Theologie und Praxis von Bischof Simón in Cajamarca, seit 1993

"Mir scheint es von großer Wichtigkeit, sich in aller Redlichkeit mit diesen neuen Schwerpunkten auseinander zusetzen. Man muss wissen, welche Art von Kirche und Gemeinde vom Vatikan gewollt ist, was Glaube eigentlich bedeutet, welches Gottes- und Menschenbild damit verbunden ist, was dies dann für die Menschen bedeutet und wie es weitergehen soll. Dies sind Fragen, die natürlich auch uns betreffen: welche Kirche wollen wir hier und welche Art von Kirche wollen wir unterstützen? Genauer gesagt: was ist unser Fundament, wen wollen wir unterstützen und in was und wofür (Zielvorstellungen)?"

An alle Partnergruppen,

wie ich im letzten Rundschreiben im Sommer angekündigt hatte, war ich für zwei Monate bis zum 8. Oktober in Cajamarca. Dabei konnte ich mit 12 der insgesamt 15 Partnergemeinden unmittelbaren Kontakt aufnehmen. Entweder war ich selbst vor Ort in der Gemeinde oder ich hatte ausführliche Gespräche mit deren Repräsentanten bzw. Ansprechpartnern für die Partnerschaft.

Die Gespräche waren durchweg sehr positiv und von großer Offenheit und gegenseitigem Vertrauen geprägt. Dabei kamen natürlich auch einige Ungereimtheiten zur Sprache oder es wurde deutlich, dass die jeweilige Partnergruppe in Deutschland oft unzureichend oder auch nur von einer interessierten Seite her informiert wird. Ich sprach ebenfalls mit dem vom Bischof ernannten offiziellen Vertreter für die Freiburger Gemeindepartnerschaften, dem Pfarrer von Namora/Matara, Américo Becerra. Auch dieses Gespräch war sehr positiv.

Es wurde dabei auch deutlich, dass die insgesamt sechs Freiburger Gemeindepartnerschaften vor Ort keine Sonderrolle spielen wollen oder können und dass der Partnerschaftsbeauftragte sich der Schwere der Aufgabe sehr bewusst ist. Mit dem Bischof selbst ergab sich keine Möglichkeit zum Gespräch, da er sich mehrmals verleugnen ließ, d.h. er wollte nicht mit mir sprechen und ging mir aus dem Weg. Dafür konnte ich mit den wichtigsten Diözesanbeauftragten ausführlich sprechen, z.B. mit den Verantwortlichen für Katechese und Landpastoral, für Jugend, Liturgie, Partnerschaften.

Am nachhaltigsten waren die Gespräche mit den Vertretern der Katecheten, Frauengruppen und vielen anderen Basisgruppen, sei es in den einzelnen Gemeinden als auch auf Diözesanebene. „Nebenbei“ konnten für zwei neue, viel versprechende Partnerschaften die ersten Kontakte geknüpft werden (bzw. alte Beziehungen wurden umstrukturiert). Neben den Gesprächen und Begegnungen standen das Kennen lernen der neuen kirchlichen Strukturen und Vorhaben im Vordergrund. Während meines Aufenthaltes fand auch die Diözesanversammlung statt (Asamblea diocesana, Thema: Evangelisierung in Cajamarca als Herausforderung).

Ich konnte danach mit vielen Teilnehmern über diese als richtungsweisend angekündigte Versammlung sprechen. Ebenso wurde über diese Versammlung im „bischofseigenen TV“ berichtet und die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. Da ich auch fast alle wichtigen Ansprachen des Bischofs seit 1993 auf Video sehen konnte, ebenso seine Amtseinführung, einige Feste wie Fronleichnam, Ansprachen und Predigten seines Generalvikars in der Kathedrale etc., kann ich mir ein recht objektives Bild über die Schwerpunkte der neuen Pastoralarbeit, des Kirchenbildes und der theologischen Grundlagen machen.

