Die Botschaft und ihre Verkündigung (Evangelisierung - Kirchenbildung)

In Zentrum dieses Abschnittes stehen zwei Fragen: warum Kirche und wie sollte Kirche sein, um die Kirche Jesu Christi zu werden?

Die Antwort auf die erste Frage fällt für die Campesinos eindeutig aus. Für sie ist Kirche lebensnotwendig: zum einen, um das Wort Gottes überhaupt hören und dann verkünden zu können, zum anderen, weil nur in einer Organisation Gleichgesinnter, die im Glauben eine enge Gemeinschaft bilden, das Wort Gottes auch in die Tat umgesetzt werden kann. Eine solche Gemeinschaft ist dann Kirche, wenn sie das tut, was ihr Glaube an Jesus zu tun befiehlt.

Sie hat das Wort Gottes von Menschen gehört, die diese Worte im Auftrag einer schon vorhandenen Institution verkündet haben und im Namen dieser Institution zu ihr kamen um mit ihr zu leben. Indem sie nun die Botschaft hört, nimmt sie diese Botschaft nicht nur an, sondern sie wird selbst zu Verkünderin der Botschaft. Es drängt sie, das Wort Gottes mit allen teilen zu wollen. Dieser Wunsch, das Wort Gottes zu teilen, wird zu dem Bedürfnis, nicht nur allen mitzuteilen, was geschehen ist, sondern auch konkret das miteinander zu teilen, was sich als Folge aus der Guten Nachricht ergibt: ein erneuertes Leben in Gemeinschaft.

Zu den unverzichtbaren Erfahrungen der Campesinos gehört es, dieses neue Leben in ihrer Familie, in ihrer Comunidad und ihre neue Rolle innerhalb der Gesellschaft nur in Gemeinschaft in Angriff nehmen zu können, oder wie sie es nennen: in Union (hier: Einheit, zusammenhalten) und Organisation (hier: sich zusammenschließen). Diesen Prozess nennen sie „Kirche bilden“ („formar iglesia“ - der im Namen Jesu Zusammengekommenen und Versammelten eine Form geben).

Die Art und Weise, wie sie dies dann in eine befreiende Praxis umsetzen, nennen sie „Kirche sein“ oder „Kirche werden“. Der Anstoß hierfür ist zwar von außen gekommen, aber was und wie sie nun dies umsetzen, liegt zuerst in ihrer Verantwortung. Es liegt allein an ihnen, wie Kirche ist, welche Prioritäten sie setzt, welche Aufgabe und Probleme sie hat, wie man miteinander umgeht. Die Organisation der Kirche erwächst aus den inhaltlichen Vorgaben der Botschaft Jesu heraus und wird von diesen her bestimmt - und nicht umgekehrt.

Dies ist zugleich die Antwort auf die zweite Frage, wie Kirche sein muss, um die Kirche Jesu zu werden. Die Organisation wächst organisch aus der Mitte des Volkes Gottes heraus und sucht sich notwendigerweise eine ihr entsprechende Form, die so verstanden nur eine demokratische sein kann. Eine dann auf diese Weise entstandene Hierarchie und Leitungsform wird von den Campesinos als selbstverständlich anerkannt, weil diese Form der Organisation von ihnen ausgeht und sich vor dem Volk verantworten muss.

So ist für die Campesinos eine Frage, was sie z.B. von der Kirche halten, eher unverständlich und die Antwort darauf für die von außen kommenden Fragesteller höchst irritierend - aber auch bedenkenswert. So schreiben deutsche Besucher, die in Bambamarca an einem Kurs und den Gruppenarbeiten teilnahmen: „Was uns noch mehr beeindruckt, ist die Haltung der Leute. Sie haben nichts von der unterwürfigen Art, die uns sonst so oft begegnet ist. Besonders deutlich wurde das während einer Gruppenarbeit über die Frage, welche Aufgaben die Kirche übernehmen muss, um zu einer besseren Evangelisierung und größeren Befreiung zu kommen (beide Begriffe bezeichnen hier fast dasselbe).

Die Campesinos redeten davon, was sie selbst als ihre Aufgabe sahen: ‚Wir müssen einig sein, unseren Glauben vertiefen, unserem Engagement treu bleiben...’ Wir warteten dagegen in unseren Gruppen ständig auf Sätze wie: ‚Die Kirche muss... die Kirche sollte ...’ - vergebens. Auch von keiner der anderen Gruppen war so etwas zu hören. Zunächst meinten wir, die Campesinos hätten die Frage nicht richtig verstanden, bis wir endlich merkten: ‚Kirche’ ist für sie nicht eine Institution, ‚Kirche’ sind sie selber! Zugleich verstehen sie sich selbstverständlich als Teil der weltweiten katholischen Kirche. ‚Wir sind Kirche’, darüber reden wir jetzt oft, Richard und ich. Sind wir, die Gemeinden in Deutschland, gegenüber diesen einfachen Campesinos nicht etwas unterentwickelt“? (1)

Wird dieses Kirchenverständnis bei manchen Besuchern noch als anregend und ermutigend verstanden und aufgenommen, so stößt das bei von außen kommenden Personen, die sich qua Amt als Kirche verstehen, erst auf völliges Unverständnis und führt dann zu einer aggressiven Reaktion. Sie sprechen dann den Campesinos und vor allem den Katecheten ab, Kirche zu sein. Aber auch für die Campesinos ist dann ein solcher Anspruch eines Bischofs oder von Pfarrern, die ihre Autorität einzig vom Bischof her beziehen, nicht mehr nachvollziehbar. Wie sollen denn die Campesinos aufhören können, sich als Kirche zu verstehen ohne ihre eigene Identität, ohne ihren Glauben und ohne sich selbst aufzugeben? (2)

„Wir bilden Kirche“ (Umfrage bei den Basisgruppen)

„Unsere Aufgabe besteht darin, uns im christlichen Glauben als Kirche zu organisieren, um so unserer Verpflichtung vor Gott zu folgen. Wir tun dies, indem wir uns gemeinsam an die Arbeit machen und uns gegenseitig helfen, unseren Glauben an Gott zu leben. Er will, dass wir sein Wort und unsere Werke teilen und er will nicht, dass wir nur deswegen zusammenkommen, um irgendeine Hilfe von außen zu bekommen. Denn sonst würden wir unserer Verpflichtung untreu werden, Kirche zu bilden“ (3).

