"Festzuhalten bleibt, dass die Entwicklung der Pastoral in Bambamarca eine Dynamik entwickelte, mit der nur wenige Priester Schritt halten konnten und die bald an die engen Grenzen der römischen Tradition stieß. Eine fest gefügte kirchliche Struktur mit ihrer Verrechtlichung, Verkrustungen und nicht von der Bibel her ableitbaren Strukturmerkmalen droht den weiteren Weg der Kirche des Volkes zu blockieren. Diese Strukturen erweisen sich für die Zukunft als ungeeignet, um dem Volk Gottes auf dem Weg helfen zu können. Auch Dammert definierte die Einheit der Kirche zuerst vom Papst her und Weltkirche bedeutete für ihn zuerst die Einheit der Bischöfe untereinander und mit dem Papst".

Defizite der Pastoralarbeit in Bambamarca  (aus der Sicht der Katecheten)
 
Von den Campesinos, die stets aktiv in der Pfarrei mitgearbeitet haben, werden vor allem zwei Punkte genannt, die sie als Problem gesehen haben: zum einen die mangelnde Klärung der Rolle der Pfarrer und zum anderen - und dies wird vor allem von jüngeren Mitarbeitern geäußert - das Problem des Generationenwechsels. Bischof Dammert hat nahezu alle Probleme mit den Campesinos direkt besprochen, nur eine Frage hat er nicht mit Ihnen besprochen und noch weniger im Einvernehmen mit ihnen entschieden: die Ernennung der Pfarrer. Das gilt auch für die anderen kirchlichen Mitarbeiter von außen, angefangen von den ersten Entwicklungshelferinnen (hier konnten die Campesinos selbstverständlich noch nicht mitreden), über meine eigene Anwesenheit bis zu den Mitarbeitern von außerhalb, die zuletzt nach Bambamarca kamen.

Im Nachhinein haben die Campesinos sicher Recht, denn sie mussten erfahren (und oft erleiden), mit welchen Vorstellungen einige Pfarrer und Mitarbeiter zu ihnen kamen. Doch wie hätten sie im Vorfeld mitentscheiden können, zumal die Auswahl „geeigneter“ Priester äußerst beschränkt war? Dennoch werdenhier grundsätzliche Probleme deutlich: der Mangel an geeigneten Priestern und Mitarbeitern, deren mangelnde Vorbereitung auf die spezielle Situation hin und  ein Widerspruch in der Person Dammerts (exemplarisch für viele fortschrittlichen Bischöfe) selbst, der zwar im Zweifelsfall mehr den Campesinos vertraute als seinen Priestern, der aber als Bischof meinte, es sich im Rahmen der vorgegeben kirchlichen Strukturen nicht leisten zu können, notfalls für eine gewisse Zeit die Pfarrei ohne Pfarrer zu belassen oder gar einen Campesino, einen verheirateten Katecheten, offiziell als Gemeindeleiter einzusetzen.

Erst recht stand für ihn ein Bruch mit Rom nie zur Debatte (Weihe verheirateter Männer). Er kämpfte in Rom für eine andere Ausbildung der Priester, für andere Kriterien für die Zulassung zur Weihe etc., er war auch zeitweise, vor allem in den Jahren 1974 - 1978, diesbezüglich sehr zuversichtlich, doch hat er nie einen Schritt unternommen, der die Einheit der weltweiten Kirche hätte in Gefahr bringen können. Auch Dammert definierte die Einheit der Kirche zuerst vom Papst her und Weltkirche bedeutete für ihn zuerst die Einheit der Bischöfe untereinander und mit dem Papst.  
 
Festzuhalten bleibt, dass die Entwicklung der Pastoral in Bambamarca eine Dynamik entwickelte, mit der nur wenige Priester Schritt halten konnten und die bald an die engen Grenzen der römischen Tradition stieß. Eine fest gefügte kirchliche Struktur (mit ihrer Verrechtlichung, ihren Verkrustungen und nicht von der Bibel her ableitbaren Strukturmerkmalen) droht den weitern Weg der Kirche des Volkes zu blockieren bzw. diese Strukturen erweisen sich für die Zukunft als ungeeignet, um dem Volk Gottes den Weg weisen zu können.  
 
Die Kritik vor allem jüngerer Mitarbeiter vom Land bezieht sich vor allem darauf, dass es  ihrer Meinung nach nicht gelungen ist, eine zweite Generation von Katecheten und weiteren Mitarbeitern heranzubilden Aus einem Gespräch mit ehemaligen Mitarbeitern des Despertar (unter ihnen auch Leonardo Herrera, am 30. Januar 2001): „Die Erfahrungen der ersten Generation konnten nicht weitergegeben werden bzw. die  ‚Alten’ sträubten sich und sahen in den Jungen nur eine Konkurrenz. Es wurde nicht das Problem der Weitergabe, der Tradierung gesehen“.

Auch der Bischof maß diesem Problem keine allzu große Bedeutung bei. Zwar sah er (theoretisch) das Problem, er ermutigte aber nicht die Jugendlichen, es wurde ihnen keine Freiräume gelassen und erst recht keine Verantwortung übergeben. Vielen sehr begabten und engagierten Nachwuchskräften wurde die Pfarrei zu eng und sie suchten sich neue Betätigungsfelder, was dann prompt als „Verrat“ ausgelegt wurde. Der Pfarrgemeinderat war von den ‚Alten’ beherrscht, Neue kamen kaum nach. In der Praxis zeigten sich die Probleme darin, dass für Projekte der Jugendlichen, die ihnen sehr am Herzen lagen, wie die Zeitschrift „El Despertar“, wie das Projekt „Quiliche“, Radioprogramme der Pfarrei, immer häufiger „kein Geld mehr da war“. Vor allem für Weiterbildungskurse für Mitarbeiter des Despertar und generell für Kurse mit Jugendlichen fehlte häufig das Verständnis. Und das bedeutete letztlich das Ende von Despertar.

