Anbei meine Antwort (sehr vorläufig - am 1. Tag ! nach seiner Wahl) auf an mich gerichtete Anfragen zu meiner Einschätzung eines Papstes aus Lateinamerika und den Vorwürfen zur Juntanähe in den Jahren 1976 – 1983 

Über Kardinal Bergoglio habe ich schon 2005 recherchiert, denn damals wurde er bereits beinahe Papst. Nun habe ich gestern den ganzen Tag vor allem spanische Texte gelesen, vorwiegend aus Argentinien selbst, darunter auch Predigten und Ansprachen des Kardinals.

und: Ergänzung im Juni zu 100 Tage Franziskus (u.a Treffen mit CLAR etc.)

Hier zusammengefasst folgende – persönliche – Eindrücke:

Stimme den bisherigen positiven Eindrücken voll zu: Aufsehen erregende Namenswahl, außergewöhnlich bescheidener Auftritt, kommt sehr menschlich an, etc., "Kardinal der Armen".

  • Möglicherweise gewinnen jetzt die zentralen Aussagen der christlichen Botschaft, die in der Euro-Kirche kaum mehr wahrgenommen werden (siehe Anhang Misereor), wieder mehr Bedeutung!
  • Er wird nach den bisherigen Eindrücken sein Papstsein wesentlich kollegialer ausüben wollen (Bischofskollegium, primus inter pares). Das würde (theoretisch) mehr Spielräume für die nationalen Bischofskonferenzen ergeben, so z.B. für Deutschland in Sachen Ökumene (was im Rest der Welt kaum ein Thema ist). D.h., wir dürfen unseren Bischöfen in aller Freundschaft, Mitverantwortung und Kollegialität öfter mal in den Hintern treten – Pardon!
  • Eines seiner Lieblingsworte ist „Weltlichkeit“, die er als "Tod der Kirche" bezeichnet („Mundalidad espiritual“, - stammt von Henri de Lubac, 1953), d. h. sich zu eigen machen, was in der Welt - im paulinischem Sinn - verderblich ist (Machtgier, Eitelkeit, Materialismus u.v.m., vor der auch Bischöfe und Päpste nicht gefeit seien), positiv formuliert: im Geiste einer „neuen Welt“, der Liebe und Barmherzigkeit leben und handeln, in der Nachfolge Jesu, der das Kreuz auf sich genommen hat.  (Dies deutete er auch gestern in der Abschlussmesse des Konklave, die ich „mitgefeiert“  habe, an).
  • Kein Befreiungstheologe, aber sehr kritisch gegenüber Kapitalismus etc. („Menschen werden auf dem Altar der Profitmaximierung geopfert“, „Gier nach immer mehr produziert immer mehr Sklaven“), aber kein Gegner einer Kirche der Armen, die auch nach den Ursachen fragt. Stellt sich entschlossen gegen einflussreiche christliche Bewegungen wie Opus Dei, Legionäre Christi u.a. 
  • Große Marienfrömmigkeit, aber mit Maria als Frau aus dem Volk, Mutter der Armen, selbst arm und ausgestoßen, mit dem Magnifikat im Zentrum (das von Josef Ratzinger nicht einmal erwähnt wird).
  • Innerkirchlich konservativ, will heißen auf „unsere“ Themen bezogen: keine Frauen, keine neue Sexualmoral (vor allem gegen Homosexualität) etc., dies aber nicht so militant wie bei manchen anderen lateinamerikanischen Bischöfen. Denn, wie er oft in seinen Ansprachen betont, über allem steht die Barmherzigkeit Gottes ("Jesus wandte sich zuerst an die Sünder und lebte mitten unter ihnen");  diese zu praktizieren sei wichtiger als sture Einhaltung kirchlicher Vorschriften.
  • Dieser lähmende Konservatismus ist bei Bergoglio vor allem dem „unmenschlichen Druck aus Rom“ geschuldet (so sagt es u.a. auch L. Boff). Vor einigen Monaten begrüßte er öffentlich, dass ein gleichgeschlechtliches Paar ein Kind adoptiert hat; er hat sehr gute Kontakte und Freundschaften mit verheirateten Priestern und Nonnen, usw., nichts „revolutionäres, aber immerhin. Nach über 30-jähriger Lähmung und Rückschritt gibt es nun Hinweise, dass der neue Papst Akzente setzen wird, die so niemand erwartet hat und die viele „Römer“ noch verunsichern werden (hoffentlich).

