Alles Banane!

Die United Fruit Company verfolgte ein äußerst erfolgreiches Geschäftsmodell und hatte kein Interesse daran, was dieses Geschäftsmodell für die Menschen und Gesellschaften in den betreffenden Ländern für Folgen hat. Heute geschieht weltweit, was Ende des 19. Jh. im Bananenland exemplarisch seinen Anfang nahm: Weltweit operierende Unternehmen mit dem immer gleichen Geschäftsmodell – nur noch subtiler und noch raffinierter. Global agierende Konzerne haben „naturgemäß“ das Bestreben, alle erreichbaren Ressourcen zu privatisieren und für ihre Interessen zu nutzen. Profitmaximierung, die Vermehrung des (privaten) Kapitals um jeden Preis und als Höchstes Ziel - ist die alles beherrschende Religion unserer Zeit - alternativlos. Sie zerstört menschliche Solidarität und belohnt puren Egoismus.

Aus der Programmankündigung von „Arte“: Wie wurde die Banane zum weltweiten Exportprodukt und die United Fruit Company – heute als "Chiquita" bekannt – zu einem multinationalen Imperium, das mittelamerikanische Nationen zu "Bananenrepubliken" degradierte und mit Monokulturen hektarweise Landstriche zerstörte? Ein Fallbeispiel des globalisierten Kapitalismus.Die Dokumentation „Über Bananen und Republiken“ schildert anhand seltener, teils bisher unveröffentlichter Archivbilder die Geschichte der United Fruit Company, die im 19. Jahrhundert gegründet wurde und fast ein Jahrhundert lang das Monopol über den weltweiten Bananenhandel innehatte. Die Firmenchefs waren teilweise mächtiger als Politiker und degradierten eigenständige Staaten in Mittelamerika zu sogenannte „Bananenrepubliken“, die ihrem Willen hilflos ausgeliefert waren. Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen zwei Männer: Minor Cooper Keith, der Gründer der United Fruit Company, und Samuel Zemmuray, sein Nachfolger an der Spitze des riesigen Unternehmens. Die beiden visionären, aber skrupellosen Pioniere des globalisierten Welthandels prägten Praktiken, die in multinationalen Großkonzernen noch heute gang und gäbe sind. Ihre Grundsätze hießen Streben nach Monopolstellung, Privatisierung der Ressourcen und Steuervermeidung; in Mittelamerika enteigneten sie Kleinbauern zugunsten großflächiger Monokulturen, wie sie von der Agroindustrie ohne Rücksicht auf Bodenqualität und Gesundheit der Arbeiter noch immer betrieben werden. Edward Bernays, der „Vater der modernen Öffentlichkeitsarbeit“, unterstützte die Unternehmer in ihren Vorhaben und schenkte ihnen ein Maskottchen, die „Miss Chiquita Banana“, die jahrzehntelang in Kino- und Fernsehspots zu sehen war und die Banane zur meistverzehrten Frucht der Welt machte. Die United Fruit Company war so einflussreich, dass sie die US-Regierung im Jahr 1954 davon überzeugte, den Sturz des demokratisch gewählten guatemaltekischen Präsidenten herbeizuführen, der die Vormachtstellung des Unternehmens im Land zu gefährden drohte. So erscheint der Siegeszug der Banane auch wie ein tragikomisches Gleichnis für den zweifelhaften Siegeszug des Kapitalismus.


Versammlung indigener Völker in Guatemala, Oktober 2013 (w.k.)

Alles Banane!