Der Pfarrgemeinderat sah Despertar nicht mehr als eine dringliche Aufgabe an. So gab es zeitweise noch nicht einmal mehr Essen für die Mitarbeiter, so dass sie das Essen von zuhause mitbringen mussten. Die Pfarrer fühlten sich nicht mehr für den Despertar verantwortlich, sie hielten den Despertar für eine Marotte der Jungen und nicht mehr als Stimme der Pfarrei (nach Aussagen der jungen Mitarbeiter haben die beiden Pfarrer A. Osorio und R. Estela etwa ab 1986 das Interesse am Despertar verloren bzw. sie hatten keine Zeit mehr. Sie hätten sich ja aus der Mitarbeit am Despertar zurückziehen können und die Arbeit ganz den sehr gut ausgebildeten Mitarbeitern überlassen können. Einen Despertar aber ohne ihre eigene Mitarbeit bzw. Verantwortung als Pfarrer hätten sie nicht mehr als „die Stimme der Pfarrei“ akzeptieren können). Die beiden Pfarrer hielten sich nach anfänglicher Verunsicherung (siehe oben) eher an die „Alten“ und wurden umgekehrt in der Folge auch von diesen gestützt.  
 
Auch die Schwestern hatten daraufhin kein Interesse mehr bzw. sie setzten sich andere Schwerpunkte, z.B. der Versorgung der Kranken und der behinderten Kinder. Die Prioritäten wurden anders gesetzt und der Bischof konnte oder wollte keine Akzente setzen, sondern überließ die notwendigen Entscheidungen den „Alten“. Die jungen Mitarbeiter: „Bischof, Priester, alte Katecheten, erst recht Dortmund ließen den Despertar sterben. Ein Skandal, dass für Despertar kein Geld mehr da war“! Wenn diese Kritik auch aus einer gewissen Verbitterung heraus entstanden sein mag, so ist es doch bemerkenswert, dass für die Durchführung von notwendigen Kursen oft kein Geld bereitgestellt wurde (Kurskosten etwa 100 - 200 DM), für andere Dinge aber Geld da war. So wurde allein aus Dortmund monatlich 1.200 Dollar für Bambamarca an den Bischof überwiesen.

Lange nach dem Ende des Despertar und angesichts einer total veränderten Situation in der Pfarrei stimmten die alten Katecheten im Wesentlichen dieser Kritik zu und sie gestanden Versäumnisse ein. Sie sahen nachträglich, dass es auch ein großer Fehler war, nicht auf der direkten Verwaltung der Gelder aus der Partnergemeinde aus Dortmund zu bestehen und zu wenig für die Ausbildung von Jugendlichen getan zu haben. Die Campesinos mussten nach Cajamarca reisen und für jedes Vorhaben beim Bischof um Geld bitten. Dies erhielten sie zwar meist, aber es gab keine Transparenz - weder woher das Geld kam, noch für was und für wen dies bestimmt war. Auch in diesem für den Bischof selbstverständlichen Verhalten zeigt sich eine spezielle Variante des oben genannten kirchenstrukturell bedingten Verhaltens: Bischof Dammert konnte nicht sehen, dass die Notwendigkeit der Campesinos, ständig um Geld betteln zu müssen, einer weiteren Emanzipation der Campesinos im Wege stand - er sich quasi selbst im Weg stand.  
 
In der Partnergemeinde St. Martin in Dortmund wurde dieses Problem ebenfalls nicht erkannt. Auch das Ende vom Despertar wurde eher am Rande zur Kenntnis genommen. Eine spirituelle und pastorale Begleitung und Mitverantwortung für die Arbeit in Bambamarca lag nicht innerhalb des sich selbst gesetzten Horizonts und wäre zudem von Bischof Dammert nicht akzeptiert bzw. als unzulässige Einmischung bezeichnet worden. Dies ist als Vorgeschichte und als Hintergrund zu beachten, wenn angesichts der aktuellen Situation in Bambamarca die deutsche Partnergemeinde und die Katecheten selbst es so schwer haben. Auch das folgende Zeugnis (aufgezeichnet am 28.1.2001 in Cajamarca), das von einigen engen ehemaligen Mitarbeitern Dammerts (in der Mehrheit Katecheten) stammt und die verzweifelt eine Erklärung dafür suchen, wie nach dem Weggang Dammerts so viel „zusammenbrechen konnte“, weist in überspitzter Form darauf hin, dass ein charismatischer Bischof Gefahr lief, bestimmte Bereiche, die für ein menschliches Zusammenleben im Alltag von großer Bedeutung sind, nicht wahrnehmen konnte.

Ich selbst teile nicht diese folgende überspitzte Kritik, halte sie aber im Ansatz für richtig, vor allem aus der Situation der betroffenen jungen Mitarbeiter heraus und im Bezug auf die Partnerschaften.  „Bischof Dammert war das absolute Zentrum, er hatte und hielt alle Fäden in der Hand. Selbst bei Partnerschaften: er war nicht begeistert, weil er dann letztlich doch - wie er meinte - alle Briefe beantworten musste; d.h. er war nicht in der Lage und willens, in den Pfarreien und Gruppen vor Ort für den Sinn der Partnerschaft zu werben und entsprechende Strukturen zu schaffen. Vor allem war Bambamarca sein Projekt. Alles lief über ihn und die Katecheten wandten sich direkt an ihn, manchmal auch einzeln, was zu völlig unterschiedlichen Einschätzungen seinerseits führte und zu Widersprüchen. Er setzte in den kritischen Momenten, z.B. 1989, drei völlig unerfahrene, davon zwei unwürdige Priester in Bambamarca ein.

