"Reich und arm - gemeinsam auf dem Weg? - Anspruch und Wirklichkeit deutscher Gemeindepartnerschaften" - so lautet der Titel einer Studie, die in Zusammenarbeit mit dem "Instituto Bartolomé de Las Casas" (Leiter: Gustavo Gutiérrez) und der Katholischen Universität in Lima, und unter Mitarbeit von fünfzehn Pfarrgemeinden in Deutschland und ihren jeweiligen Partnergemeinden in Cajamarca (Peru) sowie der Professoren Elmar Klinger (Würzburg) und Ottmar Fuchs (Tübingen), entsteht.

Veröffentlicht in: © imprimatur August 2001, Heft 4/2001 (Teil I) und Heft 5&6/2001 (Teil II) (Zwischentitel wurden von "imprimatur eingefügt).

Am Beispiel der Entwicklung in der Diözese Cajamarca sollen sowohl die Aufbrüche, Erfolge und Schwierigkeiten, als auch die wechselseitigen Beziehungen mit der deutschen Kirche exemplarisch" untersucht werden. In der Studie steht Cajamarca exemplarisch für den Teil der Welt, der europäische Ge- schichte erleiden musste. Von der "Rückseite der Geschichte" (G. Gutiérrez) her soll am Beispiel von Cajamarca gezeigt werden, wie Gegenwart und Zukunft gestaltet werden können und welche Rolle christlichen Gemeinden in einer immer globaler werdenden Welt zukommen kann. Die Diözese Cajamarca eignet sich als Beispiel wegen ihres Bischofs José Dammert, der in seiner Amtszeit von 1962 - 1992 eine wegweisende sozialpastorale Arbeit begonnen hatte. Cajamarca war auch Schauplatz der ersten "Begegnung" zwischen europäischem Christentum und Südamerika und ist bis heute eine der ärmsten Regionen Südamerikas mit noch überwiegend indianischer Bevölkerung (Campesinos)
 
Brot, Gemeinschaft, Würde


Als die Campesinos nach über 400 Jahren "Christianisierung" erstmals ab 1962 "die Bibel selbst in die Hand nahmen", entdeckten sie in der Bibel einen Gott, den sie nicht zu fürchten brauchten, sondern der auf ihrer Seite und mitten unter ihnen "Wege in ein neues Land" eröffnete. Es begann eine Zeit der Hoff- nung mit konkreten Schritten aus dem Sklavenhaus in das Land, in dem alle Menschen das haben, was sie zum Leben brauchen: Brot, Gemeinschaft, Identität, Würde, Anerkennung und die Gewissheit der Gegenwart Gottes unter ihnen. [1]

Deutsche Kirchengemeinden haben die Campesinos auf ihrem Weg begleitet. Es gab bis 1997 fünfzehn deutsche Gemeinden, die mit Gemeinden der Diözese Cajamarca das Wagnis einer Partnerschaft eingegangen waren. Die deutschen Gemeinden wurden im Dezember 1992 von der Nachricht überrascht, dass Bischof Dammert als Bischof von Cajamarca und Präsident der peruanischen Bischofskonferenz überraschend schnell nach Vollendung seines 75. Lebensjahres zurücktreten musste. [2] Als sich darauf immer deutlicher herausstellte, dass sein Nachfolger ein anderes Verständnis von Partnerschaft, Kirche und Rolle der Laien hatte, entstand das Bedürfnis, aus Treue zu dem bisher zurückgelegten Weg, den Aufbruch der Kirche in Cajamarca und den gemeinsamen Weg seit 1962 zu dokumentieren und Perspektiven für eine Kirche des Volkes Gottes auf der Grundlage des Zweiten Vatikanischen Konzils, der Dokumente von Medellín, Puebla und den Erfahrungen der Campesinos von Cajamarca aufzuzeigen. Die deutschen Gemeinden wollen - so das einhellige Ergebnis der Umfragen - den Kontakt mit den Armen nicht aufgeben, sie wollen mit ihnen weiterhin den Weg gehen, der aus der Gefangenschaft und Sklaverei herausführt in eine Welt, in der jeder Mensch ein gleiches Recht auf die ihm von Gott verheißene Fülle des Lebens hat. Aus christlicher Sicht bedeutet dies, dass die Armen, ihre Bedürfnisse und ihr Hunger nach Gerechtigkeit und nach Gott im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen. Die Basisgruppen in Cajamarca und die deutschen Partnergruppen wollen es nicht einfach hinnehmen, dass ihnen dieser Weg verbaut wird.

Nicht Paten, sondern Partner


Aus Patenschaften wurden Partnerschaften - und unter dem neuen zeitgemäßeren Namen geht es im alten Trott weiter? Die formulierten Ansprüche an eine Partnerschaft sind hoch und die befragten Gruppen wollen in der Tat Partner sein ("gleiche Augenhöhe", von "Angesicht zu Angesicht", "Mission ist keine Einbahnstraße", "von einander lernen" usw.). Die Praxis zeigt aber, dass die Schwierigkeiten und Hindernisse enorm sind und verschärft dann ins Blickfeld geraten, wenn es z. B. durch einen Bischofswechsel zu einem radikalen Kurswechsel in der Diözese der Partnergemeinden kommt. Nun gerät die Struktur der Kirche ins Blickfeld. Wer sind die Partner - genauer: wer ist die Gemeinde, wer und was ist Kirche? Diese Frage wird verschärft, wenn man die Campesinos, wie dies in den Partnergruppen und von den Campesinos selbst so verstanden wird, stellvertretend für alle Ausgegrenzten sieht. In der Tradition der Verkündigung Jesu setzt sich Jesus nicht nur mit den Ausgegrenzten bevorzugt an einen Tisch, vielmehr will er gerade mit ihnen das Reich Gottes zeichenhaft errichten. In der Kirche Jesu als sakramentales Zeichen des Reiches Gottes wird diese Gemeinschaft mit den Ausgegrenzten sichtbar und der Welt als Alternative verkündet (so die Idee...).

Jesu Verkündigung vom Reich Gottes ist Ursprung und Ziel von Kirche und von Gemeindepartnerschaften. Sind aber die (römischen) kirchlichen Strukturen (sei es, dass es jeweils verschiedene Traditionen von Kirche gibt, sei es die Kirche in ihrer real existierenden Verfasstheit als Ganzes) so ge- schaffen, dass sie diese Verkündigung auch tatsächlich leisten können? Konkret auf die so verschie- denen Partner bezogen: Können arme und reiche Gemeinden wirklich zu Partnern werden - vor allem dann, wenn man auch noch die historisch gewachsenen Ursachen der Armut bzw. des Reichtums im Kontext des System der gegenwärtigen Weltwirtschaft in Betracht zieht? Und was geschieht (auch mit den Spenden), wenn ein Bischof und der jeweilige Pfarrer der Partnergemeinde es vorziehen, sich an "den Tisch der Mächtigen" zu setzen und die Stimme der Ausgegrenzten nicht mehr hören (wollen)?

Neben dem Unterschied zwischen arm und reich und den jeweils damit verbundenen Interessen und Optionen und den kirchlich-strukturell bedingten Hindernissen gibt es noch eine andere Schwierigkeit: Wie kann der Arme, als der "Andere zu dieser Gesellschaft", der Ausgegrenzte, der eigentlich gar nicht wahrgenommen werden kann, wenn man nicht "Grenzen überschreitet", überhaupt als solcher wahrgenommen werden? Zumal ein Wahrnehmen des Anderen als Subjekt stets auch impliziert, die Ursachen der Ausgrenzung zu bekämpfen und damit eventuell auch die materiellen und ideologischen Grundlagen der eigenen Gesellschaft zumindest radikal zu hinterfragen. Und dies soll ausgerechnet von deutschen Gemeinden, die alle (materiellen) Vorteile der weltweit reichsten Kirche genießen, geleistet werden können?

Dennoch sei hier die These gewagt: Wären Partnerschaften unter solch verschiedenen Voraussetzungen nicht möglich, wäre auch die "Eine Katholische Kirche" nicht möglich.
 
