Multis, Markt und Dritte Welt:
Die Firma Nestlé in Cajamarca - Peru                                            
von Jorge Trigoso P.

Cajamarca ist vom historischen Prozeß der Kapitalismusentwicklung in der nördlichen Region Perus gekennzeichnet, was wiederum ein neues, sozioökonomisches Profil des Departements zur logischen Folge gehabt hat. Dieser Prozeß der Veränderung hat die Küste begüngstigt und Cajamarca benachteiligt. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die ganze Wirtschaft des Departements im Interesse der Küste umgestaltet wurde. Die Spielregeln innerhalb dieser Produktionsweise haben Cajamarca eine untergeordnete Rolle zuerteilt, die jedoch letztendlich sehr wichtig für die Logik  der Akkumulation und Vermehrung des Kapitals ist.

Das Departement Cajamarca gilt unter den Peruanern als Szenarium und zugleich Symbol für den Zerfall des Inkareiches. Vor mehr als 400 Jahren wurde dort das Heer des letzten Inka Atahuallpa von einer Einheit spanischer Soldaten unter der Leitung Francisco Pizarros (1475-1541) besiegt. Mit diesem Ereignis wurde in Peru die lange Periode der spanischen Kolonisation eingeleitet. Cajamarca weist Merkmale auf, die seine Besonderheiten bezüglich anderer Gebiete Perus hervorheben. Die nördlichen Anden sind niedriger als das restliche  Hochland und haben keinen ewigen Schnee. Außerdem ist die Feuchtigkeit hier größer als im Süden, wo die Berge im Gegensatz zu denen des Nordens besonders trocken und karg sind. Cajamarca war eines der letzten von den Inkas unterworfenen Gebiete. Ihre Herrschaft dauerte hier kaum 70 Jahre. Dies scheint der Grund dafür zu sein, warum Quechua, die Sprache des Inkareiches sehr früh und fast endgültig verschwand (1). 

Bezüglich der Erweiterung der Haciendas (2) Cajamarcas, wie der widerrechtlichen Besitzergreifung der Felder der einheimischen Bevölkerung, ist  in Erinnerung zu rufen, daß dieser Erweiterungsprozeß schon Anfang des 17. Jahrhunderts begann, während er in anderen Gebieten Perus sehr spät  einsetzte. Der Prozeß der Expansion und Konsolidierung des ländlichen Großeigentums,fand anderen Orts besonders im 19. Jahrhundert statt. Manche Autoren versuchen die stattgefundene, frühzeitige Konsolidierung der Landgüter damit zu begründen, daß sie erstens ein wichtiger Mittelpunkt für die Woll- und Textilproduktion wurden; zweitens, daß sie ein Zentrum für den Bergbau waren (Franco E.,1976: 20-21; Deere C.1992:45). Ende des 17. Jahrhunderts wurde geschätzt, daß es im Departement Cajamarca mehr als 350.000 Schafe und ca. 35 Werkstätten für Wollverarbeitung gab (als obrajes bekannt). Viele von diesen Werkstätten waren auf den Landgütern angesiedelt. Die Entdeckung der Silbererzader in Hualgayoc im Jahr 1771 war ausschlaggebend für den Wandel Cajamarcas und führte Veränderungen in der wirtschaftlichen Struktur der Region herbei, obwohl dieser Bergbau nicht mehr als 40 Jahre überdauerte.

Cajamarca nimmt eine wichtige Position in Peru ein, denn es ist eines der meist bevölkerten Departements im Lande (1.273. 596 Einwohner); mehr noch, Cajamarca hat mit fast 80% die größte Zahl an bäuerlicher Bevölkerung. Paradoxerweise ist Cajamarca eine der Zonen mit geringem demographischem Wachstum. Grund für diese Tatsache ist eine starke Auswanderung in andere Regionen Perus, insbesondere in die Departements an der nördlichen Küste. Nicht zu vergessen ist die Bedeutung der Rinder in Cajamarca. Ihre Zahl beläuft sich auf 600 000, was 14% des nationalen  Bestandes ausmacht.

Als "das ländlichste und viehreichste" Gebiet ist das Departement Cajamarca bezeichnet worden (Urrutia, 1996: 95). Andere haben dieses Gebiet  wegen seiner extremen Armut als "das Aschenputtel des Nordens" bezeichnet, was im Widerspruch zu seinen eigenen Resourcen im Bereich der Forst- und Landwirtschaft und des Bergbaus stünde. (4) Die Armut in Cajamarca ist eine historische Konstante und kennzeichnet die Vernachlässigung und die Zurücksetzung dieser Region durch die Zentralregierung. Selbstverständlich gibt es weitere Faktoren aus wirtschaftlichen, sozialen und administrativen Ebenen, die eine Erklärung für diesen Zustand Cajamarcas liefern könnten. In diesem Zusammenhang können wir folgende Faktoren erwähnen:

  • Persistenz einer typisch landwirtschaftlichen Viehwirtschaft ( eine Region, die hauptsächlich ländlich ist und in der wenig Industrie vorhanden ist).
  • Die natürlichen Rohstoffe werden anderen Regionen zur Verfügung  gestellt, beispielsweise für die Bevölkerung der Küstenstädte.
  • Hohe demographische Dichte. Verkehrswege, die schlecht bis unzureichend sind und deren Benutzung schwierig ist.
  • Eine niedrige und schwankende Investition sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich. Wenn es der Fall ist, daß investiert wird, geschieht es nicht zum Vorteil der Region.
  • Zentralismus in der Verwaltung. Die wichtigsten Entscheidungen werden in der Hauptstadt getroffen.

