Aufbrüche (und Brüche)“ in der peruanischen Kirche von 1976 – 2006.
Dieser Bericht wurde u.a. veröffentlich in drs.global 2/2013