Konzerne als Retter? Oder wie man Flüchtlinge produziert!   (Arte-Doku vom 9. Mai 2017)

Weltweit 1 Milliarde Menschen[1] sind von extremer Armut und Hunger betroffen. In Afrika südlich der Sahara ¼ der Bevölkerung - und das trotz (oder wegen?) staatlicher Entwicklungshilfe durch die Industrieländer. Nun setzt man immer mehr auf die Privatwirtschaft. Die Verantwortung für den Hunger in der Welt wird deshalb mehr dem Markt übertragen. Weltweit agierende Unternehmen werden als die neuen Heilsbringer ausgerufen.[2]  Dazu auch:  „Was ist Entwicklung“?

In den letzten Jahren engagieren sich verstärkt Banken und Konzerne in der Entwicklungshilfe - mit Unterstützung der Politik. Bei der UN-Vollversammlung im September 2015 einigten sich die Mitglieder auf folgendes Ziel: Extreme Armut und Hunger sollen bis 2030 weltweit beseitigt werden - und das mit Hilfe der Privatwirtschaft. DEG, GIZ und KFW unterstützen unternehmerische Initiativen in Schwellenländern. „Wir wollen versuchen, privaten Unternehmen leichter zu ermöglichen, in der Landwirtschaft in Afrika zu investieren, um damit Geld verdienen zu können“. (Sonst würde sie es ja nicht tun.) Und zusätzlich kann man dann auch noch den Anlegern und Shareholdern sagen, dass man etwas Gutes für die Kleinbauern in Afrika getan hat - so sagte u.a. die Vertreterin der Deutschen Bank. Und ein Vertreter von Bayer meint, wenn Entwicklungsziele mit einem Deal verknüpft werden, werden „wir“ alle gewinnen. Kann aber wirklich dieses Modell funktionieren, oder profitieren doch nur die Konzerne und Banken davon? Dazu nun einige konkrete und aktuelle Beispiele aus Ostafrika (Kenia, Sambia und Tansania).

Kartoffeln in Kenia

Zuerst ein Vorzeigeprojekt der deutschen Bundesregierung, die „German Food Partnership“ mit dem BMZ, der Bill&Melinda Gates-Stiftung und 30 Agrarunternehmen (u.a. BASF, Syngenta und Bayer). Insgesamt wurden 80 Mio. € zusammengetragen, davon 1,8 Mio. für ein  Kartoffelprojekt (Potato Initiative Africa) in Kenia. In Kenia ist ¼ der Bevölkerung unterernährt, vor allem auf dem Land. Doch nun sollen die Bauern mit dem Anbau von Kartoffeln Geld verdienen. Die staatliche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) leitet dieses Projekt. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit den Behörden in Kenia. Die zuständige regionale Ministerin erklärt: „Mit Hilfe der Kartoffelinitiative wollen wir Ernährung sichern; die Kleinbauern sollen Einkommen generieren können. Dies geschieht mit der Einführung von verbessertem Saatgut“. Um das Projekt erfolgreich gestalten zu können, arbeiten die Entwicklungshelfer mit einer Großfarm, Kisima, zusammen. Die Kartoffelsorten kommen aus Holland. Unter laborähnlichen Bedingungen werden die Kartoffeln gezüchtet, ohne Erde und mit ständiger Bewässerung. Die Kleinbauern in Kenia sortieren normalerweise die kleineren Kartoffeln aus, um sie dann als Saatgut zu verwenden. Mit dem „klinisch reinem Saatgut“ sollen nun aber die Ernteerträge gesteigert werden, bis zum Doppelten der bisherigen Ernte. Doch zwei Handvoll des zertifizierten Saatguts kosten 25 €, die sich kein Kleinbauer leisten kann. Erst für  Betriebe ab etwa 60 ha Kartoffelanbau könnte sich dies lohnen. Ein gravierender Nachteil ist auch, dass man das zertifizierte Saatgut in jeder Saison neu kaufen muss. Dadurch entsteht eine Abhängigkeit von den großen Agrarmultis wie Monsanto, Bayer und Syngenta, selbst für große Farmen. Die Kleinbauern bleiben eh außen vor. Die drei führenden Konzerne kontrollieren knapp die Hälfte des weltweiten Saatguts. Sie lassen das Saatgut patentieren und können so ihre Macht festigen. NGO´S und unabhängige Agrarwissenschaftler kritisieren dies schon lange.

Das Vorzeigeprojekt muss das produzieren, was der Markt verlangt - so die Vorgabe des BMZ. Doch was heißt dies? Es werden neue Kartoffelsorten produziert für Großabnehmer oder solche, die zu neuen Produkten verarbeitet werden können, z.B. zu Pommes Frites und Chips. Die regionale Ministerin aus Kenia: „Wir wollen jetzt für die Bedürfnisse des Marktes produzieren. Deutschland hilft uns dabei“. Diese neue Strategie der Marktorientierung wurde vom BMZ angestoßen. Minister Müller: „Wir haben das Wissen und damit die Möglichkeit, innerhalb von 2-5 Jahren die Erträge zu verdoppeln“. Oxfam hält dagegen, dass die Kleinbauern eigentlich das notwendige Wissen haben und Kleinbauern, wenn man sie denn ließe, die gesamte Bevölkerung Afrikas bedarfsgerecht ernähren könnten. Stattdessen will man Afrika das Modell einer europäischen Landwirtschaft aufzwingen, nämlich eine industrielle Landwirtschaft, die vor allem den landwirtschaftlichen und chemischen Großunternehmen nützt. Damit lässt sich aber der Hunger nicht besiegen, im Gegenteil: Hunger wird gemacht.

Durch den Saatgutimport aus Europa besteht zudem das Risiko, dass  trotz Zertifizierung neue Kartoffelkrankheiten eingeschleppt werden, die mit immer mehr Pestiziden bekämpft werden müssen. Die neuen Sorten sind nämlich viel krankheitsanfälliger als die traditionellen Sorten. Auch wurde in keinem Moment daran gedacht, die teils schon in der Tradition vorhandenen und bekannten biologischen Methoden des Pflanzenschutzes zu berücksichtigen und zu fördern. Bayer: „Es wird speziell in Deutschland eine Kampagne gefahren, die gegen Fortschritte in der Landwirtschaft gerichtet ist und Innovationen verhindert - nun auch in Afrika.“

