Da ich aufgrund meiner Mitarbeit in einer befreienden Sozialpastoral in Lateinamerika schon immer auch für wirtschaftlich-politisch-soziale Fragen und Lösungen hierzulande offen war, bekam ich oft die Frage zu hören: „Was hat denn die Kirche (bzw. Religion) damit … zu tun?“ Diese Frage ist gottlob etwas seltener geworden seit Papst Franziskus.
Ein Bündnisvon Gewerkschaften, Sozial-, Umwelt-, Verbraucher- und Verbändender Entwicklungszusammenarbeit bereitet für den 17. September eine bundesweite Großdemonstration gegen TTIP und CETA vor. Dabei kann man sich auf eine wachsende Zahl von regionalen Bündnissen stützen. Diese werden zunehmend auch von Kommunen unterstützt, geht es doch um allgemeine Fragen des Gemeinwohls und der Daseinsvorsorge. Die zentralen Kritikpunkte müssen hier nicht wiederholt werden, siehe dazu u.a. TTIP – Kampf um die letzten Ressourcen.
Explizit kirchliche Vertreter – vor allem der katholischen Kirche – waren und sind in diesen Bündnissen selten anzutreffen. Auf der Landesebene Baden-Württemberg und regional war ich oft der einzige „kath. Kirchenvertreter“ (aber mit oft sehr engagierten Christ*innen). Die Mitwirkung der Kirchen wurde durchweg begrüßt, eine stärkere Beteiligung gar angemahnt. Denn von außen werden die Kirchen vor allem wahrgenommen als eine Institution, die sich vor allem um sich selbst dreht (innere Strukturen, als festlicher Rahmen für Events, usw.) und als überdimensionaler Apparat, der sich allzu bequem eingerichtet hat. So lautet auch die Kritik von Papst Franziskus und zuletzt auch wieder von Benedikt XVI.
Dabei haben wir als Kirche, als Gemeinschaft aller Menschen in der Nachfolge Jesu, viel zu bieten. „Kehrt um, denn das Reich Gottes steht vor Tür“ – so die zentrale Botschaft Jesu. Eine neue Welt, in der die Güter der Erde allen zugutekommen und in der jeder Mensch in Würde leben kann – es liegt an uns, dies zeichenhaft zu organisieren und zu leben. Jeder Widerstand gegen die weitere Zerstörung von „Mutter Erde“ und der Lebensgrundlagen von Millionen Menschen weltweit, gegen Vertreibungen, Gewalt und gegen die finanziellen Interessen einer winzigen Minderheit ist ein Zeichen dieser „Neuen Welt“.
Ein Blick von „außen“, den „Rändern der Welt“, auf unsere europäische Kosmovision, unsere Art zu leben, zu wirtschaften, zu denken, zu glauben und zu handeln, kann uns helfen, unsere eigenen blinden Flecken und Sackgassen - sowohl individuell als auch als Kirche - als solche zu erkennen. Aus der Perspektive der „Müllmenschen“, so der Papst, verschieben sich die Prioritäten. Dies wäre dann unser spezifischer und entscheidender Beitrag als Kirche in den aktuellen Diskussionen um eine gerechte und friedvolle Gesellschaft und Weltordnung.
„Erkennen wir, dass dieses System die Logik des Gewinns um jeden Preis durchgesetzt hat, ohne an die soziale Ausschließung oder die Zerstörung der Natur zu denken? Wenn es so ist, sagen wir es unerschrocken: Wir wollen eine Veränderung, eine wirkliche Veränderung, eine Veränderung der Strukturen. Dieses System ist nicht mehr hinzunehmen; die Campesinos ertragen es nicht, die Arbeiter ertragen es nicht, die Gemeinschaften ertragen es nicht, die Völker ertragen es nicht … Und ebenso wenig erträgt es »unsere Schwester, Mutter Erde«, wie der heilige Franziskus sagte.“ (Papst Franziskus, 2. Welttreffen der Volksbewegungen in Bolivien, 9. Juli 2015)
Willi Knecht, erschienen als Beitrag in "Weltkirche und Mission" der DBK, Blog: Klartext