Die United Fruit Company – der erste weltumspannende Konzern

Es geht um die Geschichte über eine Frucht, die das Schicksal Zentralamerikas verändert und Republiken ihren Namen gegeben hat. Vor allem aber: Sie ist das Symbol für alle Übel des US-geprägten Kapitalismus. Diese Geschichte handelt von Wirtschaft und Politik. Es ist gleichzeitig eine Chronik der Globalisierung. Sie beginnt 1871, als die Regierung von Costa Rica den New Yorker Geschäftsmann Minor Cooper Keith mit dem Bau einer Eisenbahnlinie beauftragt. Sie soll die Karibikküste mit dem zentralen Hochland verbinden, quer durch den Dschungel. Die Arbeiten gehen nur schleppend voran - Malaria, Unfälle, Skorpione. Knapp 40 km Eisenbahn fordern 4.000 Todesopfer. Nach einem Börsenkrach platzen schließlich die Kredite. Costa Rica ist nicht mehr zahlungsfähig. Der Bau der Eisenbahn kommt zum Erliegen und Mister Keith ist pleite. Dennoch liegen Glück und Wohlstand greifbar nahe. Denn um die Bahnarbeiter billig ernähren zu können, wurden im Dschungel zusätzliche Bananenstauden angepflanzt. Sie wuchsen schnell und waren sehr anspruchslos. Bananen waren das „Brot“ der Einheimischen, billig und für eine Vermarktung noch nicht entdeckt.

Was bisher in Costa Rica einfachste Armenkost war taucht um die Jahrhundertwende erstmals auf den Märkten in den USA, als Luxusfrucht vermarktet, auf. Die neue Luxusfrucht ist heiß begehrt, denn sie rar und verdirbt schnell. Wer es schafft, sie rechtzeitig zu transportieren bevor sie reif ist und verdirbt, kann mit ihr ein Vermögen verdienen. Minor Keith erkennt diese Chance und beginnt seien Bananen zu exportieren. Sie retten ihn vor dem endgültigen Ruin. Er unterzeichnet ein Abkommen mit Costa Rica: Er wird die Eisenbahn fertig bauen und erhält im Gegenzug die alleinigen Nutzungsrechte für die Eisenbahn und zusätzlich das Nutzungsrecht für ausgedehnte Ländereien. Es ist Land für den Anbau von Bananen, die nun sofort und kostengünstig abtransportiert werden können. Der Grundstein für grenzenlosen Reichtum ist gelegt.

1899 findet Minor Keith zwei Partner in Boston. Diese verfügen über eine Handelsflotte und über ein Vertriebsnetz in den USA. Er selbst besitzt Land, ein attraktives Produkt und Transportwege zu den Häfen. Am 30 März 1899 gründen sie gemeinsam die United Fruit Company. Der erste multinationale Konzern im Konsumgüterbereich ist entstanden. Dieser besaß die größte private Handelsflotte der Welt und er vereinte in seinem Betrieb alle Stufen von der Produktion bis zum Verkauf in den USA. Das war in der damaligen Zeit noch außergewöhnlich. Es war auch bahnbrechend, wie es dem Konzern gelang, einen Absatzmarkt für Bananen zu schaffen und zugleich die Vertriebswege bis zum Verbraucher aufbaute. Noch 1890 kannte kein Mensch in den USA Bananen. 1914 gab es sie in allen amerikanischen Großstädten. Die Vermarktungsstrategien war genial, müssen hier aber nicht detailliert geschildert werden. Hauptadressaten waren die Mütter, die mit einer Fülle von Rezepten mit der neuen Frucht beleifert wurden. Auch die Ärzte konnten gewonnen werden, die dann die Banane als „Wunderwaffe“ für eine neue und gesunde Ernährung priesen, usw. Die „tägliche Banane“ ersetzte das „tägliche Brot“. Durch den Massenimport wurde die Banane nun auch für alle erschwinglich. Da es aber immer wieder zu Ausfällen in der Ernte kam (Hurrikans, Überschwemmungen, etc.) musste die Produktion immer weiter gesteigert und damit immer neue Ländereien hinzugewonnen werden.