Grundlage für diesen Abschnitt bilden Umfragen, die im Rahmen meiner Arbeit in Cajamarca bei bestehenden Partnergruppen gemacht wurden. Die folgende Auswertung hakt nicht eine Frage nach der anderen ab. Sie orientiert sich am Stil der Campesinos, die nicht zwischen den Fragen unterscheiden, sondern die Fragen eher als Anregung verstehen, insgesamt über ihre Situation zu reden. Die Fragen sind diesem Anliegen entsprechend formuliert. Sie wurden u.a. mit Rolando Estela vorher abgesprochen. In einigen Gruppen war ich während der schriftlichen Befragung und Beantwortung in Gruppen anwesend. Unmittelbar nach der Gruppenarbeit kam es zu einem längeren Gespräch und Erfahrungsaustausch. Zitate und Interpretation gehen ineinander über und bilden eine Einheit, die Auswertung ist im Stil einer Gesprächsform gehalten. Das ist nach andinem Verständnis logisch, weil ganzheitlich. Meine Aufgabe für die Auswertung verstehe ich so, dass ich die teils nicht direkt auf die passenden Fragen gegebenen Antworten der Gruppen moderiere und in einen logischen Zusammenhang stelle. Alle wörtlichen Aussagen der Gruppen sind selbstverständlich als Zitate erkennbar (4).

In den drei Pfarreien Celendín, Bambamarca und San Pedro wurden alle Basisgruppen befragt (5). Sie spielten in der Zeit von 1962 bis 1992 eine entscheidende Rolle im Pastoralkonzept von Bischof Dammert. Voraussetzung für die Beantwortung der Fragen war ein hohes Maß an Vertrauen, denn „mit Außenstehenden spricht man nicht über interne Probleme“ und auch die Besucher aus den Partnergemeinden will man aus Höflichkeit nicht unnötig mit Problemen belasten. In den Antworten werden einige Male konkrete Namen und Fakten genannt, die hier aber nicht genannt werden müssen.

Die Information nach außen ist dann für die Betroffenen authentisch, wenn der Informant als Sprachrohr ihrer Interessen anerkannt ist und er in ihrem Namen von innen her die Brücke nach außen schlägt. Allen befragten Gruppen war bekannt, dass ihre Aussagen veröffentlicht werden könnten. Hauptthema der Befragung war die Frage nach dem pastoralen Selbstverständnis der Gruppen, weil diese Frage auch von den Gruppen selbst als die entscheidende Frage angesichts der aktuellen kirchenpolitischen Situation angesehen wird.

Von diesem Hintergrund her wird deutlich, warum die Gruppen unter dem Begriff „Kirche“ zwar einerseits sich selbst und die eigene Gemeinschaft verstehen, andererseits aber aufgrund der von außen gestellten Fragen und der neuen Situation seit 1993 die Kirche auch als ein Gegenüber angesehen wird. Diese nennen sie die „Kirche der Autoritäten“. Diese Aufspaltung in eine Amtskirche und in eine Kirche, die sie selbst repräsentieren, stellt für sie eine neue Situation und eine entsprechende Herausforderung dar. Zwar ist ihnen noch im Gedächtnis, dass vor 1963 und vielen anderen Orten auch noch danach, die Amtsträger nicht unbedingt auf ihrer Seite standen; doch diese Situation hielt man für überwunden, denn es waren ja gerade Amtsträger, die ihnen eine erneuerte Kirche gezeigt haben, in der diese Unterschiede fast keine Rolle mehr spielten.

Antworten und Auswertung

„Die Repräsentanten der Kirche sind nicht in unseren Comunidades; sie besuchen uns nicht; sie wollen Bequemlichkeiten, dass man sie gut bezahle und ihnen gut zu essen gebe“. „Wir hingegen als Kirche lesen das Wort Gottes in unseren Gruppen; wir sind auch Kirche, wenn wir uns gut verhalten zu den Müttern, ihnen ein gutes Beispiel geben, sie korrigieren und die Dinge des Lebens untereinander teilen“. „Wir versammeln uns und sprechen über das Wort Gottes, denn dies ist die Quelle unseres spirituellen Lebens. So bilden wir Kirche“. Die Befragten sprechen immer dann von sich selbst als Kirche, wenn der eigene Glaube und die religiöse Praxis in der eigenen Gemeinschaft gemeint sind. Diese selbst gelebte Glaubensgemeinschaft steht für sie im krassen Gegensatz zu der Kirche der Autoritäten, d.h. derjenigen Amtsträger, die außerhalb der Gemeinschaft stehen.

Kriterium hierfür ist vor allem der Umgang mit den Menschen, und das konkrete Verhalten derer, die Kirche repräsentieren. Die Defizite der Amtsträger werden deutlich genannt, man leidet darunter und erwartet dennoch immer noch viel von ihnen: „Sie wissen nicht, dass es auf dem Lande ein großes Bedürfnis gibt, das Wort Gottes zu hören“. Die eigene Praxis wird als eigentliche kirchliche Praxis verstanden („wir hingegen als Kirche …“).