Zu der Nähe zur Militärdiktatur: Ich habe seine Predigt gelesen, die er 2006 zum 30. Todestag der Ermordung von Bischof Agnelli (1976) in La Rioja gehalten hat: voller Bewunderung für diesen Märtyrer (Agnelli war einer der ganz wenigen Bischöfe, die die Militärs kritisiert hatten, deswegen wurde er ja umgebracht). Er nennt ihn sein Vorbild und hebt dessen große Spiritualität hervor (Spiritualität als Nachfolge Jesu im Mit-Leiden mit den Armen, unter denen Gott Mensch wurde).

  • Die führenden argentinischen Bischöfe waren zur Zeit der Militärdiktatur eng mit den Militärs verbunden, einige haben deren Gräueltaten gar gerechtfertigt („Kampf gegen Kommunismus“ etc.). Dies ist bis heute innerkirchlich nicht ausreichend und nicht transparent aufgearbeitet.
  • Bergoglio war kein Sympathisant, aber auch kein „Widerstandskämpfer“. Dass er zwei Jesuitenpatern, die dann verhaftet wurden, zumindest nicht helfen konnte, dürfte sicher sein, aber ob er sie ausgeliefert hat? Weiterhin: er soll geholfen haben, Kleinkinder von Verhafteten und Verschwundenen an Pflegefamilien vermittelt zu haben bzw. deren Herkunft vertuscht zu haben (zum „Wohle des Kindes“).
  • Insgesamt: widersprüchliche Aussagen, vor Gericht wurde er freigesprochen, obwohl die argentinische Regierung mit allen Mitteln versucht hat, ihn „dran“ zu kriegen, hat aber nichts Beweisbares gefunden. Dennoch bleiben Zweifel (siehe Pius XII.: besser im Verborgenen helfen, statt laut zu schreien? Wer weiß schon, was besser ist – und wie würden wir handeln?).
  • Steht im "Kampf" mit der argentinischen Regierung wegen deren Gesetz zur Ermöglichung der gleichgeschlechtlichen Ehe und der legalen Abtreibung („Gesetze des Teufels“!), aber auch gegen die wieder neu zunehmende Verelendung wg. der Willkür großer Konzerne (z.B. Landgrabbing). 

Summa summarum: angesichts der Gegebenheiten bin ich mit dieser Wahl sehr zufrieden, auch wenn deutsche Befindlichkeiten kaum eine Rolle spielen werden. Aber die Welt ist größer als Deutschland....! Und deutsche Bischöfe sind zu ermutigen, evtl. neue Freiräume zu erkunden.

Vielleicht mein wichtigster Punkt (und Hoffnung), ein Paradigmenwechsel scheint möglich (und im Geiste des Konzils dringend notwendig): die Bibel mit den Augen der Armen lesen und deuten, aus der Perspektive der Ausgestoßenen die Welt, Wirtschaft, Politik etc. analysieren, deuten und verändern – statt aus der Perspektive des reichen Europa, der „Sieger“ (Macht, Reichtum, Eroberer, Besserwisser etc.). Dies wollte auch (ansatzweise) das Konzil und dies wurde seit Medellín 1968 – in Fortschreibung des Konzils – in Lateinamerika vielerorts gelebt und in die Praxis umgesetzt... Erst ein solcher Standortwechsel ermöglicht  Erneuerung - und nur eine radikale Erneuerung der Strukturen ermöglicht es, diese Erneuerung glaubwürdig zu verkünden. Beides gehört – dialektisch – zusammen.

Herzliche Grüße, Donnerstag,  14. März, kurz vor Mitternacht, 

PS,1: Man spielt ja manchmal mit so kindlichen Gedanken wie, „was, wenn ich Papst wäre“ (o.ä.)? Und da hätte ich tatsächlich den Namen Franziskus (oder alternativ Petrus, ein einfacher Fischer aus Galiläa) gewählt. (Entschuldigung ob der Vermessenheit).

PS,2: Anlage zum Misereorsonntag* an diesem Wochenende. Für Papst Franziskus ist "misereor …" der theologisch - biblische Schlüsselbegriff .... (Barmherzigkeit, verbunden mit Gerechtigkeit – dem Menschen als Ebenbild Gottes gerecht werden und für seine unantastbare Würde eintreten).  *siehe: "Wir haben den Hunger satt!"