Es scheint so zu sein, daß Cajamarca zu einem billigen Reservoir sowohl für Arbeitskräfte, als auch für landwirtschaftliche Produkte zu Gunsten der peruanischen Küste verkommen ist. Diese Vermutung wird durch die soziale und historische Entwicklung der Region bestätigt. Seit dem 16.Jahrhundert war Cajamarca ein wichtiger Ort für Textilwaren,  deren Produktion letztendlich auf die Märkte außerhalb der Region, ja sogar in die spanischen Metropolen kam. Zu dieser Zeit wurden aus den großen Haciendas Cajamarcas die arrieros (5) damit beauftragt, tausende von Rindern, Schweinen und Schafen nach Lima, bis zur virreinalen Hauptstadt (6), zu treiben. Solche Wanderungen dauerten  sechs bis acht Monate. (7)

Im 18. Jahrhundert wiederholt sich die Geschichte: Diesmal gehen die Produkte nicht so sehr auf die Märkte Limas, sondern auf die Märkte der Küste im Norden. Die Produkte für diesen Export sind Rinder und Grundnahrungsmittel, wie Getreide, Gerste und Platterbsen, die zu Mehl verarbeitet wurden.

Zwischen Ende des 19. und Anfang des 20.Jahrhunderts veränderte sich auf drastische Weise die Lage für Cajamarca. Das Departement blieb nicht nur Quelle für Grundversorgung, sondern wurde auch ein wichtiger Lieferant von Arbeitskräften für die Haciendas an der nördlichen Küste. Gründe für diese neue Rolle waren  einerseits die Nähe zu den nördlichen Küstenregionen, andererseits seine demographische Dichte. Der Bedarf an Arbeitskräften auf den Zuckerplantagen und Reisfeldern nahm weiter zu, insbesondere in dem Zeitraum zwischen 1890 und 1940. Ein anderer Aspekt für diese neue Rolle Cajamarcas waren die Epidemien und Landplagen an der Nordküste, die ihre  Bevölkerung vor allem in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts dezimierten. (8)

Cajamarca und die Firma Nestlé

Die globalen Veränderungen  in der Wirtschaft als auch in der Politik, die auch in Peru Auswirkungen hatten, haben die Rolle Cajamarcas als Zulieferer von Lebensmitteln und Arbeitskräften nicht im Geringsten geändert. Was sich tachsächlich änderte, waren die Richtungen und Charakteristiken der Auswanderungen. Ursprünglich  erfolgten sie aus dem Gebirge an die Küste (aus Cajamarca nach Chiclayo/ Trujillo/Chimbote) und  später aus  dem  Gebirge in den Urwald (aus Cajamarca nach Jaén, San Ignacio und Huallaga). In einer ersten Phase, zwischen 1870 und 1940, fand die Emigration innerhalb ländlicher Gebiete statt (rural-rural): Die Bauern aus Cajamarca gingen zu den Zuckerplantagen und Reisfeldern, um dort zu arbeiten. In einer zweiten Phase, zwischen 1940 und 1980, erfolgte die Auswanderung vom Land in die Stadt (rural-urban): Das Ziel der Bauern war nicht mehr die Arbeit auf den Haciendas, wo die Arbeit übrigens allmählich Mangelware wurde. Das Ziel der Landarbeiter war, in die großen Küstenstädten zu gelangen. In den 50er Jahren schlug die Emigration eine andere Richtung ein, nämlich die in den nördlichen Teil des Urwaldes.

Ende der 40er Jahre erschien ein neues Element in Cajamarca. Die multinationale Firma  Nestlé, repräsentiert durch ihre peruanische Niederlassung Perulac/Incalac (9), baute eine Anlage zum Wasserentzug der Milch in Cajamarca, und wie wir später sehen werden, richtete die Firma Nestlé ihre Produktion auf die Märkte außerhalb der Region. Mit dieser Vorgabe entwickelte sich die Abhängigkeit Cajamarcas als Produzent von billigen Viehwirtschaftprodukten, die für den Verbrauch  in den Städten, hauptsächlich an  der Küste, bestimmt waren. Die Entwicklung Cajamarcas ist in den letzten Dekaden eng mit der Aktivität von Nestlé/Incalac verbunden. Das ist vor allem im südlichen Cajamarca der Fall,  bekannt  als  das  Milchbecken. Die Geschichte Cajamarcas in den letzten fünfzig Jahren ist ohne die Gegenwart Nestlé nicht  denkbar, denn die Firma Nestlé vollzog Veränderungen in der wirtschaftlichen und sozialen Struktur der Region.
 
Ziel unserer Erläuterungen zu diesem Thema ist es zu verdeutlichen welche dynamische Rolle Nestlé für die Wirtschaft Cajamarcas und für die Gesamtwirtschaft der Region im Norden  gespielt hat. Es ist herauszufinden, welche Auswirkungen eine Firma mit multinationalem Charakter für die Wirtschaft Cajamarcas hatte, ja für ein ganzes Departement, dessen Wirtschaft landwirtschaftlich und auf den Eigenbedarf ausgerichtet war. Die Analyse der  Rolle Nestlés in Cajamarca  war ein Thema, das große Kontroversen mit  einer deutlichen ideologischen Last hervorrief. Von diesem Streit hielt sich die Kirche ihrerseits nicht fern. Die Diskussionen und Anklagen diesbezüglich waren extremer Natur. Einerseits, gab es solche Nestléverfechter, die ge- und entschlossen die Anwesenheit der Firma Nestlé  verteidigten. Andererseits gab es einige, die  Incalac und Nestlé als Beispiel kapitalistischer Penetration und als Beispiel des Neokolonialismus in diesem Gebiet verurteilten. Und nicht zuletzt gab es eine Minderheit, die eine unserer Meinung nach realistischere, unparteilichere Position  innerhalb diese Ausseinadersetzung bezog. (10)

Wie  zuvor erwähnt , ist die Entwicklung des sogenannten Milchbeckens Cajamarcas (Provinzen von San Pablo, Cajamarca, San Marcos, Cajabamba, Celendín und San Miguel) in den letzten fünfzig Jahren ohne die Rolle von Nestlé nicht vorzustellbar. Selbstverständlich sind auch andere wichtige Aspekte zu berücksichtigen, die für die Veränderung Cajamarcas bezüglich der Landbevölkerung verantwortlich sind. Dieser Prozeß ist einerseits mit der Dynamik des demographischen Wachstums, andererseits mit der Veränderung der strukturellen Produktivität und dem Landbesitz zu erklären.

