Theologischer Standort und Grundbegriffe: Theologie und Globalisierung

Leonidas Proaño: „Alles was ich gelebt und gelernt habe, habe ich nicht von der Universität erhalten, sondern aus der Mitte meines Volkes. Meine Universität war das Volk und meine besten Lehrer waren die Armen - insbesondere die Indios von Ekuador und von ganz Lateinamerika, die in Puebla als die Ärmsten unter den Armen bezeichnet wurden“ (1)

Oscar Romero: „Ich habe Gott kennen gelernt, weil ich mein Volk kennen gelernt habe“ (2).

a) Theologie

a, 1) Begriffsklärung

„Theologie ist ‚Glaubenswissenschaft’ (genauer: Wissenschaft des christlichen Glaubens), d.h. das reflektierende, methodisch geleitete Erhellen und Entfalten der im Glauben erfassten und angenommenen Offenbarung Gottes“. Und weiter heißt es am gleichen Ort: „Die Theologie ist bezogen auf die Verkündigung von Kirche, der sie dient“ (3).

Theologie ist immer bestenfalls der zweite Schritt. Sie ist sekundär und sie hat eine dienende Funktion. An erster Stelle steht der Glaube an den sich offenbarenden Gott. Dieser hat sich Moses offenbart und ist schließlich in Jesus Mensch geworden. Für die Hebräer bedeute dies den Aufbruch aus dem „Sklavenhaus“ und in die Befreiung. Christen knüpfen an diese Erfahrung an und bekennen, dass mit Jesus das Reich Gottes begonnen hat und sich vollenden wird. Das ist die Verkündigung (Botschaft) der Kirche. Die Theologie leistet die notwendigen Hilfsdienste für diese Aufgabe.

Im Mittelpunkt von Kirche und Theologie steht der Glaube Jesu an den Gott von Abraham und Moses und an Jesus den Christus. Die Campesinos haben erfahren, dass dieser Jesus in ihrer Mitte geboren und einer von ihnen wurde („zur Welt kam“). Ausgehend von dieser Erfahrung entwickeln sie eine Theologie, das reflektierende, methodisch geleitete Erhellen und Entfalten dieser Erfahrung und eine Praxis. Dabei wurde ihnen von außen geholfen. In der Begegnung mit Menschen, die theoretisch oder auch in der Praxis schon etwas von der Offenbarung wussten oder zumindest etwas davon gehört hatten, konnten sie ihre Erfahrungen einordnen, deuten und in einen ihnen bisher unbekannten Zusammenhang stellen.

Doch letztlich waren sie es, die daraus entsprechende Lehren zogen und diese Konsequenzen oft auch bitter erleiden mussten, mit Gefängnis und Folter. Die Lehren der Campesinos, ihre Überlegungen und manchmal auch nur Versuche, ihren Glauben auf dem Hintergrund ihrer als leidvoll erfahrenen Realität als befreienden Glauben zu deuten und zu praktizieren, ist eine authentische Theologie. Sie sind die Subjekte dieser Theologie, sie haben das erste Wort. In ihrem Mittelpunkt steht die Menschwerdung Gottes, die Botschaft Jesu vom Reich Gottes, sein Kreuz und seine Auferstehung.

Menschen - besonders arm gemachte Menschen - die sich auf der Basis gemeinsamer Erfahrungen mit Jesus dem Christus versammeln und ihren Glauben in die Tat umsetzen, bilden die Kirche Jesu. Sie werden zu einem Zeichen des Heils für diese Welt und ihre Mitmenschen. Sie sind authentische Kirche Jesu. Sie sind dies auch dann, wenn sie von Vertretern einer abendländisch geprägten römischen Institution nicht als solche anerkannt oder noch nicht einmal wahrgenommen werden.