Die deutschen Partnergruppen lernen sich selbst verstehen

Die fünfzehn deutschen Partnergemeinden, vertreten durch ihre jeweiligen Ausschüsse bzw. Partnerschaftsgruppen, wurden ausführlich befragt. Diese Befragungen geschahen auch aus der Perspektive der Partner in Peru und diese (veränderte, bzw. von einem anderen Standort ausgehende) Perspektive ermöglichte tiefe Einblicke in die pastorale (Not-) Situation in den deutschen Gemeinden. Aus den Antworten aller befragten Gruppen werden folgende Probleme deutlich: das eigene (pastorale) Selbstverständnis ist sehr schwach ausgeprägt; die "Missionierung" in die eigene Gemeinde hinein wird im Ansatz als Auftrag gesehen, doch letztlich als wenig realisierbar eingeschätzt; die Partnerschaftsarbeit in der eigenen Gemeinde und der Ort der Gruppe in der Kirche ist ein Ort "am Rande"; die Gruppen fühlen sich im Stich gelassen bzw. sie haben das Gefühl, "gegen eine Wand zu rennen"; Spiritualität ist in den meisten Gruppen kein Thema (höchstens formal, z.B. in der Form von Fürbitten für die Partner); gerade diejenigen, die sich emotional sehr auf die Partnerschaft einlassen oder in der Begegnung mit Armen auch eine Art der Bekehrung erfahren haben, werden in der Gruppe und erst recht in der Gemeinde nach eigenen Aussagen zu Außenseitern und leiden darunter.

Auf die Partner bezogen: die mangelnde Kommunikation auf allen Ebenen (qualitativ und quantitativ); die Frage nach den Ansprechpartnern, deren Zuverlässigkeit und Repräsentanz; damit verbunden die Frage, wer denn eigentlich die Partner sind und wer die Gemeinde vor Ort repräsentiert; die (meist strukturelle) Schwierigkeit, mit den Bedürftigen (den Adressaten der Spenden) in Kontakt zu treten und deren eigentliche Bedürfnisse erfahren zu können; die Bedeutung des Bischofswechsel; die Frage nach den pastoralen Schwerpunkten (Option) in den Partnergemeinden. Als Beispiel werden stichwortartig drei Punkte vorgestellt, die ein Schlaglicht auf die Problematik werfen und vielleicht helfen, diese besser zu verstehen (auch im Vergleich zu den Partnern in Peru).

"Kirche" - bei uns leider keine theologische, sondern (nur) eine soziologische Größe


Die deutschen Gruppen sehen sich in erster Linie deswegen als kirchliche Gruppe, weil die Gruppenmit- glieder schon vorher in der Pfarrei aktiv waren und ihr Ansprechpartner in der Partnergemeinde der Pfar- rer ist. Zudem nutzen alle Gruppen die kirchliche Infrastruktur.

  • Die Treffen und Veranstaltungen der Gruppe finden in kirchlichen Räumlichkeiten statt".
  • Die Gruppe arbeitet an der Gestaltung von Gottesdiensten mit".
  • "Die Kassenführung erfolgt über die Kirchenpflege".
  • "Die Kontakte zur Partnergemeinde laufen hauptsächlich über Priester und Nonnen in Peru".
  • "Wir feiern regelmäßige Gottesdienste".

Um den eigenen Ort in der Kirche zu bestimmen werden "äußere" Begründungen genannt (Gottesdienst eingeschlossen, weil er hier als funktionaler Faktor genannt wird). Inhaltliche Gründe werden nur vereinzelt und zögerlich auf Rückfrage genannt ("als kirchliche Gruppe sind wir für die Erfüllung des weltkirchlichen Auftrags verantwortlich"). Von den deutschen Gruppen wird die Kirche eher als eine Organisationsform gesehen, die bestimmte Dienste anbietet und eine manchmal hilfreiche Infrastruktur besitzt, weniger dagegen als eine "immaterielle" Größe, z.B. als sichtbares Zeichen des Reiches Gottes. Die Kirche ist quasi das "Gehäuse", das für die jeweiligen Interessen der Gruppe (durchaus auch zu Gunsten der Gemeinschaft) genutzt werden kann. Es herrscht weithin ein soziologisches Verständnis von Kirche vor. Dieses Verständnis von Kirche entspricht dem Verständnis, das auch die Hierarchie von Kirche hat, nach dem - de facto - das Volk Gottes, die Laien, als ein Gegenüber und damit als Objekt (als Masse der Gläubigen) gesehen wird. Es besteht eine merkwürdige Ungleichzeitigkeit: Während in öffentlichen Verlautbarungen, Synodenbeschlüssen und diözesanen Reformpapieren angesichts der zukünftigen Perspektiven (wegen Priestermangel?) immer stärker die notwendige Mitverantwortung der Laien herausgestellt wird, gerät deren tatsächliche Bedeutung als Gemeinschaft der Glaubenden und als Volk Gottes, dem die Amtsträger dienen, wieder mehr aus dem Blickfeld.

Zwar wird von allen Gruppen gewünscht, mehr in die Gemeinde hineinwirken zu können, doch wie das geschehen könnte, bleibt meist vage. Die Vermittlung des Partnerschaftsgedanken wird als schwierig empfunden, weil man in der Gemeinde nicht sehen will (kann), was diese Arbeit hier einbringen soll. Viele Gemeindemitglieder sehen nach Aussagen der Gruppen die Partnerschaft lediglich als eine einseitige Spenden - Patenschaft (Almosen für die Armen), während die Gruppen selbst viel mehr wollen.

Im Vergleich der deutschen und peruanischen Gruppen besteht im Verständnis von Pastoral somit ein eklatanter Unterschied. Während in Peru (zumindest in den Gruppen und Gemeinschaften, mit denen alle deutschen Gemeinden ja einen möglichst direkten Kontakt wünschen) die Einheit von Glaube und Alltag, Kult und Praxis sowie Feier des Glaubens und Gemeinschaft selbstverständlicher geworden ist, scheint es bei uns nicht zu gelingen, diese Einheit herzustellen. Die peruanischen Partner werden geradezu bewundert wegen ihrer Fähigkeit, ganzheitlich zu glauben und zu leben, während gleichzeitig die eigene Praxis als mangelhaft erlebt wird. Um so bemerkenswerter und überraschender ist die Ablehnung eines pastoralen Auftrags im Selbstverständnis der meisten Gruppen. Pastoral wird in den Gruppen (und zu vermuten erst recht in der Gesamtgemeinde) zuerst als Aufgabe der Hauptamtlichen betrachtet. Vor allem aber besteht die Tendenz, Pastoral auf Kult zu reduzieren (Sakramente, Gottesdienst). Dafür aber sind Spezialisten zuständig, die dafür ausgebildet wurden und die auch dafür bezahlt werden. Selbst sonst sehr engagierte und fähige Mitarbeiter, ohne die in den Gemeinden wenig geschehen und die in einigen Bereichen noch gerne mehr Verantwortung übernehmen würden, erklären sich für die Pastoral nicht zuständig und/oder nicht kompetent. [3]

Die Gruppen beklagen sich darüber, dass sie von der Gesamtgemeinde als "bloße Sammelvereine" angesehen werden, sie wollen aber mehr sein. Es ist folgender Zwiespalt zu beobachten: Einerseits möchten sie Erfahrungen aus dem Umgang in den Partnergemeinden in die eigene Gemeinde einbringen; sie möchten eine Kirche unterstützen, die Partei für die Armen ergreift; sie möchten mehr Mitsprache und Verantwortung für die Laien, auch in der Partnergemeinde; sie möchten in der Partnerschaft auch eine spirituelle Dimension sehen. Andererseits lehnen die Gruppen mehrheitlich - wie erwähnt - einen pastoralen Auftrag ab und auf die Frage nach der eigenen Spiritualität weiß man keine Antwort, außer vereinzelt: Gebet und Fürbitten. In einer Gruppe wird das Unbehagen, einerseits eigentlich viel mehr von der Bibel inspiriert leben und arbeiten zu wollen, andererseits aber keinen Weg zu finden, wie dies in Gemeinschaft praktiziert werden könnte, so ausgedrückt: "Eigentlich möchten wir auch so in einer Gemeinschaft unseren Glauben praktizieren, wie dies unsere Partner tun. Aber irgendwie drehen wir uns immer im Kreis, haben immer etwas anderes zu tun oder wir rennen gegen eine Wand, wann immer wir einen Schritt nach vorne machen wollen".

