Aus dem Brief an Bischof Luigi Bettazzi vom 10. Oktober 1999 (von Willi Knecht):
„Über den Kontakt mit Prälat Hüssler aus Freiburg haben wir mit großer Freude erfahren, dass Sie als guter Freund von Bischof Dammert bereit sind, an einer Studie über dessen Arbeit und Werk mitzuarbeiten. Prälat Hüssler, ehemaliger Präsident von Caritas Deutschland, hat von unserer Studie erfahren und hält diese für sehr wichtig und interessant. Er berichtete uns, dass Sie Bischof Dammert seit den Tagen des Konzils sehr gut kennen. Sie haben nicht nur mit Bischof Dammert zusammengearbeitet, sondern Sie gehörten auch zu einer Gruppe von Bischöfen, die sich, inspiriert vom Geiste von Charles de Foucauld, regelmäßig trafen, um das Thema der Armut und einer Option für die Armen gründlicher zu behandeln. Dies geschah auch durch den Impuls des Hl. Vaters Juan XXIII, der bereits vor der Eröffnung des Konzils zum ersten Mal von einer Präferenz zugunsten der Armen sprach, ein Thema, das Kardinal Lercaro in der ersten Konzilsperiode vertiefte und das schließlich in Medellín zum zentralen Thema wurde.
Es wäre für unsere Studie sehr wichtig, etwas mehr von dieser Gruppe der Bischöfe zu erfahren, von ihren Sorgen, ihrer inneren Unruhe und ihren Hoffnungen. Es hätte viel mehr Gewicht, wenn ein Zeitzeuge und ein guter Freund von Bischof Dammert etwas authentisches schreiben könnte, so z.B. auch über das Treffen am 16. November 1963 der erwähnten Bischöfe in den Katakomben der Domitilla. ... Ihr Beitrag wäre nicht nur für unsere Studie etwas sehr Wertvolles, noch viel mehr wäre es ein Dienst an Bischof Dammert, seinem Werk und seinem Einsatz zugunsten der Armen“.
Der Beitrag von Luigi Bettazzi, ehemaliger Bischof von Ivrea:
Bischof José Dammert habe ich während des Zweites Vatikanisches Konzil kennen gelernt. In der Zeit davor hatte ich mich - auf Anregung von Prälat Georg Hüssler - für die Verbreitung der Priestergemeinschaft Jesus Caritas in Italien interessiert. Dies ist eine Bewegung von Priestern, die sich an der Spiritualität von Charles de Foucauld orientieren: Evangelium, Eucharistie und Teilen mit den Armen. Deswegen waren bei meiner Einsetzung als Bischof (am 4.10.1963, zu Beginn der zweiten Sitzungsperiode des Konzils) der Gründer der Bewegung, der französische Bischof Guy Riobé, und der afrikanische Bischof Pierre Célestin Nkou dabei.
Nach seiner Rückkehr nach Rom hatte Bischof Riobé wöchentliche Treffen von Bischöfen initiiert, die entweder bereits Mitglieder der Priestergemeinschaft waren oder die zumindest dieser Spiritualität nahe standen. Als einer der ersten Bischöfe hatte sich Bischof Dammert dieser Gruppe angeschlossen, die bis zum Ende des Konzils zwanzig Bischöfe aus achtzehn Nationen und aus vier Erdteilen zählen sollte. Wir trafen uns wöchentlich für eine Stunde Anbetung und eine „révision de vie“, in der u.a. die in den Vollversammlungen vorgeschlagenen Themen weiterentwickelt wurden, indem sie vor allem im Licht des Themas der „Kirche der Armen“ bewertet wurden, das gerade als Querschnittsthema in allen Verhandlungen auftauchte. Bei diesen Treffen bedachten wir auch und tauschten unsere Erfahrungen aus, in welchem Stil ein Bischof sein Amt ausüben sollte. Ein Bischof sollte einfacher, näher am Volk und mehr für die Gerechtigkeit und Solidarität engagiert sein. Gerade diese Ideen wirkten wie Sauerteig in den nichtoffiziellen Begegnungen zwischen Bischöfen (einige angeregt z.B. vom belgischen Professor Houtard oder von Abbé Boulard aus Frankreich.
