Verlauf der Partnerschaft der Pfarrei St. Magdalena, Herzogenaurach
 
Vorbemerkung: Am Beispiel der Gemeinde Herzogenaurach lassen sich exemplarisch - teilweise in überspitzter Form - nahezu alle Problemstellungen aufzeigen, mit denen es die Partnergemeinden zu tun haben, von der Entstehungsgeschichte bis zu den heutigen Schwierigkei- ten. Abweichend von der Mehrheit der Partnergemeinden spielen in Herzogenaurach noch folgende besondere Faktoren eine Rolle: Ein ehemaliger Entwicklungshelfer als Initiator, Ideengeber und Leitfigur; die besondere Beziehung Bischof Dammerts zu Herzogenaurach; die intensive Verwicklung in politische Themen durch den Staudammbau in Tembladera (siehe Extra - Artikel). In ausgewählten Schwerpunkten wird der Verlauf der Partnerschaft nachgezeichnet.
 
1. Der äußere Rahmen
 
Auf Vermittlung Bischof Dammerts kam im Herbst 1980 ein Kontakt zwischen dem Sachausschuss MEF der Pfarrei und dem neuen Pfarrer der Pfarrei Tembladera zustande. Bereits ein Jahr später zeichnete sich ab, dass die Gemeinde Tembladera in den nächsten Jahren vom Bau eines Staudamms unter Federführung der deutschen Wirtschaft und dem BMZ stark betroffen werden würde. 1983 wurde der „Freundeskreis Cajamarca“ als nicht eingetragener Verein gegründet, weil sich die Mitglieder des Ausschusses als Pfarrausschuss zu sehr eingeengt fühlten. Der Ausschuss besteht bis heute weiter, die eigentliche Arbeit geschieht aber im Freundeskreis. Beide Gruppen sind nicht klar abgegrenzt, es gibt personelle Überschneidungen. Neben der Pfarrei Tembladera gibt es, ebenfalls seit 1980, auch noch eine Beziehung zu Chetilla, eine Campesinogemeinde, die zur Pfarrei San Pedro gehört. Seit 1993 ist die „Cajamarca - Bewegung“ in H`aurach gespalten.1998 wird mit dem Besuch des seit 1996 neu in Herzogenaurach tätigen Pfarrers in Cajamarca ein Ausweg gefunden und ein neuer Anfang versucht.
 
2. Entstehungsgeschichte
 
Der in Cajamarca tätige Entwicklungshelfer war bereits vor seiner Ausreise (1970) sehr heftig in der Pfarrei und der Erzdiözese Bamberg engagiert, u.a. als Diözesanjungscharführer. Sein Hauptinteresse galt der Reform liturgischer Fragen (z. B. Reform der Kommunionvorbereitung) und weniger sozialen Fragen. Nach seiner Rückkehr 1973 kam es, als er sich wieder in der Pfarrei engagieren wollte, zu Auseinandersetzungen mit dem Pfarrer (seit 1972 neu in der Gemeinde) und anderen Amtsträgern. Es war ihm in Cajamarca bewusst geworden, dass man die soziale Frage nicht von der religiösen trennen konnte und umgekehrt. Er zog sich dann nach 1½ Jahren aus dem kirchlichen Leben vor Ort zurück - bis auf den Bereich MEF, in dem er bis 1995 aktiv mitarbeitete, ebenso im entsprechenden Sachausschuss der Diözese (1973 - 1990). Der Sachausschuss der Gemeinde bestand aus Mitgliedern, die teilweise schon seit den sechziger Jahren in der Dritte-Welt-Arbeit tätig und vor allem von den Gedanken der Solidaritätsarbeit beeinflusst waren (z. B. Biafra - Hilfe). Bischof Dammert besuchte bereits vor 1980 mehrere Male privat seinen ehemaligen Mitarbeiter und dessen Familie. Für den Pfarrer der Gemeinde war es unbegreiflich, dass ein Bischof privat in seiner Gemeinde ist und nicht zuerst Kontakt zu ihm als Pfarrer und zu der Gemeinde hat. Er lud den Bischof zur Eucharistiefeier ein, was dieser dann auch gerne annahm.
 
Bei einem Besuch des Bischofs im Herbst 1980 wurde dieser wieder einmal gefragt, was man denn konkret für seine Diözese tun könnte. Darauf zog er wie zufällig einen Brief aus seiner Tasche und überreichte ihn der Gruppe. Es war ein „Bettelbrief“ des neuen Pfarrers von Tembladera, Pedro Cáceda. Bischof Dammert empfahl, den Gemeinden Tembladera und Chetilla zu helfen - ohne dies zu vertiefen. Die Pfarrei Tembladera hatte zuvor über fünf Jahre lang keinen Priester. Vor 1980 gab es in der Pfarrei nur einen Katecheten und zwei Lehre- rinnen, die Religion unterrichteten. Die Pfarrei umfasst 45 Comunidades, die Mehrzahl nur zu Fuß zu erreichen.
 
Die Reaktion der Gruppe war zurückhaltend, denn man wollte nicht nur Almosen geben. „Nach einigen Diskussionen entschieden wir uns, eine Zusammenarbeit zu versuchen, obwohl beide Partner offensichtlich sehr verschiedene Vorstellungen von einer Partnerschaft zweier Pfarreien hatten. Wir wollen nicht die finanzielle Hilfe im Vordergrund sehen, so nötig sie auch sein mag, sondern wir hoffen, durch den Austausch von Erfahrungen über die kirchliche Arbeit voneinander zu lernen und durch das konkrete Beispiel das Bewusstsein für die Probleme der Pastoral in Südamerika und hier zu fördern“. Man schrieb dies auch Padre Pedro. In einem Grundsatzpapier zur Begründung der Partnerschaft heißt es: „Die Botschaft Jesu impliziert ein neues Verhältnis der Menschen untereinander, das gekennzeichnet ist von Gerechtigkeit, von Liebe, von Zärtlichkeit, besonders denen gegenüber, die am Rande stehen.Jesus nennt dies das ‚Reich Gottes‘. Die Reich - Gottes - Botschaft gilt für alle Bereiche des menschlichen Lebens: ‚Das Reich Gottes ist nicht indifferent gegenüber den Welthandelspreisen'. (Synodenbeschluss ‚Unsere Hoffnung‘). Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht, den Zusammenhang von Armut, Unterdrückung und Ungerechtigkeit nachzugehen“.
 
Doch der dann folgende erste Brief des Pfarrers aus Tembladera beseitigte nicht das ungute Gefühl: „Auf Anraten unseres Bischofs und im Wissen um Euren starken Geist für Zusammenarbeit und zu christlicher Liebe wende ich mich im Namen meiner Brüder durch diesen Brief an Euch. Gemeinsam könnten wir am Reich Gottes bauen. Um hier die pastorale Arbeit zu be- ginnen bräuchte ich für einige Zeit 1.000 DM monatlich“. Konkrete Pläne und Vorhaben wurden aber nicht genannt. So entschließt man sich zuerst, 100 DM monatlich für den Katecheten zu bezahlen, der sonst keine Einnahmen hat. Um die Bitte Dammerts nicht abzuschlagen, andererseits aber auch froh, endlich einen konkreten Ansatzpunkt zu haben, wagt man es, sich auf dieser schmalen Basis auf eine Zusammenarbeit einzulassen. Dann überstürzten sich die Ereignisse. „Bereits im Laufe des Jahres 1981 überrascht uns eine neue Situation, die zunehmend in den Mittelpunkt der Beziehungen tritt. Im Gebiet von Tembladera wird mit bundesdeutscher Unterstützung im Tal des Flusses Jequetepeque der Staudamm ‚Gallito Ciego‘ gebaut“. Spätestens seit die ersten deutschen Bulldozzer anrollten, um die fruchtbaren Felder der Reisbauern einzuebnen, hatte man in Herzogenaurach für die nächsten Jahre seine Aufgabe gefunden.
 
3. Verhältnis zur Pfarrgemeinde, Rolle des Pfarrers
 
Auch wenn die Kontakte nach Peru über private Kontakte zu Bischof Dammert entstanden, so wollte man dennoch von Beginn an die Einbindung der Partnerschaft in die Gemeinde, was ja auch durch den MEF - Ausschuss gewährleistet war. Um so größer die Verwunderung der Mehrheit der Gruppenmitglieder, dass der Pfarrer und wohl auch der Kirchenrat keinen Zu- sammenhang zwischen der Verantwortung für die Partnerschaft und der Pastoralarbeit sehen konnten. Die Partnerschaft wurde im Gottesdienst nicht zum Thema gemacht, weil sie le- diglich als eine besondere Form der Entwicklungshilfe angesehen wurde. Es gab eine strikte Trennung zwischen weltlichem, sozialen, politischen Aufgabenbereichen und der eigentlichen Seelsorge, die allein in der Verantwortung des Pfarrers lag. Zwar war der Pfarrer grundsätz- lich in den Sitzungen des Ausschusses dabei, weil er als Pfarrer überall gefragt und gefordert ist (letztlich auch die alleinige Verantwortung trägt), aber umgekehrt verschloss er sich dem Ansinnen der Gruppenmitglieder, Themen der Partnerschaft in die Pastoralarbeit (will heißen: Gottesdienste und Sakramentenpastoral) einzubringen. Um so heftiger war die Abwehr, wenn es auch um so politische Themen wie Friedenspolitik, Abrüstung usw. ging. So sah die über- wältigende Mehrheit der Ausschussmitglieder auf dem Höhepunkt der Friedensbewegung 1983 keinen anderen Ausweg, als einen eigenen Verein, den „Freundeskreis Cajamarca“ zu gründen, um übrigens auch finanziell unabhängig zu sein. Selbst ein Film über Oscar Romero durfte nicht im Rahmen einer Gemeindeveranstaltung gezeigt werden.
 