Hola compañer@s,    März 2013 an AGP

liebe Freundinnen und Freunde der AGP!                                     

Im kleineren Rahmen, auch auf Diözesanebene, bekam ich einige Anfragen hinsichtlich meiner Einschätzung zu Papst Franziskus. Ich habe dann viel recherchiert etc. und den angehängten „vorläufigen Befund“ verschickt (knapp 2 Seiten). In unserem Kirchenblatt in Ulm erscheint mein Beitrag zum Misereorsonntag, hier als Anlage in leicht erweiterter Form (die Erweiterung war nicht für die Veröffentlichung bestimmt, um kein neues Thema anzureißen).

Im Januar fand das kontinentale Treffen der Fidei-Donum-Priester in Lima, Peru, statt. Thema: „Prophetische Herausforderungen des 2. Vat. Konzils“. Dazu war ich eingeladen, weil die Erfahrungen einer befreienden Pastoral in Peru im Mittelpunkt standen. Auch auf diesem Hintergrund und von jenem Treffen bestärkt, sind die folgenden Beobachtungen zu verstehen.

Hier einige Ergänzungen und Überlegungen (zu den beiden Texten im Anhang), was das für unser weiteres Vorgehen bedeuten könnte:  

1a) Deutsche Bischöfe können sich nicht mehr hinter dem deutschen Papst (oder vorher Glaubenswächter) verschanzen – vor allem im Hinblick auf die angeblich lehramtliche Klärung in Sachen Frauenordination. Hier wäre als 1. Schritt besonders darauf abzuheben, dass die beiden letzten Päpste entgegen Kirchenrecht und Konzil innerkirchliche Ordnungsregelungen (keine Dogmen) als quasi unfehlbare Wahrheiten verkündet haben. Dies muss jetzt benannt und aufgearbeitet werden.

1b) Staatliche Privilegien für Kirchen und Glaubensgemeinschaften, die Menschen wg. ihres Geschlechts und Geschlechtlichkeit diskriminieren und auch sonst gegen Grundrechte verstoßen (z.B. Recht auf Familienplanung, freie Entfaltung der Persönlichkeit auch im sex. Bereich, etc. ) müssen abgeschafft werden, ebenso die Zwangsabgabe selbst für Menschen, die exkommuniziert worden sind (Ausschluss aus Sakramenten). In den politischen Parteien ist hier eine zunehmende Sensibilität zu beobachten, auch im Hinblick auf die gesamteuropäische Rechtsprechung. Das ändert nichts an dem Recht, vielleicht sogar Pflicht, dass eine Glaubensgemeinschaft für ihre Mitglieder Regeln zur Orientierung aufstellt.

2a) Deutsche Bischöfe – diesmal im berechtigten Hinweis auf Weltkirche – in die Pflicht nehmen, weil: Option für die Armen als zentrale Aussage der Bibel und einer Kirche der Armen (auch im persönlichen Vorbild, siehe Katakombenpakt, u.a.). Dahinter können sie nicht mehr zurück. Deutsche Bischöfe sind zuerst an ihrem Lebenswandel zu messen, ihrer Praxis im Umgang mit den Menschen, an ihrer Barmherzigkeit etc. etc. Aber auch Bischöfe sind Menschen und dürfen fehlen – aber nur gemeinsam und auf Augenhöhe (Respekt) können wir uns gegenseitig Stütze sein.

2b) Grundlage einer neuen Ökumene (statt das immer gleiche ök. Ping-Pong): Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung, Grundfragen der Menschen heute, ausgehend von den Ängsten und Hoffnungen der Hungernden und Ausgeschlossenen aller Art – und dies nicht nur im  Sinne größerer Allianzen im gesellschaftspolitischen Bereich, sondern ausgehend vom Kern der Botschaft Jesu, spirituell und sakramental (siehe Misereortext im Anhang).

3a) Der Misereortext ist nicht zuerst als Kampagnenbeitrag zu verstehen, sondern als Hinweis auf ein anderes, ein grundlegend biblisches Eucharistieverständnis, ausgehend vom Kern der Botschaft Jesu. In diesem neuen (ursprünglichen) Eucharistieverständnis geht es nicht zuerst um die Amtsfrage, sondern um die gemeinsam gelebte und erfahrbare Praxis in Gemeinschaft – als Antwort auf die entsprechenden Herausforderungen (z.B. Zerstörung der Schöpfung, Hunger) und als Antwort auf die Botschaft Jesu vom anbrechenden Reich Gottes.