Gerade darin liegen die Aufgabe und die Chance von europäischer Theologie und Kirche, mit ihren Mitteln und ihren immer noch beträchtlichen Möglichkeiten, die Campesinos auf die Bühne zu stellen und ins Rampenlicht zu rücken. Die am Rande stehen müssen in die Mitte gestellt werden - um der Armen und der Botschaft Jesu willen. Dies ist auch um der Institution oder der europäischen Kirche selbst willen zu geschehen, quasi zu deren eigenen „Heil“ und Rettung. Denn wie könnte sie die Menschwerdung Gottes im „Stall von Bambamarca“ und ähnlichen Orten leugnen, ohne sich selbst aufzugeben?

Wenn das so ist, dann muss sich die Kirche auf den Weg zur „Krippe im Stall“ machen. Doch die Option für die Armen ist immer noch nicht institutionell verankert, im Gegenteil, sie wird immer mehr vernachlässigt. Daher ist sie beliebig veränderbar. Was dies konkret bedeutet, wird wiederum am Beispiel der Diözese Cajamarca und ihres aktuellen Bischofs drastisch verdeutlicht.

Die Indios dieser Welt ins Zentrum zu rücken wäre freilich für die europäische Kirche nur der erste Schritt. Der entscheidende und dem Evangelium gemäße Schritt wäre, selbst die eigene Mitte am „Rand“, in der Ohnmacht und bei den scheinbar Ohnmächtigen zu finden. Das gilt auch für die Theologie. So wie die Kirche als ganzes findet die europäische, akademische Theologie zu ihrer eigenen Mitte, wenn sie aus der Mitte der Armen heraus entsteht (4).

a, 2) Zur Methode der Theologie in Lateinamerika

Zur Theologie gehört auch die Frage nach ihrer Methode. Die Wahl der Methode, die oft nur eine scheinbar freie Wahl ist, weil sie bedingt ist durch bestimmte Strukturen, fest gelegte Begrifflichkeiten, Traditionen und den eigenen Standpunkt, ist dabei selbst schon Theologie. Deutlich wird dies am Beispiel von Bartolomé de Las Casas, der einen bis dahin in der Geschichte der Conquista unerhörten Standpunkt einnimmt. „Um zu begreifen, was in Westindien vor sich geht, bezieht er, soweit wie möglich, den Standpunkt des Indianers, des Armen und des Unterdrückten. Weiß er doch, wie es um die Indianer aussieht“ (5).

Einen solchen Standpunkt einnehmen zu können bedeutet, bereits vorher eine Entscheidung (Option) getroffen zu haben, besser: eine Bekehrung erlebt zu haben. „Vom Standpunkt des Indianers“ aus die Welt, den Mitmenschen und Gott zu betrachten, ist aber auch eine Methode - nicht im Sinne einer mechanistischen Anwendung oder eines instrumentellen Werkzeuges, sondern im Sinne einer existenziellen Entscheidung. Die jeweilige Art und Weise, Theologie (das methodisch geleitete Erhellen und Entfalten des Glaubens nach K. Rahner) zu betreiben und Methode fallen in,eins, weil der jeweilige Standort entscheidend ist - sei es bei der Wahl der Methode, sei es bei der Theologie selbst.

Der jeweilige Standort ist aber, falls er wie bei Las Casas aus einer bewussten Option heraus eingenommen wird, ein existenzieller Glaubensakt bzw. er ist ein Bekenntnis des Glaubens. Andererseits wird dieser Glaubensakt durch die Konfrontation (dem Sehen und Deuten) mit der Realität provoziert. Gutiérrez bezieht sich im folgenden Zitat auf Las Casas, wenn er schreibt: „Obwohl mit der traditionellen Theologie groß geworden, entdecken Menschen seiner Zeit dennoch neue Wege, als sie sich bemühten, das Evangelium aus der Sicht ‚der gegeißelten Christusse in den indischen Ländern’ zu verstehen“ (6).