In der Folge war in den USA stets von „unseren Bananen“ die Rede, die aus dem „Bananenland“ herangeschafft werden mussten. Mit „Bananenland“ waren gemeint: Guatemala, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panama, also ganz Zentralamerika. Die dortigen Ländereien, mithin die genannten Länder, wurden im allgemeinen Bewusstsein zum eigentlichen Hinterland der USA. Sie hatten nur einen Zweck: Für billigen Nachschub zu sorgen. Es werden immer mehr Ländereien benötigt. Die United Fruit Company vertreibt die indigenen Bauern, die angeblich keine Besitzrechte haben. Durch Preisdumping treibt sie kleine Pflanzer, die ihre Bananenzucht nicht aufgeben wollen, in den Ruin. Nach und nach bringt sie Hunderttausende Hektar der besten Böden Mittelamerikas in ihren Besitz. Dies kennt man auch in Europa. So wurden z.B. vom 16. - 18. Jahrhundert in Großbritannien die britischen Bauern einfach enteignet und die Gemeinschaftsflächen wurden privatisiert. Und danach mussten die enteigneten Bauern ihre Arbeitskraft in den neu entstandenen Fabriken verkaufen. Das Massenelend im 19. Jahrhundert in England und Irland war die logische Folge. Diese Entwicklung war der Beginn der Industrie und Wirtschaft wie wir sie kennen. Diese Entwicklung wird heute als Fortschritt bezeichnet bzw. darauf gründet unsere fortschrittliche Gesellschaft und Lebensweise.

Dieser Fortschritt war nun durch die United Fruit Company auch in Mittelamerika angekommen. Die Eisenbahn wurde für Minor Keith zur Grundlage seines Reichtums und für die Herrschaftselite der „Bananenrepubliken“ zum Zeichen des Fortschritts. Guatemala will nun auch eine Eisenbahn, aber das Land ist verschuldet. Als der Preis des Kaffees, dem bisher wichtigsten Exportprodukt Guatemalas, einbricht,  wird das Land zahlungsunfähig. Die Eisenbahnpläne werden auf Eis gelegt. 1903 wendet sich das Land an den Einzigen, der dem Land helfen kann, an Minor Keith. Er macht und bekommt dasselbe wie in Costa Rica (siehe oben). Zusätzlich bekommt er die Kontrolle über den wichtigsten Hafen des Landes und über das Telegrafennetz. Für eine Eisenbahnlinie überlässt Guatemala einem ausländischen Privatmann seine Infrastruktur, seine Wirtschaft, seine Zukunft. Auf Kosten verschuldeter Staaten (weil sie auch vorher von wenigen weißen Großgrundbesitzern ausgebeutet wurden), die den Fortschritt wollen, weitet der Konzern sein Imperium aus. „Die Schulden der Armen dienen dem Reichtum der Reichen“. Der gesamte öffentliche Bereich muss, weil hoffnungslos überschuldet, privatisiert werden – so die gängige Lehre daraus. Denn sonst gäbe es ja keinen Fortschritt – und wir bekämen nicht unsere Bananen. Selbstverständlich zahlen die Unternehmen (fast) keine Steuern. Die staatlichen – öffentlichen – Mittel sind daher äußerst bescheiden. In Schulen, medizinische Versorgung, Infrastruktur, usw. kann kaum investiert werden, höchstens mit neuen Krediten von den Reichen (später Weltbank, IWF, usw.), die zu noch mehr oder gar bleibender (und systematisch beabsichtigter) Abhängigkeit führen. Es liegen zahlreiche Dokumente, Briefe an die Staatspräsidenten, u.a. vor, die belegen, wie z.B. die United Fruit Company direkt mit „Textvorschlägen“ in die Gesetzgebung der entsprechenden eingegriffen hat – worauf sich die Präsidenten auch noch bedankt haben. (Vgl. die „Textvorschläge“ bzw. „Expertisen“ von Pharma- Saatgut- Automobilkonzernen, u.a.).

Diese Praktiken erscheinen heute als selbstverständlich bzw. als alternativlos. Denn was geschähe, würden die Konzerne nicht mehr investieren? Steuervermeidung, oder „Steuergestaltung“ wie es genannt wird, ist heute ein zu einem zentralen Merkmal der Weltwirtschaft geworden. Ein Multinationaler Konzern kann die Steuergesetze in dem Land, in dem er seinen Hauptsitz verlegt, leicht umgehen (Gewinn-Verlust-Verschiebungen, etc.). Dies zu regeln wäre Sache der Politik – der demokratisch gewählten Regierungen. Doch was tun die Volksvertreter bzw. warum geschieht (fast) nichts? Es geht immerhin um Gemeinschaftsgüter wie Land, Wasser, Klima…. Vereinfacht gesagt: Die United Fruit Company war in der Tat bahnbrechend und hat den Weg bereitet für die heute üblichen Praktiken.