Mir scheint es von großer Wichtigkeit, sich in aller Redlichkeit mit diesen neuen Schwerpunkten auseinander zusetzen. Man muss wissen, welche Art von Kirche und Gemeinde gewollt ist, was Glaube eigentlich bedeutet, welches Gottes- und Menschenbild damit verbunden ist, was dies dann für die Menschen bedeutet und wie es weitergehen soll. Dies sind Fragen, die natürlich auch uns betreffen: welche Kirche wollen wir hier und welche Art von Kirche wollen wir unterstützen? Genauer gesagt: was ist unser Fundament, wen wollen wir unterstützen und in was und wofür (Zielvorstellungen)?

Diesem Brief lege ich deshalb bei:

  • Das theologische Fundament des Bischofs, seine Praxis, die entsprechenden Zielvorstellungen und was dies konkret für die Menschen bedeutet.
  • Die mir gegenüber geäußerten Vorstellungen, Bedürfnisse, Wünsche und Zielvorstellungen der Basisgruppen, von Katecheten, engagierten Einzelpersonen und von insgesamt acht Pfarrern.

Theologische Grundauffassungen der Diözesanleitung in Cajamarca

Vorbemerkung: Die folgenden Schwerpunkte der Arbeit und des Selbstverständnisses von Bischof Simón mögen bei deutschen Lesern auf Verwunderung stoßen. Doch es ist kein Zufall, dass ein Bischof wie Simón zum Nachfolger von Bischof Dammert ernannt wurde. Bischof Dammert selbst und zwei weiteren peruanischen Bischöfen liegen Dokumente vor, dass Bischof Simón den expliziten Auftrag bekam, die bisherige Arbeit von Dammert seit 1962 rückgängig zu machen bzw. den „Saustall aufzuräumen“, wie Bischof Simón wörtlich sagte.

Dessen theologischen Ansichten sind auch nicht die Meinung eines Einzelgängern, vielmehr sagt Bischof Simón das (vielleicht etwas undiplomatischer als andere), was die Mehrheit der Bischöfe Perus und Lateinamerikas denken. Und entsprechend handeln sie auch. In Stichpunkten ein Überblick über die wichtigsten Aussagen des Bischofs, aber ohne theologische Ausarbeitung. Der Bischof selbst möchte, dass seine Sicht der Dinge möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht wird, denn nur so kann seiner Meinung nach die Kirche vor dem Untergang bewahrt werden. Die Aussagen sind dokumentiert auf Audio-Aufnahmen seiner Predigten und Ansprachen.

Priesterbild und Auffassung (Vision) von Kirche

  • „Um Christ zu sein, bracht man die Vermittlung der von Gott bestellten Priester. Um gerettet zu werden, braucht man die Sakramente der Kirche, die diese ausschließlich über die Priester den Gläubigen schenkt. Der Priester ist der ausschließliche Vermittler zu Gott und zu seiner Gnade. Das Priesteramt ist das Fundament der Kirche, es hat seine Bedeutung in der Repräsentanz der göttlichen Autorität. Der Priester repräsentiert in allen seinen Handlungen Jesus Christus“. „Die Macht Gottes wurde auf die Apostel übertragen. Sie und ihre Nachfolger (Bischöfe) handeln stets im Auftrag Gottes“.
  • Kommentar: Die absolute Autorität des Bischofs (Priester) verhindert Dialog. Durch die Weihe wird der Priester zum alleinigen Vermittler zu Gott, er ist seinem Wesen nach mehr als der Laie.

Rolle der Katecheten und der Laien

  • „Die bisherigen Katecheten haben sich nur um soziale Probleme gekümmert und sich in die Politik eingemischt. Dadurch ist das religiöse Leben völlig zum Erliegen gekommen. Nach 30 Jahren Irrweg müssen wir nun wieder völlig neu beginnen“. „Die meisten der ‚alten‘ Katecheten sind nicht kirchlich verheiratet und leben so im Zustand der Todsünde. Wie können sie da Katecheten sein“? „Die Laien folgen ihren Priestern und können dann zum Empfang der Sakramente zugelassen werden“.
  • Kommentar: Oberste Tugend der Laien ist der Gehorsam. Ihre Rolle ist innerhalb des kirchlichen Raumes völlig passiv. Sie sind nicht in der Lage, selbst initiativ zu werden, da sie kein „Mandat“ haben. Katecheten soll es geben, aber lediglich als „Hilfskräfte“ des Priesters im Gottesdienst. Außerdem: Die "alten Katecheten" sind natürlich verheiratet. Bischof Simón erkennt die sakramental geschlossene Ehe (Eheschließung durch Katecheten im Auftrag Bischof Dammerts) nicht an, ebensowenig die von Katecheten gespendete Taufe. Dies ist ein fundamentaler Verstoß gegen die Lehre der Kirche.