Er setzte eher auf Einzelpersonen, weniger auf Basisgruppen in ihrer demokratischen Struktur. Er wollte von Basisgemeinden nichts wissen bzw. er sagte, er wolle keine brasilianischen Modelle nachahmen. Er hatte ein personalistisches, fast diktatorisches Denken und war nicht demokratisch eingestellt (was kirchliche Leitung anbelangt.). Es gab nie Diözesanräte, Priesterräte, noch nicht einmal Pfarrgemeinderäte (außer Bambamarca) und auch kein Beratergremium. Entscheidungen traf er stets allein, höchstens, dass er eine einzige Person befragte, wobei es dann Zufall war, wen er gerade befragte und wem er sein Ohr lieh. Ernsthafte Probleme wurden nicht unter Beteiligung der verschiedenen Parteien durchdiskutiert und nach einer gemeinschaftlichen Lösung gesucht.

Folge: nach dem ‚Ausfall’ von Dammert gibt es bis heute ein riesiges Loch, keine Mitte und kein Zentrum mehr. Es gab keine Vorbereitung auf den Bischofswechsel, keine eigenständigen Strukturen, noch schlimmer: das, was Kirche ist, Option für die Armen etc., wurde von den meisten seiner Mitarbeiter von der Person Dammert her abgeleitet und nicht von den Quellen her verstanden. Nach dem Weggang Dammerts klafft also auch hier ein Loch und manche meinen, nun wäre eben die Zeit dieser Art von Kirche vorbei und sie können nicht aus einem eigenen Fundament und Vision heraus begründen, warum sie auf dem bisherigen Weg weitergehen sollen. Dies macht es Bischof Simón leicht, von den Anhängern Dammerts (‚Dammeristas’) zu sprechen, die unglückseligerweise noch vergangenen Zeiten nachtrauern“.  
 
Gesprächssplitter als bruchstückhafte Zusammenfassung im Stile der Campesinos (1)   (November 1999)
 
„Bisher starteten wir keine pastoralen Aktivitäten und Initiativen, sondern wir wollten erst abwarten, was passiert. Denn die gesamte Pastoral sollte angeblich von den Pfarrern neu organisiert werden. Neue Katecheten sollen herangebildet werden, die dann mit den Pfarrern arbeiten sollen. Der Bischof sagt, dass in der Vergangenheit auf dem Land nichts getan wurde, noch nicht einmal beten hätten wir gelernt und erst recht haben wir nicht den Leuten weitergegeben, was wir gelernt haben. Die Menschen auf dem Land könnten noch nicht einmal das Kreuzzeichen machen. Wir übten Zurückhaltung, um den Neuen eine Chance zu geben. Doch nichts passierte, es gab keine Aktivitäten auf dem Land. Aus Respekt vor den Befehlen der Pfarrer hielten wir uns zurück, denn sie hatten uns verboten, uns in kirchliche Dinge einzumischen, denn wir hätten keinen Auftrag und seien nicht würdig. Aber dadurch gingen die pastoralen Aktivitäten stark zurück, vieles drohte auseinander zu fallen. Deswegen ist es nun höchste Zeit, etwas zu unternehmen. Wir geben uns nun den Namen „animadores cristianos“. Wir nennen uns nicht mehr Katecheten, weil wir die Pfarrer nicht provozieren wollen. Die neuen Katecheten sollen einen Ausweis der Pfarrei bekommen und nur wer einen Ausweis hat, darf als Katechet tätig sein.  

Unser Plan für die nächste Zeit ist, eine Pastoral für die Jugend („Pastoral juvenil“) und die Ronda neu zu entwickeln („Pastoral rondera“). Viele Schüler z. B. von der Campesinoschule ‚Alcides Vásquez’ wissen nicht mehr, was die alten Katecheten alles gemacht haben, wie alles entstanden ist und was der Ausgangspunkt und das Ziel unseres Einsatzes als Christen ist. Auch in der Ronda muss immer wieder an den Grund erinnert werden, denn einige jungeRonderos fragen sich, warum sie sich die Nacht um die Ohren schlagen sollen, wo es doch keine Viehdiebe mehr gibt und alles gut organisiert ist. Es bedarf einer Erziehung, damit die Jungen verstehen und begreifen und damit es weiter gehen kann. Würde man aufhören, würde alles wieder wie früher werden.

Vor einer Woche, am 15.11.99 gab es eine große Asamblea mit über 200 Frauen aus 60 Gruppen. Es gibt sehr unterschiedliche Gruppen mit verschiedenen Schwerpunkten (Kredite, Mütterklubs, andere Gruppen, die mehr auf Pastoral hin orientiert sind etc.). Aber alle Gruppen arbeiten im Prinzip so weiter, wie wir vorher gearbeitet haben. Immer geht es sowohl um materielle als auch geistliche Dinge. Solche allgemeinen Versammlungen halten wir regelmäßig ab und ohne dass uns dabei jemand hilft. Besonders die Frauen arbeiten sehr selbstständig. Sie haben es einerseits etwas leichter, weil die Priester sie mehr in Ruhe lassen als die alten Katecheten, andererseits sind sie aber mehr erpressbar, weil sie von den Nahrungsmittelhilfen ausgeschlossen sind. Darunter leiden besonders junge Mütter mit kleinen Kindern. Alle Frauen, die in unseren Gruppen arbeiten, werden von der Hilfe ausgeschlossen. Deshalb gibt es einige Frauen, die bei uns nicht mehr mitmachen wollen, aber die meisten machen mit und lassen sich nicht abhalten. Die größte Gefahr für die Gruppen ist die Nahrungsmittelpolitik der Regierung im Verein mit der Pfarrei. Dadurch gibt es Spaltung. Es gibt 17 neue Gruppen in der Pfarrei (Männer und Frauen, aber getrennt) die von den Pfarren gegründet wurden. Das Hauptthema ihrer Versammlungen ist das Apostolat des Gebetes. Man spricht nicht mehr von Ungerechtigkeit, nicht mehr von der Gefahr durch die Minen.  