Das Imperium der United Fruit Company bildete eine in sich geschlossene Welt, in der ausschließlich die Gesetze des Unternehmens galten – eine US-amerikanische Enklave in den Tropen. Auch innerhalb dieser Welt gab es klare Abgrenzungen: Absolventen der Eliteuniversitäten der Ostküste – weiße Vorarbeiter aus den Südstaaten der USA (mit entsprechender Mentalität) – Masse der einheimischen Plantagenarbeiter. 1919 beklagt sich der Konzern über die einheimischen Arbeitskräfte, sie seien „zu nichts zu gebrauchen“. Man fordert kräftigere, schwarze Arbeitskräfte aus Jamaika und anderen Karibikstaaten und bekommt sie auch. Sie werden zu Zehntausenden importiert und von einer Plantage zur anderen verschoben. Den Indios vor Ort sind Hausarbeiten vorbehalten. Gewerkschaften sind selbstverständlich verboten. Diese sind auch heute noch weltweit ein Investitionshindernis. Man rühmt sich einerseits keine Steuern zahlen zu müssen, preist aber andererseits seine Großzügigkeit, weil man freiwillig Massenunterkünfte für die Plantagenarbeiter baut, vereinzelt sogar Schulen für die Arbeiterkinder und Krankenstationen. Die Löhne werden überwiegend in Gutscheinen ausbezahlt, mit denen die Arbeiter in den firmeneigenen Läden einkaufen können z.B. auch ihre Arbeitsgeräte. Wohlwollend könnte man das als Paternalismus bezeichnen. Die soziale Fürsorge wurde privatisiert, d.h. willkürlich gewährt oder auch nicht. Gleichzeitig wurden den Menschen fundamentale Grundrechte vorenthalten: sich zu organisieren und versammeln, politische Teilhabe, Wohnungswechsel, Berufswahl, usw. – sogar frei die Religion bestimmen zu können, denn fromme Katholiken galten als besonders „anpassungsfähig“. 

Versammlung indigener Völker in Guatemala, Oktober 2013 (w.k.)

Doch lückenloser Kontrolle werden allmählich Forderungen laut: nach einer Sechstagewoche, geregelter Arbeitszeit, Arbeitslosenversicherung und Auszahlung der Löhne in Geld. Überall im „Bananenland“ wächst die Wut. Der Konzern ist alarmiert. Aus einem Rundschreiben (1930) der Zentrale an alle Plantagenleiter: „Gesucht wird Manuel…. Der Mann ist ein übler Agitator, eine antiamerikanischer Extremist, der bolschewistische Propaganda verfasst und in Umlauf bringt“. Im Oktober 1928 treten Arbeiter einer Plantage in Santa Marta, Kolumbien (wurde Mittelamerika zugerechnet) in einen Streik, den 1. Streik überhaupt. Verhandlungen scheitern, die Arbeiter besitzen die Betriebseinrichtungen der Plantage. Darauf entsendet die kolumbianische Regierung die Armee. Es werden mehr als 1000 Menschen getötet. Dies geht als „Massaker im Bananenland“ in die Geschichte ein. Es ist ein zentrales Ereignis für Kolumbien und Mittelamerika – als Symbol der Unterwerfung eines Staates unter die Interessen eines ausländischen Konzerns.

1929 stirbt der Gründer und ungekrönte König Mittelamerikas Minor Keith. Er hinterlässt ein Imperium von 100.000 Arbeitern und über eine Million Hektar an Plantagen (andere Grundstücke und Besitztümer nicht mitgerechnet). Als er stirbt beherrscht United Fruit Company über 75% des weltweiten Bananenhandels. Es bleiben einige kleine Konkurrenten, darunter die Cuyamel Fruit Company. Gründer und Besitzer ist Samuel Zemurray, ein gebürtiger Russe (1905 aus dem jüdischen Schtetl in Weißrussland in die USA eingewandert). 1910 hatte er die ihm nicht wohl gesonnene Regierung von Honduras gestürzt. Im „Bananenland“ wurde er bald zu einer Legende. Er hatte in den großen Verladehäfen der USA beobachtet, dass überreife Bananen einfach weggeschüttet oder erst gar nicht ausgeladen wurden. Zu einem Spottpreis kauft er eine Ladung auf. Er mietet einen LKW und fährt durch die Dörfer und Städte und verkauft innerhalb von 2 Tagen die gesamte Ladung – Gewinn: 40 Dollar. „Sam, der Banana Men“ ist geboren. Bis 1929 wächst sein Unternehmen rasant und wird für die United Fruit Company zu einem lästigen Rivalen. Diese stimmt 1929 einer Fusion zu. Zemurray wird auf einen Schlag einer der reichsten Männer der USA und Hauptaktionär von der United Fruit Company. Bereits 1933 übernimmt er die alleinige Leitung des Unternehmens.