Bibel ohne Bedeutung, die Lehre der Kirche ist der Maßstab

  • "Insbesondere Frauen können ohne Anleitung durch die Priester die Bibel nicht verstehen. Die rechte Interpretation des Wortes ist eine exklusive Gabe Gottes, die durch die Weihe dem Priester geschenkt wird. Die Kirche unterweist die Gläubigen im richtigen Verständnis“. „Die Lehre der Kirche ist das in verständliche Form gebrachte Wort Gottes und steht nicht zur Diskussion“.
  • Kommentar: Die Kirche nimmt den einfachen Menschen die „Last“ der Freiheit und der Verantwortung ab. Die Gläubigen brauchen sich nur an die Lehre zu halten. Warum also die Bibel lesen, da uns die Kirche ja sagt und zurechtlegt, was in der Bibel steht? Wer den Geboten der Kirche folgt, handelt immer richtig und wird nur so gerettet.

Sakramente (vor allem Beichte und Messe) und die Trennung Pastoral - Sozial

  • „Die wahre Aufgabe und Berufung des Priesters ist die Spendung der Hl. Sakramente. Allein durch die Sakramente gelangt der Christ zum Heil“. „Ein Katechet, der sich bei der Ronda beteiligt, kann nicht mehr Katechet sein, denn als Katechet darf er sich nicht in weltliche Dinge einmischen“. „Oberstes Gebot für jeden Christen ist die Erfüllung der Sonntagspflicht und der monatlichen Beichte. Daneben sind das tägliche Gebet und die Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes Zeichen eines echten Christen. Um sich um soziale Probleme zu kümmern braucht man kein Christ zu sein, das können auch Gottlose“.
  • Kommentar: Was allein zählt, ist der (oft auch nur rein äußerliche) Vollzug kultischer Vorschriften und ein Sakramentalismus ohne jeden Bezug zur realen Welt (Ungerechtigkeit, Hunger, Elend ...)

Dualismus Seele - Körper und Drohung mit dem Jüngsten Gericht.

  • „Durch tägliche Bußübungen bereiten wir uns auf das Ende der Welt vor. Nur wer ohne Sünde ist, wird gerettet werden. Deshalb müssen wir ständig bereit sein“.
  • Kommentar: Rettung der Seelen, Angst, Sünde, Drohungen als Mittel der Seelsorge. Es kommt allein auf die Rettung der Seelen an. Das Ende der Welt steht bevor und gerettet werden nur die Bußfertigen. Elend als von Gott gewollte Prüfung. Wer sich dagegen auflehnt, versündigt sich.

Konsequenzen in der Praxis:

In der konkreten Praxis und aus der Sicht der Betroffenen sind die praktischen Konsequenzen sehr einschneidend. Betroffene sind hier vor allem die bisher verantwortlichen Laien, engagierte Mitarbeiter, Katecheten und Basisgruppen. Zugleich wird andeutungsweise der Bezug zur Weltkirche hergestellt, d.h. vieles ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund weltweiter römischer Bemühungen zur Herstellung der Einheit und Geschlossenheit

Priesterbild und Auffassung (Vision) von Kirche

„Der Kirche geht es nur deshalb so schlecht, weil es an Gehorsam und Disziplin fehlt. Ohne Gehorsam kann man keine Kirche aufbauen“. Alzamora, inzwischen verstorbener Kardinal von Lima: „Die Kirche ist kein Demokratie, sondern eine Theokratie. Deswegen müssen alle ohne Widerspruch und Diskussion gehorchen“.