Wenn Projektarbeit von kirchlichen Stellen als wichtiger angesehen wird (so der Eindruck der Gruppen) als Partnerschaftsarbeit, wird das von den Gruppen als Mangel oder gar Verkürzung der christlichen Botschaft gewertet. Besonders in den Referaten Weltkirche der Diözesen (außer Freiburg) und auch den Hilfswerken (was hier verständlicher ist, denn dies ist deren Hauptaufgabe) geht es nach Auffassung der Gruppen zuerst um vorzeigbare Projekte und entsprechende Statistiken. [4] Allgemein wird festgestellt, dass es leichter wäre, reine Projektarbeit zu machen - was dann auch viele tun, weil sie sich nicht ausrei- chend unterstützt fühlen.

Im Prinzip weiß man, dass "eigentlich" eine bessere Koordination mit anderen Gemeinden in Fragen der Partnerschaft notwendig wäre, dass man junge Menschen in die Gruppe integrieren müsste, dass man einfach mehr über die Partner und auch gesellschaftliche und kirchliche Zusammenhänge wissen müsste, doch alle Gruppen fühlen sich in diesen Fragen vor allem deswegen hilflos, weil sie sich in ihrem Engagement nicht ausreichend von "der Kirche" (der eigenen Gemeinde und kirchlichen Stellen) unterstützt und ermutigt fühlen. Den engagierten Mitgliedern der Gruppen darf man keinen Vorwurf machen, wenn sie ihr Engagement nicht so sehr von der Mitte des Evangeliums oder von ihrer Taufe her be- gründen. Denn wenn sie es tun, werden sie in ihre Schranken verwiesen. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen scheint man in der kirchlichen Behörde ein Übermaß an Aktivität der Laien und ein entsprechendes Selbstbewusstsein der Gemeinden mehr zu fürchten als deren Passivität (die mit "Frieden und Einheit" gleichgesetzt wird, während das ehrliche Ringen um menschlichere und dem Evangelium gemäßere Formen als Streit und Aggression gegen die Kirche gedeutet wird). Wenn keine Gruppe im Zentrum der Gemeindeaktivitäten steht, dann bedeutet das, dass keine Gemeinde die Partnerschaft in den Mittel- punkt ihrer Gemeindepastoral stellt. Die Partnerschaftsgruppe (wie auch jede andere Gruppe in der Gemeinde) ist für die Gemeinde (und Kirche) nicht konstitutiv. [5]

"Kirche" ist nur, wo ein Pfarrer ist?


Der Wunsch aller Gruppen ist ein direkter Kontakt zu den Gruppen der Partnergemeinde und zur Partnergemeinde insgesamt. Als ein Hauptproblem der Partnerschaften erweist sich die Frage nach den Ansprechpartnern in den Partnergemeinden.

Nur drei deutsche Gruppen stehen in direktem Kontakt zu Basisgruppen in der Partnergemeinde (das erhellende und Mut machende Beispiel der Gemeinde St. Georg, Ulm, wird im nächsten imprimatur- Heft vorgestellt). Diese direkten Kontakte werden nach Ausschöpfen aller Möglichkeiten und Gesprächsangeboten nun unter Umgehung der Gemeindeleitung und ohne das Einverständnis des Bischofs (in Peru) praktiziert. In anderen Gruppen besteht ein wachsendes Misstrauen, dass der jeweilige Pfarrer der Partnergemeinde nicht (mehr) die dortige Gemeinde repräsentiert und das verbreitete und an- erzogene Bild vom Pfarrer als Verkörperung und Repräsentant der Einheit einer Gemeinde gerät ins Wanken. Besonders die Freiburger Gemeinden sind hier betroffen und sind auch am hilflosesten. [6] Der Wunsch nach direkten Kontakten deutscher Gemeinden mit den Ärmsten kommt in Konflikt mit der real existierenden Gemeindesituation in den Partnergemeinden, in denen mehrheitlich die Pfarrer allein "Besitzer" der Partnerschaft oder nicht behilflich sind, Kontakte zu den einzelnen Gruppen zu ermöglichen bzw. solche Gruppen überhaupt nicht wollen (besonders nicht auf dem Land, was wiederum für die deutschen Gemeinden am attraktivsten wäre).

In den deutschen Partnergruppen wird allgemein bedauert, dass von den Betroffenen sehr wenig Rückmeldungen kommen. Dennoch möchte man nicht kontrollieren um nicht als "Kolonisator" zu erscheinen. Die meisten Gruppen stehen aber in dem Dilemma, einerseits sich den Spendern verantwortlich zu fühlen und diese auch entsprechend zu informieren und Rechenschaft abzulegen und andererseits den Partnern (wie festgestellt: meist den Pfarrern) gegenüber äußerst verständnisvoll zu sein und keine unnötigen bürokratischen Hürden einzubauen. Denn gerade darin möchte man sich ja von den großen Hilfswerken unterscheiden (ohne allerdings die Arbeitsweise, Form der Projektbegleitung, Grundlagen und Zielvor- stellungen z. B. von Misereor genau zu kennen). Eine entschiedenere Begleitung der Projekte seitens der deutschen Gemeinden wäre wünschenswert. Dabei könnten die Erfahrungen der Hilfswerke von großem Nutzen sein, doch werden diese Erfahrungen aus verschiedenen Gründen wenig genutzt bzw. es besteht ein Informationsdefizit.

Weil es zu wenigen Rückmeldungen kommt, kann nur sehr undeutlich wahrgenommen werden, was die Gelder bei den Adressaten bewirken oder welche Empfindungen sie auslösen können. Es ist aber auf Dauer nicht durchzuhalten, einerseits den Ärmsten helfen zu wollen, gar in einen konstruktiven Dialog "von Angesicht zu Angesicht" eintreten zu wollen, andererseits aber ständig mit der "Unmöglichkeit" eines direkten Kontaktes konfrontiert zu werden.

Die Einheit der Pastoral und der Sozialarbeit ist selbstverständlich - jedenfalls in peruanischen Basisgemeinden


In den Partnergruppen und den Gemeinden gibt es einen Widerspruch: Im eigenen Selbstverständnis und in der konkreten Partnerschaftsarbeit (Projektarbeit) ist der pastorale Aspekt weniger ausgeprägt, der eigene Auftrag und die Zielsetzung wird nur selten "von den Quellen" her begründet, das Soziale, die Projekte stehen eindeutig im Vordergrund. Im Bezug auf die eigene Gemeinde und Gesellschaft steht dagegen das kultische Element im Vordergrund (Pastoral in seiner verengten Bedeutung); die eigene Wirklichkeit, die Gesellschaft, Wirtschaft, Politik werden selten im Licht des Glaubens analysiert, und folglich werden auch selten praktische und gesellschaftspolitisch relevante Konsequenzen daraus gezogen. Dies kann in vier ausgewählten Beispielen verdeutlicht werden, von denen zwei kurz vorgestellt werden:

1. in der Diskussion um "Politik" (Wirtschaft etc.);
2. im Standort in der eigenen Gesellschaft;
3. in der Frage nach der Diakonie
4. und in der Frage nach der Einheit von Theologie und Glaube (Praxis).
 