Diese Begegnungen fanden ihren Höhepunkt in einer Versammlung für Gebet und Engagement, die in den Domitilla-Katakomben abgehalten wurde. Hier entstand das Positionspapier „Modell des Bischofs“, das zum größten Teil von der Gruppe „Jesus Caritas“ inspiriert war. Diese Gruppe wurde im Scherz - in Analogie zu den „Kleinen Brüdern" - die „Bruderschaft der Kleinen Bischöfe“ genannt. Ich glaube, es lohnt sich, dieses Dokument zu zitieren, das Kardinal Lercaro, Erzbischof von Bologna und einer der vier Moderatoren des Konzils, dem Papst übergab. Das Dokument wurde in Anlehnung an das sogenannte Schema 13 (Skizze der Konstitution „Gaudium et Spes“) im Scherz „Schema 14“ genannt.
„Wir auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil versammelten Bischöfe sind uns bewusst, dass wir die evangelische Armut nur mangelhaft leben. Wir möchten die einen und die anderen zu einem Weg ermutigen, auf dem jeder von uns die Vereinzelung und die Überheblichkeit vermeiden sollte. Verbunden mit allen unseren Brüdern im Bischofsamt, vertrauen wir vor allem auf die Kraft und die Gnade unseren Herrn Jesus Christus und auf das Gebet der Gläubigen und der Priester unserer jeweiligen Diözesen. Im Angesicht der Ewigkeit, vor der Kirche Christi und den Priestern und Gläubigen unserer Diözesen, verpflichten wir uns im Bewusstsein unserer Schwachheit, aber auch mit aller Entschiedenheit und Kraft, zu der Gott uns die Gnade geben will, zu folgendem:
- Wir suchen im Bezug auf Kleidung, Ernährung, Transportmitteln und allem, was damit zu tun hat, dem gewöhnlichen Stil unserer Bevölkerung entsprechend zu leben (vgl. Mt 5,3; 6,33; 8,20).
- Wir verzichten für immer auf Reichtum in unserem Auftreten und in unserem Alltag, besonders in der Kleidung (kostbare Stoffe, prunkvolle Farben ...) und bei den Insignien auf wertvolle Materialien. Diese Zeichen müssen dem Evangelium gemäß sein (vgl. Mk, 6,9; Mt 10,9-10; Apg 3,6).
- Wir werden weder Immobilien noch bewegliche Güter noch laufende Bankkonten auf unseren eigenen Namen und dergleichen besitzen. Falls wir etwas besitzen müssen, werden wir alles auf den Namen der Diözese oder sozialer bzw. karitativer Einrichtungen laufen lassen (vgl. Mt 6,19.21; Lk 12,33-34).
- Jedes Mal, wenn es möglich ist, werden wir in unseren Diözesen die Finanzverwaltung einem Gremium von kompetenten und ihrer apostolischen Verantwortung bewussten Laien anvertrauen, um immer weniger Verwalter und immer mehr Hirten und Apostel zu sein (vgl. Mt 10,8: Lk 12,33-34).
- Wir wünschen weder mündlich noch schriftlich mit Namen oder Titeln angeredet zu werden, die Größe und Macht ausdrücken (Eminenz, Exzellenz, Monsignore). Wir würden es vorziehen, mit dem evangeliumsgemäßen Namen „Vater“ angesprochen zu werden.
- Wir werden in unserem Verhalten und in den sozialen Beziehungen alles vermeiden, was Reichen und Mächtigen irgendwelche Privilegien, Vorrang oder Vorzüge zuzuerkennen scheint (z.B. angebotene oder angenommene Einladungen zum Essen, unterschiedliche Rangordnunge; n im Kult - vgl. Lk 13,12.14; 1 Kor 9,14.19).