In der Antwort aus Bambamarca wird deutlich, dass sich die Katecheten sogar als „institutionelle“ Kirche (weil von Bischof Dammert beauftragt) fühlen, die von den Laien unterstützt wird und die deshalb selbstverständlich unter den Campesinos präsent ist, weil sie von Campesinos repräsentiert wird. „Die Kirche ist in unserer Comunidad präsent, denn wir werden unterstützt durch die Laien“. Von daher weisen sie das Ansinnen der gegenwärtigen Kirchenleitung zurück, ihr Selbstverständnis als Kirche aufzugeben.

Aber auch die eigene Praxis wird als mangelhaft erlebt bzw. es wird zuerst an sich selbst appelliert, das Evangelium auch wirklich zu leben. „Die Präsenz der Kirche in unserer Comunidad ist nicht vollständig, es sind nur bestimmte Gruppen, die an unseren Versammlungen teilnehmen und so Kirche bilden; die Mehrheit nimmt nicht teil“. „Wir sind oft schwach und widmen uns nicht so den Nächsten und den gemeinschaftlichen Aufgaben, wie wir das eigentlich tun sollten. Und dann gibt es Streit, wir halten nicht genügend zusammen und die gesamte Comunidad leidet“. Die aktiven Gruppen erfahren sich als engagierte Minderheit innerhalb der politischen Kommune, der aber in der Regel von der Mehrheit eine Meinungsführerschaft zugestanden wird (6).

Die Gruppen fühlen sich von der Kirche der Autoritäten verlassen. „Anstatt uns zu helfen, spalten sie. Sie entziehen den Laien die Verantwortung und führen so die Laien zur Passivität und nicht zur Teilnahme“. „Die Offiziellen der Kirche wollen ihre privilegierten Machtpositionen auf Kosten der Armen erhalten. Wir fühlen uns verraten, weil wir nicht mehr die Rückendeckung der offiziellen Kirche spüren“. „Sie haben kein Interesse, sie vergessen uns. Die Pfarrer wollen, dass wir sie für einen Dienst bezahlen; und um Kranke zu betreuen, müssen wir ebenfalls bezahlen. Sie erfüllen nicht Gottes Gebote, denn sie helfen uns nicht; sie denken nur an Geld“. „Wir denken auch, dass es nicht notwendig ist, von dieser7 Kirche unterstützt zu werden, um in Würde als Kinder Gottes zu leben, denn wir lesen die Bibel und praktizieren sie in unseren Gemeinschaften und besonders in unseren Gruppen“.

Da sich die Gruppen selbst als Kirche fühlen, empfinden sie das Verhalten des Bischofs als Spaltung der Kirche, die von oben ausgeht. Die Hierarchie schließt sich durch ihr Verhalten selbst vom Volk Gottes aus (ex-comunio). Weil deren Verhalten in den Augen der Betroffenen nicht vereinbar ist mit ihrer eigenen Glaubenspraxis und ihrem Verständnis von der Botschaft Jesu, sehen sie in dem Verhalten einiger Amtsträger einen Abfall vom Glauben. Kirche über die eigene Comunidad hinaus erfahren sie im Kontakt mit anderen Basisgruppen und in der Beziehung zur Partnergemeinde.

„Wir danken unseren Geschwistern aus Ulm, Deutschland, weil sie sich um uns kümmern; ebenso danken wir den Padrecitos Panchito und Segundo aus der Nachbargemeinde Guadalupe, dass sie uns an der HL. Messe teilnehmen lassen und dafür, dass sie uns in der Pfarrei Guadalupe aufnehmen. Gott segne sie“! „Die Priester unterstützen uns nicht und am wenigsten der Bischof, vielmehr unterstützen uns unsere Brüder und Schwestern in Deutschland, die so weit entfernt leben. Sie kümmern sich um unsere Bedürfnisse und sie lieben uns“.

Die Frauen von San Pedro erleben die Partnergemeinde als Kirche auf ihrer Seite, als Kirche mit ihnen. Die Aussage, dass sie sich von der offiziellen Kirche im Stich gelassen fühlen ist nur so zu verstehen, dass sie diese offizielle Kirche im Prinzip nicht ablehnen, denn sie haben eine solche Kirche vorher als befreiend erlebt. Sie wünschen, dass die Amtsträger sich ihnen wieder zuwenden und mit ihnen gehen. Es sind aus der Sicht dieser Gruppen die Amtsträger, die den gemeinsamen Weg verlassen haben oder die nun diesen Weg versperren.

Gefragt nach positiven Beispielen kirchlicher Arbeit auf dem Land werden dann Beispiele aus der Vergangenheit genannt, wenn sie sich auf die Kirche als geschlossene Einheit beziehen, eine Kirche des Volkes in Begleitung ihrer Hirten. Es wird vor allem die Persönlichkeit von Bischof Dammert genannt, wenn nach dem Beispiel eines persönlichen Zeugnisses gefragt wird. „In den Zeiten Bischof Dammerts hatten wir Bibelkurse auf dem Land, es gab diözesane Versammlungen und wir hatten materielle Unterstützung für unsere Comunidades“.