Aber auch im neuen Verein war der Pfarrer als Mitglied dabei und die Auseinandersetzung erfolgte auf einer anderen Ebene. Als die Staudammgeschichte immer heißer und das Bedürfnis nach konkreten Aktionen wegen der verheerenden Folgen des Staudamms für die Menschen in Tembladera immer dringlicher wurde, schenkten Pfarrer und einflussreiche Leute der Kirchengemeinde den Berichten des „Ministers für Wirtschaftliche Zusammenarbeit“ mehr Glauben als den Informationen der Betroffenen aus Tembladera, „denn der Minister wolle nur das Beste für die armen Menschen in Peru und alle anderen Informationen seien nur parteipolitische Hetze. Ein Besuch des Pfarrers (in Begleitung eines befreundeten Pfarrers) in Tembladera und Cajamarca brachte eine entscheidende Wende im Bezug auf dessen eigenes Engagement in der Staudammgeschichte. „Wir erlebten schier Unglaubliches. Man empfing uns mit ungeahnter Herzlichkeit. Und wir sahen Schlimmes: Die Reisfelder der Campesinos waren zum Teil schon unbrauchbar durch den Lastwagenverkehr - Aufschüttung der Erdmassen für den Staudamm. Wir erfuhren, dass die Menschen ihre Felder verloren und dass Teile von Tembladera und einige kleinere Ortschaften dem Staudamm zum Opfer fallen würden. In den betroffenen Dörfern empfingen uns die Menschen in ihrer Kirche und klagten uns ihre Not“. Wieder zurück in Deutschland suchte er den direkten Kontakt zum Minister. „Jetzt wollten wir den Minister Dr. Warnke direkt ansprechen, unsere Erlebnisse mitteilen, und ihm sagen: Wenn das, was eine deutsche Firma in Peru zum Bau eines Staudamms bereits tut, bei uns geschehen würde, müsste der Bau sofort eingestellt werden. Die Rechte der Campesinos sind nicht gewahrt.“ Von da an war der Pfarrer bereit, sich an den Auseinandersetzungen mit dem BMZ aktiv zu beteiligen.
 
4. Der Ansprechpartner, Padre Pedro
 
Hinführung: Im Folgenden kommt ein Thema zur Sprache, über das im allgemeinen nicht gesprochen wird - nicht in den Partnergemeinden und erstrecht nicht in offiziellen Verlautbarungen. Dennoch ist es Realität, es ist in vielen Partnergemeinden sogar der entscheidende Faktor. „Man“ spricht auch nicht darüber, und wer es doch tut, der beschmutzt sich selbst. Da aber die Ausblendung der Wirklichkeit keine Lösungen ermöglicht, sondern im Gegenteil, das Leiden verstärkt, dürfen in einer Studie, die sich auf Fakten bezieht, grundlegende Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden - unabhängig davon, ob dies als klug oder unklug erscheinen mag.
 
a) Von Beginn an gab es eine Kluft zwischen dem, was der Pfarrer aus Tembladera an die „Partner“ in Deutschland schrieb und dem, was wirklich vor Ort geschah. Zu keinem Zeit- punkt machte der Pfarrer den Versuch, z. B. auf dem Land kleine christliche Zellen aufzubauen und fähige Mitarbeiter zu suchen oder gar auszubilden. Zum Selbstverständnis des Pfarrers gehört es, dass er als Priester - „automatisch“, aufgrund seiner besonderen Erwählung und Weihe - im Mittelpunkt steht. Konkret: wenn die Campesinos etwas vom Priester wollen, müssen sie in die Stadt zu ihm kommen. Denn der Priester hat etwas, was andere nicht haben, das sie aber für ihr Heil brauchen. Gleichzeitig weiß der Pfarrer, was die Leute in Deutschland hören wollen, nämlich wie sehr er sich für die Armen einsetzt usw. und er schreibt entsprechende Briefe. Falls nun bei den Empfängern der Briefe ein uneingeschränktes Vertrauen herrscht (weil dies ja ein Pfarrer schreibt, der für die „Sache der Armen“ kämpft), oder man die Berichte nicht überprüfen kann und will, oder wie im Fall Herzogenaurach bestimmte Signale nur von wenigen wahrgenommen wurden, weil die Auseinandersetzung um den Staudamm alles überlagert hat, dann führt dies dazu, dass man eventuell jahrelang einer Projektion von Wirklichkeit erliegt, aus der es nur ein böses Erwachen geben kann (was immer noch besser ist, als tapfer die Scheinwirklichkeit verteidigen zu wollen).
Auf der „entwicklungspolitischen“ Ebene hat man aber in Herzogenaurach bald gemerkt, dass der Pfarrer von Tembladera vor allem deswegen so heftig „auf die Barrikaden“ ging, weil er und seine Familie als Landbesitzer von den Enteignungen betroffen war und er dann auch entschädigt wurde, während die Interessen der Landlosen (die zwar kein Land verloren, aber ihre Hütten, ihre Arbeitsmöglichkeiten etc.) außen vor blieben. Auf „pastoraler“ Ebene aber wurde in Herzogenaurach nicht über die (nicht vorhandene) Pastoralarbeit in der Partnergemeinde diskutiert.
 
b) Aus den Briefen peruanischer Pfarrer, auch des damaligen Pfarrers von Tembladera, wird deutlich, dass sie sich in der Zeit Bischofs Dammerts gegenüber den ausländischen Priestern stark zurückgesetzt fühlten. Vor allem Bambamarca galt in den Augen der meisten Pfarrer als „Millionengrab“ und als ein von Ausländern geschaffenes „Kunstprodukt“, das dann auch noch im Ausland entsprechend „vermarktet“ wurde. Währenddessen mussten sie sich selbst stets mit der Rolle der Bittsteller begnügen. Selbst Bischof Dammert werden persönlich die schlimmsten finanziellen Machenschaften vorgeworfen. Aus einem Brief von Padre Pedro 1993 an Vertraute in Herzogenaurach: „Die Diözese hat er ohne einen Pfennig hinterlassen. Die Sachen seines Zimmers, die ihm vor Jahren das Bistum kaufte, nahm er als sein Eigentum mit, als er seinen Wohnsitz nach Lima veränderte. Er bestahl also die Diözese und hinterließ dem neuen Bischof nur einen alten Tisch, den dieser weggeworfen im Lager vorfand“. Bischof Dammert und seine „ausländischen Hilfstruppen“ hinterließen eine „pastorale Wüste“, denn „es werden nicht mehr die Heiligen verehrt und auch Maria wird nicht mehr wie früher geliebt“.
 
„Wie ganz anders wäre es gekommen, wenn die Millionen von DM, Dollars und englischen Pfund, die zu Händen von Dammert kamen, für die Katecheten, den Religionsunterricht für die Kinder usw. benutzt worden wären! - und nicht von jenen, die sich damit den Mund stopfen mit ihrer Theologie der Befreiung und der bevorzugten Option für die Armen, während sie ihre Stellung der Reichen und Mächtigen aufrecht erhielten oder auch zu Neureichen wurden“. So herrschte nun bei einigen Pfarrern nach dem Bischofswechsel eine große Erleichterung. „Aber Dank sei Gott und Dank Don Paco (dem neuen Bischof), mein Leben ist heute anders geworden, ich fühle mich verwirklicht und glücklich Priester sein zu können, dem Volk von Cajamarca dienen zu können, die Sakramente zu feiern, Kranke, Kinder und Jugendliche zu besuchen - mit der großen Unterstützung von Legio Maria, eine Bewegung, die Dammert verabscheute“.
 
Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen Priesterbilder, Kirchenbilder und sonstigen religiösen Streitpunkte zu analysieren. Festzuhalten bleibt, dass die jeweiligen Partnergemeinden in Deutschland einer solchen   Situation oft hilflos gegenüberstehen. Es wird im Fall Herzogenaurach auch deutlich, dass eine grundlegende und offene, konstruktive Auseinandersetzung über die eigenen Schwerpunkte zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Spannungen innerhalb der Gruppe nicht stattfand. Die Mehrheit in der Gruppe erkannte sehr wohl das Kirchenbild von Padre Pedro, konnte sich aber gegen das offiziell befürwortete Kirchen- und Priesterbild nicht durchsetzen bzw. man hielt es für nebensächlich, da man ja hauptsächlich ein soziales Projekt förderte, das mit Pastoral angeblich nichts zu tun hatte. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass sich in der Zeit Bischof Dammerts Probleme, Missverständnisse und Frus- trationen aufgebaut haben, die nun deshalb so heftig zum Ausbruch kamen, weil unter Dammert darüber zu wenig diskutiert wurde. Aber auch Bischof Dammert hätte es sich verbeten, wenn man von deutscher Seite aus versucht hätte, auf die pastorale Linie in der Partnergemeinde Einfluss zu nehmen und peruanische Priester von Deutschland aus zu kritisieren. Dennoch fühlten sich einige peruanische Pfarrer offensichtlich von ihrem Bischof vernachlässigt, minderwertig behandelt oder gar diskriminiert.
 
5. Besuche
 
1985 besuchte der damalige Pfarrer von Herzogenaurach zum 1. Mal die Partnergemeinde. Dieser Besuch führte zu neuen Einsichten beim Pfarrer, der nun von der Notwendig- keit einer Hilfe bei der Umsiedlung der Bauern im Tal von Tembladera überzeugt war. Für die Pastoralarbeit, sowohl in der eigenen Gemeinde als auch in der Partnergemeinde, brachte der Besuch wenig. Entscheidender für die bis heute anhaltenden Konflikte in der Gruppe waren die Besuche von Padre Pedro in Herzogenaurach. Eine kleine Gruppe von Frauen entwickelte zu Padre Pedro eine geradezu „mystische“ Verbindung. Seine Gottesdienste wurden als Höhepunkte bisher erlebter Religiosität empfunden. Insbesondere seine Teilnahme an einer Fronleichnamsprozession ist für eine Gruppe von Frauen in unvergesslicher Erinnerung geblieben. „Als er unter dem Himmel einher schritt, das Allerheiligste vor sich her tragend, glich er dem leibhaftigen Christus. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, so voller Demut und Güte, wie es nur ein von Gott Beseelter ausstrahlen kann“.
 
1990 besuchte zum erstenmal eine Gruppe von sechs Mitgliedern des Freundeskreises Cajamarca (einschließlich des Pfarrers) die Partnergemeinde. Die Reise wurde inhaltlich nicht vorbereitet. Unter den Reiseteilnehmern waren zwei Frauen aus der oben genannten Gruppe. Bald stellte die andere Hälfte der Gruppe (drei Leute) fest, dass sie unerwünscht waren und eigentlich nur störten. Sie wurden während des Besuches sogar bei Einladungen und Essen übergangen. So konnten sie aber feststellen, worin die eigentliche Pastoralarbeit von Padre Pedro bestand, nämlich in sehr feierlichen Prozessionen mit viel Prunk, in vielen Andachten und Lobgesängen. Die Armen waren nicht anwesend. Nach der Rückkehr in die Heimatgemeinde kamen zwar die verschiedenen Eindrücke zur Sprache, doch es zählten nur die so überaus positiven Eindrücke der von Padre Pedro Begeisterten. Deren Erfahrungen hatten mehr Gewicht, schließlich war es der Pfarrer selbst, der sich von der Frömmigkeit seines Amtsbruders begeistern ließ. Erstmals wurde der Riss im Freundeskreis zwischen „Pedro - Anhängern“ und mehr sachbezogenen Mitgliedern als unüberwindbar erfahren. Eine der Betroffenen: „Nach meiner Reise musste ich erst einmal verkraften, dass wir auf einmal zwei Gruppen waren und die Leute zuhause lieber auf die Berichte der anderen Gruppe hörten. Ich wurde immer einsamer und unsicherer“.
 
Weil Herzogenaurach eine Anlaufstation von Bischof Dammert bei dessen Deutschland - Aufenthalten war, kamen nahezu alle Priester der Diözese Cajamarca, die irgendwann einmal die Gelegenheit bekamen, Deutschland zu besuchen, auch nach Herzogenaurach. Es war durchaus üblich, die Besucher aus Cajamarca auf „Rundreise“ zu schicken, nicht nur damit sie auch etwas von Deutschland sehen, sondern damit sie auch aus Cajamarca berichten konnten. Ausgangspunkt dieser Rundreisen war übrigens meist die Pfarrei St. Martin in Dortmund.
Diese Besuche trugen aber kaum zur Festigung des Partnerschaftsgedanken bei. Trauriger Höhepunkt war der Besuch zweier Pfarrer im Jahre 1993, die dann auch nach Herzogenaurach weitergereicht wurden. In Dankesbriefen an die kleine Frauengruppe (s.o.), die sich so sehr um die beiden Priester kümmerte, wurde gleich eine neue Partnerschaft angeregt, denn beide wurden nach ihrer Rückkehr von dem neuen Bischof als Belohnung für ihre Loyalität in eine neue, attraktivere Pfarrei versetzt. „Ich habe die Arbeit in der neuen Pfarrei Baños del Inca begonnen. Pastoral gesehen ist ein völliger Neubeginn notwendig und auch der Protestantismus hat alles überflutet. Es würde mich interessieren, eine Beziehung zu euch aufzunehmen und wenn Gott es so will, eine Partnerschaft. Hier in Baños haben wir eine ‚Bruderschaft‘, die mit den Bedürftigsten arbeitet. Eure Liebe zu Gott und den Nächsten wird belohnt werden, so wie es schon im Evangelium unseres Herrn steht“.
 
Und der Brief schließt mit einer Bemerkung über eine kleine Gruppe von Leuten, die den vergangenen Zeiten Bischof Dammerts nachtrauern. „Das einzige, was diese tun, ist Unzufriedenheit zu stiften und Dummheit und Zwietracht zu säen.“ In den folgenden Jahren (bis heute, auch nach einem erneuten Pfarrerwechsel 1995) stand das für die Pastoral- und Sozialarbeit gebaute Zentrum in Baños del Inca leer, erstrecht ist nichts von einer Arbeit mit den Armen zu sehen. Anmerkung: Baños del Inca war einer der ersten sozialen und pastoralen Zentren BischofDammerts, seit den sechziger Jahren von ausländischen Pfarrern betreut, die einen Schwer- punkt auf die Landpastoral legten. Das Zentrum wurde ausschließlich mit deutschen Geldern aufgebaut und finanziert. Die beiden Pfarrer waren vor ihrem Besuch Pfarrer in Cajabamba und alle interessierten Leute (auch der alte und neue Bischof) wussten von deren finanziellen und moralischen Eskapaden. In ihren neuen Pfarreien lösten sie die bestehenden Gruppen auf, die Laien wurden „entmachtet“ und die bisherige Pastoralarbeit wurde eingestellt.
 
Die Besuche Bischof Dammerts in Herzogenaurach waren für den Großteil der Gruppe stets ein Ansporn zum weitermachen. Im Nachhinein und aufgrund gezielter Briefe von Padre Pedro und den beiden Priestern fühlte sich ein Teil der Gruppe (und Gemeinde, Pfarrer) in ihrem Vorbehalt gegen Bischof Dammert bestätigt. Ihnen war es schon immer merkwürdig vorgekommen, dass ein Bischof mit einem Menschen befreundet ist, der nicht jeden Sonntag die Hl. Messe besucht, der als Bischof keine Mitra im Gottesdienst trägt und der wenig von einem Bischof ausstrahlt, sondern im Vergleich zu Padre Pedro „kalt und herzlos“ erscheint.
 
6. Chetilla
 
Chetilla ist eine der 24 Comunidades, die zur Pfarrei San Pedro gehören. Im Rahmen der Partnerschaft San Pedro - St. Georg, Ulm (siehe St. Georg) kam es mit insgesamt sechzehn Comunidades zu einer intensiven Zusammenarbeit (Kurse, Projekte etc.), stets mit den Verantwortlichen der Comunidades. Mit Chetilla dagegen kam es nie zu einer Zusammenarbeit, denn es gab einerseits keine Ansprechpartner, andererseits gab es von Chetilla aus keine Nachfrage oder einen Schritt auf die Partnerschaft zu. Die Verantwortlichen von Chetilla suchten auch keine Zusammenarbeit mit anderen Comunidades. Die Situation in Chetilla ist zudem eine besondere. Es ist eine Enklave mit eigener Kultur und Sprache (Quetschua). Dieser Umstand machte Chetilla zu einem vielfältigen und internationalen Forschungsobjekt. Seit über dreißig Jahren kamen immer wieder Ausländer und Peruaner (aus der Sicht von Chetilla alle in gleicher Weise Fremde) mit immer wieder neuen Ideen, Projekten usw. und nachdem diese dann ihr Projekt (das nie ein Projekt der Einwohner von Chetilla war, denn diese wurden nie gefragt) beendet hatten, verschwanden sie wieder.
 