Der Standort in der eigenen Gesellschaft


Für einen Katecheten in einer Comunidad in Cajamarca ist es selbstverständlich, seinen Standort in der Gesellschaft zu bestimmen. Er erfährt sich als ein Ausgeschlossener, als Opfer von Verhältnissen, die von Menschen so eingerichtet sind, dass einige Wenige davon profitieren und Viele darunter leiden. Diese Standortbestimmung wird nicht nur erfahren, sondern der Katechet kann auch in der Regel erklären, warum das so ist und welche wirtschaftlichen Interessen dahinter stehen. Vor allem aber weiß er, dass diese Fragen fundamental mit seinem Glauben an den biblischen Gott des Lebens zusammen- hängen. Aufgrund seines Glaubens beginnt er diese Gesellschaft zu verändern, weil er z.B. glaubt, dass es nicht Gottes Wille ist, dass seine Kinder nichts zu essen haben, keine Schule besuchen können und als "Indios" weiterhin verachtet werden. Wegen seines Glaubens sieht er das globale Wirtschaftssystem nicht als gottgegeben an, sondern als eine der Ursachen für die weltweit zunehmende Verelendung. Es gehört zu seinem Glauben, diesem gottlosen System zu widerstehen, und er weiß um Alternativen auf- grund seines Glaubens. Er kennt in der Regel besser die grundsätzlichen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils und weiterer kirchlicher Dokumente als vergleichbar Engagierte in deutschen Gemeinden. Er weiß, was z.B. eine bestimmte Finanz- und Wirtschaftspolitik mit dem Glauben zu tun hat und kann seinen Glauben und sein damit zusammenhängendes Engagement glaubwürdig begründen. Er ist von den Auswirkungen einer entsprechenden Politik direkt betroffen.

Wer stellt die entsprechenden Fragen innerhalb der deutschen Gemeinden und der deutschen Kirche? Welchen Standort nimmt der Einzelne und die Kirche innerhalb dieser Gesellschaft ein, die Wenigen (und dazu gehört die deutsche Kirche mit ihren Mitgliedern) weiter wachsenden Wohlstand bringt?

Es geht hier nicht darum, fertige Antworten zu wissen, vielmehr soll auf die Unterschiede in der Betrachtungsweise zwischen christlichen Gemeinden der Einen Kirche, die in Partnerschaft verbunden sind, hingewiesen werden. Alarmierend ist es, wenn deutsche Gemeinden offensichtlich nicht in der Lage oder willens sind, alternative Wege zu den wirtschaftspolitischen und finanziellen Interessen der Mächtigen zu suchen oder gar beispielhaft als christliche Gemeinschaft alternativ zu leben. [7]

Die Diakonie aus der Mitte der Gemeinde - oder: Caritas darf man nicht "auslagern"

Für die christlichen Gemeinschaften in den Partnergemeinden in Cajamarca wächst der Dienst am Not leidenden Nächsten aus der Mitte des Glaubens heraus (auch eine entsprechende Theologie) und hat sei- nen "Sitz" in der Mitte der christlichen Gemeinschaft. Diakonie ist fundamentaler Bestandteil der Glau- benspraxis. Sie ist auch konstitutiv für Kirche und Gemeinde (neben der Verkündigung und der Feier des Glaubens, Eucharistie). Wenn eine dieser drei Säulen von Kirche, wie von den befragten Gruppen so interpretiert, aus der Gemeinde - gar noch institutionell gewollt (Caritasverband) - ausgelagert wird, fehlt eine dieser drei Säulen. Wenn auch noch die beiden anderen Säulen sehr brüchig sind, sie z.B. auch an die exklusive Vermittlung durch geweihte Personen gebunden sind, wenn z.B. Eucharistie nicht auch als konkretes Brot teilen erfahren und begriffen wird, wenn die "Laien" sich nicht für Pastoral und Verkündigung zuständig fühlen und wenn es doch vereinzelt geschieht, gleich die "Verwaltung" einschreitet - was bleibt dann noch?


Anmerkungen

(1) Dieser Weg wird beschrieben in: "Vamos Caminando - Machen wir uns auf den Weg! Glaube, Gefangenschaft und Befreiung in den peruanischen Anden". Equipo Pastoral de Bambamarca, Exodus-Verlag 1983. Siehe auch: "Die Wehklagen derer, die leiden, lassen mich nicht ruhen" (W. Knecht, H. Heidenreich) in: "Die Armen zuerst! 12 Lebensbilder lateinamerikanischer Bischöfe" (Hg. Johannes Meier), Mainz (Grünewald) 1999.

(2) Noch größer war die Überraschung, als sie im Januar 1993 vom Apostolischen Administrator, Bischof Francisco Simón Piorno (seit 1995 auch Bischof von Cajamarca) die Nachricht erhielten, ab sofort alle Partnerschaftsgelder auf sein Konto in Deutschland zu überweisen. Die Gemeinden reagierten erst bestürzt, dann abwartend.

(3) Es herrscht noch das (unbewusste) Muster vor, dass Laien für die weltlichen Dinge und die Geistlichen für die "überweltlichen" Dinge zuständig sind (in der Praxis und laut Kirchenrecht sind dennoch die Geistlichen z.B. auch für so profane Dinge wie Finanzhaushalt, Arbeitsrecht etc. in letzter Instanz zuständig...). Wie ist es zu erklären, dass in unserer "aufgeklärten" Gesellschaft und Kirche die alten (unbewussten) Muster von "Kult- und Opferpriestertum", die Trennungen von Leib und Seele, von Spiritualität und Engagement, offenbar noch wirksamer sind als in Campesinogemeinschaften, die über Jahrhunderte hinweg mit Gewalt gerade in diese Muster hineingepresst wurden? Ersetzt vielleicht ein schwärmerisches Verständnis von Basisgemeinden, in die alle vor Ort unerfüllten Hoffnungen auf eine lebendige Gemeinde und erneuerte Kirche hinein projektiert werden, das konkrete Auseinandersetzen mit den Verhältnissen vor Ort, so dass sich gerade deswegen wenig verändert?

(4) Selbst wenn es sich hier um Vorurteile aufgrund mangelhafter Information handeln dürfte - und nicht alle Hilfswerke gleichgesetzt werden dürfen - müsste es den Hilfswerken und Ordinariaten zu denken geben, wie es zu dieser verbreiteten Meinung kommen kann. Mit anderen Worten: Zumindest in der Vergangenheit ging es den Hilfswerken zuerst um Spenden und weniger um Veränderung hier in Deutschland (auf der Basis einer entsprechenden pastoralen Arbeit in den Gemeinden). Ob die Hilfswerke und Ordinariate für eine solche Aufgabe vorbereitet sind bzw. dies als Aufgabe begreifen?

(5) Was Gemeinde (Kirche) ist, wird nicht zuerst von den Gläubigen und deren Gemeinschaft her definiert. So wird am Beispiel peruanischer Partnergemeinden deutlich, dass Glaubensgemeinschaften, die auf der Basis des Evangeliums ihr Leben und ihren Glauben miteinander teilen (und Priester einladen) nicht "kirchlich anerkannt" sind, während überall laut römischen Kirchenrecht dort Gemeinde (Kirche) ist, wo ein Priester von seinem Bischof zum Pfarrer bestellt worden ist, unabhängig von dessen Praxis und davon, ob überhaupt eine Basis (Gemeinschaft) vorhanden ist oder nicht. Eine Gruppe, die in der Begegnung mit den Ausgegrenzten deren Bedürfnisse und Glaubenserfahrungen als Orientierung für sich selbst ernst nimmt, wird so innerhalb der organisierten Kirche zu einer Randgruppe: der überwiegende Teil des Volkes Gottes, ausgerechnet die Bedürftigsten, die am meisten Hunger nach Brot und nach Gott haben, werden von einer kleinen Minderheit, deren Tische überladen sind mit Brot und dem "Wissen von Gott", an den Rand gedrängt (vergl. Lazarus).

(6) Wenn sie sich in ihrer Not (wie in mindestens drei Fällen geschehen) dann um Hilfe an das Referat Weltkirche der Erzdiözese Freiburg wenden, werden sie von dessen Leiter darauf hingewiesen, unter allen Umständen den Kontakt mit dem Pfarrer aufrecht zu erhalten und in schwierigen Fällen den Ortsbischof um Vermittlung zu bitten. (Zur Rolle von Wolfgang Sauer siehe unten). Nach einer solchen Auskunft fühlen sich die Ratsuchenden noch hilfloser und unter Umständen gar schuldig, weil sie die Schuld an dem nicht gelingen wollenden Dialog bei sich selbst suchen.