Dies ist auch zu beachten, wenn über die in dieser Arbeit angewandte Methode gesprochen werden muss. Hier ist zuerst an die Methode des „Sehen - Urteilen - Handeln“ zu denken. Die Dokumente von Medellín sind durchgehend davon geprägt. Es handelt sich in Medellín um die Übernahme eines in Europa entwickelten Dreischritts (7). Den Campesinos musste diese Methode aber nicht erst gelehrt werden. Sie gingen schon immer von der Wirklichkeit aus. Diese galt es zu beobachten und zu deuten. Selbst massive Versuche der europäischen Christen, den Campesinos die Realität mit Hilfe ewiger Wahrheiten zu verschleiern, hatten wenig Erfolg.

Innerkirchlich betrachtet ist aber die erwähnte Methode bedeutsam und notwendig. Sie gewinnt ihre Bedeutung vor allem auf dem Hintergrund der vorherigen und nun wieder aktuellen Methode, die Realität auszuklammern und stattdessen wieder von abstrakten und ewigen Wahrheiten auszugehen und sie den Menschen - unter Androhung des Verlustes von allem Heil bei Nichtannahme - überzustülpen (8).

In dieser Arbeit wird der Anspruch erhoben, von der gelebten Realität besonders der Campesinos auszugehen. Darin ist implizit immer - aber explizit nicht notwendig - die Methode des Sehen - Urteilen - Handeln mit eingeschlossen. Eng verknüpft mit dem Verständnis von Theologie und dem zu praktizierenden Glauben ist die Frage, wie dieser Glaube an den biblischen Gott angesichts der Realitäten, und seien es auch nur eingebildete Realitäten, gelebt und praktiziert werden kann.

Daher gehört hierher auch die Frage nach der Art der Fragestellungen, der Wahrnehmungen, der Vorgehensweise, vor allem aber der Deutung dieser Wahrnehmungen und Erfahrungen von einem bestimmten Standpunkt aus. Entscheidend ist die Frage, wie ich die Welt sehe und deute. Dazu muss ich sie erst einmal sehen. Ich muss von ihr ausgehen.

Sehen heißt, die Augen öffnen bzw. offen halten. Das Gegenteil davon ist die Blindheit. Jesus erzählt in anschaulicher Weise, was es für den Menschen bedeutet, blind zu sein bzw. welches Wunder es ist, wenn vorher blinden Menschen nun die Augen aufgehen oder ihnen die Augen geöffnet werden. Was er dann als erstes sieht und auch als erstes sehen will, ist ein Mitmensch. Ausgangspunkt ist immer der Mensch - und zwar nicht der Mensch „an sich“, sondern der leidende, der unterdrückte Mensch, an den Rand gedrängt oder gar von der Vernichtung bedroht.

Dieser Mensch hat in Cajamarca ein konkretes Gesicht. Bei diesen Menschen geht es nicht zuerst bzw. überhaupt nicht um die Frage, ob z.B. Gott existiert oder nicht. Dies ist für sie keine Frage. Es geht darum, an welchen Gott die Menschen glauben - an den Gott von Moses und Jesus (Kreuz - Befreiung) oder an den Gott dieser Welt (Macht - Eroberung). Für die Campesinos ist es daher nicht die Frage, ob sie an Gott glauben, sondern an welchen Gott.

Ausgangspunkt ist für sie die Frage, wie man an einen Gott der Liebe glauben kann, wenn man nicht weiß, wie man den ständigen Hunger seiner Kinder stillen kann oder mehr noch: wie kann man angesichts der tödlichen Gewalt an den Gott des Lebens glauben? Dies ist auch der Ausgangspunkt der späteren Theologie der Befreiung.9 Diese Realität zu sehen ist eine Sache, und dies ist unerlässlich. Eine andere Sache aber ist, wie ich mich dieser Realität gegenüber verhalte, z.B. ob ich sie gleichgültig hinnehme oder sie als ein „zum Himmel schreiendes Unrecht“ entlarve und dagegen aufstehe. Das letztere kann ich erst tun aufgrund einer Option.