Es scheint jedoch, daß die wichtigen Faktoren dieser Veränderung der Druck durch Initiativen aus Cajamarca und das Erscheinen von Nestlé waren. In gewisser Weise bestimmten diese Firma und die großen Viehzüchter den zukünftigen Weg der Wirtschaft Cajamarcas. Seit 1925 begann ein langsamer Prozeß der Modernisierung bei einigen Landgutbesitzern im Tal Cajamarcas. Eine Gruppe von ihnen initiierte die Fragmentierung ihrer Ländereien und auch den Verkauf der weniger produktiven Flächen (d.h. die als Jalcas bekannten Andenhochflächen, die sich etwas mehr als 3.300 m. über dem Meeresspiegel und weit entfernt von bewohnten Gegenden befanden).

Hinter dieser Aktion stand das Interesse der Großgrundbesitzer, neues Kapital zu gewinnen, so daß sie technologische Innovationen einführen konnten. Diese Hacendados begannen mit der Einführung  neuer Grünfuttersorten, sowie mit dem Import ausgewählter milchproduzierender Rinder. Die klimatischen Bedingungen Cajamarcas waren immer optimal für die Entwicklung der Viehzucht, insbesondere von Rinder und Schafe. Wie wir vorher gesehen haben,  übernahm Cajamarca die Viehwirtschaft seit der Kolonialzeit als  traditionelle Spezialisierung, um der Nachfrage der Märkte außerhalb der Region gerecht zu werden (11).

Die politischen Veränderungen Perus in den 20er und 30er Jahren (Politik der wirtschaftlichen Expansion, neue demokratische Regierung, Anreiz für  Exporte usw.) schürten Hoffnungen in Cajamarca und im Norden Perus, denn man ging davon aus, daß Cajamarca eine neue Rolle im Produktionsprozeß übernähme, die das Departement nicht mehr auf eine einfache Funktion als Lebensmittelzulieferer herunterstufen sollte. Jedoch die wirtschaftliche Politik auf nationaler Ebene war ungünstig für die Produzenten aus den Anden und überhaupt für die Entwicklung dieser Region. Es wurden einerseits Maßnahmen zur Verbilligung von Lebensmitteln zu Gunsten der Bevölkerung in der Stadt eingeleitet; andererseits wurden die Importe von Fleisch und Getreide gefördert. Diese Maßnahmen trafen unvermeidlich den Nerv der Wirtschaft Cajamarcas, denn Fleisch und Getreide waren immer die Hauptprodukte dieses Departements.

Während der 40er Jahre wurde die politische Situation für die Agrarproduzenten des Gebirges noch schlimmer. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges verursachte eine Inflation in der peruanischen Wirtschaft auf Grund einer Preisteigerung bei den Importwaren. Die Regierung erließ im Jahr 1942 die Preiskontrolle für Lebensmittel, was wiederum die Agrarprodukte hart traf, insbesondere den Fleisch- und Getreidesektor. Die Landwirtschaft im Gebirge, genaugenommen in Cajamarca, erlitt dadurch eine Periode der Krise: Der Mangel an Lebensmitteln und die Anhebung der Einkaufspreise waren die unmittelbaren Konsequenzen dieser Politik.

Trotz dieser negativen Situation für Cajamarca, ergaben sich konjunkturelle Umstände, die neben der Aktion einiger sozialer Gruppen, die Entwicklung des Milchviehs in Cajamarca als Alternative zu der Lebensmittelproduktion, begünstigten. Dieser Wechsel ergab sich größtenteils dank "der Interaktion der Rollen des peruanischen Staates, des multinationalen Kapitals und der zur Modernität neigenden Hacendados (das angehende Bürgertum) aus Cajamarca." (C. Deere, 1992: 180)

Wie an anderer Stelle erwähnt, begannen in den 20er Jahren einige Hacendados eine Investitionsinitiative und gaben damit der Agrarproduktion den notwendigen Impuls. Die Pionierarbeit  dieser Hacendados umfaßte folgende Maßnahmen: Einführung neuen Viehfutters, Gebrauch vonPestiziden, Import  von neuen Rindern zur Optimierung der Milchproduktion und Errichtung von Anlagen zur maschinellen Herstellung von Butter und Käse. Die Areale, die ursprünglich für den Anbau von Lebensmitteln  bestimmt waren, wurden reduziert, denn die Verwendung von Flächen für die Viehweide erlangte immer wieder erste Priorität zu Gunsten der Milchproduktion. Es begann somit, besonders im Tal von Cajamarca, ein langsamer Prozeß der Modernisierung und Veränderung, sowohl in der Produktionsstruktur als auch im Bereich des Landbesitzes.

Im Jahr 1943 vereinigten sich die Hacendados und gründeten die Asociación de Agricultores y Ganaderos de Cajamarca (z.dt. Verein der Landwirte und Viehzüchter Cajamarcas), die sich zu einem Druckmittel dem Staat gegenüber entwickelte, um finanzielle Unterstützung in Form von Krediten für die Entwicklung des Departements zu erhalten. Andere Anforderungen dieses Vereins waren folgende: Bau von Landstraßen und Fahrwegen, Förderung des Handels zwischen den verschiedenen Regionen, Erweiterung der vom Ministerium für Landwirtschaft  erbrachten Leistungen und Gründung oder Niederlassung von Banken  und anderen Kreditinstituten.