Auf die Gegenwart bezogen wird zuerst das eigene Beispiel genannt. „Ein positives Beispiel der kirchlichen Arbeit auf dem Land, ja: indem wir uns einander lieben wie Geschwister“. Daneben ist es wieder die Erfahrung der Gruppen von San Pedro, die in der Zusammenarbeit mit den Pfarrern der Nachbarpfarrei Guadalupe und der Gemeinde in Ulm eine Kirche auf ihrer Seite erfahren, d.h. eine Kirche, in der ihre eigene Glaubenserfahrungen übereinstimmen mit der Praxis einer institutionellen Kirche und die so eine Einheit bilden. „Wir haben keine Unterstützung seitens unseres Pfarrers und des Bischofs von Cajamarca. Die Kirche von Ulm hilft uns. Dank ihrer Hilfe lernen wir wichtige Dinge des Wortes Gottes kennen, wir erhalten spirituelle und materielle Hilfe“.

Allen Gruppen gemeinsam ist, dass als positives Beispiel das Kennen lernen der Bibel an erster Stelle steht. Daraus ergibt sich konsequenterweise alles Weitere. „Wir haben das Wort Gottes empfangen und nun teilen wir das, was wir empfangen haben, mit anderen. Und so sind wir Kirche, indem wir das Erlernte nun anderen weitergeben“. Christliche Solidarität bedeutet für sie, das Wort Gottes und die täglichen Sorgen und Freuden miteinander zu teilen. Die Katecheten von San Pedro erfahren Kirche auf dem Land in der Solidarität untereinander.

Zu beachten ist, dass die Katecheten wie auch die Mütterklubs von der „Kirche von Ulm“ oder der Kirche von Bambamarca“ etc. sprechen. Kirche ist zuerst die konkret erfahrbare Gemeinschaft vor Ort. Eine solche Gemeinschaft (Ortskirche) repräsentiert stets die Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen - weltweit. Wenn auch offiziell schon immer von der Einheit und der Universalität der Kirche gesprochen wird, so wurde die Einheit der weltweiten Kirche zuerst vom Papst als Repräsentant der gesamten Kirche her abgeleitet.

Die Partnerschaftsgruppen, in besonderem Maße die befragten Gruppen in der Diözese Cajamarca, repräsentieren aber konkret und in der Praxis, die Einheit vom Volk Gottes her - sowohl von ihrem eigenen Selbstverständnis als auch in ihrer Beziehung zu einer konkreten Ortskirche in einem anderen Teil der Welt. Dies steht nicht notwendigerweise im Gegensatz zum Symbol dieser Einheit, dem Papst, sondern ist gleichberechtigt.

So verstandene Partnerschaften stellen daher ein notwendiges Korrektiv zum exklusiv von oben verstanden Begriff der Weltkirche dar und sind gemäß dem Zweiten Vatikanischen Konzil gefordert (8). Auch historisch betrachtet, ist es eine konkret erfahrbare Gemeinschaft, die zuerst entstanden ist. Aus einem Geflecht solcher Gemeinschaften, entsteht dann das, was man eine universelle Kirche (hier: über den Weg von Partnerschaften) nennen kann.

Auf die Diözese bezogen, ist auf diese Weise seit 1963 die Kirche von Cajamarca entstanden. Diese existierte zwar kirchenrechtlich seit 1533, doch erst im Rahmen der zweiten Evangelisierung fühlten sich die einzelnen Gemeinden verbunden und als eine Gemeinschaft, die über den unmittelbaren und alltäglichen Erfahrungshorizont hinausführt. Initiator, Bezugspunkt und Garant dieser Einheit war der Bischof. In ihm sahen die jeweiligen kirchlichen Gemeinschaften den Repräsentanten der Kirche von Cajamarca.

Auf die Rückfrage, wer den Anstoß für das positive Beispiel gab, wird Bischof Dammert genannt. In Bambamarca reicht die Erinnerung am weitesten zurück. „Es begann um das Jahr 1963 mit einem Team von jungen Priestern, die von Bischof Dammert geschickt wurden. Damals wurde mit der sozialen Lehre der Kirche im Licht des Evangeliums begonnen“. Etwas unbeholfener antworten die Gruppen von Celendín und San Pedro: „Es geschah durch Herrn Bischof Dammert Bellido, der die Campesinos liebte“. Bei einigen Frauengruppen von San Pedro, die sich erst später im Verlauf der Partnerschaftsarbeit gebildet haben, heißt es: „Das gute Beispiel bestand im Wort Gottes, das wir in den Versammlungen hörten“.

Eine Frauengruppe erlebte 1997 gar zum ersten Mal eine Eucharistiefeier in ihrer Comunidad. „Als wir in Alto Hualanga mit der Ausstellung unserer Arbeiten an der Reihe waren, machte Padre Panchito einen so weiten Weg, um mit uns die Messe zu feiern und das Wort Gottes zu verkünden. Es war das erste Mal an diesem Ort“. Die Tatsache, dass ein Priester zu Fuß und unentgeltlich drei Stunden unterwegs ist, um mit einer Frauengruppe hoch oben in den Bergen unter aktiver Beteiligung aller die Eucharistie zu feiern, ist ein dauerhaft prägendes und Glauben bildendes Erlebnis und Zeugnis.

Dabei steht nicht so sehr das dogmatische Verständnis von Eucharistie im Mittelpunkt, sondern das gemeinsame Erlebnis als Volk Gottes in Einheit mit den Priestern. Von ähnlichen Erlebnissen wird auch in anderen Gruppen berichtet. Das Volk Gottes schreit nach Priestern, die mit ihnen den Weg gehen und mit ihnen das Brot teilen (9)

Die Veränderungen in der Leitung der Diözese und der damit verbundene Richtungswechsel einiger Pfarrer werden von den Gruppen als drastischer Einschnitt erlebt. Einige ältere Gruppen in Bambamarca und Celendín fühlen sich wieder in die Zeiten vor 1962 zurückversetzt. „Die Kirche ist zurückgefallen in die alten Zeiten, wo man die Realität nicht wahrgenommen hat, eine Realität der so großen sozialen Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft. Die Kirche sollte soziales Gewissen sein, Zeuge der Wahrheit und der Gerechtigkeit“. „In der Pastoralarbeit der letzten Jahre haben wir einen Wechsel erlebt. Anstatt uns noch mehr zu einen, wollen sie uns spalten. Sie bilden neue, andere ausschließende Gruppen und wollen uns isolieren. Immer mehr werden wir zu Objekten der Erniedrigung, weil wir uns der aktuellen Situation nicht anpassen wollen. Sie fordern unsere Unterwerfung“.