Die Mine sagt übrigens, dass sich die Leute aus Cajamarca keine Sorgen machen brauchen, denn die Abwasser und Gifte werden Richtung Bambamarca umgeleitet. Was ist schon ein Campesinoleben wert? In San Miguel wurde auf dem Treffen aller Rondas des Departements der Beschluss gefasst, eine nationale Demonstration aller Rondas gegen die Minen zu organisieren. Es ist nicht gerecht, dass die Kirche nichts gegen diesen Missbrauch durch die Mine sagt. Der Bischof sagt, wir dürfen uns nicht in die Politik einmischen und etwas gegen die Mine sagen, aber er weiht neue Anlagen der Mine ein und segnet sie. Wenn wir etwas gegen die Mine sagen, dann gilt das als Ungehorsam und als Sünde.  

Unsere Rondas sind weiterhin sehr stark. Aber wir haben immer noch Schwierigkeiten mit der Justiz und staatlichen Stellen. Der Hauptanklagepunkt ist immer noch derselbe: Schaffen einer parallelen Organisation zur Regierung und Anmaßung von Rechten, die allein dem Staat zustehen. Aber was sollen wir machen, wenn uns der Staat nicht schützt, sondern eher auf der Seite der Räuber ist? Doch wir sind gewappnet. Gegen dieses Argument des Staates half, zu wissen, was die Organisation der Comunidad bedeutet, die schon viel älter als die Ronda ist und die aus dem Kampf um Land und gegen die Hazienda ausgegangen ist. Das von der Regierung dann zugestandene Recht auf Eigentum und dessen Schutz kann so auch auf die Ronda angewandt werden. Die Erfahrung des Kampfes um Land war eine gutes Fundament für die Organisation der späteren Ronda. Denn sie schützt das uns von der Verfassung  garantierte Recht auf Eigentum. Ohne diese vorhergehende Erfahrung der Comunidades im Kampf für ein Stück Land, hätte es keine Ronda gegeben. Die Campesinos aus Chala waren sogar im Palast der Justiz, um ihr Recht auf Land auf der Basis der Verfassung und uralter Rechte der Comunidades einzufordern (1971).

Die rechtliche Begründung der Ronda hat ihre Wurzel im vom Großgrundbesitzer aufgestelltem Schutz seines Eigentums. Dieses Recht haben die Campesinos später dann auch für sich reklamiert. Der eigentliche Grund für die Existenz der Ronda lautet: Wie Gerechtigkeit herstellen? Das Ziel ist die Versöhnung und die Übereinkunft, d.h. Frieden zu schaffen zwischen den unterschiedlichen Interessen. Diesen Frieden kann es aber nur geben, wenn es Gerechtigkeit gibt.  

Das größte Problem ist, dass wir keine Unterstützung des Bischofs haben, im Gegenteil. Früher war unser Bischof ein starker Beschützer und er hat uns oft aus der Patsche geholfen. Aber dieser von heute hilft uns nicht, sondern er macht uns noch mehr Schwierigkeiten und steckt mit den Behörden unter einer Decke. Deshalb können die Behörden mit Leichtigkeit sagen, wir seien illegal, weil noch nicht einmal die Kirche uns anerkennt.  
 
Als wir die Genossenschaft zusammen mit Bartolini gründeten, hatten wir viele Hoffnungen. Nach dem Beispiel der Apostel haben wir uns zusammengeschlossen. Denn in gemeinsamer Arbeit wollten wir einen Gewinn erzielen, damit wir unsere Weiterbildung finanzieren können. Natürlich war auch wichtig, dadurch billiger einkaufen zu können. In der Genossenschaft gab es dann aber die meisten Rückfälle. Einzelne verfolgten sehr egoistische Ziele, die Löhne für alle Mitarbeiter wurden immer höher und der Gewinn reichte dann kaum für die Bezahlung der Löhne, also blieb nicht viel übrig. Zuletzt hatte die Genossenschaft 22 Angestellte, viel zu viele. Denn einige haben sich nur eingeschmeichelt, um ein bequemes Leben führen zu können. Einige verlangten Löhne wie Profesionales.

Es kam zu merkwürdigen Verlusten: zweimal wurde der Lastwagen an der Küste ausgeraubt, mit großen Geldsummen, die fast den Erlös eines Jahres ausmachten. Wir zweifeln bis heute, ob der Lastwagen wirklich überfallen wurde, doch es gab keine Aufklärung. Einige Male wurde der Lastwagen aber wirklich überfallen, die Reifen zerstochen etc. Das  waren die Leute der Stadt, die nicht wollten, dass wir unsere Produkte selbstständig vermarkten. Von allen diesen Schlägen haben wir uns nicht mehr erholt. Zudem organisierten sich die Zwischenhändler und unterboten zeitweise die Preise der Kooperative. Auch hatten die Pfarrer kein Interesse mehr (nach 1978), während Padre Rudi vorher zwar sich um vieles kümmerte, aber nicht die Leute hinauswarf, die immer nur mehr Geld wollten. Er traute sich nicht Campesinos hinauszuwerfen, denn er hatte eine zu hohe Meinung von uns.

Das heißt aber, es gab keine Autorität. Denn das Hauptproblem bei allen gemeinsamen Sachen und Aufgaben ist, dass wir Campesinos manchmal jemanden brauchen, der eine unumstrittene Autorität hat, der uns in den Hintern tritt und der uns antreibt. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass es einige Personen gibt, die uns helfen - nicht materiell, sondern die uns Mut machen und falls notwendig auch korrigieren. Auch wir möchten anderen mit unseren Erfahrungen helfen und ihnen beistehen, z.B. unseren Brüdern in San Marcos und anderswo, von denen wir wissen, dass sie auch allein gelassen worden sind. Warum gibt es keine Kurse auf Diözesanebene mehr? Wir würden gerne mit anderen zusammentreffen, um gemeinsam stärker zu werden und uns um gemeinsam besser gegen die Übergriffe der Autoritäten und auch des Bischofs wehren zu können.  
 