Das Saatgut könnte man übrigens auch verbessern mit regionalen afrikanischen Sorten. Doch daran besteht kein Interesse, die Gewinnspanne wäre geringer. Die Konzerne interessieren sich nur für den ökonomischen Wert. Das Angewiesen sein auf synthetische Dünger und Pestizide verteuert zwar die Produktion, aber es sind ja dieselben Konzerne, die an deren Verkauf verdienen. Und da die Produkte so teuer sind, müssen sie aufwendig vermarktet werden, sei es durch Expert oder durch Umwandlung in „hochwertigere “ Produkte, wie Pommes und Chips. Würde man Kleinbauern fördern, die dann in ausreichender Menge ihre eigenen Produkte selbst essen würden (aber satt würden), wer würde daran verdienen? Niemand! Und das darf nicht sein.[3]

Wenn sich Kleinbauern dennoch trauen, die neuen Sorten zu kaufen und zu pflanzen, müssen sie sich verschulden. Dies wird ihnen auch von den europäischen „Experten“ geraten. Denn sie würden danach ja viel höhere Erträge bekommen und könnten die Schulden dann leicht bedienen. Zur Demonstration, dass dies gut funktioniert, wird dem TV-Team von der GIZ eine wohlhabende Lehrerin vorgeführt, die im „Nebenberuf“ Kartoffeln anbauen lässt. Sie kann sich auch die teuren Dünger und Pestizide leisten. Sie verkauft ihre Kartoffeln an einen Pommes-Hersteller in Nairobi. Sie hat diese notwendigen Verbindungen, auch die Transportmöglichkeiten und macht so ein gutes Geschäft. Bayer gibt zu, dass nicht jeder Kleinbauer von dem Projekt profitiert. Man braucht die nötigen Mittel  (u.a. Anfangskapital), um Geld verdienen zu können. Saatgut und Düngemittel seien eben Betriebsmittel, die am besten bei denen effektiv eingesetzt werden können, die die notwendigen Voraussetzungen dafür mitbringen. Es gehe darum, die Kleinbauern an den Markt heran zu führen. Schlussfolgerung: Wer da nicht mithalten kann, ist selbst schuld.

Ist es nicht absurd, Kenianer mit Mitteln der Entwicklungshilfe dazu zu verleiten, Fastfood als Mittel gegen Hunger, Elend und Abhängigkeit zu produzieren?[4] Es gibt 800.000 Kartoffelbauern in Kenia. Die Agrarindustrie hat großes Interesse daran, sie als Kunden zu gewinnen. Ziel des Projekts ist, neue Käuferschichten für „unsere“ Produkte zu gewinnen und in den Weltmarkt zu integrieren, wie es so schön heißt. Das Gegenteil der angeblichen Hilfe tritt ein! Die ganz große Mehrzahl der Kleinbauern wird abgehängt und muss letztlich ihr Land verlassen, weil die „Erfolgreichen“ sie verdrängen.

Die German Food Partnership fördert eine Landwirtschaft nach deutschem Vorbild. Die Regionalministerin erklärt stolz, dass sie nach Deutschland eingeladen worden war und dort die riesigen Saat- und Erntemaschinen gesehen hat. Dies hat sie sehr beeindruckt. Sie hat eine riesige Erntemaschine bei einem Unternehmen der  German Food Partnership gekauft. „Wir schätzen die Technologie, die in Deutschland beim Kartoffelanbau zum Einsatz kommt. Wir haben deshalb  Maschinen von Grimme gekauft, die nun bei uns zum Einsatz gekommen. Sie haben unserem Bezirk sehr geholfen“. Die an dem Projekt teilnehmenden Bauern können diese Maschinen nun bei der Bezirksverwaltung mieten. Wieder wird eine Musterbäuerin vorgeführt, die bisher 20 Erntehelfer einsetzten musste, diese nun aber nicht mehr brauchen wird. Denn die Maschine (plus Fahrer) ersetzt komplett die 20 Erntehelfer – so der Plan. Auf die Frage, wieviel sie für die Miete bezahlen musste, geriet sie in Verlegenheit. Es stellte sich heraus, dass die Erntemaschine nur für den Film auf den Acker gefahren worden war. Es ist kaum zu glauben, dass ein total verschuldetes Land wie Kenia (wie viele andere Länder) teure Maschinen aus Deutschland kauft, die vor Ort fast niemand einsetzen kann. Außer wenigen Großfarmern, die zudem vorrangig für den Weltmarkt produzieren, kann sich deren Einsatz niemand leisten. Aber die Firma Grimme hat einen neuen Absatzmarkt erschlossen und die deutschen Verantwortlichen vor Ort (GIZ) wollen das Filmteam an der Nase herum führen. „Die GIZ ist beauftragt von der Bundesregierung, zu helfen, Einkommen zu steigern. Wir können nicht mehr machen, als die Neuerungen zu demonstrieren und müssen es jetzt selbst den Bauern überlassen, was sie damit machen wollen. Das ist ihre freie Entscheidung.“[5] Sicheres Einkommen für alle, doch nur, die schon viel haben, werden noch mehr haben. Es geht nur um  Verkaufsinteressen der beteiligten Konzerne. Armut reduzieren, Ernährung zu sichern und eine ökologisch nachhaltige Produktion zu fördern, so lautet das Ziel (Propaganda) des BMZ.  Fazit: Entweder handelt es sich um tödlichen Zynismus oder unbegreifliche Dummheit bzw. Naivität der verantwortlichen Politiker, die den Versprechen der großen Konzerne blind vertrauen.

Ein weiteres Projekt in Kenia: In Nairobi fördert Proparco, eine Entwicklungsbank der KFW vergleichbar, ein Projekt mit einem Gesamtvolumen von 45. Mio. €, federführend ist der französische Staat, darunter 2 Mio. für folgendes Vorhaben.  Das bekannte Ziel: Armut bekämpfen. Dieses Projekt gilt bei der EU als positives Beispielprojekt für die Partnerschaft privat – staatlich. Die kenianische Firma „European Foods Africa“ vertreibt Fertigprodukte von Dr. Oetker, nämlich Tiefkühlpizza. Mit dem Geld aus dem Fonds hat das Unternehmen moderne Kühlräume aus Deutschland angeschafft, um die Pizzas effektiver verkaufen zu können. Der Inhaber der Firma ist ein Deutscher, der in Nairobi lebt. Die Pizzen kommen via Container  (Inhalt 12.000 Fertigpizzen) und müssen zwischengelagert werden – eben in Kühlräumen. Von dort werden sie vor allem an Supermärkte ausgeliefert. Mit Hilfe der größeren und moderneren Kühlräume kann dieses Geschäftsmodell ausgebaut und noch profitabler gestaltet werden. Der Investor erwartet, dass das Unternehmen expandiert und die Anleger davon profitieren können. Eine Pizza von Dr. Oetker können sich nur Kunden aus der Oberschicht leisten. U.a. darf die „Tiefkühlkette“ nicht unterbrochen werden, z.B. beim vom Hafen in Mombasa über Land nach Nairobi. In Nairobi kostet die Pizza dann etwa 8 €, in Deutschland 2,50 €. 