Die befragten Gruppen in der Diözese Cajamarca fahren fort: „Es gibt keinerlei Hilfe unseres Bischofs in Cajamarca. Er hat uns, die Campesinos vergessen“. „Wir erhalten in den letzten Jahren keine Unterstützung mehr von der Pfarrei“. Die Konsequenzen aus der Sicht der Armen beziehen sich auch auf den religiösen Bereich und die Kirche selbst. „Die Kirche erfüllt nicht mehr ihre Aufgabe und die Konsequenz wird sein, dass die Kirche verlassen sein wird, ohne Unterstützung durch niemanden. Und sie werden Christus vergessen haben, unseren Erlöser, der sich um die Armen kümmerte, der ihnen vergab und sie einte“.

Und ohne Christus und denjenigen, mit denen er sich solidarisiert hat, kann es demnach keine Kirche Jesu Christi geben. Die Konsequenzen zeigen sich unmittelbar auch im moralisch-sozialen Bereich, der mit dem Glauben untrennbar verbunden ist. „Wenn auch wir unsere Aufgabe nicht erfüllen würden, wären die Konsequenzen, dass wir Gott und unsere Geschwister vergessen würden und dass sich so auch das Verbrechen ausbreiten würde“. „Wenn wir unsere Aufgabe nicht erfüllen, gäbe es Unordnung, wir würden vor nichts Respekt haben und würden in der Unwissenheit verbleiben“.

Der Glaube an Gott ist demnach die Grundlage menschlichen Zusammenlebens und der Ausgangspunkt für jede menschliche Entwicklung. Die Verantwortung für die moralisch und sittlichen Grundlagen menschlichen Zusammenlebens wird nun nicht einfach auf die Amtsträger geschoben, es ist vielmehr umgekehrt: je mehr diese ihre Aufgabe nicht erfüllen, desto mehr fühlen sich die Gruppen selbst gefordert. Es liegt an ihnen selbst, ob ein Zusammenleben im Geiste Jesu möglich ist. Und noch ein weiterer Aspekt wird von allen Gruppen angesprochen: durch die Einstellung einer befreienden Landpastoral und der pastoralen Arbeit mit und unter den Armen, wird das Vordringen der Sekten erheblich begünstigt. „Wenn die Kirche uns weiterhin nicht unterstützt, werden die Leute das Vertrauen und den Glauben an die Kirche verlieren und sie werden zu den Sekten gehen, denn diese besuchen die Leute auf dem Land.“

Die zentrale Aufgabe der Kirche ist für die Gruppen, die integrale Entwicklung des Menschen zu fördern, damit alle als Kinder Gottes das allen Menschen verheißene „Leben in Fülle“ auch schon in diesem Leben und auf dieser Erde verspüren können. Dies ist nur in Gemeinschaft und im Dienst an der Gemeinschaft und deren Einheit möglich. „Unsere Aufgabe ist eine ständige, integrale Weiterbildung, Arbeitsgruppen zu bilden und die Befreiung anzustreben, damit uns dies zu einem immer tieferen sozialen und befreienden Engagement führt.

Zu dieser integralen Entwicklung gehört die Zusammenarbeit mit Priestern, die im Volk verwurzelt sind und das Eintreten für eine offene und demokratische Kirche“. Diese Entwicklung wird nicht als Emanzipation von der Amtskirche verstanden, sondern als ein Miteinandergehen auf einem Weg, dessen Ziel das gemeinsame Festmahl ist. Der Gedanke der Einheit innerhalb der Gemeinschaft und deren Funktionsträgern ist für die Campesinos elementar. Einheit bedeutet bei den Campesinos, dass sich die (Amts-) Kirche zu den Armen bekehrt, sie zumindest nicht ausgrenzt und ansonsten ihren selbstverständlichen Pflichten nachkommt: das Wort Gottes zu verkünden und entsprechend zu leben. So sind auch die wiederholten, aber vergeblichen Einladungen an den Bischof zu verstehen.

Umso tragischer ist es für sie, wenn sie sich unter den gegenwärtigen Bedingungen ausgegrenzt fühlen bzw. wenn diese Einheit von Amtsträgern nicht gewünscht, sondern zerstört wird. „Die wichtigste Aufgabe der Kirche: Wir wollen mehr Verantwortung, mehr Anerkennung, mehr Einheit“. Wenn die Campesinos von Einheit sprechen, meinen sie ansonsten zuerst die Einheit untereinander, in der Gemeinschaft. Denn sie haben durch die Verkündigung des Wortes gelernt, dass sie nur gemeinsam die Ursachen der Armut bekämpfen können und dass sie nur in der Gemeinschaft und in gemeinschaftlicher Arbeit die Gegenwart Gottes erfahren. Das entspricht auch ihrer andinen Tradition.