3b) Gemeinde selbst wird zum Brot des Lebens und so wird Gemeinde auch zum Subjekt einer Transformation der Welt: „Herrschaft von Liebe und Gerechtigkeit“ und Aufstehen gegen die Götzen des Todes, den herrschenden Götzendienst – dies meint übrigens auch Papst Franziskus mit Entweltlichung. Dieses Verständnis ermöglicht (als „Nebeneffekt“) auch erstens ein völlig neues ökumenisches Kirchesein und zweitens wird die Frage, ob Mann oder Frau einer solchen Eucharistiefeier vorstehen (bzw. ob es überhaupt „Vorsteher“ braucht), zweitrangig, aber nicht unwichtig.

(Eine solche Feier wäre ein wahrhaft sakramentales Zeichen, wenn die Teilnehmenden sich von Jesus gerufen auf dem Weg wissen, d.h. wenn ihre alltägliche Praxis glaubhaft und authentisch ist. Bisherige „Ausschlusskriterien“ sind dagegen völlig willkürlich, sie sind fast ausschließlich – im weitesten Sinne - sexuell begründet und eigentlich dürfte nach diesen Kriterien fast niemand mehr zur Kommunion gehen bzw. zur Gemeinschaft der Jünger/innen Jesu gehören.

Ich möchte damit nur einige Gedanken in eine kreative Diskussion einbringen, die nicht nur Gedankenspiele sind, sondern die bereits zu einer bereits bestehenden, aber bei uns fast vergessenen Praxis geführt haben. Nun bietet sich, hoffentlich und vielleicht, eine einmalige historische Chance (nur als kurzes Zeitfenster!?), dies vehement einzufordern und noch besser: zu tun.

Liebe Grüße, Willi Knecht


Neuere Ergänzungen (Juni 2013)

Auszüge bzw. wörtliche Zitate aus der Ansprache des Papstes aus der Morgenandacht am 11. Juni in der Kapelle Santa Marta. Es waren die Mitglieder der Glaubenskongregation mit ihrem Chef Gerhard Müller eingeladen.  (Zwischentexte aus dem chilenischen Text).

 „Wir dürfen keine Angst haben, solidarisch zu sein und all das zur Verfügung zu stellen was wir sind und was wir haben, denn all das kommt von Gott. Wenn man eine reiche Kirche anstrebt, dann stirbt die Kirche ab, sie hat kein Leben mehr. Die Kirche ist keine NGO, sie ist geboren aus der Gnade und ein Zeichen dieser Gnade ist die Armut“. (Gemeint ist die Solidarität mit den Armen, die nur glaubhaft ist, wenn……).

„Petrus hatte kein Bankkonto und wenn er Steuern zahlen musste, dann schickte ihn Jesus an den See, um Fische zu fangen“. Papst Franziskus erinnert damit an die ursprüngliche Kirche („iglesia primitiva“).

„Kümmert euch weder um Gold noch um Geld!“ Papst Franziskus erinnert an die Mahnung Jesu an die Apostel, den Anbruch des Reiches Gottes zu verkünden. Diese Verkündigung soll in einfacher Weise geschehen. Denn erst diese Einfachheit gibt dem Wort Gottes das Gewicht, das ihm zusteht.

Der Papst erinnert danach an ein Schlüsselwort der Botschaft Jesu: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt es weiter!“ „Alles ist Gnade und wenn wir meinen, uns selbst zu verkünden, verdunkeln wir die Frohe Botschaft, das Evangelium hat dann keine Wirkung mehr. Was ich aus Gnade (umsonst) empfangen habe, muss ich auch umsonst weitergeben. Dies war nämlich am Anfang der Kirche so ….!“

Petrus hatte kein Bankkonto. Als Phillippus den Schatzmeister der Königin der Äthiopier traf (Apg 8, 27) dachte er nicht: „Ah, sehr gut, lasst uns darüber unterhalten, wie wir eine Organisation auf die Bein stellen können….! Nein, er hat kein Geschäft mit ihm abgeschlossen. Sondern er hat ihm das Wort ausgelegt, ihn getauft und ging weiter“.