Nach mehr als vier Jahren intensiver Arbeit wurde im Jahr 1945 der Bau der Landstraße Chilete-Pacasmayo beendet. Im selben Jahr wurde auch die Landstraße Cajamarca - Cajabamba in Betrieb gesetzt, die  zusätzlich eine Zwischenverbindung nach Trujillo herstellte. Nach einer langen Periode von Erwartungen und Reklamationen, konnte Cajamarca  endlich Anschluß an die Märkte der Küste finden.

In diese Zeit fällt auch der Beginn des ersten Programms zur Agrarentwicklung, das vom Ministerium für Landwirtschaft erstellt wurde. Dieses Ministerium arbeitete mit der nordamerikanischen Einrichtung Interamerican Service of Cooperation for Alimentaries Products, ISCAP (Servicio Interamericano de Cooperación para Productos Alimenticios, SCIPA) zusammen, um den Landwirten technischen Beistand anzubieten, wie z.B. die Einführung von optimiertem Saatgut, Bau von Ställen, kleine Bewässerungsprogramme auf der Grundlage von Grundwasser, Gebrauch von Düngemitteln, Qualitätsverbesserung von Rindern und Wollvieh, usw.

Diese technische Unterstützung war hauptsächlich für die Hacendados gedacht, obwohl man auch feststellen muß, daß viele Bauern durchaus von dieser Maßnahme profitieren konnten, insbesondere jene, die für die Qualitätsverbesserung des Wollviehbestandes zuständig waren. Andererseits stimulierten diese staatlichen Hilfsprogramme andere Hacendados dazu, sich voll auf die Viehwirtschaft und auf die Produktion von Milch und Micherzeugnissen zu konzentrieren, da der Erfolg der Pionier-Hacendados als rentabel und musterhaft für die Viehwirtschaft galt.

Die traditionelle Agrarstruktur Cajamarcas, die zunächst auf Subsistenzwirtschaft basierte und  ein System der Knechtschaft- und Abhängigkeitsverhältnisse etablierte, begann wegen der neuen Formen der Produktion zu zerbrechen. Diese neue Produktionsweise begünstigte einen extensiven Futtermittelanbau und   Zucht von Vieh  höchster Qualität.

Wie wir zuvor gesagt haben, verkauften die Hacendados die am Rande liegenden Ländereien (als Jalcas bekannt oder als Ebenen, die auf der Höhe lagen). Dies wurde gemacht, um mehr Kapital zu gewinnen und dieses später für die Produktion von Mich und Milchprodukten zu nutzen. Die Bauern, die nicht in der Lage waren, diese zum Verkauf gestellten Ländereien zu erwerben, mußten die Haciendas verlassen, obwohl sie dort lange Zeit Parzellen als Pächter besaßen oder trotz knechtschaftlicher Verhältnisse dort tätig waren. Diejenigen, die es schafften, Ländereien zu kaufen, widmeten sich der Viehzucht für die Milchproduktion und lieferten ihren ganzenErtrag an die Firma Nestlé. Dieses Phänomen der Parzellierung und des Verkaufs der Ländereien Cajamarcas dauerte an und intensivierte sich sogar über die 60er Jahre hinaus. Mögliche Erklärung dafür war die bevorstehende Agrarreform in Cajamarca. (12)

Die Forderungen, die der Verein der Agricultores y Ganaderos gegenüber dem Staat stellte, wurden von Erfolg gekrönt. Wichtige Errungenschaften in diesem Sinne waren: Fertigstellung der Landstraße in Richtung Küste, Bau eines Flugplatzes und eines Hotels für Touristen, Bewässerungsprojekte, Kredite zur Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung usw. Der Verein spielte auch eine sehr wichtige Rolle, die Firma Nestlé zu einer Niederlassung zu bewegen. Ein wichtiger Erfolg innerhalb dieser Zeit war auch die Schaffung eines Binnenmarktes für den Handel mit Milch (C. Deere, 1992: 181-183).

Mitte der 40er Jahre erreichte die angehende Milchproduktion, dank der Initiative und individueller Bemühungen einer Gruppe dieser sogenannten Pionier-Hacendados eine Entwicklung, die wegen der industriellen Massenproduktion hohe Investitionen und Kapitalanlagen erfordelich machte. Den Hacendados fehlte dieses Kapital  und der Staat selbst hatte wenig Interesse daran, diese Projekte zu fördern, mit der Begründung, sie seien nicht von hoher Priorität für die Entwicklung des Landes.

Wie bereits erwähnt, war das Jahr 1947 besonders günstig für  Nestlé, denn dieses Unternehmen erweiterte seine Operationen in Cajamarca, um frische Milch -  Hauptbestandteil aller Milchprodukte - zu gewinnen. Diese Initiative wurde durch die Begünstigungen des peruanischen Staates gefördert. Es ist allerdings erfordelich, die Folgen des Zweiten Weltkrieges zu erwähnen, die die Einfuhr von zusätzlich benötigten Produkten zur Aufrechterhaltung der Fabrik in Chiclayo für Kondensmilch erschwerten.

Perulac (13) war für die Herstellung, Lagerung und den Handel mit Milch und Milchprodukten zuständig. Das Unternehmen begann seine Aktivitäten mit der Abnahme von Milch in den Tälern Cajamarcas mit Hilfe von Tank-LKWs, die mit Kühlräumen bzw. Kühlkammern bestückt waren. Die Milch mußte  gesammelt und danach in die Kühlräume der LKWs abgefüllt werden, bis sie in die Verarbeitungsanlagen der Firma Nestlé in der Küstenstadt Chiclayo (14), geliefert wurden. Im Laufe des ersten Jahres konnte die Firma mehr als 3.000 Liter frische Milch täglich aufnehmen.