1980 empfahl Alois Eichenlaub auf einem Deutschlandbesuch Chetilla neben Tembladera als Partnergemeinde für Herzogenaurach. Dies hatte zuerst keine Konsequenzen. Eher zufällig und über andere Kanäle wurde eine christlich engagierte Frau gefunden, die bereit war, als Katechetin über mehr als drei Jahre (1984-87) nach Chetilla zu ziehen und dort mit Frauen und Kindern zu arbeiten. Herzogenaurach finanzierte das Gehalt. Der damalige Pfarrer von Herzogenaurach über seinen Besuch 1985: „Später in Chetilla erlebten wir ein Dorf am Rande der Welt. Primitive, mit Gras gedeckte Dächer, eine halb verfallene Kirche, die offenbar kein Versammlungsort mehr ist, kein Priester mehr. Aber in dem ebenfalls überaus primitiven Pfarrhaus begrüßte uns eine junge Frau. Sie erzählte von ihrer Tätigkeit: Hilfe für die Frauen, Versammlung zum Gottesdienst u.a. und sie servierte uns eine warme Suppe während die kleine Tochter neben uns spielte“. Dieses Erlebnis bewirkte, dass der Pfarrer von nun an eine besondere und tiefe Beziehung zu Chetilla fühlte. Doch vorerst standen noch Tembladera und die Staudammgeschichte im Vordergrund. Zudem verließ 1987 die Katechetin Chetilla. Die Rahmenbedingungen in Chetilla, zudem allein (auch als Frau) auf sich gestellt, ließen es nicht zu, dort Fuß zu fassen. Weder der Pfarrer von San Pedro noch Bischof Dammert hatten der Gemeinde Herzogenaurach je mitgeteilt, dass Chetilla als Teilgemeinde von San Pedro zwar Bestandteil der Partnerschaft mit St. Georg war, dass aber St. Georg aus besserer Kenntnis der Umstände keine Möglichkeiten sah, Chetilla näher in die Partnerschaft mit einzubeziehen.
 
1990 kam es zu einem zweiten Besuch aus Herzogenaurach in Chetilla. Der damalige Pfarrer war von der Not, dem zerfallenen Pfarrhaus und der Armut der Menschen so bewegt, dass er sich entschloss, etwas zu tun. Zudem hatte ihm auch der Pfarrer von San Pedro ans Herz ge- legt, Chetilla zu helfen. So wurde bereits die Adveniatsammlung an Weihnachten 1990 für den (Aus-) Bau des Pfarrhauses bestimmt (in Rücksprache mit Adveniat). Adveniat übernahm die Abwicklung des Projekts, Herzogenaurach die Finanzierung. Gleichzeitig wurden vom Pfarrer von San Pedro immer neue Pastoral- und Sozialprojekte mit den jeweiligen Finanzierungswünschen nach Herzogenaurach übermittelt. Als 1994 eine kleine Gruppe aus Herzogenaurach (diesmal ohne Pfarrer) Chetilla besuchte, war aber - wie vorauszusehen - von dieser Arbeit nichts zu sehen, nur das Pfarrhaus war fertig, stand leer und war auch sonst ohne Funktion. Dennoch schrieb 1994 der Pfarrer von San Pedro an den Pfarrer von Herzogenaurach, dass nun ein neuer Priester in seine Pfarrei gekommen sei und so mit ihm und noch neu einzustellenden Fachkräften die pastorale Betreuung von Chetilla garantiert sei. Doch inzwischen war man in Herzogenaurach vorsichtiger geworden. Denn nicht nur das leerstehende, teure Pfarrhaus, sondern auch die erste (!) offizielle Kontaktaufnahme und Rücksprache mit St. Georg machte hellhörig.
 
In St. Georg kannte man die Probleme in Chetilla, man kannte vor allem die vom Pfarrer von San Pedro vorgeschlagenen Mitarbeiter für Chetilla und auch den neuen Priester - es war einer der zwei Priester, die 1993 Herzogenaurach besucht hatten. Und die „pastoralen“ Mitarbeiter waren zwei Ingenieure, die gute Verträge mit ausländischen NRO hatten und eine bequeme Unterkunft (plus zusätzlichen Gehalt) in Chetilla suchten. Allerdings war die Auskunft von St. Georg an Herzogenaurach sehr zurückhaltend, fast „verschlüsselt“. Vorsichtig geworden rang die Gruppe dem eigenen Pfarrer (der weiterhin seinem Amtsbruder vertraute) ab, nur einen statt zwei Mitarbeiter zu finanzieren und dies noch unter der Bedingung, dass dies ausschließlich für die pastorale Arbeit sei.
 
Noch 1996 wurde dem „pastoralen Mitarbeiter“ eine Extrarate von 1.000 Dollar für dessen gute Arbeit geschickt, zusätzlich 2.100 Dollar an den Pfarrer für die pastorale Arbeit in Chetilla. Um so größer die Verwunderung, als Anfang 1997 Pfarrer Vigo schreibt, dass der „pastorale Mitarbeiter“ von den Campesinos von Chetilla aus dem Dorf gejagt wurde, „da er trinkt, nicht arbeitet und das Pfarrhaus für unmoralische Zwecke nutzt“. Vorkommnisse dieser Art gab es schon lange vorher, besonders die Frauen aus Chetilla beklagten sich heftig über die „Ingenieure“, weil sie vor deren Nachstellungen nicht sicher waren. Doch erst 1997 kam es - aus anderen Gründen - zu einem Zerwürfnis des Pfarrers Lorenzo Vigo mit seinem „pastoralen Mitarbeiter“ in Chetilla und dann erst wurde der Brief nach Herzogenaurach ge- schrieben.
 
Im gleichen Brief stellt Pfarrer Vigo seinen „neuen“ Pfarrgemeinderat vor, bittet unter dem Hinweis, dass Chetilla vom Staat zur Armutszone erklärt wurde um 2.500 Dollar monatlich für die pastorale Arbeit und betont, dass er als Pfarrer allein verantwortlich für die Auswahl des Personals und für die Pastoralarbeit insgesamt sei. Nach einer erneuten Rückfrage an St. Georg (offiziell von Gemeindeleitung zu Gemeindeleitung unter Einschluss der Ausschüsse) stellt sich heraus, dass der neue Pfarrgemeinderat identisch ist mit der Gruppe um den Pfarrer, die seit 1993 die Geschicke der Pfarrei San Pedro bestimmen wollte (siehe St. Georg). Auch wusste man inzwischen, dass der neue Priester in San Pedro nicht das geringste Interesse hatte, den mühsamen Weg nach Chetilla zu wagen. Er war nur einmal in Chetilla, nämlich 1994 bei der festlichen Einweihung des Pfarrhauses.
 
In einem (vorläufig) letzten Brief im Herbst 1997 von Herzogenaurach an Pfarrer Vigo heißt es: „Es würde unsere Gruppe sehr interessieren, welche Projekte über den Pfarrgemeinderat laufen, wie konkret die seelsorgerlichen Aufgaben wahrgenommen werden, welche Hilfen angeboten werden. Hierbei bitten wir Sie, unsere Anfragen nicht als Kontrolle zu sehen, sonders als echtes Interesse. Denn unsere Gruppe versteht sich als Mittler zwischen den Armen und Hilfsbedürftigen dieser Welt und den Menschen hier in Deutschland. ..Mit diesem Brief schicken wir ein Papier, welches unsere grundsätzlichen Ziele und Vorstellungen genauer er- klärt. Wir haben keine Probleme mit der Überlegung, wen wir unterstützen wollen: es sind die Armen, die uns am Herzen liegen. Auf keinen Fall wollen wir die Mitarbeiter der Pfarrei kontrollieren oder beleidigen. Im Gegenteil, eine vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit scheint uns als einzige Möglichkeit sinnvoll, denn wir denken, nur so können wir voneinander lernen“. Seither gibt es keine weiteren Kontakte, und da man im Moment keine Möglichkeit mehr sieht, in Chetilla etwas bewegen zu können, wird auch kein Geld mehr geschickt. Der neue Pfarrer von Herzogenaurach war auch während seines Besuches 1998 nicht in Chetilla. Es kam zwar zu einer Begegnung mit Lorenzo Vigo, aber die „Partnerschaft“ mit Chetilla spielte in dem Gespräch keine Rolle. Lorenzo Vigo ist zudem schwer erkrankt.
 
7. Weiterer Verlauf bis heute (1999)
 
Obwohl die Partnerschaft mit Chetilla „ruht“, besteht noch die Verbindung zu der einst in Chetilla arbeitenden Katechetin. Diese lebt und arbeitet zusammen mit ihrem Ehemann (ein Lehrer) in der Comunidad Apalín in 3.700 m Höhe. Über ihre Arbeit als Lehrerehepaar hinaus leisten die beiden eine ansehnliche und engagierte Sozialarbeit. Bereits 1990 bekamen sie Be-such aus Herzogenaurach und zwar von dem Teil der Gruppe, der von den Pfarrern an den Rand gedrängt wurde (siehe oben). Mit dem Lehrerehepaar besteht eine gute briefliche Kommunikation.
 