Nach dem 2. Weltkrieg und auf der Suche nach neuen Absatzmärkten findet er in Edward Bernays, dem „Papst der Public relations“, der das Talent hat, die Wirklichkeit nach den Wünschen seiner Auftraggeber zu formen, einen kongenialen Geschäftspartner. In den 20er Jahren bringt Bernays, ein Neffe von Siegmund Freud, die Amerikanerinnen dazu, zu rauchen, indem er ihnen weiß macht, Zigaretten seien eine Fackel der Freiheit, ein Ausdruck ihrer Emanzipation. Werbung ist in einer Konsumgesellschaft der Schlüssel zu den Bedürfnissen. Diese Bedürfnisse können gesteuert und manipuliert werden.  Man braucht dann noch Leitfiguren, die diese Bedürfnisse ausleben und vorleben. Zu jener Zeit arbeitete er für die American Tobacco Company. Er bringt es fertig, Bananen z.B. als unentbehrlicher Bestandteil des Frühstücks, zusammen mit Cornflakes, zu erklären. Bananen werden erneut zur Verkörperung des amerikanischen Traums - auch die Ärmsten dürfen vom Tisch der Reichen essen. Diese Bananen heißen nun „Chiquita“.

Das Unternehmen baut nur eine einzige Sorte an. Die Anfälligkeit für Krankheiten, Parasiten und Pilzbefall wächst und es bedarf einer ständig wachsender Anzahl und Vielfalt von „Medikamenten“. Intensivste Monokulturen zehren zudem in aggressiver Weise die Böden aus, die nun ebenfalls auf eine entsprechende Behandlung angewiesen sind. Vor allem die sogenannte Panamakrankheit (von einem Parasiten verbreitet) wird zu einer großen Gefahr. Das Imperium fault gewissermaßen von innen heraus. Man versprüht Unmengen von Pestiziden, bis zu 30 Mal im Jahr. Freiwillige erhalten dafür Lohnzuschläge. Sie arbeiten ohne Schutzanzüge und werden „Vergifter“ genannt. Bald verfärbt sich ihre Haut blau, Dutzende der „Vergifter“ sterben. Die Lebensdauer der Plantagen sinkt von 10 auf 3 Jahre. Wird der Parasitenbefall zu groß, werden die Plantagen aufgegeben. Es wird weiterer Regenwald abgeholzt für neue Plantagen. So wird ein „Mechanismus“ am Leben erhalten, der Menschenleben fordert, der die Umwelt zerstört - alles in der Logik der Akkumulation. Es ist ein Gleichnis für die widernatürlichen Kräfte des Kapitalismus. Die dem Kapitalismus innewohnende endlose Kapitalakkumulation basiert auf der Idee, (externalisierte) Schulden unbegrenzt anhäufen zu können. Spätestens angesichts dieser Logik braucht es eine Instanz, die dem Einhalt gebietet und sagt: „Schluss damit, wir machen etwas anderes!“ Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte die Wirtschaft aus eigenem Interesse zu diesem Schluss kommen. Doch „die Wirtschaft“ gibt es wohl nicht, es gibt vielmehr die Interessen Einzelner, vieler Einzelner.