Im Rahmen des zunehmenden Milchangebotes und unter dem wachsenden Druck vom Verein der Viehzüchter, mußte Perulac eine Fabrik zur Milchverdickung (condensación de leche) in Cajamarca bauen. Diese Fabrik wurde die erste Industrieanlage in dieser Region überhaupt. Zu Beginn arbeitete die Fabrik nur mit  9% ihrer Gesamtkapazität und beschäftigte bis zu 57 Personen.

In der Absicht neue Zulieferer zu gewinnen, bot Perulac höhere  Preise beim Ankauf von frischer Milch. Die Angebote waren zwar höher als die marktüblichen, jedoch mußten diese Preise  ständig den Umständen angepaßt werden. Grund dafür war die Inflation, die das Land Peru mehr als eine Dekade belastete (vom Ende der 40er und bis zum Beginn der 50er Jahre). Die Festsetzung der Milchpreise und die protektionistische Politik des Staates zu Gunsten der Fabriken  und Milchverabeitungsanlagen, etwa durch Zuschüsse, waren die logischen Forderungsmaßnahmen. Diese Begüngstigungen riefen starke und andauerdende Diskussionen hervor, die sich meistens als extrem und unfruchtbar erwiesen. Teilnehmer an diesen Diskussionen waren die transnationalen Firmen, der Staat, der Verein der  Landwirte und mehr oder weniger einige Bauernorganisationen und politische Parteien.

Parallel zu dieser Situation gründete die Firma Nestlé ein Programa de Apoyo para el Fomento de la Ganadería (z. dt. Begleitprogramm zur Förderung der Viehwirtschaft, um die Milchproduktion der Hacendados zu unterstützen.

Einige dieser Anreize waren:

  • Kredite, Anleihen und Erleichterungen für den Import von Vieh
  • Verleih von Traktoren, Kippern, Raupenschleppern, Reifen zu günstigen Preisen
  • Bauprogramme zur Errichtung von Ställen und Silos, die zu 50% von der Perulac getragen wurden
  • Experimentierfelder für Viehfutteranbau
  •  Programme für Straßen-, Brücken-  und Wegebau, Ausbesserung und Wartung des vorhandenen Netzes
  • Abgabe von Eimern, Sieben und Milchkannen " (M. Wagner, 1982: 86

Im Laufe der Jahre wurden diese Leistungen immer weniger. Einige davon, wie zum Beispiel die Wartung der Fahrwege für das Sammeln der Milch, die Fortsetzung der künstlichen Befruchtung sowie die Publikation eines fachlichen Informationsbulletins blieben in den Hände von Nestlé. Andere Dienste wurden dem Verein der Viehzüchter oder  staatlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel dem Ministerium für Landwirtschaft, übertragen und von ihnen weitergeführt.

Die Milchproduktion in Cajamarca verbuchte ein schnelles Wachstum, was  den folgenden Daten zu entnehmen ist: Zu Beginn der Produktion im Jahr 1949 lieferten 59 Hersteller täglich mehr als 4.000 Liter Milch zu. Diese Zahlen änderten sich  rasant. Im Jahr 1970  waren es 680 Hersteller, die etwas mehr als 48.000 Liter  Milch lieferten. Das Wachstum nahm unaufhaltsam  zu. Zur Zeit nimmt  Nestlé 160.000 Liter von 2.300 Milchherstellern täglich ab.

Die aktuelle Gesamtproduktion frischer Milch beläuft sich täglich auf 215.000 Liter, die von  4.500 Milchproduzenten kommt. Diese  sind allerdings im Besitz von Parzellen, die fünf Hektar nicht übersteigen; d.h., daß fast 75% der Gesamtproduktion des sogenannten Milchbeckens Cajamarcas von der Firma Nestlé für ihre eigene Verarbeitung aufgekauft wird. Der Rest der Milchprodukte wird größtenteils für die Käseproduktion oder als  frische Milch in der Stadt Cajamarca zum Verkauf angeboten. Auch wird ein Teil der Milch für die Kinder in den Schulen verteilt.

Um den täglichen Bedarf an Milch für ihre Verarbeitungsanlage zu decken, hat Nestlé-Incalac ein Sammelverfahren mit vorher festgelegten Routen (Fahrstrecken) erarbeitet. Zu diesem Ziel hat Nestlé die Dienste von privaten LKW-Fahrern in Anspruch genommen, die  die porongos (Milchkannen) zuerst in die centros de enfriamiento (Anlagen zur Abkühlung der Milch), die an bestimmten Ortschaften entlang der verschiedenen Routen strategischerweise gebaut wurden, abtransportieren. Nach dieser Voransammlung erfolgt der endgültige Weitertransport, der in der Zentralverarbeitungsanlage in Cajamarca endet.

In dieser Fabrik Cajamarcas wird die Milch mit einem Verdampfungsverfahren verarbeitet. Diese Art der Verarbeitung gründet auf einem Wärmeverfahren, das aus der  Milch ein solides, dauerhaftes und transportfähiges Produkt macht, so daß es nach Chiclayo an der nördlichen Küste zur Endverarbeitung abtransportiert werden kann.