Alle Laien werden zu reinen Statisten und Objekten erklärt, was zu einem massiven Rückzug der Laien führt, zu einem Zusammenbruch der Seelsorge gerade in den Problemzonen. Allein der Priester bestimmt, dazu gehört auch, dass der Priester immer der Letztverantwortliche für das Geld sein muss. Dies führt auch automatisch zu einem starken römischen Zentralismus und damit verbundener Verachtung gegenüber der Kultur, Tradition und des Glaubens der Ortskirche.

Rolle der Katecheten und der Laien

In Bambamarca werden Katecheten nicht nur ignoriert, sondern bekämpft, weil sie nicht immer regelmäßig beichten und nicht jeden Sonntag zur Messe gehen. Alle wichtigen Funktionen der Diözese werden Priestern und Ordensschwestern übertragen, qualifizierte Laien entlassen.

Alle Basisgruppen und Laienorganisationen (vor allem Frauengruppen), die sich nicht dem Diktat des Pfarrers unterwerfen, werden als nicht kirchlich ausgeschlossen und ihrer materiellen Basis beraubt. Wer etwas vom Pfarrer will, muss ihn aufsuchen und bezahlen. („Service“). Bemühungen von Laien, Verantwortung zu übernehmen, gelten als „Anschläge auf die Kirche“.

Bibel ohne Bedeutung, die Lehre der Kirche ist der Maßstab

Bibeln für Katecheten, zur Durchführung von Kursen, selbst für die Sakramentenpastoral (in den wenigen Gemeinden, wo dies noch geschieht) können oft nur unter konspirativen Umständen gekauft werden. Auch in den Ausbildungsplänen der Diözese spielt die Bibel keine Rolle. Wenn Campesinos Bibeln (das Wort Gottes) in die Hand nehmen, gilt das als Gotteslästerung (da Campesinos unwürdig). Statt dessen müssen Artikel aus dem Katechismus auswendig gelernt werden.

Die reine Lehre respektiert nicht einmal Trauernde, so ein Pfarrer in einer Totenmesse, vor aufgebahrtem Toten: „Ich werde nicht die Kommunion austeilen, weil niemand von euch bei mir gebeichtet hat“. Wer die Lehre nicht befolgt, dem wird mit der Hölle gedroht. In Rom erklären einflussreiche Leute, dass eine zu tiefe Beschäftigung mit der Bibel zu „protestantischer Verseuchung“ führt, d.h. zu Ungehorsam, Willkür, Zügellosigkeit, kurz: zum Untergang der Kirche.

Sakramente (vor allem Beichte und Messe) und die Trennung Pastoral - Sozial

Alle Anstrengung gilt der Durchsetzung der monatlichen Ohrenbeichte, verbunden mit dem dazu benötigtem „Sündenbewusstsein“. Aber die bisher weit verbreitete Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung unter Mitwirkung der Eltern (Mütter) wird verboten, weil die Eltern (natürlich als Laien) generell unfähig sind. Bischof Simón kritisierte auf der Diözesanversammlung seine Priester als Versager, weil die Beichte in den Gemeinden immer noch nicht die Regel ist.

Weniger selbstbewusste Christen werden dadurch aufs äußerste verunsichert und bekommen Angst. Zur Sozialarbeit nur ein Beispiel: Schuhputzjungen dürfen sich nicht vor der Kathedrale aufhalten um nicht die Würde der Kathedrale in den Schmutz zu ziehen, während gleichzeitig in der Kathedrale die ersten Plätze für die Leute der Goldmine reserviert werden.

Dualismus Seele - Körper und Drohung mit dem Jüngsten Gericht.

Auch hierfür nur ein Beispiel: Während einerseits die Welt, Politik, gesellschaftliches Engagement verteufelt werden, wird gesagt: „Gepriesen sei die Globalisierung, denn sie ist Zeichen der Katholizität“ - ohne natürlich die damit einhergehende Verelendung des Volkes sehen zu wollen.


Was tun?

In dem Beitrag „José Dammert Bellido - Eine Kirche mit Poncho und Sombrero“, der allen Partnergruppen zugeschickt wurde, kann man nachlesen, wie im Geiste des 2. Vatikanischen Konzils (und in der Folge Medellín, Puebla etc.) in Cajamarca eine Kirche entstand, die zum Anwalt der Menschen, besonders der Armen und Campesinos, wurde. Diese Kirche lebt zwar noch, ist aber sehr gefährdet. Es gab zuerst noch Hoffnungen und Bemühungen, mit dem Bischof weiter zu arbeiten; viele resignierten; viele waren verwirrt und konnten sich dies alles nicht erklären; viele wirkten wie paralysiert und gelähmt.