Voraussetzung, um die zentralen Aufgaben der Kirche gemeinsam anpacken zu können, ist die Verkündigung des Wortes Gottes. „Die wichtigste Aufgabe in unserer Kirche ist das Lesen des Wort Gottes innerhalb unserer Organisation, die wir aufgebaut haben“. „Die wichtigste Aufgabe als Kirche ist, dass wir die Bibel lesen, die uns Gott geschickt hat“. Für alle Gruppen steht die Verkündigung des Evangeliums an erster Stelle. „Die wichtigste Aufgabe der Kirche wäre, mit der Evangelisierung weiterzumachen“.

Dass die Campesinos zuerst das durch das persönliche Beispiel authentisch bezeugte Wort Gottes hören wollen, wird aber von verschiedenen Amtsträgern ignoriert oder nicht geglaubt. „Die Priester sollten uns die Lesungen der Bibel erklären, unsere Gemeinschaften besuchen, aber ohne persönliche Vorteile zu suchen, sich unseren Gemeinschaften nähern, um das Wort Gottes zu säen, denn wir haben das Bedürfnis, es zu hören“. Mit der Verkündigung des Wortes Gottes ist automatisch die Vorstellung verbunden, dass sich dadurch das eigene Leben und das der Gemeinschaft ändert, dass es mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Würde und Anerkennung gibt und dass das gemeinschaftliche Leben vom Beispiel Jesu inspiriert ist, besonders das Teilen. „Unsere Aufgabe als Kirche: Einen guten Weg im Leben zu gehen, dass wir als Kirche mit den Bedürftigsten teilen, dass wir mit unserer Organisation weitermachen, um die Ursachen der Armut zu verstehen“.

Eine wichtige Rolle spielt die Organisation in Gruppen als Folge des Evangeliums. Es handelt sich um Kirchenbildung im ursprünglichen Sinn. „Die wichtigste Aufgabe der Kirche ist, dem Wort Gottes zu folgen, indem wir Gruppen in unseren Comunidades bilden und unseren Glauben feiern“. Es wird deutlich, dass das Materielle und Spirituelle, das Soziale und Pastorale, eine untrennbare Einheit bilden. Ohne das Wort Gottes und ohne Kirche wäre jede Entwicklung zum Scheitern verurteilt, weil sie eindimensional bliebe. Die Kirche Jesu steht im Dienste einer integralen Befreiung, die als Menschwerdung verstanden wird - oder sie ist nicht Kirche, sondern eine beliebige Institution, die zum Vorteil einiger Privilegierter Macht ausübt, wie andere weltliche Institutionen auch.

Wenn sich die Gruppen der Aufgabe, Kirche zu werden, stellen, kommen sie zu folgenden Ergebnissen: „Wir haben Veränderungen gesehen in der Organisation, der Einheit, der Arbeit in den Gruppen, der Geschwisterlichkeit mit den anderen Schwestern und in der Verantwortlichkeit, z.B. die Kredite, die wir aus der Gemeinschaftskasse erhalten, zu bezahlen“. „Kirche ist, uns zu versammeln, alle, ohne Unterschiede, wie eine einzige Familie im Haus Gottes“. Erfüllt die Kirche diese Aufgabe nicht, würde nicht nur die Kirche, sondern auch die Gesellschaft auseinander brechen. Wiederum ist die enge Verknüpfung von Evangelium, Kirche und sozialer Ordnung, Moral und Gerechtigkeit auffallend.

Wenn auch das Bewusstsein vorhanden ist, dass es an ihnen selbst liegt, diese Aufgaben anzupacken, so fühlen sie sich dennoch verunsichert und fürchten die Kraft zu verlieren, wenn sie auf Dauer von der offiziellen Kirche nicht unterstützt werden. „Wenn die Kirche ihre Aufgabe nicht erfüllen würde, käme es zur totalen Destruktion“. „Es kommt zu einem Zusammenbruch der Pastoralarbeit, die Armut würde verstärkt zurückkehren, ebenso die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückung“. „Wir würden uns vereinzelnen und wir würden zurückfallen in unserer Entwicklung“.

In Bambamarca wird der Zusammenhang zwischen Vereinzelung und gleichzeitig zunehmender Klerikalisierung gesehen. Der Einzelne, der nicht mehr getragen ist von einer Gemeinschaft, ist anfälliger für falsche Autoritäten. „In der Gegenwart erfüllt die Kirche nicht ihre Aufgabe. Wenn sie diese Aufgabe nicht erfüllt, wird es immer mehr Individualismus und Zersplitterung geben. Man wird umso deutlicher die Hierarchie der kirchlichen Autoritäten spüren“. Noch deutlicher ausgeprägt ist die Furcht vor einer Ausbreitung von Sekten, die mehrfach genannt und als Gefahr betrachtet wird. „Die Kirche erfüllt nicht ihre Aufgabe. Die Konsequenz ist, dass sie ihre Mitglieder verliert und so Raum gibt für den Vormarsch der Sekten.“ „Falls wir unsere Aufgabe nicht erfüllen, überfluten uns protestantische Sekten“.

Die Gruppen wünschen, dass Priester und Bischöfe sie auf ihrem Weg begleiten mögen. „Wir bitten die Kirche, dass uns die Priester unterstützen mit dem Wort Gottes in den Comunidades“. „Dass sie Jemanden in unsere Gemeinschaften schickt, uns zu lehren, echte Katholiken zu sein“. „Dass sie hinausgehen zu uns, um uns vorzubereiten, um uns vom Evangelium zu sprechen, dass sie uns anhören, dass sie uns betreuen und mit uns sind“. Aber sie wünschen sich nicht - wie in vergangenen Zeiten - einen Priester für die Comunidad, der qua Amt kultische Handlungen an Objekten vollzieht, sondern sie wünschen sich einen Menschen, der mit ihnen lebt, der sie versteht und der mit ihnen (wenn auch nur zeichenhaft) das Brot teilt.