In Chiclayo wird die pasteurisierte (keimfrei gemachte) Milch mit Milchpulver bzw. Trockenmilch und anderen Ingredentien gemischt. Aus diesem Prozeß entsteht an erster Stelle die leche evaporada (Kondensmilch); zuletzt wird gezuckerte Milch gewonnen. Der nächste Schritt in dieser Prozedur ist  das Abfüllen und  Verpacken, so daß die Milchprodukte für den Transport und Handel fertiggestellt werden können.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu unterstreichen, daß die Nachfrage für diese Milchsorte im Verhältnis zu anderen Milchprodukten, beispielsweise Butter, Käse, Joghurt, keimfreie Milch usw., auf dem peruanischen Markt äußerst hoch ist. (Bernet, 1998: 23-24). Es wird geschätzt, daß aus den 219.000 metrischen Tonnen  der Gesamtmilchprodukte in Peru zwischen Januar und Juli 1996  etwa 175.000 Tonnen  als Kondensmilch verbraucht wurden. Das bedeutet fast 80% der Gesamtproduktion.Tendenz  steigend!

Es ist auch nicht zu vergessen, daß Peru ein Einzelfall in Südamerika ist, in dem diese Milchsorte in höheren Mengen verbraucht und getrunken wird. Bis vor fünfzehn Jahren war diese Milch praktisch die einzige auf dem einheimischen Markt Perus. Im Grunde genommen ”ist die Kondensmilch (offiziell) eine Rekombination, d.h. sie besteht aus 65%  frischer, nationaler Milch und 35% aus importierten Ingredentien wie beispielsweise Milchpulver, Fettwaren, usw.. Dieses Endprodukt wird letztendlich in Dosen abgefüllt.” (Seifert, 1990: 224). Von daher bestehen ernste Zweifel daran, ob diese Milchsorte erforderliche nahrhafte Stoffe, insbesondere für Säuglinge und Kinder, beinhaltet. (15)

Hinter dieser Situation werden verschiedene Probleme verschleiert, die mit der Tragödie des Landes zu tun haben: Armut und Unterernährung, Mangel an einer transparenten landwirtlichen Entwicklungspolitik sowie die Abhängigkeit des Gebietes in und um Cajamarca von der Küste.

Die Produktion von Milch, wie die von Milchprodukten überhaupt, liegt in den Händen der transnationalen Firmen wie Carnation Corporation (ursprünglich nordamerikanisches Kapital) und der Nestlé, deren Hauptsitz sich in der Schweiz befindet. Beide Firmen beherrschen den Markt für die Milchprodukte. Typisches Beispiel für diese Tatsache ist die führende Position von beiden Firmen in der Produktion und im Handel mit der Kondensmilch. Dabei ist festzustellen, daß der Verbrauch anderer Milchprodukte, wie pasteurisierte Milch, Joghurt, Sahne oder Butter sehr gering ist und fast keine Bedeutung auf dem Markt hat.

Die  folgende Grafik* (hier nicht abgebildet) zeigt die wichtigsten Unternehmen für die Verarbeitung der Milch auf dem peruanischen Markt. Dabei ist die Dominanz von Gloria (Carnation Corporation), Nestlé und New Zealand Dairy Products unübersehbar. Diese drei transnationalen Firmen teilen sich mehr als 90% des Marktes.

Hieraus ist auch ersichtlich, daß Cajamarca im Zeitraum zwischen 1992 - 96 11% der Milchproduktion des Landes hatte, wie das  Milchbecken Limas. Inzwischen ist diese
Milchmenge angewachsen, so daß sie 14% der Gesamtproduktion überschritten hat. Obwohl die Milchproduktion in Peru seit 1963  etwas mehr als 14%  jährlich zugenommen hat, erreicht der Konsum  der Milchprodukte pro Kopf kaum 65 kg im Jahr, was übrigens als einer der niedrigsten in Lateinamerika gilt. Diese Menge liegt weit unter den von den Einrichtungen der Vereinten Nationen empfohlenen 120 kg für jede Person.

Es scheint so, daß das Monopol für Kondensmilch, das von den zwei transnationalen Firmen gehalten wird, auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden wird. Vor kurzer Zeit sind  neue Firmen gegründet worden, die für die Produktion anderer wettbewerbsfähiger Milchprodukte investiert haben (z.B. pasteurisierte Milch, Butter, Joghurt, usw.). Dies ist in der Hauptstadt Lima festzustellen, wo auch die Nachfrage für solche frischen  Produkte weiter anwächst. Trotz dieser Tatsache können die neuen Firmen mit Nestlé und Carnation noch nicht konkurrieren: Diese Konzerne kontrollieren die Preise   und den Ankauf der vorhandenen Milch.

Die Politik der beiden Transnationalen ist es, ihre errungene und herrschende Position mit der Kondensmilch auf dem peruanischen Markt zu  festigen. Mittel dazu  sind einerseits, die Reduzierung der Produktionskosten und andererseits die Absicherung der Systeme zur Abnahme der Milch. Die Firma Nestlé z.B. wird in den kommenden Jahren wichtige Investitionen in Cajamarca  tätigen, um  erstens ihr Abnahmeverfahren auf andere Orte  zu erweitern; zweitens, um neue Kühlsysteme und -räume bauen zu können; drittens, um die Qualität der Rinder zur Milchproduktion zu verbessern. (Bernet, 1998: 27). Es wird angenommen, daß Incalac langfristig  etwa 500.000 Liter Milch täglich in Cajamarca abnehmen wird. (16)

Schlußbemerkungen

Cajamarca ist vom historischen Prozeß der Kapitalismusentwicklung in der nördlichen Region Perus gekennzeichnet, was wiederum ein neues, sozioökonomisches Profil des Departements zur logischen Folge gehabt hat. Dieser Prozeß der Veränderung hat die Küste begüngstigt und Cajamarca benachteiligt. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die ganze Wirtschaft des Departements im Interesse der Küste umgestaltet wurde. Die Spielregeln innerhalb dieser Produktionsweise haben Cajamarca eine untergeordnete Rolle zuerteilt, die jedoch letztendlich sehr wichtig für die Logik  der Akkumulation und Vermehrung des Kapitals ist. Anders erläutert sieht die Rolle Cajamarcas so aus:

  1. Landgüter produzieren für den Verbrauch in den Städten und an der Küste;
  2. Es ist ein großes Reservoir für  billige Arbeitskräfte,
  3. Es besitzt riesige Wasservorkommen für Wasserkraftwerke wie auch für die Bewässerung in nördlichen Küstenregionen.
  4. Es verfügt über Ressourcen, von denen jedoch andere Gebiete profitieren.