Sie bedeutet ein grundsätzliches Offensein für Andere und ist gewissermaßen eine Vor-Option. Eine christliche Option geht einer konkreten Realität voraus und ist nicht von dieser abgeleitet, vielmehr wird sie zum „Gericht“ über die Realität. Darin besteht auch das „Geheimnis des Glaubens“ und auch - rein rational gesehen - dessen Widerspruch (10). Umgekehrt kann ein Schock, der durch eine Konfrontation mit der Realität ausgelöst wurde, zu einer Option werden bzw. diese reifen lassen. Doch das muss nicht so kommen. Bei Las Casas führte dieser Schock zu einem neuen Standpunkt, er hat die Seiten gewechselt.

Dasselbe geschah auch bei Bischof Oscar Romero (u.a.). Doch bei der Mehrzahl der Mitbrüder von Las Casas geschah das nicht, ebenso wenig wie z.B. bei Bischof Simón, dem aktuellen Bischof von Cajamarca und bei anderen Bischöfen. Die Konfrontation mit der Realität kann gar - meist aus Angst - zu einer Verhärtung des bisherigen Standpunkts führen. Es ist zumindest nicht irgendeine Weihe, die eine Veränderung bewirken könnte. Es scheint stattdessen ein besonderes Geschenk zu sein, eine Gabe Gottes.

Theologie bedeutet, das Wort Gottes aus einer konkreten Situation heraus zu hören und es in diese auch hinein zu sagen. Der konkrete Mensch, besonders wenn er in einer die Existenz gefährdeten Situation lebt, hat uns etwas zu sagen - selbst wenn er nicht sprechen kann. Und umgekehrt wartet er auf ein Wort, das ihm seine Situation erhellt und ihm einen Weg anbietet. Im Licht des Glaubens wird die jeweilige Situation zu einer Offenbarung Gottes, in der Gott zu uns spricht. Das ist auch die Methode der Theologie der Befreiung (11).

Im Rahmen des bisher Gesagten ist es der biblische Glaube, der befreit. Eine solche Aussage kann erst dann getroffen werden, wenn sie von einer bereits bestehenden Erfahrung her gemacht wird, sich also in der Praxis bewahrheitet hat: im konkreten Leben und innerhalb eines konkreten gesellschaftlichen Kontextes mit entsprechenden Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gemeinschaft, in der er lebt. Dies können aber vor allem die Menschen bezeugen, die in ihrem eigenen Leben Umkehr und Befreiung erfahren haben und deren Leben sich verändert hat. Campesinos in der Diözese Cajamarca haben diese Veränderungen erlebt, sowohl als Adressaten einer befreienden Botschaft als auch als Subjekte dieser Veränderung und dann auch als Subjekte der Verkündigung. Ihre Interpretation der Bibel und ihr gelebtes Zeugnis ist daher ein authentisches Wort über Gott und die Welt.

Ihr neu gewonnenes Verständnis von der Bibel zeigt sich z.B. in ihrem Verständnis von der Geburt Jesu in ihrer Mitte bis zu dessen Passion und Auferstehung. Ihnen gehört das erste Wort und sie geben die Vorlage für alle weiteren Deutungen. Zumindest aber wollen sie als gleichberechtigter Gesprächspartner einer sich wissenschaftlich verstehenden Theologie ernst genommen werden. Nimmt man die Menschwerdung Gottes in der Interpretation der Campesinos ernst, dann kommt man auch ohne ein theoretisches Konzept und eine theoretisch entwickelte Methode zu dem Ergebnis, dass der konkrete Mensch, vor allem der leidende und unterdrückte Mensch, im Mittelpunkt steht. Seine Bedürfnisse sind der Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen. Wie noch zu sehen sein wird, war dies das Leitmotiv für Bischof Dammert. Dies gilt auch für diese Arbeit.

a, 3) Theologie der Befreiung

Die Freundschaft von Bischof Dammert mit Gustavo Gutiérrez, dessen enge Kontakte zur Kirche von Cajamarca, das Glaubensbuch Vamos Caminando, Veröffentlichungen der Diözese und die Praxis der Kirche von Cajamarca legen den Schluss nahe, dass die sozialpastorale Arbeit in der Diözese Cajamarca von der Theologie der Befreiung geprägt wor-den sei. Von Beobachtern von außerhalb wurde die Praxis der Kirche von Cajamarca als Ergebnis der Theologie der Befreiung entweder gefeiert oder verdammt (11a).