Die 2 Mio. Entwicklungsgelder finanzieren also nicht die lokale Produktion, sondern den Import europäischer Waren. Es handelt sich - harmlos ausgedrückt - um die Förderung des deutschen Außenhandels, und dies auch noch mit französischen Geldern. „European Foods Africa“ (der deutsche Unternehmer) beabsichtigt nun, mit diesem erfolgreichen Geschäftsmodell in den Sudan, Uganda und Tansania zu expandieren, denn auch dort gibt es eine Oberschicht, die wie die Europäer leben will. Das Portfolio soll mit Beeren, Kuchen und Torten aus Deutschland erweitert werden. Abgesehen von dem Nutzen nur für Reiche, ist dieses Modell auch extrem umweltschädlich (Transport, Kühlung, etc.). Alle Basisprodukte für die Pizzen, Torten, etc. gibt es auch in Afrika. Hunger bekämpfen mit Sahnetorte und Pizza?

Baumwolle in Sambia

Ein anderes Projekt in Sambia will die Kleinbauern ebenfalls mit dem Weltmarkt verbinden. Sambia ist das viertärmste Land der Welt (von „gefallenen Staaten“ abgesehen). Die Lebenserwartung liegt bei 52 Jahren. Kleinbauern bauen Baumwolle an, sogenannte Cash Crops – also Produkte, die die Bauern nicht selbst konsumieren, sondern verkaufen. Eine Baumwollinitiative aus Sambia will die Produktivität der Bauern verbessern, sie heiß COMPACI. Geldgeber sind Unternehmen aus der Baumwollbranche, Stiftungen und das BMZ. Das Projekt arbeitet mit 800.000 Kleinbauern in 11 afrikanischen Ländern. Die deutsche GIZ leitet das Projekt in Sambia. Begründung: In Sambia gibt es keine staatlichen Strukturen, die das leisten könnten, erst recht kein staatlicher Beratungsdienst. Dabei gehört es zum 1x1 sinnvoller Entwicklungszusammenarbeit, zuerst staatliche Infrastruktur, Beratungs- und Gesundheitsdienste zu fördern, vor allem diese demokratisch und transparent zu gestalten. Aber gerade dies will man ja nicht, es wird sogar gezielt verhindert.

Die Baumwollbauern werden zwar geschult, die Lehrer werden aber von den Unternehmen gestellt, für die die Baumwolle produziert wird. Bildung heißt hier, zu lernen wie man die Abnehmer, große Konzerne, am besten zufriedenstellen kann.[6] Dieselben Konzerne sind natürlich auch die exklusiven Lieferanten von Pestiziden und Düngern. Sie hören in den Schulungen zwar von der Möglichkeit, verschiedene Konten zu eröffnen, den Unterschied zwischen Giro- und Sparkonto, etc. Doch in Sambia können Kleinbauern ohne Eigenkapital gar kein Konto eröffnen. Die Kleinbauern können sich nicht direkt bei den Projektträgern um einen Kredit bewerben, nur über Vermittlung des Unternehmens, das Saatgut, Dünger und Pestizide liefert und die Ernte dann abkauft. Minister Müller: „Dies ist ein perfektes Beispiel, denn es schafft höheres Einkommen für alle Beteiligten, auch für die Kleinbauern. Es ist höchst erfolgreich und schafft für 800.000 Kleinbauern um bis zu 50% höheres Einkommen“. Doch der Preis ist hoch. Neben der totalen Abhängigkeit von den Unternehmen (sie haben keine andere Alternative mehr) müssen sie die teuren Dünger und Pestizide der Unternehmen kaufen. Sie spritzen ohne Schutzkleidung, die zu teuer wäre. Nur ausgewählten „Elitefarmern“ wird die Schutzkleidung gestellt, ebenso die notwendigen Geräte. „Wir können doch nicht 120.000 Bauern einen Overall zur Verfügung stellen!“ Da nur über die vom Unternehmen vermittelten Kredite die Kleinbauern die notwendigen Dünger (notwendig, weil das Saatgut so gezüchtet und patentiert, dass nur bestimmte Dünger und Pestizide wirken) kaufen können, sind sie auf Dauer von dem Unternehmen abhängig und geraten in einen Teufelskreis der Verschuldung.

Außerdem: Farming ist eben nicht nur Business, sondern auch Erhalt der Artenvielfalt, Schutz statt langfristige Vergiftung der Böden (Humus), Verbesserung der Böden, biologische Landwirtschaft – Werte, die im Businessplan nicht vorkommen. Das alte und ewig neue Dogma der Entwicklungspolitik lautet: Arme Länder und zuvor arm gemachte Menschen in den Weltmarkt zu integrieren, der von wenigen Globalplayern beherrscht wird und denen die Staaten auf dem Weg zu noch größerem Reichtum die Wege bereiten (müssen). „Wir helfen euch, eure archaischen Strukturen und Methoden zu überwinden, reichen euch die Hand und helfen euch den Anschluss an die Moderne, an stets höhere Produktion, an die Zivilisation und an alle Möglichkeiten, die der Weltmarkt bietet (beliebiger Konsum, u.a.), zu bekommen. Es ist eine typische Win-Win-Situation – alle gewinnen dabei“. So das stets gleichlautende Credo – und manche glauben dies wirklich!