(7) Es müsste hellhörig werden lassen, wenn trotz "optimaler" äußerer Voraussetzungen (Milliardenaufwendungen für Religionsunterricht, Bildungshäuser, permanent tagende Gremien, Tausende von professionellen Experten in einer Diözese usw.) die Kerngruppen der Gemeinden in dem Bemühen, sich den pastoralen Herausforderungen der Zeit zu stellen, sich allein gelassen fühlen.


In einem zweiten Teil (Fortsetzung im nächsten imprimatur-Heft) wird die aktuelle Situation der Kirche in Peru in ihrer Rückwirkung auf die Partnerschaften einer der Schwerpunkte sein. Weiterhin geht es um die theologischen Fundamente von Partnerschaft. Partnerschaft wird als "Katechese des Glaubens" und als praktikable Option für die Armen vorgestellt, als gangbarer Weg, gemeinsam als Volk Gottes katholische (weltweite Gemeinschaft aller, die an Jesus den Christus glauben) und evangelische (ausgehend von Umkehr und der Botschaft vom Reich Gottes) Kirche zu werden.
 
Im Juli 2001 erscheint als erstes Zwischenergebnis der Studie ein Sammelband mit dem Titel: "Die globale Verantwortung - Partnerschaften zwischen deutschen und peruanischen Pfarreien", mit Beiträgen u.a. von G. Gutiérrez, E. Klinger, O. Fuchs, Bischof L. Bettazzi.
Ausführliche Hinweise und Artikel zur Thematik der Studie (auch über die aktuelle Situation in der weltweiten Kirche) sind unter der Webadresse www.cajamarca.de zu finden. (Red.)

Der Autor Willi Knecht, Diplomtheologe und Diplompädagoge, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Fundamentaltheologie in Würzburg. 1976 bis 1980 arbeitete er als Pastoralreferent in Bambamarca (Diözese Cajamarca, Peru), danach abwechselnd im Schuldienst und im Katholischen Bildungswerk der Diözese Rottenburg-Stuttgart.


Das Beispiel der Partnerschaft: St. Georg, Ulm und San Pedro, Cajamarca[1]
 
Was man von den Christen in Peru lernen kann (Teil II)


Im ersten Beitrag stellte der Autor Willi Knecht die unterschiedlichen Kirchenbilder deutscher Ge meinden und ihrer peruanischen Partnergemeinden dar; in dem folgenden zweiten Teil geht es um genauere Beschreibung von kirchlicher Partnerschaft: was bedeutet sie praktisch, sozial, vor allem aber: theologisch? (Red.)

Die Partnerschaft der Gemeinden St. Georg (Ulm) und San Pedro (Cajamarca) begann 1982; bis 1992 waren sechzehn Mütterklubs und eine kontinuierliche sozialpastorale Arbeit in den zur Pfarrei gehö- renden Campesinogemeinschaften entstanden. Ende 1992, parallel zum Bischofswechsel, begannen die Schwierigkeiten. Der Schatzmeisterin und der Koordinatorin der Partnerschaft in Cajamarca, den Katecheten und weiteren Vertrauensleuten wurde der Zutritt zur Pfarrei verwehrt. Der Pfarrer, nun beraten und bedrängt von Vertrauensleuten des neuen Bischofs, warf alle Gruppen aus der Pfarrei, d.h. er verbot ihnen u.a. den Zutritt zur Pfarrkirche und sagte ihnen, dass sie nun nicht mehr zur Pfarrei San Pedro gehörten. Die Finanzkasse wurde vom Pfarrer und seinen Leuten "beschlagnahmt". Das vom Pfarrer und seinen "Beratern" neu ernannte Komitee schrieb nach Ulm, dass ab sofort alle Partnerschaftsgelder von der neuen Leitung verwaltet werden.

Im Sommer 1993 besuchte ich nach intensivem vorausgehendem Schriftverkehr mit allen Beteiligten für sechs Wochen Cajamarca. Das Ziel und auch der Auftrag aus Ulm: die "Einheit zu retten". Wir unterbreiteten Vorschläge, wie trotz allem die Arbeit auf dem Land und mit den Frauen weitergehen konnte, akzeptierten sogar die Verwaltung der Gelder durch die neue Leitung. Ich hatte auch vier längere Begegnungen mit dem neuen Bischof, wo er mir in aller Deutlichkeit sagte, was unter seinem Vorgänger José Dammert falsch gelaufen sei, dass die "Fundamente der Kirche zerstört worden waren" und was er daher ändern wollte. Also, was tun? - die "Politik" der neuen Leitung in Pfarrei und Diözese akzeptieren? Wäre das kein Verrat an den Gruppen (und übrigens auch an den Spendern)? Vor der Rückkehr nach Ulm konnte ich noch mit allen Gruppen von San Pedro das weitere Vorgehen absprechen.

In der Pfarrei St. Georg (Ulm) kam es in den folgenden Monaten zu konstruktiven Diskussionen, die sich um zentrale Fragen drehten: Wie können wir mit der Partnerschaft weitermachen, vor allem, mit wem? Wer ist für uns die Pfarrei San Pedro, und letztlich: was und wer ist Kirche, das Volk Gottes? Die Antwort lautete: Wir müssen unserer einmal getroffenen Option für die Armen und unserem Gewissen treu bleiben. Konkret: die Gruppen von San Pedro, in denen man das Brot teilt, in der die Frohe Botschaft vom beginnenden Reich Gottes verkündet und gelebt wird, bilden das Fundament der Pfarrei San Pedro und sie sind Kirche Jesu Christi vor Ort. Mit ihnen sind wir eine Partnerschaft eingegangen, nicht mit einem einzelnen Pfarrer oder einer kleiner Gruppe von Leuten, die ihr eigenes Interesse verfolgen. Diese kommen und gehen, aber das Volk Gottes bleibt. Natürlich wäre es schöner, wenn wir alle vereint wären, aber wenn es nun mal nicht so ist? Was soll man denn machen, wenn die "Hirten" sich weigern, mit dem Volk Gottes zu gehen, wenn Sakramente und Eucharistie zur Handelsware und wenn die Armen rausgeworfen werden? [2] Also schön "friedlich" bleiben, den "katholischen Dienstweg" einhalten, die "Einheit" nicht gefährden und die Hände in Unschuld waschen? Nein! Die Partnerschaft, nun direkt mit den Gruppen, geht weiter, es gibt viele Gruppen, viel neues Leben und viel Hoffnung - in beiden Gemeinden.

Die Bedeutung des Bischofswechsels und die deutschen Hilfswerke Adveniat und Misereor


Es geht nicht um die Person eines einzelnen Bischofs, es geht um die strukturelle Frage nach der "Verfassung" der Kirche (in dem Wissen, dass das Aufwerfen dieser Frage in den Augen der "Verfassungshüter" schon die "Todsünde" schlechthin). Unbestritten ist, dass durch den Bischofswechsel die Gemeinden in Deutschland und ihre Partnergemeinden in Cajamarca vor große Herausforderungen gestellt wurden.