Es werden Projekte unterstützt, die meist im Zusammenhang mit der Schule stehen, wie Schulgarten, Kleintierzucht, Trinkwasserversorgung und Latrinenbau, Erweiterungsbau der Schule und Schulbücherei. Ein Kontakt zu einer Pfarrgemeinde vor Ort besteht nicht. Da dieses Ehepaar der einzige Ansprechpartner ist, ist die Beziehung zu Apalín von dem Ehepaar abhängig. Außerdem besteht die Versuchung, die beiden mit so viel Geld zu überhäufen, das sie sinnvoll gar nicht in dem vorgegebenen Rahmen investieren können. So schickte z. B. ein Pfarrer, der mit dem damaligen Pfarrer von Herzogenaurach 1985 in Chetilla war und die Katechetin kennenlernte, Ende 1997 ohne Absprache mit der Gruppe einen größeren Betrag an das Ehepaar. Die Gruppe macht sich Sorgen, dass durch solche Aktionen das Ehepaar in eine Lage geraten könnte, die ihre weitere Arbeit in Apalín eher erschwert als erleichtert. Während des erwähnten Besuches des neuen Pfarrers von Herzogenaurach konnte er wegen einer mangelnden Planung vor Ort Apalín nicht besuchen. Außerdem war es sein Ziel, in Absprache mit der Partnergruppe, die zukünftige Zusammenarbeit mit Cajamarca auf die Gemeindepartnerschaft mit Tembladera zu beschränken. Dennoch hat man nach seiner Rückkehr mit Befremden reagiert, weil er Apalín nicht besucht hat.
 
Die nicht abgesprochenen Überweisungen an die „Partner“ in Cajamarca sind insbesondere in Herzogenaurach ein Problem. Es gab drei handelnde Parteien: der ehemalige Pfarrer, der seine „privaten“ Kontakte zum Teil weiterhin pflegt; der kleinere Teil des Freundeskreises, der „ihren“ Pfarrer, Padre Pedro, weiterhin unterstützt; der „offizielle“ Teil des Freundeskreises, der nicht überweisen darf (außer an das Ehepaar), da laut Satzung des Vereins die Beschlüsse für Geldüberweisungen einstimmig sein müssen. Kern dieses Problems liegt in der unterschiedlichen, ja inzwischen völlig konträren Stellung zu Padre Pedro, dem ehemaligen Pfarrer von Tembladera. Streitpunkt war, ob die Partnerschaft mit dem Pfarrer oder der Gemeinde von Tembladera bestand.
 
Anfang 1993 wurde Padre Pedro nach Cajamarca versetzt, in die zweitgrößte Pfarrei der Stadt, San Sebastián. Im Jahr vorher konnte er noch die Einweihung des neuen Pfarrhauses in Tembladera feiern. Am 31. Mai 1992 wurde das neue Pfarrhaus mit Saal, Bibliothek und Arztraum übergeben. Dazu erging auch eine Einladung an die Gemeinde Herzogenaurach, doch konnte niemand nach Peru reisen. Bereits im Mai, wenige Monate nach dem Wechsel nach Cajamarca (und dem Bischofswechsel!) kamen die ersten Briefe Padre Pedros über die nun veränderte Situation nach Herzogenaurach. Über den neuen Pfarrer in Tembladera heißt es: „Dem neuen Pfarrer sendet ihr die Hilfe besser über die Diözese, denn die bisherigen Vorfälle mit ihm, veranlassen mich, ihn zu kontrollieren. Ich übergab ihm die Pfarrkasse, aber... Ihr müsst euch also entscheiden, wem ihr in Tembladera vertraut“. Es folgen Aussagen über den neuen Pfarrer, die hier nicht wieder- gegeben werden können. Gleichzeitig bittet er um Geld für sich selbst. Natürlich führte dies zu einer Verunsicherung der Partnerschaftsgruppe in Herzogenaurach. Von den Verleumdungen abgesehen, beunruhigten und verwirrten vor allem die verschiedenen und gegensätzlichen Berichte über die veränderte Pastoral in der Diözese.
 
In dieser Situation schrieb die Gruppe in Herzogenaurach im Herbst 1993 einen Brief an Bischof Simón, in dem die bisherige Partnerschaft dargestellt wird, ebenso die theoretischen Grundanliegen und Zielsetzungen der Partnerschaft, so wie man sie in Herzogenaurach versteht. Und man äußert den Wunsch, die Partnerschaft auf dieser Grundlage mit Tembladera und Chetilla weiterführen zu können - in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem neuen Pfarrer in Tembladera und unter Miteinbeziehung des Bischofs. Bischof Simón antwortet im November 1993 in einem Brief an den Pfarrer von Herzogenaurach: „Dank umfangreicher Bemühungen ist es mir gelungen, eine Ordensgemeinschaft mit mexikanischen Schwestern für Tembladera zu gewinnen. Sie sollen Katecheten ausbilden und mit den Lehrern und Jugendlichen arbeiten.
 
Deren Ansiedlung überfordert aber die finanziellen Möglichkeiten der Diözese. Aus diesem Grunde bitte ich Sie um die Überweisung von mindestens 5.000 Dollar für die Anfangsphase der Ordensansiedlung“. Die 5.000 Dollar wurden überwiesen, doch sie bleiben in Cajamarca hängen. Nach wiederholten Nachfragen und Drängen seitens der Pfarrei Tembladera wurden dann vom Bischof doch noch 2.500 Dollar weitergegeben, die restlichen 2.500 Dollar sind bis heute verschwunden. Als Padre Victorino, der neue Pfarrer, einen schweren Verkehrsunfall erleidet und im Krankenhaus behandelt werden muss, kann er die Kosten nicht bezahlen, der Bischof erklärt sich für nicht zuständig, Herzogenaurach springt ein. Danach werden keine Gelder mehr an den Bischof überwiesen, was dieser wiederum als unzulässige Einmischung bezeichnet („Dollarimperialismus“).
 
Padre Victorino, der zuvor über fünf Jahre als Pfarrer in Bambamarca Erfahrungen in der Landpastoral gesammelt und das Vertrauen der Campesinos gewonnen hatte, schreibt in einem ersten ausführlichen „Vorstellungsbrief“ nach Herzogenaurach (Januar 1994): „Bei meiner Ankunft in Tembladera war ich sehr verwundert, dass ich auf all meinen Reisen in die verschiedenen Dörfer keinen einzigen Katecheten antraf, der Verantwortung für eine Kapelle oder für einen Wortgottesdienst getragen hätte. ..Als ich hier ankam, gab es auch keine Jugendgruppen. Wir beginnen jetzt, sie zu organisieren“. Ebenfalls versichert er, eine Pastoralarbeit im Sinne Medellíns zu beginnen (wie in Bambamarca). Dass er über seine eigene Pfarrei hinaus sieht und mit einer deutschen Gemeinde in einen echten Dialog eintreten will, zeigt folgender Ausschnitt aus demselben Brief: „Für mich ist die brüderliche Freundschaft zwischen zwei Pfarreien noch wichtiger als die materielle Hilfe, sie ist gegenseitiger Beistand bei der Erfüllung von Gottes Willen und der Begeisterung der Nachfolge Jesu. Das nennen wir Evangelisierung: die Frohe Botschaft verkünden und sich von den Armen des Volkes und anderer Völker evangelisieren zu lassen; z. B. vom Zeugnis eines Oscar Romero, geschrieben mit seinem Leben und seinem Blut. Die Dokumente der lateinamerikanischen Kirche geben uns eine gute Orientierung. Das sage ich, weil ich es besorgniserregend finde, wenn der deutsche Theologe J. B. Metz die deutsche Glaubenswirklichkeit in einem Artikel mit der Überschrift ‚Gotteskrise‘ zusammenfasst. Da fragen wir uns schon, wohin das führt, wenn ein für uns vorbildlich entwickeltes Land so denkt. Ist die Kirche ‚out‘? Ist das ein Ergebnis des Modernismus, der Technifizierung der Ersten Welt? Ich wüsste dazu gern ein wenig von eurer Wirklichkeit. Wohin gehen wir Menschen, unsere Schöpfung - was meint ihr dazu“?
 
In der Folge entstehen rege und gute Briefkontakte. Padre Victorino wird für 1995 nach Herzogenaurach eingeladen, kann dann aber erst 1996 kommen. Auf diesem Besuch lernt Padre Victorino auch den neuen Pfarrer von Herzogenaurach kennen und schätzen. Die Gruppe in Herzogenaurach bleibt aber weiterhin gespalten, auch der ehemalige Pfarrer versteht sich weiterhin als Mitglied der Gruppe, die „Padre - Pedro - Anhänger“ geraten aber mehr und mehr in die Defensive. Als Problem wird diskutiert, ob man Padre Victorino ein Gehalt von 100 Dollar bezahlen soll, denn er hat keine Einkünfte und wird vom Bischof bewusst nicht unter- stützt. Der Bischof weigert sich zudem, Padre Victorino zum Verantwortlichen der Schulseelsorge zu ernennen (Schuldekan). Dieser Posten stand bisher allen Pfarrern von Tembladera „automatisch“ zu, so hatte auch Padre Pedro diese Ernennung, die mit einem Gehalt als Schuldekan verbunden war. Die Stelle wurde einer der mexikanischen Schwestern übergeben. Nun aber befürchtet die Gruppe in Herzogenaurach neuen Streit, falls man Padre Victorino unterstützen würde.  
 