Palmölplantagen in Sambia

Besonders in entlegenen soll durch Großprojekte Entwicklungshilfe voran gebracht werden. So wird im Norden Sambias eine Plantage mit 20.000 ha angelegt – für die Produktion von Palmöl und betrieben vom größten Agrarkonzern Sambias, der Firma ZAMBEEEF. Sie erhielt 35 Mio. € als Startkapital, u.a. von der staatlichen DEG. Die Tochterfirma Zampalm stellt aus Palmöl  Speiseöl her. Bald gab es große Probleme. Zuerst wurde die falsche Palmölpflanze ausgesucht, dann stellte sich heraus, dass die Böden vor Ort zu feucht sind, das Grundwasser musste aufwändig abgesenkt werden. Die hohen Investitionskosten konnten mit einem Darlehen der DEG aufgefangen werden. Warum investiert also die DEG in ein solch zweifelhaftes Projekt: Die DEG: „Zambeef ist ein großes Agrarunternehmen in Sambia, das zur Nahrungsversorgung und Nahrungsmittelsicherheit im Land beiträgt und in einer eher marginalen Region wird Beschäftigung generiert.“ Tatsächlich sind 600 Arbeiter beschäftigt, aber nur zur Erntezeit. 140 von ihnen sind fest angestellt. Die DEG ist übrigens der Öffentlichkeit und dem Parlament nicht rechenschaftspflichtig. Völlig unklar bleibt, nach welchen Sozial- – und Umweltstandards Zampalm handelt. So wurden z.B. anfangs 430.000 Ölpalmen in dem Sumpfgebiet gepflanzt, jedes Jahr werden es mehr, bis die 20.000 ha voll bepflanzt sind. Durch das Entwässern der Sumpfgebiete werden jede Menge Kohlendioxide freigesetzt. In dem Sumpfgebiet lebten selbstverständlich Menschen, die ihre Lebensweise der Umgebung angepasst hatten. Es gab gut funktionierende Dorfgemeinschaften. Diese Menschen wurden „umgesiedelt“. Zudem wurden bisher sämtliche Zusagen, wie der Bau von Schulen und Gesundheitsversorgung nicht eingehalten. Die DEG. „Es wurden keine derartigen Versprechungen gegeben. Es stellt sich auch die Frage, warum ein Unternehmen, das Steuern an den Staat bezahlt, auch noch in die regionale Infrastruktur investieren muss.“ Die Realität: Unternehmen versprechen dies, um Zugang zum Land zu erhalten und um die Bevölkerung für ihr Vorhaben zu gewinnen. Einmal vor Ort, denken sie aber nicht daran, ihre Versprechungen umzusetzen.

Zaampalm betreibt eine weitere Großfarm in Sambia, mit 10.000 ha. Hier wurden 50 Familien vertrieben die vorher gut von ihren kleinen, aber ausreichenden Grundstücken leben konnten. „Wir haben Orangen, Mangos, Bananen und vieles mehr angebaut. Wir konnten sogar einiges davon an die Nachbardörfer verkaufen.“ Doch dann mussten sie ihren Besitz und ihr Dorf verlassen. Die neuen Eigentümer kamen mit der Polizei, haben alle vertrieben, einige verhaftet und Zäune errichtet. Die DEG: „Da es sich um Land der Regierung handelte, war es rechtens, dass die Regierung dieses Land an das Unternehmen vergab.“ Elf Dorfbewohner nahmen sich inzwischen aus Verzweiflung das Leben: Die DEG: „Das ist zwar traurig, aber es gibt noch genügend Land in der Region und auch noch genügend Entwicklungsmöglichkeiten. Die Kleinbauern haben also noch andere Möglichkeiten, als auf die Rückgabe des Landes zu bestehen über das der Oberste Gerichtshof entschieden hat, dass der Verkauf an das Unternehmen rechtens war“. Doch es gibt in der Realität kein anderes, frei verfügbares, Land. Diese Art von Entwicklungshilfe hat also das Schicksal der Menschen verschlimmert, ist eine ökologische Katastrophe und produziert wird Speiseöl für den Export.  Doch brauchen wir in Deutschland dieses Speiseöl überhaupt?  Vermutlich, denn es ist billiger…!

Beispiel AATIF (siehe unten): Ein Investmentfond, der Hunger und Armut zu bekämpfen vorgibt. Das BMZ gibt 45. Mio. €, KFW 20 Mio. und Deutsche Bank 20 Mio., insgesamt beträgt das Fondvolumen inzwischen 125 Mio. €. Davon werden z.B. in Sambia 9 Mio. in das Unternehmen Chobe investiert. Auch hier das gleiche Muster: Neue Arbeitsplätze, bessere Ernährung, Bildung usw. … Es wurde eine Sojaplantage angelegt, doch auch hier war das Land nicht menschenleer. Die Menschen wurden umgesiedelt. Der größte Teil des Landes bestand aber aus Wald. Dieser wurde gerodet. „Bis wir hier etwas anpflanzen konnten, hat das uns etwa 2.600 Dollar pro ha gekostet.“ Dazu kamen pro ha, noch weiter 5.300 Dollar hinzu, für Bewässerungsanlagen, Stromerzeugung und Straßen. Die Anbaufläche konnte so um das Siebenfache vergrößert werden. Es sind sogar 2 Ernten im Jahr möglich, doch nur wenn in der Regenzeit das Wasser aufgefangen wird, um in der Trockenzeit das Land bewässern zu können. Also wurde ein großer Staudamm mit Pumpstation gebaut. Was aber bleibt für die Bevölkerung, wieviel Arbeitsplätze wurden geschaffen? „Wir bewirtschaften die Farm mit 147 Arbeitskräften. Auf dem Feld haben wir nur 47 Leute. Unser Betrieb ist stark mechanisiert. Der Anteil der Arbeitskosten ist gemessen an den Gesamtkosten fast unbedeutend. Kosten für Pestizide, Dünger und Bewässerung sind – nach der Anfangsinvestition - die eigentlichen Kosten.

Der Verwaltungsvorsitzende des Investmentfond, Thomas Dove, freut sich über den Erfolg: „Die 140 Arbeitsplätze sind sicher, sie verdienen damit Geld und kurbeln damit die lokale Ökonomie an“. Es sollten aber ursprünglich – so das Versprechen – 1.600 Arbeitsplätze geschaffen werden. Stattdessen wurden Menschen vertrieben und um ihre Existenz gebracht. AATIF ist beliebt bei kirchlichen Einrichtungen wie z.B. Orden und christliche Pensionskassen, als „grünes Investment“ bzw. Kapitalanlage. Um welche Orden es sich handelt darf nicht gesagt werden, weil Bankgeheimnis! Der Fond hat seinen Sitz in Luxemburg, weil man dort keine Ertragssteuer bezahlen muss (siehe unten). Entwicklungshilfeminister Müller gibt sich ahnungslos, obwohl das BMZ der wichtigste Geldgeber ist. Andere von Steuergeldern des BMZ subventionierte Unternehmen haben ihren Sitz in Mauritius, bekannt für lockere Steuergesetze. Die Gewinne der Unternehmen werden also nicht in Sambia versteuert – eines der Grundursachen für die Armut in den betreffenden Ländern: Keine Steuern bezahlen, Gewinne aus dem Land schaffen, meist in Komplizenschaft mit korrupten einheimischen „Eliten“. Und dies alles wird noch durch „unsere“ Steuergelder befeuert und als „Entwicklungshilfe“ verkauft. Dabei ist offensichtlich: Dort, wo es keinen Zugang zu einer allgemeinen Gesundheitsversorgung und zu allgemeinen Schulen gibt, wo Kleinbauern vertrieben werden, die ansonsten das gesamte Land mit Grundnahrungsmitteln versorgen könnten, wo stattdessen Cash Crops für den Export oder die einheimische Eliten produziert werden, wo Unternehmen keine Steuern bezahlen, wo es keine unabhängige Justiz und wo es letztlich keine wirkliche Demokratie gibt (usw. usw.), es keine Entwicklung hin zu einem Leben in Würde für alle geben kann. Doch dafür einzutreten bringt keinen Gewinn und würde unsere imperiale Lebensweise gefährden…. Stattdessen wird ein Land wie Sambia gezwungen (einmal vorausgesetzt, die Regierung wollte wirklich die Lage der Mehrheit seiner Bevölkerung verbessern), großen Agrarunternehmen Land anzubieten, (fast) keine Steuern zu verlangen, zollfreier Import von Anlagen und Maschinen, Gewerkschaften zu verbieten (u.a.m.). Abschluss von Freihandelsverträgen – so nennt man dies heutzutage. Sambia konkurriert mit anderen Ländern um Investoren und um das „Privileg“, Freihandelsverträge abschließen zu dürfen. Doch es sind prinzipiell und systembedingt  ungleiche „Partnerschaften“ zwischen den lokalen Regierungen und den global agierenden Konzernen. Die Geberländer und die Konzerne legen den afrikanischen Regierungen nahe, wie sie ihre Wirtschaft und Politik organisieren sollten, um ein investitionsfreudiges Klima für den Privatsektor zu schaffen.