- Wir werden es vermeiden, bei wem auch immer, den Geltungsdrang zu erwecken oder diesem zu schmeicheln, sei es um Geschenke zu vergelten oder zu fordern oder aus irgendeinem anderen Grund. Wir werden unsere Gläubigen dazu einladen, ihre Geschenke als normale Beteiligung am Kult, am Apostolat oder der sozialen Aktion zu betrachten (vgl. Mt 6,2.4; Lk 15,9.13; 2 Kor 12,14).
- Wir werden so viel wie nötig von unserer Zeit, unserer Reflexion, von unserem Herzen, unseren Mitteln usw. dem apostolischen und pastoralen Dienst an den Personen oder Gruppen von Arbeitern, den wirtschaftlich Schwachen und Unterentwickelten widmen - jedoch ohne dass dies den anderen Personen oder Gruppen der Diözese schadet. Wir werden die Laien, Ordensleute, Diakone und Priester unterstützen, die der Herr dazu beruft, die Arbeiter und Armen zu evangelisieren, indem sie am Leben der Arbeiter und an der Arbeit teilnehmen (vgl. Lk 4,18; Mk 6,4; Mt 1,45; Apg 18,3.4; 20, 33.35; 1 Kor 4,12: 9,1.27).
- Im Bewusstsein der Erfordernisse der Gerechtigkeit, der Liebe und deren wechselseitigen Beziehungen, werden wir die Werke der Mildtätigkeit in soziale, auf die Gerechtigkeit und die Liebe gegründete Werke zu verwandeln suchen, die alle Menschen und alle ihre Bedürfnisse berücksichtigen sollen (vgl. Mt 25,31.46; Lk 13, 12.14.33-34).
- Wir werden alles tun, dass die Verantwortlichen unserer Regierungen und unserer öffentlichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit, Strukturen und soziale Einrichtungen beschließen und realisieren, die für die Gerechtigkeit, die Gleichheit und die organisierte und vollkommene Entwicklung jedes Menschen notwendig sind - und damit auch notwendig für die Verwirklichung einer neuen sozialen Ordnung, die den Kindern der Menschen und den Kindern Gottes würdig ist (vgl. Apg 2,44-45; 4,32.33.35; 2 Kor 8-91 Tim 5,16).
- Die Kollegialität der Bischöfe wird am besten dem Evangelium gemäß verwirklicht, indem wir gemeinsam Verantwortung gegenüber den Menschen übernehmen, die sich im physischen, kulturellen und moralischem Elend befinden - also gegenüber von zwei Dritteln der Menschheit. Wir verpflichten uns, je nach unseren Mitteln einen Beitrag zu leisten zu den dringenden Investitionen der Bischofskonferenzen der armen Länder. Auf der Ebene internationaler Organisationen wollen wir als ein Zeugnis des Evangeliums, wie Papst Paul VI. vor der UNO, gemeinsam zur Schaffung ökonomischer und kultureller Strukturen beitragen, die nicht mehr zu immer mehr Armut in einer immer reicheren Welt führen, sondern die es vielmehr den Menschen erlauben, ihr Elend zu verlassen.
- Wir verpflichten uns in der pastoralen Linie unser Leben mit dem unserer Geschwister in Christus, den Priestern, Ordensleuten und Laien zu vereinen, damit unser Amt ein wahrer Dienst sei. Deshalb werden wir uns bemühen, gemeinsam mit ihnen unser Leben zu überprüfen (d.h. gemeinsam eine „révision de vie“ zu machen). Wir werden unsere Mitarbeiter ermutigen, immer mehr Animatoren gemäß dem Geist und weniger im Sinne der Welt zu sein. Wir werden danach streben, auch menschlich immer präsenter und einladender zu sein und wir werden uns allen gegenüber, egal welcher Religionszugehörigkeit, offen zeigen (vgl. Mk 8,34-35; Apg 6,1.7; 1 Tim 3,8.10).
- Nach der Rückkehr in unsere Diözesen werden wir diesen unseren Beschluss den Mitgliedern unserer Diözese bekannt geben und sie bitten, uns mit ihrem Verständnis, ihrer Hilfe und ihren Gebeten zur Seite zu stehen. Gott helfe uns, treu zu sein“.