Diese Folgerung ist falsch. Eine befreiende Praxis ist in Cajamarca bereits vor dem Entstehen der Theologie der Befreiung entstanden. Richtig ist, dass Bischof Dammert und seine Mitarbeiter die dann entstehende Theologie der Befreiung als eine Hilfe erfahren haben und ihr auch nahe standen. Mit einigen Theologen der Befreiung waren sie eng befreundet und es fand ein reger und steter Austausch statt. Dammert selbst bezeichnete sich aber nie als Theologe der Befreiung, noch nicht einmal als Theologe. Er bezeichnete aber die peruanische Theologie der Befreiung als erste authentische nicht koloniale Theologie.

Zusammen mit Kardinal Landázuri, Lima, setzte er sich in Rom und innerhalb der peruanischen Bischofskonferenz mit Erfolg für Gustavo Gutiérrez ein (1984 - 1987). Um das Glaubensbuch der Campesinos von Bambamarca, Vamos Caminando, entstand 1979 ein Streit zwischen dem damaligen Erzbischof von München, Kardinal Ratzinger einerseits und Bischof Dam-mert und seinen Mitarbeitern andererseits. Der Kardinal klagte die Campesinos von Bambamarca (bzw. deren Hintermänner aus dem Ausland, wie der Kardinal meinte) an, Hass und Gewalt zu predigen. Es ging ihm dabei aber nicht um die Campesinos, sondern um seine Auseinandersetzung mit selbst konstruierten eigenen Vorstellungen von der Theologie der Befreiung.

Um das Glaubensbuch der Campesinos von Bambamarca, Vamos Caminando, entstand ein Streit zwischen dem damaligen Erzbischof von München, Kardinal Ratzinger einerseits und Bischof Dammert und seinen Mitarbeitern andererseits. Der Kardinal klagte die Campesinos von Bambamarca (bzw. deren Hintermänner aus dem Ausland, wie der Kardinal meinte) an, Gott zu lästern und Hass und Gewalt (Klassenkampf) zu predigen. Es ging ihm aber dabei gar nicht um die Campesinos, sondern um seine Auseinandersetzung mit der Theologie der Befreiung (vgl. die Dokumentation dieses Konflikts in Kapitel V über Bambamarca).

Meine Arbeit hat nicht explizit die Theologie der Befreiung zum Thema. Inhalt dieser Arbeit ist der Schritt, der vor der Theologie der Befreiung liegt, der ihr vorausgeht und worauf sich die Theologie der Befreiung dann bezieht. Es kommen unmittelbar diejenigen Menschen zu Wort, auch in ihrem Auftrag und in ihrem Namen - im Unterschied zu vielen theologischen Entwürfen, die sonst eher „von außen begutachten“ (12). In der Pfarrei Bambamarca war die Theologie der Befreiung ebenfalls - zumindest explizit - kein Thema.

Aus dem Selbstverständnis der peruanischen Basisgruppen erwächst Theologie aus der Mitte des Glaubens und einer befreienden Praxis heraus. Die Campesinos reden deshalb nicht von einer Theologie der Befreiung oder sonst einer Theologie. Sie erzählen von ihrem Glauben, von ihrem Leben und wie der Glaube ihr Leben und ihr Umfeld verändert. Ich selbst kann von mir sicher sagen, dass ich in der konkreten pastoralen Arbeit in Bambamarca nicht ein einziges Mal den Begriff benutzt habe. Einige erfahrene Katecheten, die sogar an den theologischen Sommerkursen in Lima teilgenommen hatten, hatten natürlich davon gehört.