Andererseits ist nicht zu vergessen, daß die entstandenen Gewinne und Überschüsse aus den wenigen Investitionen, die in der Landwirtschaft Cajamarcas getätigt wurden, außerhalb des Gebietes oder des Landes selbst angelegt werden. Die Präsenz der Nestlé in Cajamarca hat die Rolle dieses Departements nur gering geändert, eher hat sie, die Nestlé, sie unvermeidlich erweitert und festgelegt. Die Ankunft dieser transnationalen Firma begüngstigte eine Beschleunigung  der angehenden Veränderungen in der Landwirtschaft, die sich schon am Anfang der 40er Jahre bemerkbar machten.

Seitdem ist zu bemerken, daß die Produktion mehr vom Bedarf und von der Nachfrage des Marktes als von den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung bestimmt wird. Zugleich entwickelte sich eine Zunahme  von Minifundien (Kleinstgrundstücke)  und auch die Verminderung von Stellenangeboten. Die ökonomische Gesamtsituation legte die Grundlage für die Emigration, ja für die Vertreibung der bäuerlichen Arbeitskräfte Cajamarcas. Die Entwicklung der Viehzucht und die Aktivität der Nestlé in Cajamarca haben  folgende Konsequenzen herbeigeführt:

  • Wachsende Tendenz der traditionellen Landwirtschaft zum Kapitalismus, wegen der  agroindustriellen Nachfrage.
  • Mit der Präsenz der Nestlé wurde eine neue Dynamik in die Viehzucht gebracht. Die Milchproduktion beschäftigt direkt und indirekt mehr als 60.000 Personen.
  • Abhängigkeit der Milchproduzenten von der Incalac/Nestlé. Dieses Unternehmen ist praktisch der alleinige Käufer und Abnehmer der Milch in der ganzen Region. Die Nestlé setzt somit denPreis für die Milch fest. In diesem Preis sind schon die Kosten enthalten für die Abnahme, ebenso wie die Kosten für die technische Beihilfe, die die Firma den Milchherstellern anbietet, so daß diese die beste Qualität sowohl der Rinder  als auch der Milch erzielen können.
  • Verstärkung der Viehwirtschaft und somit  Verminderung der Ländereien zum Lebensmittelanbau, d.h. mehr Futter für das Milchvieh und weniger anbaufähiges Land. Eine andere Konsequenz daraus war die Proletarisierung  der wenig  vorhandenen Arbeitskräfte, die normalerweise  in der Viehzücht eingesetzt wurden, beispielsweise auf den großen und mittelgroßen Landgütern.
  • Als Ergebnis des vorher Gesagten fand eine Bewegung und Auswanderung der einheimischen Bevölkerung aus den Tälern in die hochliegenden Ebenen, Jalcas genannt, statt. Erweiterung der landwirtschaftlichen Grenze, denn es wurden auch auf diesen Ebenen (Jalcas) Viehweiden angelegt, obwohl diese Ländereien nicht geeignet waren für die intensiven  Praktiken derViehwirtschaft. Eher waren diese Flächen für die  saisonabhängigen  Weidenutzung bestimmt.
  • Veränderungen ergaben sich im Bereich des Flächenbesitzes. Die Jalcas wurden bevölkert und sie schufen neue bewohnte Gegenden, sowie ein großes  Handelsnetz für die Viehwirtschaft, das besonders während des Jahr- oder Wochenmarktes zur Geltung kommt ( Rodríguez Villa, 1994: 183 ).
  • Ein anderes Ergebnis war die Ausplünderung der Wälder und die Verschlechterung der natürlichen Rohstoffe auf den Jalcas, als Folge der Nutzung bzw. Veränderung beim Anbau in der  Ländereien dieser Zone, sowie wegen der Zunahme der Produktionsarbeiten und nicht zuletzt wegen des demographischen Wachstums.
  • Die Incalac hat auch ihre Route für den Milchankauf bis zu den Jalcas erweitert (Rodríguez Villa,1998: 77).
  • Die Nestlé hat den Herrstellern ein wirtschaftliches Einkommen zugesichert und somit der Wirtschaft Cajamarcas eine neue Dynamik gebracht. Ein Beispiel dafür sind die neuesten Strukturen beim Tauschverkehr, die in dieser Zone entstanden sind, wie beispielsweise die Vermarktung der Rinder, sowie von Käse und Süßigkeiten, deren wesentlicher Bestandteil Milch ist.
  • Trotz der technologischen Verbesserungen und der technischen Beihilfe der letzten Jahre ist die Produktivität des Viehs niedrig. Die Fütterung der Tiere erfolgt hauptsächlich auf  Weiden und Resten von Bebauungen. Mit anderen Worten: die Tiere bekommen Futter ohne besondere Nährstoffe. Die Produktionssysteme in der Viehwirtschaft, die auf der intensiven Nutzung von Weide und Viehfutter gründet, werden unzureichend praktiziert.

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Anmerkungen

[1] In einigen Orten der Provinz Cajamarca gibt es heutzutage Familien, die noch Quechua sprechen,wie beispielsweise im Distrikt Chetilla. Bis vor einigen Jahren wurde Quechua in den Distrikten Porcón (Provinz Cajamarca) und Chala (Provinz Bambamarca) gesprochen.