Übersetzung: Willi Knecht

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Am 6. Juni empfing der Papst die Leitung der CLAR (Conferencia LatinoAmericano de Religiosos Konferenz aller lateinamerikanischen Ordensleute). Die CLAR wurde unter den beiden letzten Päpsten völlig ausgebremst, weil viele Ordensfrauen/männer  glaubhaft durch ihr persönliches Zeugnis das Evangelium verkündeten. Nun sitzt der Papst mit ihnen in einem runden Stuhlkreis, wie ein Bruder unter Gleichen – so wie bei den ersten christlichen Gemeinschaften.          (willi knecht)

Aus einer internen Mitschrift: „Habt keine Angst etwas zu riskieren, wenn ihr bei den Armen lebt, denn sie sind die eigentlichen Subjekte auf unserem Kontinent“.

„Ihr werdet euch auch irren, ins Fettnäpfchen treten – so was kann passieren. Oder ihr werdet einen Brief der Glaubenskongregation erhalten, dass ihr dieses oder jenes gesagt habt – aber kümmert euch nicht, geht weiter! Öffnet Türen und Tore, macht das, was das Leben von euch verlangt. Mir ist eine Kirche, die sich auch irrt, lieber als eine Kirche, die krank wird, weil sie sich einschließt“.

„Ich bin zur Konklave gekommen mit wenig Wäsche, habe sie in der Nacht gewaschen – und dann passiert mir so etwas! Dass ich weiter in Santa Marta wohne, (und weitere Gesten) ist kein bestimmter Plan. Ich habe nur das gemacht, was ich immer gemacht habe. Unser Herr hätte das auch gemacht. Er wollte, dass ich es auch so mache. Daher fühle ich mich sehr sicher und gelassen“.

„Wenn die Börse über Nacht um 3% steigt oder fällt, ist das ein weltweites Ereignis. Doch wenn ein alter Mensch in der Nacht erfriert oder so viele Kinder nichts zu essen haben, dann ist das keine Nachricht wert. Man muss die Werte wieder auf die Füße stellen. Das Geld  ist nicht das Ebenbild Gottes. Nur der Mensch ist das Ebenbild Gottes. Man muss nach den Ursachen fragen. Habt keine Angst, die Missstände anzuklagen. Euch wird man deswegen schlecht behandeln, ihr werdet Probleme haben… doch das ist unsere Berufung“. 

„Ich teile mit euch zwei große Sorgen: Auf der einen Seite die Strömung der Restauration. Ich kenne einige…. Ich habe schon in Buenos Aires einige empfangen und ich habe mich gefühlt wie vor dem Konzil. Man fühlt sich in das Jahr 1940 zurückversetzt. Eine Anekdote um dies zu verdeutlichen, es ist nicht zum Lachen: Bei dem 1. Empfang einer dieser Gruppen: „Heiligkeit, wir  wollen Ihnen diesen wertvollen spirituellen  Schatz schenken, 3.525 Rosenkränze, die wir für sie gesammelt haben“. 

„Die zweite Strömung innerhalb der Kirche ist die Gnosis (gemeint ist hier vor allem Esoterik und Pantheismus), die zudem elitär ist. Diese Strömung vergisst die Menschwerdung! Gott ist nicht zuerst in den Weiten des Kosmos zu begegnen oder in Bäumen, Sträuchern und in wundertätigen Steinen. Denn Gott ist Mensch geworden, gerade unter den Armen. Er ist mitten unter uns.  Und was passiert mit den Armen? Sie sind auch unser Fleisch und Blut! Sie sind Personen, die Ausgegrenzten, die Drogenabhängigen… Sie sind Ebenbilder Gottes. Die Armen sind unser Evangelium“.

Problem der Kurie: „In der Kurie gibt es auch gute Leute, aber fast alle Kardinäle wollen eine Reform der Kurie. Das wird sehr schwer werden. Es gibt viel Korruption in der Kurie. Und es gibt auch, das ist die Wahrheit, eine `Lobby Gay´- ein Homo-Netzwerk. Betet für mich, dass ich so wenig wie möglich Fehler mache….“! Die Reform nicht ich allein machen, ich bin sehr desorganisiert. Aber die Kommission der 8 Kardinäle wird dies anpacken. Da ist Rodríguez Maradiaga, ein Lateinamerikaner und Errázuriz und der von München ist auch gut organisiert. Die werden das schon voran bringen“.