Der Despertar verschwand auch, weil neue Radiosender immer einflussreicher wurden. Im Bezug auf eine Neuauflage des Despertar oder eines Faltblattes für die Rondas unter dem Namen „Boletín rondero“ wird es auch so sein. Denn die Leute hören heute noch mehr Radio als damals. Die Leute können und wollen nicht mehr lesen. Aber welche Medien werden uns angeboten? Welche Inhalte? Die Medieninhalte machen uns noch passiver, lenken ab. Wenn die Leute nicht mehr lesen und schreiben wollen, können sie auch nicht mehr ihre Meinung ausdrücken, haben keine Stimmen mehr. Die Kleinpresse hätte dagegen mehr Chancen, die Leute mit ihren Problemen zu erreichen. Auch deren Inhalte würden in den Comunidades mehr aufgenommen und akzeptiert, es ist ein den Umständen angemessener Weg. Denn die eigene Presse würde die eigene Realität widerspiegeln und die Wahrheit ausdrücken. Die offizielle Presse und Radios sind voller Lügen; die Kleinpresse würde in Gemeinschaft gelesen werden. Man muss den Jugendlichen eine Alternative präsentieren.  
 
Rolle der Priester: Bartolini selbst hatte keine konkrete Idee, als er hier ankam, er hat einfach etwas gemacht. Er wollte zu den Campesinos gehen. Auf jeden Fall haben alle gemerkt, dass zum ersten Mal die Campesinos eine Rolle spielten. Und diese haben gleich reagiert und teilgenommen. Der Streit um 1990 mit den Priestern und unter den Priestern war das bis dahin das größte Problem. Als sie sich öffentlich auf der Straße verprügelten, mussten die Katecheten den Bischof bitten, eine Lösung zu suchen. Seit daher stehen wir Katecheten von Bambamarca im Ruf, die Priester nicht zu mögen und keine Pfarrer mehr haben zu wollen. Bischof Simón nimmt das als ständiges Argument gegen uns. Bei der Ankunft von Juan Medcalf, Rudi Eichenlaub etc. waren die Campesinos schon als Katecheten akzeptiert (unter Campesinos), vorher war es sehr schwer. Vor allem mit der Hilfe Dammerts wurden die Katecheten anerkannt.

Durch die Arbeit der Priester erhielten wir eine pastorale Verantwortung, sie vertrauten uns und trauten uns etwas zu. Heute aber haben wir keinen Wert mehr. Aber wir haben erkannt, dass der Laie das Fundament ist, auf dem die Arbeit auf dem Land beruht. Die „neuen“ Katecheten erkennen nicht, dass sie eigentlich gar keine Verantwortung haben. Es scheint, dass wir in die Zeit von 1950 und der Hazienda zurückkehren: immer nur beten, geistliche Exerzitien, wo wir unsere Sünden öffentlich bekennen müssen, hinknien - aber die Ronda interessiert nicht mehr und gilt sogar als Teufelswerk. Das ist wie bei dem alten Pfarrer Zárate, nur Sakramente, das war damals genau gleich wie heute, es geschah nichts: nicht einmischen in Politik, keine Veränderung, nur beten für den Himmel. Aber nachdem wir so viel gelernt haben, können wir angesichts der Verhältnisse nicht immer nur beten. Wir haben mehr gelernt, als dass wir uns jetzt als Kinder behandeln lassen müssen. Noch nicht einmal um die Gesundheit unserer Kinder dürfen wir uns kümmern, denn deren Schicksal liegt allein Gottes Hand und wir können nur beten.   

Es gibt einen Unterschied zwischen ausländischen und peruanischen Priestern (seit 1978). Die Peruaner opfern sich nicht auf. Die Ausländer sind zu Fuß bis an den Marañón gelaufen, sie greifen auch nach Schaufel und Besen und machen ihre Hände dreckig. Wir Peruaner tun das nicht, wenn wir es uns leisten können (nur wenn man uns zwingt). Die Ausländer waren offener, sie hatten mehr Spiritualität und weniger Liebe zu materiellen Dingen. Dennoch haben sie uns gelehrt, dass der Mensch nicht nur eine Seele hat, sondern auch einen Magen. Wenn wir nur beten, gibt es keine Lösung.

Unsere Krankheit besteht darin, wenn wir etwas haben (es uns leisten können), suchen wir ein paar Dumme, die für uns arbeiten. Dadurch besteht die Gefahr, dass die gemeinsame Arbeit in der Comunidad zerstört wird. Dies ist besonders an der Küste so. Vorher dachten wir, was können wir schon machen, wenn so viel Missbrauch besteht, das liegt nicht in unserer Macht und uns bleibt nur als Trost das Gebet. Aber dank der ausländischen Priester und Mitarbeiter sind wir gewachsen, haben unsere Fähigkeiten entdeckt. Ihre Hauptaufgabe sahen sie darin, den Campesinos die Augen öffnen. Die ‚Theologie der Konservierung’ dagegen will uns lehren, dass wir von den Reichen abhängig sein müssen - das sei unsere Bestimmung.  

Bartolini wollte auch etwa Neues. Seine Methode war aber, dass er dies auch mit Zucker und Peitsche tat. Er züchtigte sogar die Leute und für die Leute war das neu, denn er gab ihnen dann auch zu essen, lernte sie neue Lieder und neue Sachen. Er war so streng, weil er wollte, dass die Campesinos Fortschritte machten. Das gefiel den Leuten. Wenn sie vorher z.B. von einem Polizisten oder dem Grundbesitzer gezüchtigt wurden, dann geschah dies aus Diskriminierung und das war demütigend für uns. Bei Bartolini aber spürten wir, dass er unser Bestes will und wenn er zürnte wussten wir, dass er es tat, weil wir ihm so viel bedeuteten. Er trank mit uns auch den selbst gemachten Schnaps aus den gleichen Flaschen.

Schon Bartolini und seine Gefährten mussten schlimmste Verleumdungen der Städter erdulden. So sagte man auch, dass sie Kinder mit einer Taubstummen hätten, weil eine Taubstumme nichts erzählen kann. Sie hätten auch eine Glocke gestohlen etc. Mit den Ausländern kam eine neue Methode. Sie machten die begonnene Arbeit weiter, aber sie schlugen nicht mehr die Leute, sondern lebten auf einer Stufe mit ihnen. Sie öffneten den Campesinos die Tür in die Kirche, sie übergaben ihnen die Verantwortung für die Bibel, für die Gottesdienste und die Taufe. Sie unterstützten auch die Campesinos gegen den Missbrauch der Autoritäten (Bartolini nicht direkt). So lernten die Campesinos, dass beide Sachen zusammen gehörten: die Religion und die Gerechtigkeit bzw. der Kampf gegen die Ungerechtigkeit.  
 