Am 26. Oktober 1944 kommt es in vielen Städten Guatemalas zur größten Demonstration aller Zeiten, allein in der Hauptstadt gehen über 100.000 Menschen auf die Straße. Das Fass zum Überlaufen brachte der Mord an einer populären Künstlerin, die dem herrschenden Staatsterror zum Opfer fiel. Bereits vorher war die Zwangsarbeit für die gesamte indigene Bevölkerung eingeführt und durchgesetzt worden. Diese Demonstrationen führen zum Ende der Diktatur des Generals Jorge Ubico, dem engen Freund der United Fruit Company. Es gab noch keine Parteien, einige Generäle und mehr oder weniger charismatische Volksredner wechselten sich in der Folge in der Präsidentschaft ab. Von 1945 – 1951 gab es 32 Putsch und Putschversuche. Ansatzweise kam es zu ersten Reformen, so wurde z.B. die Zwangsarbeit für die Indigenen abgeschafft. Die Indigenen, Nachfahren der Mayas, stellen 2/3 der Bevölkerung.

Aber erst unter dem 1951 mit 63% der abgegebenen Stimmen gewählten Präsidenten Jakobo Árbenz kam es zu ernsthaften Reformen, u.a. wurden Sozialversicherungssysteme eingeführt und Alphabetisierungskampagnen gestartet.  Das besondere Interesse von Árbenz galt einer Landreform. Ein 1952 verabschiedetes Landreformgesetz beinhaltete, dass Brachland unter bestimmten eng gefassten Bedingungen gegen Zahlung einer Entschädigung an Kleinbauern übertragen werden konnte. 85% des Landbesitzes der United Fruit Company, der mehr als zwei Drittel der Agrarflächen des Landes gehören, lag brach, entweder weil es sich um bereits aufgegebene Plantagen handelte oder um „auf Vorrat“ angeeignete Ländereien(„Reserveflächen“). Die Regierung bot dem Unternehmen eine Entschädigung von drei Dollar pro Acre (gleich 4047 m²)an, dem Wert, wie er vom Unternehmen in der Steuererklärung angegeben worden war. Die Gewinne waren immer heruntergerechnet worden. Nun machte das Unternehmen aber geltend, dass das Land tatsächlich 75 Dollar pro Acre wert sei. Samuel Zemurray suchte Hilfe bei seinem Freund Edward Bernays. Dieser spielt auf der Klaviatur, die er perfekt beherrscht: er schafft eine neue Realität. Er macht den Schutz privater Interessen zu einer Angelegenheit der USA und damit zu einem Kampf der Guten gegen die Bösen. Um zu beweisen, dass die Interessen der Freien Welt bedroht werden, schickt er Reporter- und Kamerateams nach Guatemala und deren Propagandaberichte werden in allen Medien der USA verbreitet. Árbenz ist Sozialdemokrat und Reformer, Bernay aber präsentiert ihn als Verkörperung der „Roten Gefahr“, die Amerika und die Freie Welt bedrohe. Eine der typischen Schlagzeilen: „Kommunisten beschlagnahmen das Land der Farmer“. Nicht die tatsächlichen Vorgänge machen die Realität aus, sondern was und wie darüber erzählt wird. Im Nazi-Deutschland schon galten Bernay und seine Methoden als bewundertes Vorbild. Fake-News? Gab es schon immer! Heute wird das aber durch die „sozialen“ Medien potenziert und zudem haben gutgläubige Menschen und Medien nun einen „personifizierten Bösewicht“ gefunden, auf den sie alles abladen können (Trump). Das damalige politische Klima in den USA begünstigte die Kampagnen von Bernays und von Zemurray. Der 1953 gewählte Präsident Eisenhower setzt sich nach Jahren der Eindämmungspolitik nun für ein offensives Zurückdrängen des Kommunismus ein und intensiviert den Kalten Krieg. Er besetzt 2 Schlüsselstellen mit einem Brüderpaar, John Foster Dulles wird Außenminister und Allen Dulles wird Chef der CIA. Beide fungierten bis dahin als juristische Berater der United Fruit Company. Senator Henry Capot Lodge, Anteileigner der Company, wird US-Botschafter bei der UNO. Allen Dulles: „Wir engagieren uns an vielen Fronten des Kalten Krieges, den uns die Kommunisten aufzwingen. Wir als CIA handeln nur auf Anweisung der höchsten politischen Stellen, nie eigenmächtig“.