Sowohl der Bischof als auch Padre Pedro (und dessen Anhänger) könnten dies als Provokation auffassen oder zumindest als einseitige Parteinahme. Am Ende wäre Padre Victorino der Leidtragende, da er dann eventuell vom Bischof versetzt werden könnte. Drei Personen der Gruppe   entschließen sich dann zu einer privaten (d. h. nicht aus offiziellen Spendengeldern) Unterstützung von Padre Victorino. Bischof Simón, der jede Verantwortung für die Bezahlung seiner (vor allem „missliebiger“) Priester ablehnt, ist Vorsitzender der Kommission für den Klerus der peruanischen Bischofskonferenz. In dieser Eigenschaft ist er beauftragt, an der Ausarbeitung von Statuten für die Finanzierung des Klerus und dessen soziale Absicherung zu arbeiten. Diese Arbeit wird von Adveniat unterstützt. Trotz der schon erwähnten Blockade kommt die Gruppe geschlossen zur Auffassung, dass die Partnerschaft zwischen den Gemeinden Herzogenaurach und Tembladera geschlossen wurde - unabhängig vom jeweiligen Pfarrer.
 
Der neue Pfarrer von Herzogenaurach möchte auf dieser Grundlage die Gemeindepartnerschaft in den Mittelpunkt stellen, die Partnerschaft soll für die gesamte Gemeinde zum Thema werden (z.B. durch Einbeziehung in die Gottesdienste), es soll offen über die unterschiedlichen pastorale Konzepte (auch Kirchen - und Gemeindebilder) diskutiert werden (hier und dort) und es sollen die kirchlichen Basisdokumente (Vatikanum II, Medellín, Puebla, deutsche Synodenbeschlüsse usw.) besser studiert und zurGrundlage der zukünftigen Partnerschaft gemacht werden. Die Option für die Armen (vor allem Landpastoral) steht dabei im Zentrum. Alle Gemeindemitglieder, die sich im Rahmen dieser Orientierungen eine Mitarbeit in der Gemeinde und der Partnerschaftsidee vorstellen können, werden eingeladen mitzumachen. Die Rückbesinnung auf die Grundlagen der Partnerschaft und die neu formulierten Perspektiven wurden auch mit angeregt durch diese Studie. Aufgrund der Fragebogen kam es zu einer Bestandsaufnahme, zu gründlichen Gesprächen in der Gruppe und zu Einzelgesprächen, in denen auch die bestehenden Probleme zur Sprache kamen.
 
8. Neuorientierung in der Partnerschaftsbeziehung Tembladera - Herzogenaurach (1998)
 
Im Verlauf der weiter oben schon erwähnten Neuorientierung kam es 1998 zu zwei Besuchen in der Partnergemeinde Tembladera. Über Pfingsten reiste der Vorsitzende (mit Ehefrau) des Freundeskreises nach Peru. Bereits vor dem Besuch war man über die Auswirkungen der Überschwemmungen als Folge des Klimaphänomens „El Niño“ informiert, die gerade auch in Tembladera stark zu spüren waren. Da sich infolge der vorausgegangenen Blockade ein größerer Geldbetrag angesammelt hatte, wurde nun dieser Betrag vollständig zur Behebung der durch die Überschwemmungen verursachten Schäden mit nach Peru genommen und über- geben. Die Besucher sprachen mit dem Pfarrer und den Schwestern über die Notwendigkeit eines Partnerschaftskomitees in Tembladera. Hintergedanke dieser Idee war, dass man an der Partnerschaft mit Tembladera auch dann festhalten möchte, wenn der Pfarrer versetzt werden sollte. Die Partnerschaft könne dann aber um so leichter weitergeführt werden, wenn ein Part- nerschaftskomitee mit Vertretern der einzelnen Gruppen die Hauptverantwortung für die Part- nerschaft übernommen hätte. Es wurde aber nichts konkretes vereinbart, statt dessen brachten die Besucher einen Stapel von Bittbriefen mit, die ihnen meist in der Form überreicht wurden, dass andere davon nichts erfuhren. Neben der Partnergemeinde wurde auch Apalín besucht, Chetilla dagegen nicht mehr.
 
Der Pfarrer von Herzogenaurach bereitete inzwischen auch seinen Besuch vor. Unter Hinweis auf die durch „El Niño“ verursachten Schäden wurde eine Extra - Kollekte in der Gemeinde durchgeführt. So konnte auch der Pfarrer mit einem ansehnlichen Geldbetrag die Reise antre- ten, zumal er auch noch zusätzliche Verpflichtungen erfüllen musste, die der Vorbesuch ein- gegangen war. Neben dem Besuch der Partnergemeinde kam es zu einem Gespräch mit Pfar- rer Vigo (San Pedro), bei dem das Thema Chetilla keine Rolle mehr spielte. Eben so wenig kam es zu einem Besuch in Apalín, da zum einen die Vorbereitung eines Besuches in Apalín nicht klappte zum anderen auch deshalb dann davon abgesehen wurde, weil das Lehrerehepaar in Apalín vermutlich eines Tages nach Cajamarca in die Stadt umziehen und es danach keine Ansprechpartner mehr in Apalín geben würde (s.o.)
 
Der Besuch in Tembladera war ein voller Erfolg. Die Gruppen der ganzen Gemeinde waren mit einbezogen. Da man sich im Vorfeld des Besuches bereits mit dem eventuellen neuen Schwerpunkt Landpastoral intensiv befasst hatte, stand auch ein Besuch auf dem Land auf dem Programm. Es wurde der Eindruck bestätigt, dass in Tembladera selbst viel geschieht, dass es viele Gruppen gibt etc., dass aber auf dem Land bisher wenig möglich war, obwohl dort die Not am größten ist (auch spirituell) und die Mehrzahl der Menschen schließlich auf dem Land lebt. Es war nun noch klarer, dass in Zukunft der Schwerpunkt eindeutig auf der Landpastoral gelegt werden sollte. Dies wurde den Partnern auch so gesagt. Am letzten Abend des Besuches, ein Gemeindeabend und Abschiedsfest, wurde in Absprache mit dem Pfarrer die neue Art der Zusammenarbeit verkündet. Zuvor wurde wieder von einzelnen Gruppen und Einzelpersonen versucht, Bettelbriefe zu überreichen, die aber diesmal nicht mehr akzeptiert wurden.
 
Während des Besuches wurde u.a. noch registriert, dass über 100 Familien unter schlimmsten Bedingungen in Tembladera leben, die immer noch keine Entschädigung für ihre im Zuge des Staudammprojektes verlorenen Felder erhalten haben und dass auch in der im Rahmen der Entschädigung errichteten neuen Siedlung (Ciudad de Dios) an der Küste, die Probleme sich verschärfen und die Menschen dort allein gelassen sind. Die Besucher wurden gebeten, sich bei Adveniat für die vollständige Auszahlung des ihnen von Adveniat für den Ausbau der Pfarrbibliothek zugesagten Betrages einzusetzen. Der volle Betrag wurde zwar von Adveniat dem Bischof von Cajamarca überwiesen, kam aber nicht in Tembladera an.
 
In Herzogenaurach wurde dann am Missionssonntag (24./25.10.) in allen Messen zum ersten Mal über die theologischen und spirituellen Grundlagen einer Partnerschaft gepredigt und auch die neue Art der Zusammenarbeit bekannt gegeben. Zwar wurde auch schon vorher in vielen Wortgottesdiensten tiefgründig über Partnerschaft gesprochen und gebetet, doch war die Partnerschaft nicht Thema der Gemeindegottesdienste, u.a. auch des- wegen nicht, weil vorher niemand außer dem Pfarrer predigen durfte. Auszüge aus dem „praktischen“ Teil der Predigt: (Ich wurde vom Pfarrer eingeladen, diese Predigt zu halten, ich hatte auch den Pfarrer während seines Besuches in Peru vom ersten bis zum letzten Tag begleitet).
 
„Seit 1981 bestehen Kontakte zur Pfarrei in Tembladera. Mitte der achtziger Jahre wurde Her- zogenaurach dadurch sogar - zumindest bei Insidern - bundesweit bekannt. In einem beispiel- haften Engagement gelang es, vielen Menschen in Tembladera, die durch den Bau eines Staudamms Land, Arbeit und damit ihre gesamte Lebensgrundlage verloren haben, zu helfen, neu anzusiedeln, neue Perspektiven zu ermöglichen. Sogar die deutsche Bundesregierung konnte zum Eingreifen bewegt werden. Herzogenaurach kann stolz sein auf das, was geleistet wurde. Doch weiß man das noch heute und wie geht es weiter? Vor allem aber: war das damals nicht eher das Anliegen einer kleinen Gruppe, eher am Rande der Gemeinde? Unser heutiges Anliegen ist eine Einladung an die gesamte Gemeinde, eine Einladung, als Gemeinde mit einer anderen Gemeinde das Brot zu teilen, Eucharistie zu feiern, zum Brot für andere werden. Wie Sie sicher wissen, kam es in diesem Jahr zu zwei Besuchen in Tembladera, über die bereits berichtet wurde. Es gibt dort dreizehn verschiedene Gruppen. Pfarrer Victorino, der vor zwei Jahren hier zu Besuch war, arbeitet mit allen Gruppen zusammen. Ihm zur Seite stehen drei mexikanische Schwestern. Die Partnerschaft ist eine feste Größe.
 