José Dammert war unter den „Kleinen Bischöfen“ eine zentrale Bezugsperson - und zwar nicht nur aufgrund seiner Weisheit und seiner juristischen Kompetenz, sondern auch wegen seiner auf Kompetenz, die auf einer tiefen persönlichen Erfahrung beruht, zuerst als Weihbischof von Lima, dann in seiner Diözese Cajamarca. Dies dokumentierten kontinuierlich die Briefe, die wir uns nach dem Konzil zu schreiben verpflichteten (Rundbriefe in einem vorher festgelegten Monat, mindestens einmal im Jahr), in denen wir die Situation der jeweiligen Diözesen beschrieben, die Probleme der Nation und der Kirche, sowie das Engagement für die nächste Zukunft.
Bischof Dammert erwies sich als einer der treuesten. In seiner knappen Ausdrucksweise gelang es ihm in wenigen Worten, ein erschöpfendes Panorama der unterschiedlichsten Situationen zu zeichnen. Dies stellte ich auch persönlich fest, als ich, mit einer Visitation der italienischen „Fidei-Donum-Priester“ beauftragt, nach Cajamarca kam - in die Stadt, in der sich die betrogenen Inkas den Europäern ergaben.Hier wurde ich mir der aufmerksamen und großzügigen Pastoral von Bischof Dammert bewusst. Ich empfing das Echo seiner regelmäßigen und mühevollen Reisen, die er unternahm, um jeden Winkel seiner Diözese persönlich kennen zu lernen und Präsenz zu zeigen. Vor allem war für mich die Vitalität einer Kirche mit Händen zu greifen, die von unten geboren wurde, aus einer überzeugten und verantwortlichen Mitarbeit des ganzen Volkes, das vom Bischof angeregt und geleitet wurde.
Im Kontakt mit den Bischöfen bemerkte ich, welche Hochachtung Bischof Dammert innerhalb der Kirche Perus wegen seiner Intuitionen, seiner intellektuellen Vorbildung, seiner Initiativen und seines Mutes genoss. Und vielleicht ist es gerade wegen dieses Mtes, der neue kritische Standpunkte gegenüber den Regierungen (und auch gegenüber gewissen Sektoren der Kirche) erkennen ließ, dass er auf seinem ruhmvollen, aber peripheren und unbequemen Bischofssitz in Cajamarca belassen wurde.
ZWir hatten begonnen, ermutigt und unterstützt vom Sekretär unserer Gruppe, Weihbischof Julius Angerhausen von Essen, zweijährige Treffen zu organisieren (in Brasilien, Rom, Spanien, Panama, Ivrea). Bischof Dammert war einer der eifrigsten, denn er war treu in der Freundschaft und wollte seinen Beitrag zum gemeinsamen Wachsen liefern. Er ist mehrmals nach Ivrea gekommen. Dies wurde auch durch seine perfekten Kenntnisse der italienischen Sprache erleichtert. Er hatte sie während seines Jurastudiums in Pavia gelernt, bevor er den Weg zum Priestertum einschlug. Es war immer eine brüderliche Begegnung, immer in den Reflexionen aufklärend und ermutigend.
Die gesundheitlichen Probleme haben nicht seine Wirksamkeit vermindert. Nach seiner Rückkehr nach Lima widmete er sich, im Lichte des Konzils, das er mit so großer Anteilnahme und Hoffnung gelebt hatte, noch mehr der Aufmerksamkeit seinem Volk gegenüber und dem Wachstum der peruanischen Kirche. Er schrieb über die Geschichte des Christentums in Cajamarca und in Peru und schreibt weiterhin über den Weg der Kirche, der Kirche Perus und der universalen Kirche.
Dem Freund José Dammert wünschen wir ein noch langes und heiteres Leben, ein fruchtbares intellektuelles und kirchliches Engagement sowie die Freude, dieses zunehmend anerkannt und in die Praxis umgesetzt zu sehen.
Luigi Bettazzi, Altbischof von Ivrea, Italien Oktober 1999
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Übersetzung aus dem Italienischen: Barbara Häußler, Würzburg