Die „Neue Allianz für Ernährungssicherheit“, gegründet von den G8-Staaten, ist ein Paradebeispiel für diese Art von Partnerschaft. Partner sind 10 afrikanische Länder und 230 Unternehmen. Ziel der Allianz: 50 Mio. Menschen südlich der Sahara sollen aus der Armut befreit werden. Eines der Länder ist Tansania. Riesige Gebiete über gesamte Land hinweg will (soll) die Regierung günstig vergeben, die Landwirtschaft modernisieren und den Transport erleichtern. Eines der Unternehmen ist OLAM. Es erhält Gelder aus Holland und der DEG. Der Konzern, einer der größten Agrarkonzerne der Welt mit Sitz in Singapur, vermarktet Lebensmittel, Rohstoffe und Düngemittel. Im Süden von Tansania wird eine Kaffeeplantage angelegt. Für 2 Mio. wird zuerst ein Damm gebaut, um für die notwendige Bewässerung sorgen zu können. Risiken von Klimaschwankungen soll dadurch vorgebeugt werden. OLAM beschäftigt 400 Arbeiter und bezahlt etwa 2 € am Tag.

Es hat ein Programm für „Vertragslandwirte“ gestartet, die weitere Mengen an Kaffeebohnen zuliefern sollen. „Wir verteilen ungefähr 3 Millionen Pflanzsetzlinge an unsere Vertragslandwirte, gratis. Die Gemeinden können so ihre Lebensbedingungen verbessern. Wir glauben an nachhaltige Landwirtschaft.“ DEG: „Wir haben dadurch auch eine direkte Finanzierung von Kleinbauern, z.B. finanzieren wir das Projekt von OLAM in Tansania.“ Das Projekt aber funktioniert so: OLAM verteilt zwar gratis die Setzlinge, gibt Schulungen zum Anbau und gibt Kredite für die notwendigen Dünger. Die Dorfbewohner aber fragen sich: „Warum sollen wir Kaffee anbauen; kann man denn Kaffee essen? Wir brauchen doch Nahrungsmittel!“ Dennoch entscheidet sich ein kleinerer Teil der Kleinbauern, Vertragslandwirte zu werden, denn sie wollen damit Geld verdienen.

Flavian, ein Kleinbauer erhält 1.800 Setzlinge gratis, nur den Transport musste er bezahlen. Dafür stellt er sein Land zur Verfügung, auf dem er bisher, Mais und Bohnen angebaut hat. Der Kaffeeanbau ist neu für die Bauern in der Region. Der große Nachteil von Kaffeeanbau: man braucht viel Wasser. Aber für Flavian steht weder das Wasser des Dammes zur Verfügung noch hat er Bewässerungskanale. Daher musste er - wie die anderen Vertragslandwirte - per Hand traditionelle Brunnen graben und ausbauen, natürlich auf eigene Kosten. „Wir benutzen Eimer um das Land zu bewässern. Das ist sehr mühsam.“ Zur Erleichterung könnte Flavian einen Kredit aufnehmen und eine Pumpe kaufen. Doch die Zinsen sind hoch und umgerechnet 80 € (40 Tagesverdienste) schuldet er OLAM schon für den Kauf von 4 Säcken Dünger. Die Vertragslandwirte beschließen nun, gemeinsam einen Generator anzuschaffen. Doch bis der Kaffee den ersten Ertrag bringt dauert es 4 Jahre. Und dann? „Wir wissen noch nicht, wieviel wir für den Kaffee bekommen werden. Die Firma bestimmt die Preise. Vorher müssen wir erst einen Vertrag abschließen.“ Die Kleinbauern investieren also 4 Jahre lang, häufen hohe Schulden an bei der Firma, von der sie sich völlig abhängig gemacht haben und wissen nicht, was sie dafür bekommen werden. Sie können nur an OLAM verkaufen.

Der Konzern lagert einen Großteil der Investitionen an die Kleinbauern aus – Bewässerung, Land, Arbeit. Diese tragen allein das Risiko. Sie können zwar (vorerst) auf ihrem Land bleiben, sind aber völlig vom Unternehmen abhängig. Alle Betriebsmittel müssen sie von dem Unternehmen kaufen. Zudem müssen sie nun an Nahrungsmitteln zukaufen (Mais, Bohnen, usw.), was sie vorher selbst haben anbauen können. Und auch diese Nahrungsmittel bietet das Unternehmen nun den Kleinbauern zum Kauf an. Perfekt – so geht erfolgreiche Wirtschaft, erfolgreiche Entwicklung. Man muss nur daran glauben! Die Kleinbauern, weil sie geglaubt haben, stecken nun in einer lebenslangen Schuldknechtschaft, ohne jede Perspektive für sich und ihre Kinder.