Im August 1953 bedient sich die CIA erstmals neuer Methoden. Im Iran stürzt sie die demokratisch gewählte Regierung Mossadegh. Er hatte in seinem Land das Erdöl verstaatlicht und wurde der Zusammenarbeit mit den Kommunisten beschuldigt. Der Erfolg im Iran ermutigt die amerikanische Regierung. Sie gibt der CIA grünes Licht für die Operation in Guatemala. Sie trainiert eine „nationale Befreiungsarmee“ unter der Führung von Oberst Castillo und den Plantagen  der Company als Rückzugsgebiet und Trainingsgelände. Im Juni 1954 wird die Hauptstadt Guatemala City bombardiert und die von der CIA geführte „Befreiungsarmee“ übernimmt die Macht. Der zum Rückzug gezwungene Präsident Árbenz hält am 27. Juni seine letzte Rundfunkrede: „Sie benutzen den Kommunismus als Vorwand. Die Wahrheit ist eine andere. Die Wahrheit liegt in den finanziellen Interessen der United Fruit Company und anderer nordamerikanischer Monopolisten, die viel Geld in Lateinamerika investiert haben. Sie fürchten unser Beispiel in Guatemala, denn es könnte in den Nachbarländern Schule machen.“ Der von der CIA ernannte neue Präsident Castillo macht die von der Regierung Árbenz begonnenen Maßnahmen rückgängig. United Fruit erhält ihr (brachliegendes) Land zurück.

Der Sturz von Präsident Árbenz zerstörte das Land für mehr als 50 Jahre. Nach dem Staatsstreich bricht in Guatemala ein Bürgerkrieg aus, der erst 1996 endet. Es folgte eine Reihe von Militärdiktaturen und eine jahrzehntelange Terrorherrschaft, der über 250.000 Menschen, meist Indigene, zum Opfer fielen (Hungertote nicht mitgerechnet). Eine Million Menschen wurden vertrieben oder mussten fliehen. Zu den ersten Opfern gehören die Nachfahren der Mayas, Menschenrechtsorganisationen, selbst die UN, sprechen von einem systematischen Völkermord. Höhepunkt der Terrorherrschaft war die Zeit unter General Rios Montt, einem religiösen Fundamentalisten, der 1982 durch einen ebenfalls von der CIA initiierten Putsch gegen einen eher gemäßigten General an die Macht gekommen war. Rios Montt wurde von der Regierung Ronald Reagan gegen den Willen des Kongresses massiv militärisch unterstützt.

Engagierte Christen, auch Priester und Ordensfrauen, waren „bevorzugte“ Opfer der militärischen Todesschwadronen. Letztes Opfer in dieser Reihe war Bischof Juan Gerardi. Er war Vorsitzender der von der Bischofskonferenz von Guatemala eingerichteten Versöhnungskommission „Guatemala, nie wieder!“ Er wurde zwei Tage nach der öffentlichen Übergabe des Berichtes, in dem die jahrzehntelangen Tötungen und Menschenrechtsverletzungen dokumentiert wurden, am 26. 4. 1998 ermordet. Die ausdauernde und nun eher wieder zunehmende Ausbeutung Zentralamerikas und die damit einhergehende militärische Unterstützung korrupter Regierungen durch die USA und den „Freien Westen“ haben diesen Teil der Erde zu einem der gewalttätigsten und ärmsten Regionen der Welt werden lassen. 

Die United Fruit Company verfolgte ein äußerst erfolgreiches Geschäftsmodell und hatte kein Interesse daran, was dieses Geschäftsmodell für die Menschen und Gesellschaften in den betreffenden Ländern für Folgen hat. Heute geschieht weltweit, was Ende des 19. Jh. im Bananenland exemplarisch seinen Anfang nahm: Weltweit operierende Unternehmen mit dem immer gleichen Geschäftsmodell – nur noch subtiler und noch raffinierter. Global agierende Konzerne haben „naturgemäß“ das Bestreben, alle erreichbaren Ressourcen zu privatisieren und für ihre Interessen zu nutzen. Profitmaximierung, die Vermehrung des (privaten) Kapitals um jeden Preis und als Höchstes Ziel - ist die alles beherrschende Religion unserer Zeit - alternativlos. Sie zerstört menschliche Solidarität und belohnt puren Egoismus.