„Es gibt noch etwas, das mich sehr beschäftigt. Es gibt religiöse Gruppen, kleinere Kongregationen, etc., die keinen Nachwuchs und keine Berufungen haben. Der Hl. Geist will wohl, dass sie nicht wie bisher weiter machen. Aber sie klammern sich an ihre Häuser, ihren Besitz, an das Geld. Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll. Ich bitte euch, kümmert euch um diese Gruppen. Der Umgang mit Geld – er muss neu überdacht werden! Helft ihnen dabei!

„Bemüht euch auch um einen Dialog mit den Bischöfen, mit CELAM (lateinamerikanische Bischofskonferenz), den nationalen Bischofskonferenzen, mischt euch ein! Ich weiß, dass manche von ihnen eine andere Vorstellung von Dialog und Gemeinschaft haben. Aber sprecht mit ihnen, sagt ihnen, was ihr tut und warum ihr es tut. Auch sie bedürfen der Verkündigung und euren gelebten Zeugnis“!

Übersetzung: Willi Knecht


Brief von Papst Franziskus vom 25. März 2013 an die Teilnehmer der 105. Vollversammlung der argentinischen Bischofskonferenz

Liebe Brüder,

mit diesen Grußzeilen möchte ich mein Fehlen aufgrund "einiger vor kurzem angenommener Verpflichtungen" (klingt das gut?) entschuldigen. Im Geiste bin ich bei euch und bitte den Herrn, dass   er besonders in diesen Tagen bei euch sei.

Ich habe ein Anliegen: Es würde mich freuen, wenn die Versammlung das Dokument von Aparecida und Fahrt noch einmal hinaus als ihren Bezugspunkt nähme. Dort sind die für diesen geschichtlichen Moment benötigten Orientierungspunkte enthalten. Vor allem bitte ich euch, dass euer Augenmerk im Hinblick auf eine wachsende Mission auf dem Kontinent zwei Aspekte besonders berücksichtige: Das Zukunftsweisende und Modellhafte der Mission. Die ganze Pastoral sei missionarisch ausgerichtet.

Wir müssen aus uns selbst herausgehen, hin an die so lebenswichtigen Ränder und wachsen im Mut zum offenen Wort Eine Kirche, die nicht hinausgeht, erkrankt über kurz oder lang an ihrer  Verschlossenheit. Es stimmt natürlich, auch einer hinausgehenden Kirche kann das gleiche passieren wie jeder Person, die auf die Straße geht: Sie kann verunglücken. Angesichts dieser Alternative, das sage ich euch frei heraus, ziehe ich eine verunglückende Kirche 1000mal einer kranken Kirche vor.

Die typische Krankheit einer in sich verschlossenen Kirche ist die Bauchnabelschau: auf sich selbst sehen, gekrümmt sein über sich selbst wie jene Frau im Evangelium. Es ist eine Art von Selbstverliebtheit, die uns in weltliche Gesinnung und zu ausgeprägtem Klerikalismus führt; schließlich verhindert sie "die süße und tröstliche Freude des Evangelisierens" zu erfahren.

Ich wünsche euch allen jene Freude, die so oft mit dem Kreuz einhergeht, die uns aber vor Ärger, Traurigkeit und klerikalem Junggesellengehabe bewahrt. Diese Freude hilft uns jeden Tag fruchtbarer zu sein und unsere Kräfte vollkommen in den Dienst des heiligen Volkes Gottes zu stellen. Diese Freude wird mehr und mehr wachsen je mehr wir das pastorale Umdenken, das die Kirche von uns fordert, ernstnehmen.

Danke für alles was ihr tut und tun werdet. Der Herr befreie unser Bischofsamt von allem Pomp des Weltlichen von aller übertriebenen Sorge um das Geld und vom "handelsüblichen Klerikalismus“.

Die Jungfrau wird uns den Weg der Demut und jener stillen und wertvollen Arbeit zeigen, die den apostolischen Eifer antreibt.

Ich bitte euch, betet für mich, dass ich nicht hochmütig werde, sondern höre, was Gott will und nicht ich.  Auch ich bete für euch. Eine brüderliche Umarmung und ein besonderer Gruß an das treue Volk Gottes, das euch anvertraut ist. Ich wünsche euch eine heilige und frohe Osterzeit.

Jesus segne euch und die heilige Jungfrau bewahre euch. Mit brüderlichem Gruß,  

Franziskus                         Übersetzung aus dem Spanischen: Frank Hartmann ofm