Ausgangspunkt für die Kirche der Armen ist die Erfahrung der Menschwerdung Gottes in einer täglich erlittenen Realität von Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Die grundlegende Entdeckung der Campesinos ist, dass Gott mitten unter ihnen geboren wurde. Er schenkt neues Leben, er offenbart sich als ein Gott des Lebens. Als Kinder Gottes haben sie eine einzigartige Würde und unantastbare Rechte. Sie haben Hunger nach Gott und nach Brot und dieser Hunger wird nun ansatzweise und zeichenhaft gestillt. Dies ermöglicht ihnen, ihre seit dem Schock der Eroberung unerklärliche Abhängigkeit von den Weißen neu zu deuten: als Bruch der ursprünglichen Harmonie, unter der sie selbst, die gesamte Wirklichkeit und auch alle göttlichen Kräfte leiden. Die Botschaft Jesu ermöglicht ein neues Leben in allen seinen Dimensionen. Dieses neue Leben beginnt jetzt, hier und heute.

Das Glaubensbekenntnis der Campesinos

Die Kirche der Armen (hier der Campesinos) hat nach ihrem eigenen Selbstverständnis keine Theologie entwickelt und sie würde daher ihre inhaltlichen Aussagen nicht „Theologie“ nennen. Ihre Aussagen verstehen sich vielmehr als Glaubensbekenntnisse. Der griechisch-europäische Begriff „Theologie“ trifft nicht das, was die Campesinos meinen. Der Begriff lässt sich nicht in die andine Welt übersetzen, aus zwei Gründen: der griechisch-europäische Gottesbegriff drückt etwas anderes aus, als das, was die Campesinos unter Gott verstehen, erleben und erfahren; zum anderen ist es in den Anden nicht der Logos, von dem her ein Zugang zur Wirklichkeit, die immer auch eine göttliche Wirklichkeit ist, gewonnen werden kann, sondern das Fest, die Riten und vor allem die gelebte Erfahrung innerhalb der Comunidad. Das „Wort Gottes hören“ bedeutet hier, sich seiner Verpflichtung gegenüber der Comunidad, der Natur, dem Kosmos und sich seiner Stellung (Standort) und Verantwortung innerhalb dieses Netzwerkes bewusst zu werden bzw. sie neu und christlich zu interpretieren: als Berufung von Gott, dem Vater und Ursprung aller Menschen. Diese ursprünglich andine Sicht steht nicht im Gegensatz zu der neuen Glaubenspraxis in Bambamarca, sondern vertieft diese.

Der theologische Inhalt wurde den Campesinos nicht als Theorie vorgegeben, allerdings wurden ihnen gewisse „Werkzeuge“ in die Hand gegeben, mit deren Hilfe sie das Wort Gottes, die Botschaft Jesu, entdecken und dann deuten konnten. Sie deuten das Wort Gottes auf dem Hintergrund ihrer eigenen Geschichte, ihrer Erfahrungen und ihrer konkreten Situation und entdecken dabei Parallelen in der Bibel und in der Praxis des Volkes Gottes. Diese Deutung wird hier als Theologie verstanden - auch deswegen, um auf der Basis einer gemeinsamen theologischen Sprache einen Dialog zu führen. Die folgenden Inhalte sind nicht im Sinne einer theologischen Systematik zu sehen. Sie wurden direkt aus der Begegnung mit den Campesinos und deren Glauben heraus entwickelt und formuliert. Sie geben daher das wieder, was für die Campesinos der Inhalt ihres Glaubens ausmacht. Es geht um die Glaubensinhalte, die für die Campesinos Grundlage und Horizont ihres eigenen Glaubensverständnisses und der damit verbundenen Praxis stehen:

Ausgangspunkt für die Kirche der Armen ist die Erfahrung der Menschwerdung Gottes in einer täglich erlittenen Realität von Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Die grundlegende Entdeckung der Campesinos ist, dass Gott mitten unter ihnen geboren wurde. Er schenkt neues Leben, er offenbart sich als ein Gott des Lebens, als dessen Kinder sie sich erfahren. Als Kinder Gottes haben sie eine einzigartige Würde und unantastbare Rechte. Sie haben Hunger nach Gott und nach Brot und dieser Hunger wird nun ansatzweise und zeichenhaft gestillt. Dies ermöglicht ihnen, ihre seit dem Schock der Eroberung unerklärliche Abhängigkeit von den Weißen neu zu deuten: als Bruch der ursprünglichen Harmonie, unter der sie selbst, die gesamte Wirklichkeit und auch alle göttlichen Kräfte leiden. Die Botschaft Jesu ermöglicht ein neues Leben in allen seinen Dimensionen. Dieses neue Leben beginnt jetzt, hier und heute. Jesus ist für sie „die Brücke zwischen Himmel und Erde“. Der Glaube an Jesus und an seine bleibende Gegenwart inmitten der Armen befähigt sie zu einer befreienden Praxis. Aufgrund ihres Glaubens setzen sie sich für eine gerechtere Gesellschaft ein. Dieser Einsatz kann zu Verfolgung führen, erst recht, wenn sie die herrschenden Mächte und die herrschende Religion als falsche Götter entlarven. Doch Jesus ist als Christus mit ihnen und deswegen geht ihr Weg weiter.

Diese Wegegemeinschaft ist die Kirche Jesu Christi. Ihr Glaube findet in der gemeinsamen Feier der Tisch- und Mahlgemeinschaft als Zeichen des Reiches Gottes seinen Höhepunkt und dichteste Ausdrucksform - andin: eine Wiederherstellung der kosmischen Ordnung, in der alle Elemente des Kosmos in einem ausgewogenen Verhältnis und einer gegenseitigen Beziehung leben. Diese Feier bezieht ihre zentrale Bedeutung nicht daher, ob ein geweihter Priester oder ein Katechet die Feier leitet. Sie hat deshalb eine zentrale Bedeutung, weil eine Gemeinschaft in der Praxis des Brot teilen die Gegenwart Gottes erfährt und von daher die Kraft empfängt, Leben und Welt zu verändern. In der Feier selbst ist die gesamte Wirklichkeit bzw. das, was sie bezeichnet, auch tatsächlich enthalten und präsent.

Die Erfahrungen des Volkes Israels mit ihrem Gott, der sie aus der Sklaverei befreite, die Erfahrungen der ersten Christen mit dem auferstandenen Christus und viele Zeugnisse engagierter Männer und Frauen, die ihr Leben hingaben, damit andere in Würde leben können, begleiten sie auf ihrem Weg und geben ihnen Halt und Orientierung. Es ist ein Weg, den schon andere vor ihnen gegangen sind und die ihnen nun als Brücke zur Gegenwart den Weg weisen. Auf diesem Weg werden sie zum Volk Gottes. Als Volk Gottes, auf dem Weg aus der Sklaverei in das Gelobte Land, repräsentieren sie die Gemeinschaft derer, die an Jesus den Christus glauben. Sie sind daher die Kirche Jesu Christi. Sie können sich eine Verwirklichung ihres Glaubens nur in Gemeinschaft vorstellen bzw. indem sie sich für die Gemeinschaft einsetzen. Diese Glaubensgemeinschaft ist durch das Hören des Wortes Gottes entstanden und verwirklicht sich in der Nachfolge Jesu, z.B. so mit einander umzugehen, wie es Jesus vorgelebt hat.

Angesicht ihrer konkreten Situation ist es zentrale Aufgabe dieser Glaubensgemeinschaft, gegen die herrschende Gewalt und für eine Gesellschaft, in der alle Kinder Gottes ein Leben in Fülle haben werden, zu kämpfen. So überwinden sie die tödliche Spaltung der Menschheit und sind so als Kirche Jesu ein Sakrament des Heils für alle Menschen. Sie sind Zeugen der Auferstehung und stehen in der Tradition der Apostel und der ersten Christen. Sie haben am eigenen Leib erlebt, was es heißt, wenn durch völlige Missachtung grundlegender Prinzipien die göttliche Ordnung gestört ist. Die zweite Evangelisierung hilft ihnen dabei, diese Ordnung wieder als eine heilvolle und Sinn stiftende Ordnung zu erfahren.