Auch wenn sie es gelernt haben und es gewohnt sind, das Wort Gottes zu teilen, so möchten sie dennoch immer wieder eine Bestätigung und Ermutigung in ihrem Glauben durch „berufene Verkünder“ erfahren. Die Gruppen haben eine klare Auffassung von dem, was ein Priester eigentlich tun müsste. Ihr Kriterium, um dies beurteilen zu können, ist die Bibel als Ganzes und das Beispiel Jesu im Besonderen - zweifellos kein geringer Anspruch (10).  „Wir bitten darum, dass die Ausbildung und Auswahl der Priester sich an ihrer Berufung zum Dienst an ihrem Volk gemäß dem Projekt Gottes ausrichte und nicht daran, sich des Volkes zu bedienen“.

Der Wunsch nach Begleitung durch Priester widerspricht nicht dem Wunsch, als Mensch und getaufter Christ ernst genommen zu werden, vielmehr ergänzt sich beides. So wird auch gewünscht, „dass der Laie das Recht erhalte, als wahrhafter Verkünder des Evangeliums tätig sein zu dürfen, um so die sozialen Probleme zu entdecken, die den Armen unterdrücken“.

Von der Kirche als Institution erwarten sie auch, dass ihnen die Kirche auch eine Infrastruktur zur Verfügung stellt, den materiellen Rahmen. Das Materielle steht aber nicht an erster Stelle, sondern der geistige Beistand und die religiöse Unterweisung. „Wir wünschen mehr Unterstützung und mehr Koordination um das Beispiel einer wahrhaften Kirche geben zu können“. „Wir brauchen viel Beistand im Geistigen und Materiellen“. „Wir würden die Kirche um mehr geistigen Beistand bitten, um so Christus immer näher zu werden. „Wir bitten die Kirche um ein Vorwärtskommen in unserer Arbeit, sei es im Materiellen als auch in der Bibelarbeit, für jede unserer Comunidades“.

Doch die Realität sieht anders aus. Am Allgemeinsten drücken es die Gruppen aus Bambamarca aus: „Wir empfehlen, dass die Religion nicht zum Opium des Volkes werde, die einzig dazu dient, das Volk ‚einzuschläfern‘ und uns glauben machen will, dass wir hier auf dieser Erde nichts zu sagen haben und dass wir im Himmel für unser Stillhalten belohnt werden. Wir empfehlen auch, dass die Kirche aus dem Volk heraus wächst, dass sie den Ärmsten dient, dass sie das Bewusstsein entwickelt, eine materielle und spirituelle Arbeit nur in Einheit zu sehen und zu realisieren“.

Eine solche Kirche können sie aber gegenwärtig nicht sehen und nicht erleben. „Wir haben Hirten, die nur für sich selbst sorgen und für uns bleibt nichts“. „Für einige Priester ist es ein Geschäft, aufs Land zu gehen. Sie verlangen dafür sehr hohe Geldsummen. Die Länge der Messe hängt davon ab, wie viel wir bezahlt haben“. „Sie lassen uns nicht an der Messe teilnehmen, denn sie sagen, wir seien Campesinos“. „Wir bitten, dass dies nicht mehr geschehe. Denn Jesus war immer mit den Bedürftigsten, den Ärmsten. Wir bitten, dass sie sich der Armen erinnern, der Alten, der verlassenen Kinder, der Kranken und derer, die das Wort Gottes in die Praxis umsetzen“.

Die Kirche sollte soziales Gewissen und Zeuge der Wahrheit und Gerechtigkeit sein; sie sollte teilhaben am Schicksal der Armen, diese sollten die Mitte der Kirche sein bzw. aus ihrer Mitte heraus soll Kirche wachsen. Die Frauengruppen von San Pedro fassen zusammen: „Die stärkste Kritik an der Kirche ist, dass der Bischof nicht mit den Armen ist“.

Die gegenwärtige Kirchenleitung von Cajamarca wird als eine auferlegte Macht erfahren, die Kirche im Geiste Jesu verhindern will. Die kirchlichen Gemeinschaften verstehen sich weiterhin als Kirche, die den Anbruch einer neuen Zeit verkündet, weil Jesus inmitten dieser Gemeinschaft zur Welt gekommen ist und mit auf dem Weg ist. Auf diesem Weg sehen sie sich bestärkt von deutschen Partnergruppen - vor allem die Gruppen von San Pedro (Ulm).


Anmerkungen

(1) Dok. 8, V: Bärbel und Richard Haug, beide evangelische Pfarrer, nach einem Besuch von acht Monaten 1978 in Bambamarca, in einem Rundbrief. Der Ausdruck "Wir sind Kirche" deutet darauf hin, dass dieses Thema mit einer Verspätung von 20 Jahren nun in Deutschland angekommen ist. Man könnte dann von einer im ursprünglichen Sinn „katholischen“ Kirchenvolksbewegung sprechen, wenn damit gemeint sein sollte, sich in der Tat mit den Ausgegrenzten dieser Erde auf einen gemeinsamen Weg zu machen.

(2) Es soll an dieser Stelle nur auf die Tiefe und die Tragweite des aktuellen Konflikts zwischen Bischof (Rom?) und Campesinos (Laien?) hingewiesen werden. Es geht hier mehr als um „lokale Händel“, es geht um die Kirche in ihrer ganzen Existenz und Gesamtheit. Diesen Konflikt gilt es, theologisch aufzuarbeiten bzw. ihn von der Wurzel her und auch von der Sichtweise der Campesinos aus, zu verstehen. Dies kann nur im Dialog geschehen.