Die „Alternative“: Ismail hat 5 Jahre als Vorarbeiter auf der Plantage gearbeitet, für 2 € am Tag, aber auch nicht das ganze Jahr über, sondern nur wenn er gebraucht wurde. Davon konnte er mit seiner Familie und 4 Kindern nicht überleben. Er hatte das Angebot zum Vertragslandwirt nicht angenommen. Doch auch er ist heute nun ärmer als vorher. „Ich wünschte, ich hätte nicht 5 Jahre auf der Plantage gearbeitet, ich bin nun ärmer als vorher.“ Mit 4 € am Tag könnte er mit seiner Familie gerade so überleben, doch das will OLAM nicht bezahlen. Er beklagt nicht nur seine eigene Situation. Insgesamt geht es der gesamten Dorfbevölkerung heute schlechter. „Früher hatten die Leute ausreichend Land zur Verfügung. Sie konnten sich mit dem ernähren, was sie angebaut haben. Es ging ihnen gut. Aber als die Plantage kam, war das nicht mehr möglich.“ Das Land wurde den Menschen einfach genommen, bzw. sie durften Vertragslandwirte werden… . Einer der Dorfbewohner: „Eines Tages bekam ich ein Schreiben der Kreisverwaltung, das besagte, wir müssten das Land, das schon immer im Besitz der Familie war, verlassen.“ OLAM: „An dieser Stelle war kein Dorf. Wir haben ein eingetragenes Grundstück gekauft. Wir haben kein Land von Dorfbewohnern gekauft. Ja, es gab da einige Siedler, sie wurden dazu gebracht, das Land zu verlassen.“ Einige der Dorfbewohner bekamen nach langem Protest von der Regierung eine Kompensation, z.B. 320 € für 10 ha. „Das ist zu wenig, um neues Land zu erwerben, schon gar nicht 10 ha. Diese Fläche bräuchte ich aber, um meine Familie ernähren zu könne, so wie vorher. Allein neues Land (im Wald) zu roden kostet 120 € - pro ha!“ Der Vertreter des Kleinbauernverbades beklagt, dass sich im ganzen Land immer mehr Farmen breit machen und Kleinbauern um ihre Existenz gebracht werden. Ihr Land ist nicht - weil bisher nie üblich - in einem Kataster eingetragen. „Die Großinvestoren nehmen sich das Land der Kleinbauern. Diese können nun nicht mehr Nahrungsmittel anbauen. Dann müssen sie als Gelegenheitsarbeiter auf den Plantagen der Investoren anheuern. Aber das Geld, das sie dort verdienen reicht nicht, um ihre Familie ernährten zu können.“ Die tansanische Regierung macht es den Investoren erst möglich, so zu handeln. Sie stellt ihnen große Flächen zu Verfügung und schaffen damit investitionsfreundliche Bedingungen…. sind daher kreditwürdig und gute Partner!

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ARD - MONITOR: Afrika entwickeln – mit Hilfe eines Marshallplans. Doch wer profitiert davon?  Deutschland strebt im Verbund mit G20 - Staaten einen radikalen Wechsel in der Afrikapolitik an. Staatliche Entwicklungshilfe allein ist out, nun sollen private Investitionen in Afrika unterstützt werden, „um mehr Dynamik in die Entwicklung zu bekommen“ (Schäuble). Daher legt das BMZ einen Investmentfonds auf, den Africa Agriculture and Trade Investment Fond. Die Steuergelder sollen private Investoren mobilisieren, in Afrika zu investieren. Erklärtes Ziel: Bekämpfung von Armut, mehr Arbeitsplätze und bessere Löhne für die Menschen vor Ort.

Vor Ort, auf einer riesigen Plantage in Sambia, sieht das dann so aus: Ein Agrarkonzern produziert hier Soja, Weizen und Mais. An gleicher Stelle befand sich davor Ackerland von Kleinbauern. Und wo noch Bäume standen, wurde der Wald gerodet und der Boden für den Sojaanbau vorbereitet. Tausende Hektar bewirtschaftet das Unternehmen und auch dank bester Bewässerung macht das Unternehmen inzwischen hohen Gewinn. Während die Felder pausenlos mit modernsten Methoden bewässert werden, geht in den umliegenden Dörfern das Wasser aus, die steinzeitlichen Brunnen müssen sie immer tiefer bohren, der Grundwasserspiegel sinkt dramatisch. 1600 Arbeitsplätze waren versprochen worden, doch bisher gibt es nur Arbeit für einige billigst bezahlte Tagelöhner. Es gibt keine fest angestellten Arbeiter, nach höchstens 2 Monaten werden sie entlassen und neue Arbeiter, Männer und Frauen eingestellt. Viele von ihnen können ihre Familien nicht mehr ernähren, der Lohn reicht nicht, viele bekommen nie Arbeit und ihre Felder haben sie verloren. „Die Weißen haben uns unser Land weggenommen, wir müssen hungern, weil wir nicht mehr anbauen können, was wir brauchen“. Antwort des Unternehmens: „Wir bezahlen den Mindestlohn und das Land hat uns die Regierung verpachtet.“ Also alles ist legal! Die afrikanische Wirtschaftsexpertin Jane Nalunga, eingeladen zum G20-Alternativgipfel in Hamburg: „Der Plan ist, aus Afrika eine hübsche Braut zu machen. Es soll seine politischen und wirtschaftlichen Bedingungen ändern, damit es attraktiv wird für ausländische Investoren. Aber das wird in einer Katastrophe für Afrika enden. Denn ausländische Investoren wollen nur Profit. Allein darum geht es. Der Farmmanager bestätigt dies. Er ist sogar stolz darauf, dass das Unternehmen dank modernster Technik mit wenig Menschen auskommt. „Auf dem Feld selbst arbeiten nur 44 Leute. Unser Betrieb ist sehr mechanisiert, d.h. die Kosten für die Arbeit kann man vernachlässigen.“ Zu Beginn des Projekts arbeiten im Betrieb 258 Menschen (einschließlich Verwaltung, ausländische Fachleute), zurzeit sind es noch 208 Menschen.

Ein Jobwunder? Die Bundesregierung hält den Ansatz dennoch für richtig, denn nur durch staatliche Absicherungen, könnten private Investoren mobilisiert werden. Es handelt sich also um eine gezielte Irreführung der Öffentlichkeit. Denn private Investoren sind nicht an Entwicklung (Leben in Würde, etc.) interessiert, sondern allein an Profit. Die Konstruktion dieser „Entwicklungshilfe“ ist, dass es drei Risikoklassen gibt. Das geringste Risiko tragen die Privatinvestoren, das mittlere Risiko liegt bei Banken, das größte (und de facto alleinige) Risiko trägt das BMZ, das heißt der Steuerzahler. Der Clou: Macht das Projekt Gewinn, bekommen den Gewinn die Privatinvestoren. Bei Verlusten ist es genau umgekehrt. Dann haftet zuerst der Staat, das heißt: wir alle. Der Fond wurde zudem in Luxemburg aufgelegt, dem Steuerparadies im Herzen Europas. Das BMZ in einer schriftlichen Erklärung: „Die Gründung eines strukturierten Fonds wie dem AATIF ist in Deutschland aufgrund eines hier fehlenden Rechtsrahmens nicht möglich“. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung weicht daher auf Steuerparadiese aus, wo die Investoren nichts versteuern müssen.