Jorge López (2) und die anderen danach, die noch jünger waren, respektierten uns nicht mehr so sehr, sie sprachen uns mit Du an und wollten alles besser wissen, obwohl sie hier neu waren. Das hat Abwehrhaltungen in uns provoziert. Hier bei uns behandelt man den Mitmenschen entsprechend seines Alters und seiner Erfahrungen und nicht seiner Studien. Es gab auch eine Änderung darin, dass z.B. Jorge López im Pfarrgemeinderat seine Meinung aufzwängte und der Pfarrgemeinderat schwieg und stimmte zu. Zuerst dachten wir, das sei nur vorübergehend, denn wir wussten, dass der Padre (und sein priesterlicher Begleiter) ein Freund unseres Bischofs war. Doch sie wollten uns nur ihre Ideen aufzwingen und eun bequemes Leben haben.

Einmal wollten sie auch den Consejo parroquial in ein grupo parroquial umwandeln. Der Unterschied nämlich war, dass in der Grupo der Pfarrer der Vorsitzende ist, während im Consejo der Vorsitzende gewählt wird. Auch Rolando Estela wollte ein Komitee, in dem der Pfarrer allein bestimmt, statt des Pfarrgemeinderates. Concepción und andere blieben aus Protest zwei Jahre von der Pfarrei fern, auch einige Kurse fielen aus, weil die Katecheten nicht mehr teilnehmen wollten. Auch die Pfarrer müssen ihre Arbeit entsprechend den Dokumenten der Kirche machen! Neptalí sagte zu Rolando, dass sie sich von ihm nicht das nehmen lassen, was sie bisher gelernt  haben. Wenn er unsere Arbeit nicht akzeptieren will oder kann, soll er woanders hingehen. Er hat sich geärgert, aber nach einiger Zeit hat er uns um Verzeihung gebeten. Rolando: Entschuldigung, denn ich habe nicht gemerkt, welche Arbeit ihr geleistet habt. Man konnte sich also mit ihnen dann gut verständigen. Die Ausländer haben uns aber mehr Freiheit gegeben, sie haben uns mehr zugemutet, mehr Verantwortung übergeben und hatten mehr Vertrauen in unsere Fähigkeiten. Jeder hat einen unvergleichlichen Wert und ein Recht, das ihm niemand nehmen kann. Sie ließen nie eine Überlegenheit fühlen. Priester und Laie waren völlig gleich, nicht unbedingt in Kenntnissen etc., aber an Respekt und Würde.

Aber die anderen sagten (seit 1989), dass der Priester allein Respekt verdient, denn er ist geweiht und wir aber haben nichts Göttliches in uns. Und heute ist es noch schlimmer. Aber mit den anderen konnten wir wenigstens noch darüber reden, mit denen von heute aber gar nichts mehr. Sie bieten uns Dinge an, wenn wir im Gegenzug darauf verzichten, Ansprüche zu stellen. Es war eine schöne Zeit, als wir für drei Jahre ein Komitee waren (1991 - 1993), wo wir die Pfarrei allein leiteten. Nur die Pfarrverweser aus Porcón machten Ärger, aber Gott sei Dank waren sie nur wenig in Bambamarca. Aber auch da wurden wir von außen kritisiert, dass wir uns der Pfarrei bemächtigt hätten.  

1991, nach dem Streit unter den Priestern, haben wir unseren Bischof gebeten, uns Padre Alois (Eichenlaub) zu schicken, doch dieser wollte nicht nach Bambamarca. Der Bischof schickte dann Marco Rodríguez. Diesen mussten wir aber bald zurecht weisen: ‚Junge, wenn dein Kopf so voller neuer Ideen ist, dann geh woanders hin, um deine Ideen auszukotzen, gehe dahin, wo noch nichts ist, wo noch viel Arbeit für ein Priester ist, aber nicht zu uns, wo wir eine neue Art von Kirche haben. Glaubst du, unser Bischof hat uns etwas Falsches gelehrt? Wir werden weiterhin respektieren, was er uns gelehrt hat. Alberto Osorio sagte dasselbe zu Marco Rodríguez, z.B. dass dieser Junge einfach Nepta oder Cande etc. sagt, ohne den geringsten Respekt, wo doch diese viel mehr Erfahrung haben und älter sind.  
 
Unsere Organisation, sei es als Kirche, sei es die Ronda, hat ihr Gewicht. In anderen Teilen der Diözese wurde inzwischen vieles zerstört, z.B. in San Marcos. Wenn wir woanders hinkommen, fragen sie uns um Rat wegen der Pastoralarbeit und der Ronda. Bambamarca hat einen Ruf, bei manchen auch einen negativen, z. B. dass wir Kommunisten seien. In San Marcos gibt es keine Katecheten mehr, zumindest keine wie früher, sondern als Diener der Pfarrer; alles haben sie zerstört. Die Ronda aber gibt uns weiterhin Kraft, vor allem aber die Lehren, die uns Bischof Dammert und einige Priester gelehrt haben. Diese Verantwortung hat uns die Reife gegeben, damit wir jetzt weitermachen können - und das lebt noch.

Das Wichtigste war die Freiheit, die uns die Priester aus Europa gegeben haben; z.B. haben wir uns versammelt, wenn es für uns am besten war und niemals haben sie uns gefragt, wieso wir uns versammeln, ohne um Erlaubnis gefragt zu haben. Aber Rolando wollte dies nicht erlauben: Wieso versammelt ihr euch, obwohl ich nicht dabei sein kann? Wir antworteten:  Sind wir vielleicht eure Kinder? Wir versammeln uns immer, seit Jahren, und besprechen unsere Arbeit, Pläne etc. Wenn Sie nicht da sein können, sollen wir deswegen zuhause bleiben? Anschließend werden wir Sie informieren, wo liegt das Problem?
 