In Cajamarca war das Echo auf die überraschend schnelle Ablösung von Bischof Dammert und die Erwartung in den neuen Bischof sehr groß. Dies ist u.a. in der außerordentlichen Machtfülle des Bischofs begründet. So hat der Bischof in Peru (ob rechtlich abgesichert oder nicht) de facto immer auch die alleinige Verfügungsgewalt über alle kirchlichen Besitzungen. Darauf ist deshalb besonders hinzuweisen, weil die Infrastruktur mit Gemeindehäusern, Kurs- und Ausbildungszentren etc. in der Regel mit Hilfe von ausländischen Spendengeldern mit dem Ziel errichtet wurde (zumindest in Cajamarca), einen Beitrag zu einer authentischen Kirche des Volkes, einer "Kirche mit Poncho und Sombrero", zu leisten. Ein Bischof in Peru kann aber in einsamer Entscheidung die Infrastruktur der Kirche zerschlagen, in dem er Gebäude räumen lässt (notfalls mit Hilfe staatlicher Gewalt) und einem anderen Zweck zuführt, oder sie einfach verkauft.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Mitarbeit engagierter Laien. In der Diözese Cajamarca gab es zur Zeit von Bischof Dammert etwa zwanzig hauptamtliche, einheimische kirchliche Mitarbeiter. Der Bischof in Peru hat die Macht, alle "Laien" von heute auf morgen zu entlassen, falls ihm diese Mitarbeiter nicht genehm sind - was der neue Bischof dann auch tat. Es gibt keinen arbeitsrechtlichen oder sonstigen Schutz für die "Laien". Aber nicht nur diese Mitarbeiter standen nun auf der Straße, auch ihre Arbeits- felder lagen brach. Noch gravierender, aber viel subtiler, ist der Einfluss der ("Amts"-) Kirche in einem zentralen Bereich kirchlichen und religiösen Selbstverständnisses: wenn z.B. Campesinos, die weiterhin zur Versammlung "alter" (aber nun "abgesetzter") Katecheten gehen wollen, offen mit der Hölle gedroht wird, oder in Zukunft ihre Kinder nicht mehr zu taufen, dann bedeutet dies eine Fülle der Machtausübung, wie sie in Deutschland kaum noch möglich wäre. Gleiches gilt für alle Gruppen und auch für andere Sakramente wie die Eucharistie, die denen vorenthalten wird, die keine monatliche Beichte nachweisen (!) können oder Frauen, die in Mütterklubs organisiert sind, die direkte Kontakte zu einer deut- schen Gemeinde unterhalten. Es soll an dieser Stelle keine theologische Auseinandersetzung mit dem Neokatechumenat oder dem Opus Dei geführt werden, es geht darum, auf die Machtfülle des Bischofs in Peru hinzuweisen.

Dürfen deutsche Gemeinden sich "einmischen"?

Der Hauptvorwurf Bischof Simóns gegenüber den deutschen Gemeinden ist der Vorwurf ungerecht- fertigter Einmischung in pastorale und innerkirchliche Angelegenheiten. Den deutschen Gemeinden wird jegliches Recht abgesprochen, Stellung zu den Vorgängen in ihren Partnergemeinden und der Diözese zu nehmen. [3] Aus der Sicht der Partner in Cajamarca stellt sich das Problem der Einmischung dagegen wie folgt dar:

In allen betroffenen Gemeinden und Gruppen in Cajamarca ist es der sehnliche Wunsch der Gruppen, dass sie nicht auch noch von den Partnern im Stich gelassen werden. Sie erfahren durch die Solidarität der Partner Hoffnung, die sie ermutigt, weiterzumachen; sie erleben in der Solidarität und dem Brotteilen eine Gemeinschaft und Kirche, wie sie Jesus wollte. Sie sind es, die dieser Kirche treu bleiben wollen und sie sehen sich in dieser Treue bestärkt, wenn sie in der deutschen Partnergemeinde die Kirche (!) erleben, die auf ihrer Seite ist.

Deutschen Gemeinden sollte es in der Tat nicht zuerst darum gehen, wer wo und wann Bischof ist. Es geht darum, mit den Partnern weiterhin zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen. Wenn deutsche Gemeinden dies mit ihren Partnern gemeinsam tun, dann kann man das zwar Einmischung nennen, es hat aber nichts mit Bevormundung und Kolonialismus zu tun, sondern mit Solidarität und damit, weltweit Kirche sein zu wollen.

Wäre das nicht möglich, wäre dann überhaupt katholische Kirche möglich? Befremdlich erscheint, dass ausgerechnet der Spanier Simón in diesem Fall von Kolonialismus spricht, wo er doch selbst den Glauben, die Erfahrungen, die Leiden und Hoffnungen des Volkes von Cajamarca nicht wahrnehmen kann oder will und stattdessen importierte Ideologien vornehmlich spanischer Herkunft den Menschen von Cajamarca aufzwingen will. Bei seiner Amtseinführung waren alle Campesinos und Basisgruppen ausgesperrt (von Militärs überwachte Absperrung); die erste Sitzreihe in der Kathedrale war für die (ausländischen) Vertreter der Goldminen reserviert.

Und wie sollen sich Partnergruppen verhalten, wenn ein von Deutschland finanziertes Ausbildungszentrum für Landkatecheten in ein "Einkehrhaus" für dem Opus-Dei nahe stehende und sehr wohl- habende Gruppen umfunktioniert wird? Unabhängig von der rechtlichen Frage nach der Zweckbestimmung haben deutsche Gemeinden nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, ihre Auffassung von Kirche kundzutun. Dies sind sie auch den eigentlichen Partnern, den Spendern und letztlich auch sich selbst schuldig. Wer sich dabei auf die Bibel, das Zweite Vatikanische Konzil und die Bedürfnisse der Armen beruft, spaltet nicht die Kirche, sondern leistet einen unverzichtbaren Dienst an der Kirche. So wird eine Partnerschaftsgruppe im Fall des Ausbildungszentrums (es gibt viele ähnliche Beispiele in Cajamarca) den Ortsbischof auf die eigentliche Zweckbestimmung hinweisen dürfen und müssen. Selbst wenn dies keinen Erfolg zu versprechen scheint, so erfahren die Partner (die Armen) dadurch, dass sie nicht auch noch von der deutschen Kirche im Stich gelassen werden. Dies stellt eine Bestärkung der Partner in ihrem Glauben und ihrem Engagement dar, die man nicht hoch genug einschätzen kann.

Von Adveniat finanziert, in Peru zweckentfremdet


Es führt auch zu Resignation bei deutschen Partnergruppen, dass Adveniat es zulässt, dass der Ortsbischof ein Priesterseminar, das von Adveniat mit einer Million DM finanziert hat, unmittelbar nach dessen Fertigstellung schließt. [4] Erst recht hat es eine lähmende Wirkung, wenn von Adveniat argumentiert wird (u.a. im Gespräch mit den Vertretern aller fünfzehn Partnergemeinden in Essen), dass der jeweilige Bischof von Cajamarca schließlich die Kirche von Cajamarca sei. Grundlage der Beziehungen, so Adveniat, ist das Vertrauen zu den Partnern. Wenn die Partner (der Bischof !) neue Prioritäten setzen, so muss das von Adveniat und deutschen Gemeinden akzeptiert werden. Die deutschen Partner hätten kein Recht, den Partnern Vorschriften zu machen. Versuche, auch ohne den Bischof direkte Kontakte zu den Partnergemeinden zu unterhalten, seien als Anschlag auf die Einheit der Kirche zu werten.

Dem ist zu antworten, dass deutsche Partnergemeinden die Pflicht haben, aus ihrer Kenntnis der Realität vor Ort auf Missstände aufmerksam zu machen und darauf bestehen müssen, dass die Spenden entsprechend verwendet werden. Es sind Spenden von mündigen Christen für mündige Christen. Da Adveniat in Deutschland Werbung mit dem Hinweis betreibt, dass die Spenden den Armen zugute kommen, dem Aufbau von Basisgemeinschaften, der Ausbildung von Katecheten und verantwortlicher "Laien" - und auch sonst (in der Werbung) die Mitarbeit der "Laien", besonders der Frauen hervorgehoben wird - weil man weiß, was in Deutschland ankommt - dann aber gleichzeitig in immer mehr Diözesen in Peru mit Geldern von Adveniat genau das verhindert wird, dann hat das eine Bedeutung, die über das rein Kirchliche hinausgeht. Adveniat wird sich Gedanken machen müssen, wem man sich zuerst verantwortlich fühlt (den Spendern hier und den Bedürftigen dort) und wem nicht. Auf die Dauer wird es nicht durchzuhalten sein, dass die Spender sich "von oben" belehren lassen müssen, für wen und für was ihre Spenden herhalten müssen, dass sie von der Entscheidung über die Verwendung der Spenden ausgeschlossen bleiben und dass das Aufdecken von Missständen als antikirchlich denunziert werden kann.

Wie lassen sich deutsche Hilfswerke informieren?