Es handelt sich hierbei gleich um ein dreifaches Verbrechen: Menschen in Afrika werden ihrer Existenzgrundlage beraubt, noch mehr Hunger wird gemacht (von zusätzlicher ökologischer Katastrophe - Wasserverbrauch, Pestizide - mal abgesehen); internationale Großkonzerne und Investoren wird zu noch mehr Gewinnen verholfen, ohne dass diese irgendwelche soziale Verpflichtung hätten; wir alle bezahlen diese Art von Ausbeutung und müssen gar noch dafür haften, wenn durch Steuertricks Gewinne verschleiert und für angebliche Verluste der Staat aufkommen muss; die Öffentlichkeit wird bewusst betrogen und die Regierung lässt sich von den entsprechenden Medien (FAZ, Welt, Focus und den meisten Tageszeitungen) dafür feiern - und wir schweigen?!

(Danke an die ARD für den Bericht in „Monitor“, 07.07.17 und an ARTE „Konzerne als Retter? Oder wie man Flüchtlinge produziert!“  (Arte-Doku vom 9. Mai 2017).   Siehe auch: „Religion und Entwicklung“  (Juli 2017)

Impuls von Papst Franziskus: „Indessen fahren die Wirtschaftsmächte fort, das aktuelle weltweite System zu rechtfertigen, in dem eine Spekulation und ein Streben nach finanziellem Ertrag vorherrschen, die dazu neigen, den gesamten Kontext wie auch die Wirkungen auf die Menschenwürde und die Umwelt zu ignorieren.“ (Enzyklika Laudato Si , S. 23, Nr. 56)

Misereor zu G20 und zum Wechsel in der Entwicklungspolitik: Die G20 verabschiede mit dem "Hamburg Action Plan" nur einen weiteren traditionellen Wachstumsplan, der keine Trendwende hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft einleite. Handel und Investitionen erscheinen als ungebremste Motoren des Wachstums, ohne dass von ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Leitplanken die Sprache sei. Die G20 verabschiede mit dem "Hamburg Action Plan" nur einen weiteren traditionellen Wachstumsplan, der keine Trendwende hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft einleite. Handel und Investitionen erscheinen als ungebremste Motoren des Wachstums, ohne dass von ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Leitplanken die Sprache sei.

Viele offene Fragen bleiben hinsichtlich der mit afrikanischen Staaten beschlossenen Investitionspartnerschaften, in deren Rahmen mit ausländischen Direktinvestitionen große Infrastrukturprojekte finanziert werden sollen. Die Erfahrungen vieler MISEREOR-Partnerorganisationen vor Ort zeigen: Es kommt auf das "Wie" an. Die G20-Staaten konnten sich nicht auf notwendige Mindeststandards bei Umwelt- und Menschenrechtsschutz einigen. Immer wieder werden Menschen von Großprojekten vertrieben, oder ihr Protest gegen die Projekte kriminalisiert. Die G20-Staaten hätten die Chance verpasst, Rahmenbedingen für die einheimische Privatwirtschaft mehr in den Blick zu nehmen. Dazu zähle die Einhaltung der Menschenrechte, der Kampf gegen Korruption, die Priorisierung von einheimischen Betrieben und gute Regierungsführung.  Siehe auch mein Artikel: Ernährungssicherheit - weltweit (2014)

Folgendes Beispiel (aus meiner Dissertation „Die Herausforderung einer Option für die Armen“, 2004) zeigt, dass diese Politik spätestens seit Mitte der 70er Jahre angewandt wurde und zum globalen Standardmodell von sogenannter Entwicklungshilfe bzw. von Globalisierung (wirtschaftlich-finanziell) geworden ist. Damals „benötigte“ man oft noch Militärdiktaturen als Handlanger, um diese Programme durchführen zu können. Heute sind es u.a. Freihandelsverträge, die entweder aufgezwungen oder mit den jeweils herrschenden Machthabern abgeschlossen werden.

„Die gegenwärtigen Schulden Perus (2002) betragen 32 Milliarden Dollar, die jährlich zu zahlende Zinslast beträgt 2,1 Milliarden Dollar. 1978 beliefen sich die Schulden Perus noch auf 8 Milliarden Dollar. Inzwischen hat Peru mehr an Zinsen bezahlt, als es je an Krediten insgesamt bekommen hat. Es geht auch nicht mehr darum, die Schulden abzahlen zu können, sondern alle Anstrengungen richten sich allein darauf, die jährlichen Zinsen bezahlen zu können, um nicht für zahlungsunfähig erklärt zu werden. Die Entscheidung über die Kreditwürdigkeit eines Landes trifft der IWF. Um den armen Ländern aus der Schuldenfalle zu helfen und sie an den Weltmarkt heranzuführen und konkurrenzfähig zu machen - so die Begründung - diktiert der IWF die Bedingungen zur Sanierung der Staatshaushalte der verschuldeten Länder (außer den USA, dem am höchsten verschuldeten Land der Welt). Die Kosten dieser „Sanierung“ müssen in der Regel die Armen bezahlen, die selbst von den Krediten nie etwas gesehen haben. Die Folgen sind verheerend. Dem peruanischen Staat wird diktiert, nicht in „unproduktive Bereiche“ wie Gesundheit, Bildung, Selbstversorgung (Subsistenzwirtschaft) und generell in soziale Projekte neu zu investieren, sondern die Staatsausgaben für diese Bereiche drastisch zurückzufahren. Die Folgen sind eine weitere Verelendung der Bevölkerung, die Zahl der Menschen in extremer Armut steigt.