(3) Zitat einer Frauengruppe aus der nun folgenden Umfrage. Die Umfragen waren ursprünglich für diese Arbeit gedacht. Doch im Rahmen des Sammelbandes „Die globale Verantwortung“ wurde die Auswertung bereits veröffentlicht: Knecht, Willi: Anspruch und Wirklichkeit, in: „Die globale Verantwortung“, S.168 - 176. Da sie jedoch in meinem Verständnis eine zentrale Funktion hat, kann hier nicht darauf verzichtet werden. Die Umfragen repräsentieren alle Gruppen in der Diözese Cajamarca, die im Sinne einer befreienden Pastoral arbeiten.

(4) Dok. 9, V: Fragen und Antworten (hier als Beispiel die Antworten der Mütterklubs von San Pedro). Fragen und Auswertungen aller Gruppen sind dokumentiert auf: www.cajamarca.de. Die Fragen und Antworten beziehen sich auf die Situation von 1997/1998. Daher werden unvermeidlich die Zustände seit 1993 beim Namen genannt. Für die Campesinos wäre es unverständlich, dies ausklammern zu wollen. Wenn auch die Zustände nach dem Bischofswechsel nicht das Thema dieser Arbeit sind, so wird anhand der Antworten deutlich, was sich bis 1992 entwickelt hat. Es wird deutlich, dass diese Entwicklung in die Tiefe gehend war und nachhaltig ist.

(5) In Celendín: Die Befragung wurde anlässlich eines Fortbildungskurses vom 10.- 12. 9. 1998 für Landkatecheten aller Zonen durchgeführt. Rolando Estela, der Verantwortliche für die Katechese in der Diözese, war Hauptexponent des Kurses. Er wurde von den beiden Pfarrern von Celendín, Lázaro Jara und Segundo Valladares, eingeladen. Er führte auch in den Fragebogen ein, die Ergebnisse wurden gemeinsam ausgewertet und anschließend im Plenum besprochen. Die Beantwortung der Fragen fand in drei Gruppen von je zwölf Personen statt. In Bambamarca: Fragebogen an die leitenden Katecheten des „Comité central“ in Bambamarca: Die Befragung wurde am 17. 9. 1998 durchgeführt. Die amtierende Leitung der Katecheten (Neptalí Vásquez, Concepción Silva und acht weitere Katecheten) beantwortete die Fragen gemeinsam.

Derselbe Fragebogen wurde von den Leitern der Rondas und den Leiterinnen der 105 Frauengruppen auf einem gemeinsamen Kongress der Rondas und Frauengruppen am 24./25. Mai 1999 beantwortet. An dem Kongress nahmen 861 Delegierte der Ronda, der Frauengruppen und Rolando Estela teil. Die Rondas und Frauengruppen sind nach ihrem eigenen Selbstverständnis und von ihrer Entstehungsgeschichte her kirchliche Gruppen und sie repräsentieren zusammen mit den Katecheten die Kirche von Bambamarca (vgl. den Abschnitt über die Ronda).

In San Pedro: Umfrage unter 36 Verantwortlichen und den Katecheten von zehn Comunidades der Pfarrei San Pedro, die vom 28. - 30. 8. 1997 zur monatlichen Jornada (Weiterbildungskurs) zusammengekommen waren. Diese zehn Gemeinschaften (seit 2001 sind es 16) bilden den Kern der Landzone von San Pedro. Mit den anderen Comunidades von San Pedro und deren Verantwortlichen besteht ein Erfahrungsaustausch. Der Fragebogen für die Frauengruppen (Mütterklubs von San Pedro) wurde im Oktober 1997 ausgefüllt. Bei der Bearbeitung des Fragebogens wurden drei Gruppen gebildet, es waren die gewählten Vertreterinnen aller Mütterklubs, insgesamt 35 Frauen, beteiligt. Die Mehrzahl der Frauen sind Campesinas. Die Frauengruppen leben in den Randzonen der Stadt (vier Gruppen) oder in naher Umgebung der Stadt auf dem Land (drei Gruppen).

(6) Der Anteil der aktiven Gläubigen innerhalb der jeweiligen Kommune ist sehr unterschiedlich. So lag ihr Anteil z.B. in Bambamarcas Glanzzeiten (1972 - 1993) zwischen 1/3 bis 2/3 der jeweiligen Comunidad. „Aktiv gläubig“ meint mehr als „praktizierender Katholik“. Der im Alltag und in Gemeinschaft täglich erfahrbare und gelebte Glaube spielt eine wesentlich größere Rolle und bezieht sich nicht zuerst auf den Gottesdienstbesuch.

(7) Kursiv: diese Wörter sind im handgeschriebenen Original unterstrichen.

(8) Vgl. Klinger, Elmar: „Partnergruppen“ im Sammelband „Die globale Verantwortung“, S. 221 - 232.

(9) Dennoch geht die Mehrheit der Priester unter den genannten Bedingungen nicht aufs Land zu den Menschen. Sie drehen den Spieß um und behaupten, die Campesinos seien der Kirche untreu oder gehörten gar nicht mehr zur Kirche, weil sie nicht in die Stadt gehen, um sich von den Priestern die Sakramente spenden zu lassen.

(10) Andererseits könnte dieser Anspruch die Priester in ihrem Dienst und ihrer Spiritualität ermutigen, weil solche Erwartungen dem eigenen spirituellen Anspruch an das Priestertum entgegenkommen (Priester in der Nachfolge Jesu) und sie als Priester von daher mehr gefordert werden als z.B. von den Ansprüchen und Rollenerwartungen, denen sich Priester als Pfarrer ausgesetzt fühlen bzw. mit denen sie traditionell konfrontiert werden.