Beispiel Cajamarca (ähnliche Beispiele sind verbürgt): der für Peru zuständige Sachbearbeiter von Adveniat wird vom Bischof in Cajamarca vom Flugplatz abgeholt, zwei Tage von ihm durch die Diözese gefahren und wieder an den Flughafen gebracht. Der Bitte peruanischer Partnergruppen, mit dem Vertreter Adveniats sprechen zu dürfen, kann von diesem "aus Zeitgründen" nicht entsprochen werden.... Offizielles Ergebnis der Visite: alles ist in Ordnung, der Bischof arbeitet hervorragend und nur einige "Laien" in Deutschland machen Ärger. Dieses Ergebnis ist logisch. Dem Sachbearbeiter ist daher persönlich kein Vorwurf zu machen, handelt er doch pflichtgemäß im Sinne der Institution.

Auch Misereor, ansonsten ein Lichtblick innerhalb der Kirche, ist in Gefahr, in diese Falle zu laufen. Eine Allianz von Bischof und Goldmine will den Campesinos von Bambamarca ein beispielhaftes Wasserprojekt, das von Misereor mit zwei Millionen DM mitfinanziert wurde, entreißen, weil die Minengesellschaft das Wasser braucht (und grundsätzlich, wie der Bischof, keine basisdemokratisch organisierten Campesinos duldet). Der neu für Peru zuständige Sachbearbeiter besucht Cajamarca und hält sich strikt an den "Dienstweg": er sieht nur im Bischof und der neuen Leitung der mit der Ausführung des Projekt beauftragten NGO (ehemals die Sozialabteilung der Diözese) seine Gesprächspartner. Diese neue Leitung hat zusammen mit dem Bischof ehemalige Mitarbeiter Dammerts, die das Vertrauen der Campesinos genießen, vor die Tür gesetzt und wie die Campesinos in einem Brief vom 10. Mai 2001 an Misereor schreiben, inzwischen alle Pläne und Unterlagen des Projekts an die Mine übergeben. [5] Misereor besteht (u.a. in einem Brief des Geschäftsführers vom 5. 4. 2000 an St. Georg, Ulm) darauf, sich nicht in interne innerperuanische Angelegenheiten einmischen zu dürfen - "im Sinne der Eigenstän- digkeit der peruanischen Partner".

Partnerschaft als Sakrament


Für eine Gemeindepartnerschaft zwischen zwei christlichen (!) Gemeinden ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Jesus als Christus mit auf dem Weg ist, [6] dass er Ursprung und Ziel des gemeinsamen Weges ist. Im gemeinsamen Weg wird die Grenze des eigenen Ich und der Gemeinde überschritten und auf den Anderen, auch den "ganz Anderen" hin geöffnet. Herausragendes Kennzeichen dieser Gemeinschaft ist das Brotteilen. Die Gesamtheit des Volkes Gottes konkretisiert sich zum einen in der jewei- ligen Gemeinde als lebendiger und überschaubarer Teil des Volkes Gottes; vor allem aber konkretisiert sie sich in der Beziehung mit einer Gemeinde in einem Teil der Welt, in dem der Mehrheit ein "Leben in Fülle" verwehrt wird. Deutsche Gemeinden sind als materiell reiche Gemeinden - ob sie es sehen wollen oder nicht - in diesen Zusammenhang von Reichtum und Armut verwickelt. Im Kontext einer Partner- schaft können sie dazu beitragen, den tödlichen Kreislauf der Verarmung der Vielen und der Bereicherung der Wenigen zu durchbrechen.

So wie auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus mit dem Unbekannten den Jüngern ein Licht aufgeht, als der Unbekannte mit ihnen das Brot bricht, so können deutsche Gemeinden durch Brotteilen mit den arm gemachten Menschen einer konkreten Gemeinde zum gemeinsamen Weg des Volkes Gottes zurückfinden. Eine so verstandene Partnerschaft zwischen reichen und armen Gemeinden ist das sichtbare Zeichen dafür, dass die Spaltung überwunden werden kann und Kirche dann die wahrhaft katholische (universelle) und evangelische (biblische) Kirche Jesu ist. [7] Wenn auch schon immer von der Einheit und der Universalität der Kirche gesprochen wird, so wurde die Einheit der weltweiten Kirche in erster Linie vom Papst als Repräsentanten der gesamten Kirche hergeleitet. Gemeinde-Partnerschaften repräsentieren aber gleichberechtigt und nicht notwendigerweise im Gegensatz zum Papst konkret diese Einheit: Partnerschaft ist das Sakrament des Volkes Gottes auf dem Weg.

Aktive Teilnahme (Teilhabe, Anteil nehmen, mit einander teilen) an der Partnerschaft ist auch praktizierte Eucharistie. [8] Als solche steht sie nicht im Gegensatz zur Feier der Eucharistie, die per se immer auch schon im Namen der gesamten Kirche gefeiert wird, sondern sie ist Ergänzung und Erweiterung: Konkretisierung und Vergegenwärtigung einer Gemeinschaft mit Ausgegrenzten. In der Eucharistie feiert die Gemeinde den Aufbruch Gottes mit den Menschen (Befreiung), sie feiert die Gemeinschaft der Menschen untereinander und mit Gott und sie ist damit Zeichen dafür, dass die tödliche Spaltung der Menschheit überwunden werden kann..

Partnerschaft - Option für die Armen


Gemeinde und Kirche in Deutschland sind nicht nur Stützen dieser Gesellschaft, sie sind diese Gesellschaft. Sie sind auch Teil des dazugehörenden Wirtschaftssystems und sie haben ein existentielles Interesse an dem Erhalt und der Funktionstüchtigkeit dieses Systems (siehe u.a. auch die Koppelung mit der Kirchensteuer), das auch ein globales System ist. Die peruanischen Partnergemeinden in ihrer Strukturierung als Gemeinschaft von Basisgruppen (so möchten sie die deutschen Gruppen ja gerne verstehen) gehören hingegen zu diesem System, als dass sie sich als vom System Ausgegrenzte erfahren. In den peruanischen Partnergemeinden gehören 80 - 90 % der Menschen zu den Armen. Und als Arme sind sie Opfer der von Menschen so geschaffenen Verhältnisse. Der Kontext ist geprägt von zunehmender Ge- walt und Verelendung. Diese Menschen begreifen aber immer mehr, dass zwischen der Situation, in der sie leben und dem, was sie an Überfluss und Luxus in den Medien und der Werbung sehen, ein innerer Zusammenhang besteht. Evangelisierung in den Landgemeinden und den Elendsvierteln Perus bedeutet ja gerade, auf diesen Zusammenhang (wie die Propheten) hinzuweisen.

Ist es für deutsche Gemeinden schon schwer genug, die Ursachen der Verelendung in ihren Partnergemeinden zu entdecken, so ist es noch viel schwerer, den eigenen Kontext (die Ursachen des Reichtums) zu analysieren. Da auch die Grenzlinien zwischen Gesellschaft und Kirche kaum auszumachen sind, eine klarere Abgrenzung auch gar nicht von der Mehrheit der Gläubigen gewünscht würde, haben die (evangelische und katholische) Kirche die Kraft verloren, Alternativen aufzuzeigen oder gar prophetische Kritik zu üben und Widerstand zu leisten. Eine Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Kontext wird noch erschwert durch die Auffassung, dass eine Auseinandersetzung mit wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen wenig mit dem persönlichen Glauben zu tun habe bzw. nicht zum Auftrag der Kirche gehöre.

In der Partnerschaft zwischen einer reichen und armen Gemeinde erfahren aber die in der Partnerschaft Engagierten, dass Alternativen möglich sind. Wenn sie sich auf die Geschichte der Armen einlassen, entdecken sie, dass selbst Jahrhunderte währende Unterdrückung und gewaltsame Integration in ein materialistisches und gottloses System Menschen nicht davon abhalten kann, den Aufbruch und den Auszug zu wagen. Es ist für die peruanische Gemeinden leichter aufzubrechen als für deutsche Gemeinden. Part- nerschaft heißt in diesem Zusammenhang auch, die eigene Ohnmacht zu erkennen und sich von den scheinbar Schwächeren an der Hand nehmen zu lassen. Es ist keine Schande, sich von den Armen die Geschichte Gottes mit den Menschen erzählen zu lassen. Begegnungen mit den Opfern der Geschichte können zum Schlüssel werden, um den goldenen Käfig des Reichtums zu verlassen und so Gott auf der Seite der Armen zu entdecken.