Sie fühlten sich durch die Vertreter dieser Theologie, besonders Gustavo Gutiérrez und Hugo Echegaray, verstanden, respektiert und ermutigt. Sie verstanden sogar deren Sprache bzw. umgekehrt: die Theologen sprachen auch die Sprache der Campesinos. Ich befasse mich nicht mit der Theologie der Befreiung als solcher, so wie dies üblicherweise in theologischen Debatten geschieht, sondern mit dem als Befreiung erfahrenen Glauben der Campesinos und mit deren Praxis der Befreiung.
Bischof Dammert sagte über den Streit über die Theologie der Befreiung: „Für unser lateinamerikanisches Volk sind dies akademische Diskussionen, Dinge für Intellektuelle und Kleriker. Sie, die Menschen aber leben die Theologie der Befreiung“ (13). 

Dammert selbst versteht sich auch nicht explizit als Theologe der Befreiung. Die Streitigkeiten und Missdeutungen der Theologie der Befreiung sind für ihn neben akademischen Sandkastenspielen oft auch bewusste und von handfesten Interessen geleitete Ränkespiele. Meist beruhen sie aber auf schlichter Unkenntnis und dem Unvermögen, sich wirklich in die Situation der im Elend gehaltenen Menschen hinein zu versetzen.

Er setzt sich aber vehement für die Theologie der Befreiung ein, schon allein deswegen, weil sie nach Dammert zusammen mit den Beschlüssen von Medellín die erste Manifestation authentischen Christentums in Lateinamerika ist. Doch auch dafür kam der Anstoß direkt aus der Bibel: für ihn war die fruchtbarste Erneuerung des II. Vatikanischen Konzils, dass man dem Volk endlich die Bibel in die Hand gegeben hatte. „Und an dem Tag, an dem die Campesinos erkennen, dass sie Kinder Gottes sind - und alle Menschen Brüder und Schwestern - ändert dies ihr Bewusstsein“ (14).

b) Globalisierung

Die Geschichte und Entwicklung in Cajamarca wird in dieser Arbeit nicht als lokales Phänomen gedeutet, sondern als Teil weltweiter Entwicklungen. Sieg des Kapitalismus, Ende der Geschichte, Scheitern alternativer Möglichkeiten und jeder Utopie, Tod der Theologie der Befreiung etc. sind Schlagworte von heute. Doch in welchem Kontext begann 1962 die damalige Entwicklung einer befreienden Pastoral in Cajamarca? Hat sich der damalige weltwirtschaftliche, weltpolitische, ideologische, kirchliche Kontext so verändert, dass die damalige Entwicklung für heute keine Bedeutung mehr hat und in welchen Zusammenhang steht dies wiederum mit einer zu beobachtenden Zentralisierung, die von einigen als Globalisierung und Stärkung der Weltkirche missdeutet wird?

Durch die Zusammenarbeit mit deutschen Partnergruppen, die sich unversehens in weltwirtschaftliche Zusammenhänge verwickelt sehen, können diese Zusammenhänge und deren Auswirkungen an konkreten Beispielen gezeigt werden (vgl. die bereits erwähnten vier Beiträge von deutschen Partnergemeinden im Sammelband).  Und Campesinos sagen, wie ihr Leben konkret z.B. von Währungsspekulationen oder Änderungen der Kreditbedingungen und der Auslandsverschuldung abhängt.