[2] Die Hacienda  entspricht dem Landgut oder der Farm und der Ranch.

(4) Ofiziell wird die Armut Perus an bestimmten wirtschaftlichen und sozialen  Indikatoren gemessen. Sie kommen aus dem Bereich der Demographie, der Schulbildung und Wohnverhältnisse (Stromversorgung, Wasserleitung und Abwasser). Dazu gibt es eine Landkarte der sozialen Investition (1994), bekannt als "Landkarte der Armut", derer Herausgeber Regierungseinrichtungen und die UNICEF sind. Dieser Landkarte zufolge ist Cajamarca als das drittärmste Departement Perus zu sehen.

(5) Aus dem Inkareich entstand das Vizekönigreich Peru (Virreinato del Perú), dessen oberster Verwalter und Vertreter des spanischen Königs der Virrey oder Vizekönig war. Lima, das Zentrum der kolonialen Macht, wurde die capital virreynal, d.h. die Hauptstadt des Vizekönigreiches.

(6) Der arriero oder Maultiertreiber war eine sehr wichtige Figur in der ländlichen Wirtschaft Perus. Der arriero war eine Verbindungsperson und ein Informationsträger für Gemeinden, Dörfer und Städte anderer Gebiete. Er brachte nicht nur Tiere und andere Gegenstände zum Verkauf oder Tausch, sondern auch eigene Traditionen und Gebräuche. Der peruanische Dichter César Vallejo (1892-1938) nahm das Leben und die Arbeitstätigkeit der arrieros als poetisches Motiv in seinem Gedicht "Los Arrieros"auf, das in dem Buch "Los Heraldos Negros" (z.dt. Die schwarzen Boten ), Lima , 1918, veröffentlicht wurde.

(7) Im Jahr 1605, nur als Beispiel, schickte ein Händler in die Hauptstadt Lima, von Pizarro und Almagro als "Stadt der Könige" getauft, 11.877 Lämmer und 1.184 Jungstiere. Laut einiger Dokumente der Kolonialzeit, genaugenommen vom 17.Jahrhundert, benötigten Lima und der Hafen Callao jährlich 200.000 Lämmer, die aus Cajamarca und anderen andinischen Provinzen angeliefert wurden.

(8) Es besteht keinen Zweifel, daß die Expansion der Zuckerindustrie die Emigration aus dem Gebirge zur Küste verursachte, was mit sich eine Zunahme der Bevölkerung im Norden brachte, zum Beispiel zwischen 1876 und 1940 belief sich das Wachstum der Bevölkerung jährlich auf 4%. In anderen Orten, in denen sich die Zuckerplantagen befanden, verdoppelte sich die Zahl. Dies geschah in dem Zeitraum zwischen 1876 und 1916.

(9) Incalac gilt als Abkürzung für: Industria Cajamarquina de Lácteos (z. dt. Industrie Cajamarcas für Milchprodukte bzw. Milcherzeugnisse) 

(10) Siehe dazu: Eslava (1973), Reyes Coronado (1977), Taylor (1983), Seifert (1990), Deere (1992).

(11) Im Jahr 1911 wurde geschätzt, daß Cajamarca im Besitz von 185.000 bis 200.000 Rinder und einer ähnlicher Anzahl von Wollvieh war. Ein einziges Unternehmen Cajamarcas fuhrte in den 20er Jahren zwischen 3.000 bis 4.500 Rinder jährlich nach anderen Gebieten Perus aus.

(12) Im  Oktober 1968 putschte der Stabschef der peruanischen Streitkräfte General EP  Juan Velasco Alvarado (1909-1977) gegen die Regierung des amtierenden Präsidenten Fernando Belaúnde Terry. Die Militärjunta, selbsternannt "Gobierno Revolucionario de las Fuerzas Armadas" (z. dt. Revolutionäre Regierung der Peruanischen Streitkräfte), erließ als Teil des Inka -Plans das Gesetz Nr. 17716 vom Juni 1969 über die Agrarreform in Peru. Unter dem Motto "Bauern Perus! Der Patron wird nicht mehr aus deiner Armut essen!" wurde auch die Erschaffung der Kooperativen, Agrargenossenschaften, Agrartribunalen und des CENCIRA (z. dt. Nationales  Zentrum zur Kooperation und Forschung  der Agrarreform) usw. begonnen.

(13) Der offizielle Name von Nestlé in Peru war Compañia Peruana de Alimentos Lácteos S.A. oder Perulac (z.dt. Peruanische Compagnie von Milchprodukten GmbH). Dieser Name wurde durch Incalac, Industria Cajamarquina de Productos Lácteos (z.dt. Industrie Cajamarcas für Milchprodukte) ersetzt.

(14) Die Distanz zwischen Cajamarca und Chiclayo beträgt 270 km. Diese Strecke wurde damals binnen 12  Reisestunden auf einer  carretera afirmada (z. dt. Landstraße ohne Zement- oder Teerdecke) zurückgelegt.

(15) In Peru ist der Verbrauch der Kondensmilch so verbreitet, daß sogar die Bevölkerung mit geringem Einkommen diese Milch als Ersatz für die Muttermilch nimmt. In den 80er Jahren fand ein Boykott gegen die Firma Nestlé in einigen europäischen Ländern wie Deutschland, Schweden und Dänemark statt. Der Boykott umfaßte auch eine Aktion gegen den Verkauf ihrer Produkte in der sogenannten Dritten Welt. Die gegen Nestlé erhobenen Vorwürfe waren, daß der Konsum dieser Milchsorte als Ersatz für die Muttermilch infektiöse Krankheiten, Durchfall und sogar den Tod der Säuglinge verursache. (Siehe dazu: Blätter des iz 3w, Nr. 15, Freiburg i. Br., 1984).