Und dennoch: die Aussaat viel auf fruchtbaren Boden, vieles ist gewachsen, hat Wurzeln geschlagen und wird auch viele Stürme überleben. Im Gespräch mit allen wichtigen Gruppen, Katecheten und Einzelpersonen der Diözese (außer Bischof) ergaben sich folgende Perspektiven:

  • Alle, denen die Arbeit mit den Armen, die Evangelisierung insgesamt, die Katechese etc. noch ein Herzensanliegen ist, spüren das Bedürfnis, enger zusammenzurücken, sich nicht unterkriegen zu lassen, einen Neuanfang zu versuchen etc. Das Bedürfnis nach einem diözesanweiten Angebot an Formación, Begleitung, Kursen, Organisation ist riesig.
  • Weil die Diözese systematisch die Grundlagen (Infrastruktur) eben gerade für eine solche Arbeit zerstört, besteht nun das einhellige Bedürfnis nach Schaffung einer unabhängigen Infrastruktur. Die Überlegungen hierfür sind in Cajamarca bei allen Beteiligten schon sehr weit fortgeschritten.
  • Für uns als Christen ist oberste Priorität, die Botschaft von Jesus dem Christus zu verkünden, sei es gelegen oder ungelegen. Wir wissen aus der Geschichte der ersten Christen und auch aus vielen Beispielen danach (z.B. in Bambamarca und anderswo), was das gerade für die Armen bedeutet, wie sich ihr Leben ändert, wie sie zu neuen Menschen werden. Unserem Gewissen und unserer Taufe gegenüber sind wir verpflichtet, dies im Namen Jesu auch weiterhin zu tun. Diesem obersten Grundsatz ist alles weitere unterzuordnen.
  • Konkret: Wenn die „offizielle“ Kirche nicht ihrem Auftrag gerecht wird, dann darf uns das nicht hindern, unseren Auftrag zu erfüllen. Wir müssen den Menschen, die so sehr auf uns setzen, eine Möglichkeit bieten, sei es in ihrer Gemeinde, sei es auf Diözesanebene, sich im Glauben, in ihrem Engagement, in Kursen, in Begegnungen und im Austausch mit anderen weiterzubilden, sich gegenseitig zu bestärken, kurz: christliche Gemeinde, Kirche sein zu dürfen.
  • Darin sehe ich nun auch für die Partnergemeinden eine Chance, die bisher z.B. durch die Blockade eines Pfarrers kaum Möglichkeiten haben, mit den Bedürftigsten in direkten Kontakt zu treten, diese kennenzulernen, auf ihrem Wege zu begleiten und auch von ihnen selbst bestärkt zu werden. Wenn man der Gemeinde (z. B. in Predigt etc.) reinen Wein einschenkt., wenn man klar die Wege aufzeigt (vom Evangelium über Vat. II, Medellín etc.), dann wird man auch bei uns eine Gemeinde leicht von der Notwendigkeit einer Option für die Armen begeistern können. Uns fehlt oft einfach der Mut, die Sache Jesu eindeutig zu vertreten.
  • Ohne eine gemeinsame Anstrengung, sowohl hier als auch dort, wird unseren Partnerschaften bald die Luft ausgehen - es sei denn, wir halten eine Kirche und Theologie für erstrebenswert (und unterstützungswürdig), wie sie sich Bischof Simón vorstellt.
  • Beispiel St. Georg, Ulm (Partnerschaft mit San Pedro): Seit vier Jahren stehen wir in direktem Kontakt zu den Frauengruppen (Mütterclubs) und den Vertretern der Campesinogemeinschaften (über Einzelheiten informiere ich gerne). Die gesamte Gemeinde St. Georg steht zu dieser Gemeinde - Partnerschaft, obwohl die Pfarrer von San Pedro auf Anordnung des Bischofs abseits stehen. Die Gemeinde ist nicht nur über die Schwierigkeiten mit Bischof und Pfarrer informiert, sondern sie bezieht aus der bewussten und direkten Unterstützung der Benachteiligten zusätzliche Motivation (auch Spenden steigen). Der KGR: „Der unerschütterliche Glaube der Frauen und Campesinos von San Pedro gibt uns die Kraft und den Mut, die eigenen Probleme zuversichtlicher anzugehen“.