Heute sagen sie uns, dass allein der Pfarrer sagen darf, was gemacht werden darf. Und einige Leute in der Comunidad sagen auch, dass wir nur tun dürfen, was uns der Pfarrer befohlen hat. Welche Vorraussetzung hat aber ein solcher Pfarrer, dass er in einer Comunidad etwas sagen kann? In Bolívar (Pfarrei San Miguel)  kam es zur Trennung zwischen den Katecheten: einige waren für die Stadt (Pfarrer) und andere für das Land. Der Bischof hat den Landkatecheten verboten, sich Katecheten zu nennen, deshalb nennen sie sich ‚Gruppe der christlichen Campesinos’.

Sie gehen auch nicht mehr in die Stadt und ins Pfarrhaus. Sie treffen sich auf dem Land, halten dort ihre Versammlungen und Gottesdienste ab, usw. Sie sollen exkommuniziert werden. Man müsste sie unterstützen und sie besuchen. Das DAS soll sie zu Kursen einladen, auch die Katecheten. Auch wir wären bereit, die Leute zu besuchen und zu ermutigen. Der Pfarrer von Niepos verbot den Katecheten des Landes, sich weiterhin ‚grupo pastoral’ zu nennen und sie haben sich dann auch umbenannt in das Komitee der Gruppe der christlichen Campesinos. Der Pfarrer hat sie aber ständig belästigt und gewarnt, sich nicht mehr zu versammeln. Doch sie antworteten ihm, dass ihnen der Pfarrer nichts mehr zu sagen habe und dass sie  weiter machen würden. Nun sollen sie exkommuniziert werden.  
 
In unserer Pfarrei gibt es neue Bedingungen: Jede Frauengruppe, die Nahrungsmittel erhalten will, muss zwei „neue“ Katechetinnen (mit Carnet, Nachweis eines retiro etc.) vorweisen können. Es soll 32 Frauen geben, die Katechetinnen werden sollen. Es gibt bereits eine Gruppe von 16 Katecheten. Sie müssen einen Kurs von drei Tagen mitmachen, dann werden sie zu Katecheten ernannt und bekommen einen Ausweis. Diese neuen Katecheten wollen nicht mit uns sprechen und sie tun auch sonst nicht. Als die Pfarrer sagten, dass ab jetzt alles anders sein werde, antworteten wir Katecheten: also werden wir allein weitermachen und eines Tages werden wir wieder einen richtigen Pfarrer und einen richtigen Bischof haben. Wir sind es, die der Kirche treu bleiben und wir können nicht vergessen, was man uns gelehrt hat, nur weil es jetzt einigen nicht mehr passt. Was machen die Neuen denn? Sie verfolgen nur ihre eigenen Interessen (3).   

Warum ist in anderen Pfarreien nicht so viel entstanden, wie in Bambamarca?  Weil wir, wie uns manchmal vorgeworfen wird, von Bischof Dammert bevorzugt wurden. Hier wurde mehr gearbeitet und ist mehr entstanden als in anderen Regionen. Als wir in Cajamarca z. B. einen Kurs für Katecheten hatten, kamen aus allen Regionen Katecheten, aber warum blieb nicht so viel? Auch der Terrorismus spielt sicher eine Rolle. Ein anderer Grund ist, dass hier in Bambamarca viele, die später Katecheten wurden, bereits vorher in Organisationen mitgearbeitet hatten, gelernt hatten, sich zu organisieren, durchaus aus christlichen Motiven, dass sie aber erst danach Katecheten wurden und so ihre ganze Erfahrungen einbringen konnten. Sie waren „politisch“ geschult. In anderen Stellen geschah dies nicht. In anderen Stellen war es auch so, dass es immer der Pfarrer war, der die Autorisation geben musste etc. Er gab die „Rezepte“, an die sich alle halten mussten. Vor allem aber gab es in der Diözese nur wenige Pfarrer, die wirklich mit den Campesinos arbeiten wollten.

Hier dagegen waren die Leute viel besser eigenständig ausgebildet. Hier hatten wir auch von Bischof Dammert ausgewählte Pfarrer, an anderen Stellen gab es zu viele konservative Pfarrer, oder wenn es zwei waren, immer ein konservativer und ein neuer. Und die beiden haben sich dann immer bekämpft oder der eine den anderen ausgenutzt. Dammert hat Bambamarca eindeutig bevorzugt, er hat sein Blut hier gelassen. Es gab einfach nicht genügend Priester, die in der Lage waren, so etwas wie in Bambamarca anzustoßen und zu begleiten. Und ohne Anstoß, ohne Ausbildung der Leute etc., erwarten die Leute vom Priester immer wieder das alte gewohnte Verhalten: Prozessionen, Segnungen, Heiligenfeste usw. Wie sollten sie auch anders, wenn sie es nie anders erfahren haben? Und viele Pfarrer wollten nicht auf den Bischof hören und machten so weiter wie immer.  
 
Wie ist es aber möglich, dass heute immer noch so viele Leute auch in Bambamarca zum Pfarrer gehen und um ein Brot betteln und dass die Pfarrer und die Kirche sich damit zufrieden geben, (manchmal) ein Almosen zu geben? Anstatt ein für alle Mal eine Lösung anzustreben, die dauerhaft ist und die es ermöglicht, eine Situation zu schaffen, wo niemand mehr um Brot betteln muss. Warum vergeudet die Kirche so viel Zeit mit unnützen Dingen? Wir wollen nicht mehr, dass sie uns eine Handvoll zu essen geben. Wie lange wird das reichen?  Wie lange werden wir so von der „Gnade“ der Pfarrer und Mächtigen abhängig sein? Viel wichtiger wäre als erster Schritt, dass der, der einige Kenntnisse hat, diese weitergibt, das wäre viel wertvoller als eine Hand voll Mais. Stattdessen will man die Leute mit einigen Säcken Reis beruhigen und man benutzt die Lebensmittel, um die Leute zur Beichte zu zwingen und zur Teilnahme an den Kursen der Bewegung ‚Juan XXIII’.   