Dennoch gab es zwei entscheidende Defizite: die Organisation der Partnerschaft und das weitgehende Fehlen einer Landpastoral. Was ist damit gemeint? In langen Gesprächen mit den Schwestern, dem Pfarrer und einigen weiteren Verantwortlichen wurde bald deutlich, dass die Partnerschaft besser organisiert werden muss. In Absprache mit allen Gruppen und der Pfarrleitung wurde ein Komitee gebildet, das für die Partnerschaft verantwortlich ist. Dieses Komitee bündelt alle Bedürfnisse, Anregungen und Vorhaben und in Absprache mit allen werden die Prioritäten für die zukünftige Pastoralarbeit gesetzt. Diese Prioritäten, wenn möglich mit zu erwarteten Kosten, werden Herzogenaurach mitgeteilt und um Mithilfe gebeten. Herzogenaurach hilft dann im Rahmen seiner Möglichkeiten und das Komitee ist der alleinige Adressat und Ansprech- partner. Es sind stets die Betroffenen vor Ort, die am besten wissen, was wichtig für sie ist. Nicht wir in Deutschland bestimmen, was die dort zu tun haben, aber wir haben ein Recht zu wissen, was getan wird und für wen. Das sind wir auch allen Spendern schuldig. Oberstes Ge- bot der Partnerschaft ist maximale Transparenz, auf beiden Seiten. Auch von hier aus darf nur mit einer Stimme gesprochen werden.
 
Das zweite Defizit ist nicht so einfach zu beheben. Tembladera gilt als Kleinstadt und die erwähnten Gruppen leben und arbeiten in der Stadt. Doch auf dem Lande leben weit mehr Menschen, die Campesinos. Das Verhältnis, grob gerechnet, beträgt etwa 1:5, d.h. etwa 6.000 in der Stadt, 30.000 auf dem Land. Auf dem Land ist das Elend noch viel größer - in jeder Hinsicht. Und wer kümmert sich um diese Menschen? Sowohl Padre Victorino als auch die Schwestern sehen das Problem. Sie haben auch den Willen, öfter aufs Land zu gehen, Kon- zepte zu entwickeln etc. Und mit unserer Hilfe können sie es schaffen! Es gibt hervorragende Beispiele von Landpastoral in der Diözese Cajamarca, die zeigen, was es für die Campesinos bedeutet, wenn sie die Frohe Botschaft kennen lernen und lernen, ihr Leben im Lichte der Bibel zu deuten und zu verändern. .... Die Pfarrei St. Magdalena bzw. der bisherige Freundeskreis Cajamarca, hat stets betont, genau wie viele andere Partnergemeinden aus Deutschland, dass sie eine Partnerschaft mit den wirklich Bedürftigsten wollen. Das sind eindeutig die Campesinos und die Armen, die es aber auch in den Städten gibt. Sie sind die eigentlichen Partner. In Übereinstimmung mit den Partnern und deren Pfarrleitung (Komitee) möchte der Freundeskreis, hoffentlich die Gemeinde als ganzes, in Zukunft ihren Schwerpunkt auf die Förderung der Landpastoral legen. ...“
 
Im Gemeindebrief und auch in einer Titelgeschichte des Kirchenblattes der Erzdiözese Bamberg wurden diese Gedanken der Gemeindepartnerschaft in die Öffentlichkeit getragen. Es wurde ein neuer Verein gegründet, d.h. der bisherige Verein sollte auf eine neue Basis – auch mit möglichst vielen neuen Mitgliedern - gestellt werden. Bald nach dem Missionssonntag kam es dann zur ersten konstituierenden Sitzung des Vereins, der sich nun „Partnerschaftskreis Tembladera“ nennt. Es konnten auch tatsächlich neue Mitglieder gewonnen werden, die Zahl der Mitglieder ist auf 37 gestiegen. Die ehemaligen Mitglieder machen mehrheitlich wei- ter mit. Auf Handzetteln wurde der Gemeinde der neue Verein vorgestellt:
 
„Ziel: Die Pflege der Partnerschaft mit Tembladera in Peru mit dem Schwerpunkt Landpastoral. Ausgehend vom Zweiten Vatikanischen Konzil umfasst „Landpastoral“:
  • die Sorge um den ganzen Menschen, seine Befreiung von geistiger und materieller Not.
  • die Wertschätzung der Kultur der Campesinos, ihrer Arbeit, ihrer Gemeinschaftsformen, ihrer Überlieferungen, ihrer Religiosität.
  • den Aufbau von Basisorganisationen (Selbsthilfe), um aus eigener Kraft Hunger, Krankheit, Unterdrückung zu überwinden.
  • Konkret bedeutet dies: Ausbildung von Katecheten, Gesundheitshelfern, notwendigen Handwerkern, Alphabetisierung, Frauenarbeit, Jugendarbeit.
Der Freundeskreis bemüht sich um Partnerschaft mit den Menschen in der Region Cajamarca. Durch persönliche Kontakte und gegenseitige Informationen sollen die Verbindungen zwischen Herzogenaurach und den dortigen Partnern vertieft werden. Als Zeichen der Solidarität mit der Kirche der Diözese Cajamarca wird der Freundeskreis im Rahmen seiner Möglichkeiten die pastoralen Aufgaben unterstützen, sich für die Rechte der Menschen einsetzen und für die Freunde in Peru einen finanziellen Beitrag leisten. Der Freundeskreis möchte Anregungen, die er durch den Kontakt mit der Kirche in Peru erhält, in das Leben der Pfarrei einbringen. So soll ein lebendiger Austausch zwischen den Menschen dort und uns gefördert werden, um uns gegenseitig in unseren Erfahrungen, unserer Kultur und unserer Arbeit zu bereichern und zu bestärken.
Wir möchten am Beispiel Peru entwicklungspolitische Fragen zur Diskussion stellen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir als Bürgerinnen und Bürger einer reichen und einflussreichen Industrienation mitverantwortlich für die wachsende Verelendung und Naturzerstörungin der sogenannten „Dritten Welt" sind und deshalb auch bei uns Veränderungen vornehmen müssen.
 
Folgende Aufgaben wurden bereits verwirklicht:
  • Hilfe und Unterstützung der durch den Staudammbau vertriebenen Menschen aus
  • Tembladera, Chungal und Monte Grande
  • Politische Einflussnahme in Deutschland und Peru zur Umsiedlung und Entschädi- gung der betroffenen Menschen
  • Unterstützung beim Aufbau der Kirche und des Pfarrzentrums in Tembladera
  • Unterstützung beim Aufbau der Kirche und eines Pfarrhauses in Chetilla
  • Unterstützung bei dem Ausbau eines Schulhauses und von Straßenbaumaßnahmen in Apalín Alto
  • Kontaktpflege und Zusammenarbeit mit anderen Gruppen in Deutschland und Peru

 

Kritische Anfragen (von Mitarbeitern aus Herzogenaurach selbst)

Die folgenden kritischen Anfragen an die Idee einer Gemeindepartnerschaft zwischen einer reichen und einer armen Gemeinde stammen nicht nur aus der Gemeinden Herzogenaurach. In fast allen Gruppen kam es zu (meist positiven) Krisen, in denen dann grundsätzliche Fragen gestellt und diskutiert wurden. Dies geschah vor allem dann, wenn „irgendetwas schief ging“ oder wenn es zum Streit in der Gruppe kam und einige ursprünglich aktive Mitglieder sich zu- rückzogen, weil sich die Partnerschaft nicht in dem von ihnen erwarteten Bahnen entwickelte bzw. sie in ihren Augen auf eine schiefe Bahn geraten ist. Einige dieser ursprünglich aktiven Mitglieder nahmen an der Befragung teil und zogen kritische Bilanz. Denn das Konzept einer direkten, persönlichen Partnerschaft leuchtete unmittelbar ein, sonst hätte man nicht das Wag- nis einer Partnerschaft auf sich genommen. Man wollte nicht nur spenden, sondern direkte Kontakte mit Gemeinden in Peru, konkret mit den Armen knüpfen und pflegen. Man wollte sich kennen lernen, voneinander lernen, jenseits einer „paternalistischen Caritasmentalität“. Auch von einigen noch aktiven Mitgliedern werden Fragen gestellt und sind Zweifel vorhanden. Ausschließlich diese Fragen und Zweifel werden hier vorgestellt - ohne zu hinterfragen, ob diese Zweifel im Einzelfall sachlich begründet sind. Ist das ursprüngliche Konzept aufgegangen?