Ein konkreter Vorschlag der Partner aus Cajamarca, der auch von acht Priestern Cajamarcas mitgetragen wird:

  1. Anstoßen von kleinen Projekten in den Randzonen (Elendsviertel) der Stadt und auf dem Land in Bezug auf Ausbildung, Organisation und Entwicklung.
  2. Bereitstellung einer Herberge (Anlaufstelle) für Katecheten der verschiedenen Zonen der Diözese und Durchführung von entsprechenden Begegnungen und Kursen.
  3. Gründung und Animieren von anderen Gruppen mit ähnlichen Zielsetzungen in den verschiedenen Provinzen der Diözese.
  4. Bildung einer beweglichen Equipe, die sich in den einzelnen Provinzen der Diözese für die Ausbildung und Begleitung von Katecheten bereit hält, wenn diese dies wünschen.

Materielle Voraussetzungen:

  • Ein Grundetat, der es uns ermöglicht, Kurse und Begegnungen mit den Campesinos durchzuführen.
  • Kauf eines bebauten Grundstückes um den Campesinos eine Herberge und die Durchführung von Kursen anbieten zu können.

Zitat eines Pfarrers: „Der neue Bischof - im Gegensatz zu seinem Vorgänger - priorisiert eindeutig die städtische Pastoral, während die Landpastoral total vernachlässigt wird. Ein Zeichen dafür ist, dass alle bistumseigenen Häuser, die insbesondere für die Landkatecheten offen standen (auch als Herberge, wenn sie in die Stadt kamen), neuen und kontemplativen Schwesterngemeinschaften oder dem neuen Priesterseminar übergeben wurden. Diese Situation verhindert es, dass zentrale Kurse auf Diözesanebene stattfinden können“.

  • Laut Fragebogen, den alle Partnergemeinden bearbeitet haben, wünschen alle 15 Partnergemeinden, vorrangig mit den Bedürftigsten, mit Basisgruppen und Katecheten in Kontakt und Austausch zu stehen. Sie sind zuerst unsere Partner, so die übereinstimmende Meinung. Ebenso zeigen alle Gruppen großes Interesse an einer „Kirche mit Poncho und Sombrero“. Sie wünschen sich keine Kirche, in denen Laien, besonders Frauen bestenfalls Objekte sind, in der ständig mit Angst (Todsünde, Hölle) gearbeitet wird, in welcher der „Konsum“ möglichst vieler Sakramente den Himmel garantiert und in der den Reichen die ersten Plätze reserviert, Arme aber ausgesperrt werden. Wen wir das nicht wollen, dann müssen wir auch etwas tun!
  • Man wird uns Einmischung vorwerfen. Ja, wir müssen uns einmischen, denn unsere Partner bitten uns sehnlichst darum und nur alle zusammen sind wir Kirche. Nichts zu tun, würde alle die bestärken, die ins Mittelalter zurück wollen. Gerade das wäre die schlimmste Einmischung: die Armen im Stich zu lassen!
  • In Peru oder in Deutschland: es ist stets die eine Kirche. Was irgendwo geschieht kann überall geschehen - im positiven wie im negativen. Um dieser Kirche willen, der wir ja noch alle angehören, bitte ich Sie mitzuarbeiten, damit diese Kirche zu einer Heimat für möglichst viele wird.

Zum Schluss ein Zitat von Bischof Simón: „Es gibt keine Campesinos mehr, alle ziehen in die Stadt und die von der Stadt aufs Land. Die Rede von Campesinos ist Geschwätz von gestern, die Zukunft liegt in den Städten, erst recht im Zeitalter der Globalisierung, in der alle Menschen wie in einer einzigen Stadt leben werden“.

Willi Knecht, Cajamarca, im Oktober 1998