Vom Menschen und seiner konkreten Wirklichkeit ausgehen bedeutet heute mehr als je zuvor, sich mit der Funktionsweise der Weltwirtschaft auseinander zu setzen. Heute bedeutet dies, sich mit der Globalisierung und deren Folgen auseinander zu setzen. Die aktuelle Wirkungsgeschichte der Globalisierung ist von deren Opfern her zu erzählen und anzuklagen. Die Menschen von Cajamarca sehen sich überwiegend als Opfer der Globalisierung. Dies lässt sich exemplarisch an der Tätigkeit der Goldminen bei Cajamarca zeigen.

b, 1) Partnerschaften als Zeichen der Gemeinschaft Jesu Christi in der Einen Welt

Ein Beispiel für katholisches Denken und Handeln im ursprünglichen Sinne des Wortes (katholikós: alle betreffend; das Selbstverständnis der christlichen Gemeinschaft von ihrer weltumspannenden und universalen Sendung für alle Menschen) sind kirchliche Gemeindepartnerschaften. So konnte ich nach einem Besuch in der Partnergemeinde San Pedro im Gemeindebrief der Gemeinde St. Georg, Ulm, berichten (16. 9. 1997, Dok.1, I): „Dann sprach Don Cunshe im Namen aller Campesinos: ‚Wir freuen uns besonders, nicht nur immer zu empfangen, sondern euch auch etwas schenken zu dürfen, nämlich die Erfahrung der Nähe Gottes. Es gibt uns viel Selbstvertrauen, euch helfen zu dürfen, Hoffnung zu geben und so euren Glauben zu vertiefen.’ Auch die Partnerschaft mit uns wird zunehmend spirituell verstanden, d.h. als einheitsstiftend und kirchenbildend. Unsere Präsenz als Kirche hilft ihnen, sich ebenfalls als Kirche zu verstehen, was ihnen Kraft und Selbstbewusstsein gibt“.

Als wenige Wochen später in einer Predigt zum Peruwochenende der Gemeinde u.a. über die Frauengruppen in der Partnergemeinde in Cajamarca und deren Ausgrenzung durch den aktuellen Bischof berichtet wurde, sprachen sich spontan zwei Frauengruppen von St. Georg für ihre weitere Mitarbeit in der Gemeinde aus. Sie hatten kurz zuvor aus Protest gegen die in dieser Zeit gerade bekannt gewordene „Laieninstruktion“ des Vatikans ihre weitere Mitarbeit in der Kirche in Frage gestellt. Nun aber wurden sie durch das Beispiel der Frauen von San Pedro, denen ja von Amtsträgern noch weit mehr zugemutet worden war, derart ermutigt, jetzt erst recht in der Kirche zu bleiben und zu „kämpfen“ (15). 

An einem weiteren Perusonntag (22.11.1998) wurde folgende Fürbitte vorgetragen: „Unsere Partner in San Pedro werden von der offiziellen Kirche in Cajamarca immer mehr ausgegrenzt. Man will von ihren Problemen nichts wissen. Sie wollen aber weiterhin Kirche sein und sie sind es auch zusammen mit uns. In der Partnerschaft erfahren sie eine Kirche, die mit den Menschen ist. Wir bitten, dass die Kirche in Cajamarca wieder auf den Weg Jesu zurückfindet, der sich mit den Ausgegrenzten an einen Tisch gesetzt und mit ihnen das Brot geteilt hat“. (Dok. 9, I).

Diese und andere Beispiele zeigen, dass globales Denken und Handeln weiter verbreitet ist, als viele, die das selbst praktizieren, sich dessen bewusst sind. Die Katholische Kirche ist die älteste und größte weltweite Gemeinschaft mit einer einheitlichen, weltumspannenden Struktur. Zumindest ermöglicht diese Struktur echte Partnerschaften. Diese wiederum tragen dazu bei, weltweite Verantwortung zu übernehmen und sich immer mehr als die Eine Kirche Jesu zu verstehen (16). Die Existenz von Partnergruppen bedeutet, Weltkirche auch von unten zu bilden. Durch ihre direkten Kontakte mit den Gruppen in Peru erfahren sie, was christlicher Glaube in der heutigen Zeit und innerhalb eines bestimmten Kontextes, der auf diese Weise als ein globaler Kontext erkannt werden kann und muss, bedeuten kann.