  • Eine über persönliche Kontakte vermittelte Partnerschaft hängt von den jeweiligen Personen ab. Dies kann zu einer großen Belastung (beiderseits) für die Partnerschaft werden.
  • Der Umfang der Spenden übertrifft das „Fassungsvermögen“ (Aufnahmekapazität) der Empfänger. Gleichzeitig werden große Ungleichheiten in den Partnerdiözesen geschaffen, manchmal auch in den Partnergemeinden selbst. Denn einige Gemeinden und Leute werden unterstützt, andere nicht; bestimmte Leute dürfen nach Deutschland reisen, andere nicht.
  • Über die Verwendung der Spendengelder kann es zu verschiedenen, sich widersprechende Berichten aus den Partnergemeinden kommen - bis hin zu Denunziationen über den Miss- brauch von Spenden. Neid und Misstrauen können gefördert werden.
  • Gemeindepartnerschaften gleichen in vielen Aspekten und in ihrer Struktur persönlichen Patenschaften und müssen sich so auch mit deren negativen Folgen auseinander zusetzen (Paternalismus, Reduzierung objektiver Gegebenheiten auf Personen und Gefühle).
  • Letztlich bestimmen wir in Deutschland, wer und was gefördert wird und wir nehmen der Kirche vor Ort die Möglichkeit der Selbstbestimmung. („Gerade das war ein zentraler Vorwurf, den wir der staatlichen und neokolonialistischen Entwicklungspolitik sowie der traditionellen Mission gemacht haben, von denen sich doch die neue Dritte-Welt-Partnerschaft abheben wollte...“)
  • Wir schaffen viele Erwartungen, die wir aber mangels entwicklungspolitischer Perspektiven nicht erfüllen können bzw. die über unsere Möglichkeiten und Kräfte hinausgehen.
  • Kurzfristige Hilfe von außen, zumal wenn sie nicht im Kontext lokaler Möglichkeiten geschieht, bringt keine langfristige Entwicklung zustande und kann diese verhindern.
  • Entwicklungspolitische Laien“ können mit ihrem guten Willen viel zerstören und zeigen sich oft „beratungsresistent“ - dies um so mehr, je persönlicher die partnerschaftlichen Beziehungen sind.
Unabhängig davon, ob in dieser kritischen Bestandsaufnahme einiger Gruppenmitglieder verschiedener Gruppen die eigene Partnerschaftsgeschichte und deren Problematik sachgerecht dargestellt wurden, sind darin doch fundamentale Fragen angerissen. Sich mit diesen Fragen auseinander zusetzen, ist Aufgabe nicht nur dieser Studie sondern aller Gruppen und Gemeinden, die partnerschaftliche Beziehungen mit wesentlich ärmeren Gemeinden anstreben oder pflegen. Deshalb werden noch einmal stichwortartig die kritischen Sachverhalte und Anfragen, die sich sowohl aus der Darstellung verschiedener Partnerschaften als auch der zitierten Bilanz ehemaliger Gruppenmitglieds ergeben, systematisch zusammengestellt. Die im folgenden aufgeführten Punkte treffen nie alle auf eine einzelne Partnerschaft (und Gemeinde) zu. Doch in allen Gemeindepartnerschaften führte zumindest einer der aufgeführten Punkte zu Schwierigkeiten (mehr oder weniger). Es handelt sich also um eine Aufzählung der am meisten genannten Schwierigkeiten und Probleme.
  1. Der Anstoß zur Partnerschaft ist ein Bettelbrief, vom Bischof überreicht, ohne dass dieser sich weitere Gedanken um die Voraussetzungen, Bedingen und Erfolgschancen der Partnerschaft macht. Die Voraussetzungen zur Partnerschaft sind so höchst un- gleich und die Interessen zu verschieden. Die Gemeinde in Cajamarca wird nicht ein- gebunden, nicht um ihre Zustimmung gefragt, oft nicht einmal informiert.
  2. Konkrete Projekte überdecken vorschnell die Unterschiede innerhalb der Gruppe und erschweren ein Kennen lernen der Partner. (Man ist froh, etwas zu schaffen und die Spenden überweisen zu können). Projekte erscheinen als der leichtere Ausweg, statt sich inhaltlich (auch theologisch) mit den Grundlagen einer Partnerschaft auseinander zusetzen.
  3. Auf dieser (materiellen) Ebene erscheint der deutsche Partner stets als der „Überlegene“, als der Geber. Vom Empfänger wird er dann auch so eingeschätzt und vor allem auch in dieser Hinsicht so wahrgenommen. Dies erschwert ein echtes gegensei- tiges Kennen lernen.
  4. Die Kluft zwischen „Dritte - Welt - Bewegten“ und politischer Solidaritätsarbeit einerseits und traditioneller   Kirchengemeinde andererseits ist sehr groß. Die Kluft geht manchmal durch die eigene Gruppe und ist noch verstärkt abhängig von der Position des Pfarrers. „Zu politisch Engagierte“ finden schwer eine Heimat in der Kirchengemeinde und kirchlichen Gemeindegruppen fällt es schwer, sich in die gesellschaftliche Diskussion einzumischen.
  5. Mangels kritischer Reflexion des eigenen Kirchenbildes (Gottesbild, Gemeinde, Glaube) und mangelnder Zeit ist man Veränderungen, Entwicklungen und Herausforderungen (positiven wie negativen) in der Partnergemeinde nicht gewachsen. Für Pastoralarbeit fühlt man sich weniger oder gar nicht zuständig bzw. auch nicht befähigt. Dazu kommt oft noch das Gefühl, Außenseiter in der eigenen Kirchengemeinde zu sein.
  6. Klappt es nicht mehr mit der Projektarbeit, tauchen dazu noch unerwartete Schwierig- keiten mit den Partnern auf, gibt man entweder schnell auf und sucht sich andere „Objekte“ (wo anders herrscht schließlich vielleicht noch größere Armut). Schwierigkeiten werden schnell verdrängt oder als nicht zu änderndes Schicksal hingenommen. Die Wahrnehmung der Probleme bei den Partnern, ja der Partner selbst ist erheblich gestört.
  7. Partnerschaft ist in den peruanischen Partnergemeinden zu sehr vom jeweiligen Pfarrer abhängig. Die wenigsten Pfarrer in den Partnergemeinden sind dieser Verantwortung gewachsen. Klerikale Strukturen stehen eher zwischen den deutschen Gruppen und denen, mit denen man eigentlich eine Partnerschaft pflegen will, als dass sie als Katalysator dienen.
  8. In der Diözese Cajamarca wurde wenig getan, um eine Plattform der Partnerschaften zu schaffen (Austausch der Erfahrungen, Beratung, etc.). Oft wurden die minimalsten Voraussetzungen einer Partnerschaft seitens des Bischofs nicht beachtet (vertrauensvoller Ansprechpartner, Transparenz der Spendengelder, Partnerschaftsgruppen) bzw. er setzte dies nicht durch.
  9. Auch deutsche Gemeinden erfahren einerseits wenig Unterstützung und Orientierung, andererseits fällt es ihnen schwer, diese in Anspruch zu nehmen bzw. sie kennen nicht die entsprechenden Angebote. Dies hängt auch mit der eigenen Überbeanspruchung und Überlastung zusammen. Man fühlt sich nicht ausreichend informiert, nimmt aber gleichzeitig Angebote zur Information nicht ausreichend an (z.B. über Kontakte mit Misereor).
  10. Ein Bischofswechsel hat in Peru unvergleichlich mehr Auswirkungen als in Deutschland (Abhängigkeit der Priester, rechtliche Absicherung der Laien, feudale Strukturen usw.). Dies wird als nur „peruanisches“ Problem gewertet, der Gedanke der Einen Kirche wird vernachlässigt. Die Strukturfrage (welche Kirche?) wird ausgeklammert und dies führt de facto zu einer Stabilisierung von Verhältnissen, unter denen die Armen am meisten zu leiden haben.
  11. Ein häufiger Streitpunkt ist die Frage nach der Einmischung. Einerseits stellt bereits jede nach Peru geschickte DM eine Einmischung dar, jede Beziehung bedeutet Einmischung; andererseits wird vor allem dann von Einmischung gesprochen, wenn „inner- peruanische“ Gegebenheiten hinterfragt werden. Besonders deutlich wird dies, wenn z.B. die Stellung der Hierarchie (Bischof, Pfarrer) in der Partnergemeinde von Deutschland aus in Frage gestellt wird und dies auch noch mit der Frage nach den Geldüberweisungen verknüpft wird.
  12. Zuletzt ist zu fragen, ob nicht der Gedanke der „Partnerschaft“ eine deutsche Idee ist, die den „Partnern“ übergestülpt wird und sie nicht zuerst deutschen „Interessen“ (Bedürfnissen) dient, für die „Partner“ aber eher eine Last ist.

Willi Knecht, im März 1999, auf der Basis der Gruppenarchive Herzogenaurach