Man hat uns alten Katecheten sogar angeboten, die Leitung dieser Kurse zu übernehmen. Sie boten uns auch an, alle Unkosten zu bezahlen und darüber hinaus ein Taschengeld. Denn sie hatten sonst ja keine Leute, sie waren schließlich verwirrt und sie glaubten, weil die Verkünder der ‚gottlosen Theologie der Befreiung’ inzwischen vom Glauben abgefallen oder gestorben sind, nun die alten Katecheten wieder auf den rechten Weg zurückfinden könnten. Sie haben gedacht, wenn unsere ‚Führer’ verschwunden sind, würden wir bald wieder sein wie früher und würden in die Kirche zurückkehren, so wie sie eben Kirche verstehen.

So versuchen sie, immer mehr Leute in den Kursen zu versammeln, sie machen ihnen Angst, erzählen von der Hölle, zwingen sie zur Beichte - und am Ende kehren die Leute weinend und gedemütigt nach Hause zurück, weil man ihnen gesagt hat, für so viele Sünder sei kein Platz mehr im Himmel, nur für einige Auserwählte. Aber wenn sie immer wieder kommen, werden sie eines Tages auch zu den Auserwählten zählen. Es dürfen auch keine eigenen Fürbitten gelesen werden, sondern nur von den Pfarrern vorbereitete Zettel. Doch so ein Theater ist für Kinder, nicht aber für uns.  

Und was sollen wir diesen neuen Pfarrern denn beichten? Wir haben nichts gestohlen und niemanden umgebracht. ... oder ist die Tatsache, dass wir in dieser Welt leben schon eine Sünde? Gehen Sie doch zu diesen Verbrechern, die stehlen, rauben, totschlagen, die unsere Flüsse vergiften, die sollen Ihnen beichten, warum gehen sie nicht zu denen?

Anmerkungen
                                                
(1) Am 22.11.1999 traf ich mich in Bambamarca mit dem Rat der „alten“ Katecheten und Vertreterinnen aller Frauengruppen. Das Gespräch dauerte sechs Stunden, unterbrochen von einem gemeinsamen Essen. Alle waren auf die Thematik „Rückblick und Ausblick auf die Pastoralarbeit in Bambamarca“ vorbereitet. Ich habe die Gespräche aufgezeichnet, alle wussten, dass das Gespräch für die Studie, die sie auch als ihre Studie ansehen, wichtig ist und dass die Ergebnisse veröffentlich werden können. Die Widergabe dieses Gespräches geschieht in der Form einer redaktionellen Bearbeitung und Zusammenfassung, aber in dem Bemühen, die Redeweise der Campesinos nicht zu unterdrücken. Das Gespräch war nicht streng strukturiert und wurde von mir auch nicht geleitet.  

(2) Jorge López kam Ende 1978 von Lima als Pfarrer nach Bambamarca, begleitet von einem Priester, ebenfalls aus Lima. López nannte sich selbst "Theologe der Befreiung". Er war Mitarbeiter bei Kardinal Landázurri und im erzbischöflichen Palast in Lima beschäftigt. Bischof Dammert setzte große Hoffnungen auf ihn. Doch López war der Situation nicht gewachsen, u.a. hatte er ein problematisches und völlig unreifes Verhältnis zur Sexualität und zu Kindern (Jungen und Mädchen). Er bereicherte sich am Eigentum der Pfarrei und aus der Sicht der Campesinos benutzte er die 2 Jahre in Bambamarca wohl eher als Landurlaub, wozu er des öfteren seine Familie aus Lima nach Bambamarca kommen ließ.

Er bemerkte auch, dass die Campesinos ihn bald durchschauten, ich selbst bemerkte rasch seine Übergriffe. Deshalb setzte er alles daran, mich persönlich zu diffamieren. Als "Belohnung" wurde er nach Cajamarca zurückgeholt und zum Leiter des Priesterseminars ernannt - in den folgenden Jahren eine Katastrophe für das Seminar bzw. für einige Seminaristen....! (Nähere Einzelheiten kann ich hier nicht aufzählen, sind aber bekannt und von Zeugen bestätigt). Bischof Dammert sah nichts, er wollte ihn gar zum Weihbischof machen, was von Rom abgelehnt wurde. Enge Freunde Dammerts, auch deutsche Mitarbeiter, sahen in López ebenfalls einen engen Vertrauten und Mitstreiter für die gemeinsame Sache. Es fehlte generell das Gespür und der Blick auf gewisse Dinge.

(3) Einschub meinerseits in das Gespräch: Erklärung über Umfragen in deutschen Partnergemeinden, die alle sagen, dass sie ein Option für die Armen wollen, eine Kirche mit Poncho und Sombrero usw.. Wenn die Katecheten und alle kirchlichen Gruppen von Bambamarca Kontakt zu diesen Gemeinden haben und umgekehrt, so ist das ein offizieller Kontakt zu der Kirche. Diese Gruppen in Bambamarca sind nicht nur Kirche von ihrem eigenen Selbstverständnis her, sondern auch deshalb, weil sie von anderen kirchlichen Gruppen als Kirche anerkannt werden. Denn bei den deutschen Gruppen handelt es sich nicht um irgendeine Gruppe von Sektierern etc., sondern sie handeln im Auftrag der Gemeinde und sogar der Diözese. Es ist die offizielle Kirche, die eine Partnerschaft mit den Katecheten und den bisherigen kirchlichen Gruppen in den einzelnen Pfarreien von Cajamarca will. Deshalb können sich die Katecheten und die Gruppen hier auch katholisch und Kirche nennen, denn sie sind über die Partnerschaft auch konstitutiver Bestandteil der weltweiten, der katholischen Kirche.