Partnerschaft mit einer armen Gemeinde erleichtert diesen Aufbruch. Sie ist eine praktikable Option für die Armen und mit den Armen. Sie ist kirchenbildend, weil sie Einheit (mit den Armen) stiftet.


Anmerkungen:

(1) Ausführliche Geschichte und theologische Diskussion um diese Partnerschaft und ihre Auswirkungen in den beiden Partnergemeinden in dem bald erscheinenden Sammelband sowie in: www.cajamarca.de (Stichwort Partnerschaften); a.a.O. auch zur Theologie von Bischof Simón (Stichwort Studie).

(2) Z.B.: Als eine Delegation der Mütterklubs von San Pedro um ein Gespräch mit dem Bischof bat, wurden sie bereits aus dem ersten der inzwischen drei Vorräume des Bischofspalastes mit der Begründung verjagt, dass sie mit ihren ungewaschenen Füßen die wertvollen Teppiche, frisch importiert aus Spanien, verunreinigen würden.

(3) Einige wenige deutsche Amtsträger solidarisieren sich in dieser Frage mit Bischof Simón und gegen christliche Partnergruppen. Sie sollten aber wissen, mit wem bzw. gegen wen sie sich solidarisieren und warum sie dies tun. Handelt es sich hier etwa um eine falsch verstandene „Comunio - Ideologie“ - eine Comunio unter Seinesgleichen und unter Ausschluss des „gemeinen Volkes“, gegen das es sich zu wehren gilt? So verbot uns ein deutscher Prälat (Wolfgang Sauer, Freiburg) jede Einmischung in innerkirchliche und innerperuanische Angelegenheiten. Auf meinen Hinweis, dass unsere Partnergruppen sehnlich wünschen, nun nicht auch noch von ihren Partnern in Deutschland im Stich gelassen zu werden, antwortete der Prälat: „Auch in Prag sind 1968 russische Panzer mit dem Vorwand einmarschiert,   vom ‚Volk’ um Hilfe gerufen worden zu sein.“  (Gesprächsnotiz vom 10. Januar 1998)

(4) Die Auflösung des Priesterseminar war schon 1993 fest beschlossen (Aussagen u.a. des Nuntius in Lima und des Apostolischen Visitators, eines Erzbischofs aus Chile). Man hat aber bewusst mit der Schließung solange gewartet, bis das letzte Bauteil eingeweiht war, denn sonst hätte Adveniat möglicherweise nicht mehr weiterfinanziert. Kaum war der Bau abgeschlossen, wurde das Seminar offiziell aufgelöst (April 1995). Auch die vier Karmeliterinnen, die seither im Seminargebäude wohnen, wurden bereits vor der Schließung angeworben und ihnen wurde das Gebäude zugesagt - während Adveniat (und den Seminaristen und anderen) gesagt wurde, das Seminar würde nun gestärkt und gut ausgestattet in eine neue Periode eintreten. Vor der Schließung wurden alle Seminaristen einzeln und unverfänglich vom Bischof befragt, ob sie mit der Pastoral von Bischof Dammert einverstanden waren oder nicht. Alle, die einverstanden waren, bestanden später nicht die „Aufnahmeprüfung“ für das Seminar in Jaén (insgesamt 17). Die vier, die aufgenommen wurden, sind dagegen diejenigen, die am wenigsten geeignet waren - und das hat sich inzwischen leider auch bewahrheitet (im Sammelband nähere Einzelheiten).
Das Priesterseminar wurde in ökologischer Bauweise, mit altbewährten Materialien der Region wie z.B. Lehmziegeln errichtet. Bischof Simón ließ nun einen Teil davon abreisen und mit „modernen“ Materialien - „material noble“ - wie Zement etc. ersetzen, weil „primitive“ Materialien für ein Bischöfliches Palais nicht angemessen seien. Zudem ließ er hochwertiges Material aus Sevilla - Fliesen, Kacheln, Bodenbeläge - einführen und die Räume mit wertvollen Teppichen auslegen. (Ein Bruder des Bischofs besitzt in Spanien entsprechende Geschäfte). 1999 wurde ein weiterer Teil des ehemaligen Seminars abgerissen und stattdessen eine Ladenzeile errichtet, weil man dadurch hohe Mieten erzielen kann. Auch ein Luxusrestaurant wurde inzwischen in dem von Adveniat mitfinanzierten Bau eröffnet. Weitere Beispiele von Zweckentfremdungen kirchlicher Gebäude, die von Deutschland aus finanziert wurden, sind belegt. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass eine scheinbar rein „theologische“ Argumentation (wer und was ist Kirche) eine verheerende soziale und ekklesiologische Bedeutung hat: die Mehrheit des Volkes Gottes wird ausgeschlossen, was im Kontext arm gemachter Gesellschaften eine Frage auf Leben und Tod sein kann.

(5)  Zu der „Heiligen Allianz“ zwischen Goldmine (die profitabelste der Welt), dem Bischof, Expräsident Fujimori und dessen Sicherheitsberater Montesinos, siehe a.a.O. im Web. Diese Verflechtungen (auch die enge Freundschaft des deutschen Botschafters mit Roque Benavides, dem peruanischen Hauptaktionär der Mine, der wiederum eng mit Montesinos liiert ist) haben Dimensionen erreicht, die die internationale Diplomatie herausfordert.

(6) Der Wege - Gedanke ist grundlegend für das Selbstverständnis der Christen in Cajamarca. Dem liegt das biblische Bild des Volkes Gottes zu Grunde, das den Ruf Gottes hört und das sich unter seiner Führung auf den Weg aus der Sklaverei in das Gelobte Land macht. Im Neuen Testament ist es u.a. das Bild von den Jüngern von Emmaus, die sich enttäuscht von Jerusalem abwenden und denen auf dem Weg mit einem Fremden, Unbekannten ein Licht aufgeht. Sie erkennen den auferstandenen Christus, als er mit ihnen das Brot bricht. Sie ist diese Kirche um so authentischer, je weniger sie in ihrer Praxis andere, arme Gemeinden ausschließt (was sie per definitionem gar nicht kann), sondern gerade diejenigen in ihr konkretes Leben mit einschließt, die ansonsten nach den global herrschenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten dieser Welt ausgeschlossen werden.

(7) Eine solche Sicht lässt die übliche Diskussion um Ökumene als überholt erscheinen. Die Spaltung der Christenheit besteht darin, dass von Christen Verhältnisse geschaffen wurden und aufrecht erhalten werden, innerhalb derer Christen auf Kosten anderer Christen leben. Partnergemeinden können und müssen Wegbereiter (Pioniere) dieser ökumenischen Bewegung sein. Sie sind potentielle Keimzellen einer erneuerten Kirche.

(8) Eine Unterscheidung zwischen einer Eucharistiefeier mit oder ohne Priester wird hier nicht angestellt. Eine solche Unterscheidung entspricht nicht der Praxis Jesu und den Erfahrungen der ersten Christen und christlicher Basisgruppen, die aus der Situation heraus feiern und die Gegenwart Gottes erleben, wenn sie das Brot miteinander teilen. Dieses Bedürfnis hat oberste Priorität. Die Frage nach Amt und Weihe ist dem untergeordnet. Wird diese jedoch zur ausschließlichen Norm erhoben, wird die Masse der Gläubigen de facto ausgegrenzt bzw. ihr wird das Wichtigste vorenthalten, das die Kirche nach eigenem Selbstverständnis zu bieten hat und letztlich ihr Wesen ausmacht: die sakramentale Einheit der Menschen untereinander und mit Gott. Dies ist ein theologischer Skandal, die Kirche stellt sich dadurch selbst in Frage. Lehramtliche Fixierungen bedeuten zudem, Gott selbst vorschreiben zu wollen, unter welchen Bedingungen er wann und mit wem sich an den Tisch setzen darf.


© imprimatur August 2001, Heft 4/2001 (Teil I) und Heft 5&6/2001 (Teil II)