Der erste massive Eingriff des IWF in Peru geschah bereits 1974, als das Experiment einer „Revolution von oben" von den USA und dem IWF, in dem die USA eine Sperrminorität besitzen, gestoppt wurde. General Velasco musste abgelöst werden. 1978 musste sich Peru endgültig den Bedingungen des IWF unterwerfen. Bei den Verhandlungen über die Umschuldung von damals acht Milliarden Dollar Auslandschulden musste Peru, wie andere mit Krediten mit Absicht vollgepumpte Länder, folgende Bedingungen akzeptieren*: Senkung der Staatsausgaben (der Sozialausgaben u.a. im Bildungs- und Gesundheitsbereich); Streichung aller Subventionen (vor allem für Grundnahrungsmittel); freier Kapitalverkehr (Gewinne können ungehindert aus dem Land geschafft, ausländisches Kapital kann in Gewinn versprechende Vorhaben beliebig investiert und wieder abgezogen werden); Herstellung eines sicheren Investitionsklimas (Zerschlagen der Gewerkschaften, Löhne werden gesenkt, Kaufkraft sinkt); verstärkte Konzentration auf den Export statt Eigenkonsum (Mobilisierung aller landwirtschaftlicher und natürlicher Ressourcen zwecks Beschaffung von Devisen, um die fälligen Zinsen bezahlen zu können). Die Kürzung der Rüstungsausgaben wurde übrigens nicht zur Bedingung gestellt, im Gegenteil, der peruanischen Regierung wurden günstige neue Kredite zur Modernisierung der Streitkräfte angeboten, u.a. von Deutschland. Im gleichen Jahr (1978) kommt es zu Unruhen, die gewaltsam niedergeschlagen werden. Ein Ergebnis der Maßnahmen: 1979 konnte eine peruanische Durchschnittsfamilie mit ihrem Monatseinkommen nur noch halb so viel Nahrungsmittel kaufen wie 1972. Der Präsident der peruanischen Zentralbank charakterisierte 1979 die Maßnahmen des IWF wie folgt: „Die sozialen Kosten dieser Politik sind dramatisch. Sie bedeutet langfristig den Tod für rund 500.000 Kinder und sie bringt eine unbestreitbare Wirklichkeit mit sich: die Peruaner werden einer Hungerkur unterworfen“. Wenn an dieser Stelle vor allem die siebziger Jahre im Mittelpunkt stehen, dann geschieht dies deshalb, weil in der Öffentlichkeit oft der Eindruck vermittelt wird, die Schuldenkrise habe z.B. erst 1982 (Zahlungsunfähigkeit Mexikos) oder noch später begonnen. Es wird deutlich, dass alle genannten Maßnahmen bis 2002 nur zu einer weiteren Verelendung der Mehrheit der Bevölkerung und zu einer Kapitalvermehrung bei den Reichen geführt haben. Die geschilderten Maßnahmen und die damit verbundene Politik auf der Basis einer sanktionierten Werteordnung werden im Prinzip seit dem 16. Jahrhundert praktiziert. Das Neue im ausgehenden 20. Jahrhundert ist, dass diese Maßnahmen nun weltweit und einheitlich - und besonders seit 1990 ohne Rücksicht auf Staaten und deren Regierungen - durchgesetzt werden können und dass dies im Namen von Freiheit, Entwicklung und Demokratie geschieht.“

*Vgl. Bello, Walter: Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank. In: Mander, Goldsmith (Hrsg.): Schwarzbuch Globalisierung. München: Riemann-Verlag,  2002, S. 191. Hier werden die sieben hauptsächlichen Bedingungen des IWF für Kredite aufgezählt, auch Strukturanpassungsprogramme genannt: Abbau von Schutzzöllen für die einheimische Wirtschaft; keine Kontrolle von Auslandsinvestitionen; Umwandlung einer an der Produktion von Grundnahrungsmitteln orientierten Landwirtschaft in eine durch Monokulturen gekennzeichnete, am Export orientierte Landwirtschaft; Aufhebung von Preiskontrollen und Einführung von Lohnkontrollen; drastischer Abbau staatlicher Leistungen u.a. im Gesundheitswesen; aggressive Privatisierung von Staatsbetrieben; Durchführung eines Deregulierungsprogramms, also Aufhebung staatlicher Vorschriften zum Arbeits- und Umweltschutz und zum Schutz der natürlichen Ressourcen.


[1] Die „offizielle“ Statistik von etwa 800 Mio. Hungernden (als Erfolg im Kampf gegen den Hunger gewertet) wurde vor allem durch eine Änderung der Kriterien erreicht (Anzahl der Kalorien, etc.). Wahr ist vielmehr, dass deutlich mehr als 2 Milliarden Menschen mit deutlich weniger als 2 Dollar am Tag auskommen müssen und eine ausgewogene Ernährung damit nicht garantiert werden kann - ganz abgesehen davon , dass sie keinen oder kaum einen Zugang zu ärztlicher Versorgung, kostenloser Bildung, ausreichendem Landbesitz und Arbeit haben, die ein Auskommen und ein Leben in Würde ermöglichen würde. Seit 3 Jahren nimmt der Hunger weltweit wieder zu.

[2] Es war schon seit 50er Jahren ein Grundprinzip staatlicher Entwicklungshilfe, diese vor allem im eigenen wirtschaftlichen und weltanschaulichen Interesse zu gewähren. Heute geschieht dies offener: Reiche Staaten schaffen u.a. mit Hilfe entsprechender Freihandelsabkommen günstige  Voraussetzungen, damit „unsere“ Unternehmen möglichst viele Gewinne machen können.

[3] Laut Bischof Dammert (Cajamarca, 1962 – 1992) sagte der deutsche Botschafter in Peru bei einem Empfang in Lima (sinngemäß): „Solange es in Peru noch so viele Campesinos (Indios) gibt, die ihre Kartoffeln noch selbst essen, wird Peru nie den Anschluss an die moderne Welt finden“.

[4] Auch viele Weltläden und ähnliche Initiativen haben viel Energie und guten Willen investiert, damit z.B. kleinbäuerliche Kooperativen immer mehr Cash Crops für den Export produzieren, die dann bei uns zu fairen (?) Preisen verkauft werden. Dies kann unter gewissen Umständen sinnvoll sein und es gibt gute Beispiele. Dass dies aber unter Umständen auch der Beginn eines neuen Teufelskreises in mehr Armut und Abhängigkeit hinein bedeuten kann, wurde und wird noch oft ausgeblendet.

[5] Freiheit, ein Schlüsselbegriff der „Moderne“ . Doch Freiheit für wen? Ein Sklave versteht unter Freiheit etwas völlig anderes als der Sklavenbesitzer. „Gleiche Chancen für alle“ ist vergleichbar mit einem Fußballspiel zwischen Real Madrid und einer Mannschaft aus der Kreisliga...!

[6] Bildung, Bildung, Bildung – man hört es immer wieder, auch zu Recht! Aber wer versteht was unter welcher Bildung? Die Menschen fit machen für den freien Wettbewerb, einer gegen alle und im Wettlauf zum individuellen Erfolg? Der Turmbau zu Babel zeigt: Nach oben und dem „Himmel nahe“ kommt vor allem der, wer auf den Schultern und Kosten anderer immer weiter nach oben klettert. Das Ergebnis ist bekannt: Heilloses Durcheinander und Zerstörung sozialer Bindungen und Gemeinschaften. Bildung wäre hier u.a. diesen Kreislauf zu erkennen und befähigt werden, dagegen aufzustehen-

Siehe Beispiele einer befreienden Pastoral (Neu-Evangelisierung im Sinne des Konzils) u.a. in:  El Despertar und Vamos Caminando