Und das, was dort gelebt und praktiziert wird, hat hier vor Ort eine Bedeutung. Dies geschieht umso mehr, je direkter und persönlicher die Beziehungen zu den Partnern sind (17). Wenn Medellín die Umsetzung und Weiterentwicklung des Zweiten Vatikanischen Konzils auf die lateinamerikanische Realität hin ist und die Partnergruppen in Peru sich immer wieder auf das Konzil und Medellín berufen, dann hat dies Auswirkungen auf deutsche Gemeinden. Alle befragten deutschen Partnergruppen berufen sich auf das Konzil und auf Medellín. Sie können sich daher von ihren Partnern ergänzend und korrigierend sagen lassen, was das Konzil hier in Deutschland und in den eigenen Gemeinden bedeutet bzw. bedeuten kann (18).

Als Gegenbegriff bzw. als notwendige Ergänzung zu der Rede vom „globalen Dorf“ müssen der Begriff und das Verständnis von einer „globalen Gemeinde“ Raum gewinnen. Die Kirche, will sie eine katholische Kirche sein, muss der herrschenden Praxis von Globalisierung die Vision und die Praxis einer globalen Gemeinde entgegensetzen, die von den Armen ausgeht und in der nicht nur die Armen untereinander, sondern auch Reiche und Arme die Chance haben, das Brot zu teilen, also „Gemeinschaft der Jünger Jesu“ zu werden. Den Partnergemeinden kommt dabei eine Pilotfunktion zu.

So sind z.B. die Aussagen der Campesinos über die Eucharistie und deren gelebte Praxis des Brotteilens eine Chance für deutsche Gemeinden, den Sinn von Eucharistie als Tischgemeinschaft und Brotteilen neu zu entdecken. Die Aussagen der Campesinos haben daher einen globalen Wert. Ihr Kirchenverständnis, ihre Interpretation der Bibel und die Deutung ihrer Situation im Lichte des Glaubens beanspruchen „universale Gültigkeit“ - freilich nicht im dogmatischen Sinne, sondern als Einladung zum Dialog.

Die Worte eines Campesino haben deshalb auch in Deutschland ihre Gültigkeit. „Es gibt noch viel Armut in einigen Comunidades und auch in vielen Teilen dieses Planeten. Aber das Leben wird sich immer durchsetzen. Und es ist notwendig dazu beizutragen, dass es sich durchsetzen kann. Sowohl die nationalen als auch internationalen Organisationen sind dazu aufgerufen, sich zu solidarisieren auf diesem mühsamen Weg zur Überwindung der Armut - damit das ‚Bild Gottes’ voller Würde aufleuchten und ‚herrschen’ möge auf dieser Erde“ (19).

In der Vergangenheit war es eher die Kirche als Institution, die von Beginn an einen weltweiten Anspruch „bis an die Grenzen dieser Erde“ erhob. Vor allem mit Beginn der Neuzeit konnte dieser Anspruch - meist mit Gewalt - durchgesetzt werden. Bereits im 16. Jahrhundert beherrschten die katholischen Könige im Auftrag des Papstes ein weltumspannendes Reich von den Philippinnen bis nach Feuerland. Schon Kaiser Karl V. (als spanischer König von 1516 - 1556) sah sich als Herrscher, „in dessen Reich die Sonne nie unterging“.

Cajamarca wurde seit 1532 von spanischen Interessen beherrscht. 1962 begann mit Bischof Dammert von Seite der Kirche her eine neue Ära der Beziehungen mit Europa und Rom. 1962 kam der erste deutsche Priester nach Cajamarca und seit 1963 besteht eine Partnerschaft zwischen der Gemeinde St. Martin, Dortmund und der Gemeinde San Carlos, Bambamarca. Die Globalisierung kommt durch immer mehr Partnerschaften und Gruppen, die sich intensiv mit den Problemen der anderen Partnergruppe auf der anderen Seite der Erdkugel auseinander setzen, erst richtig und immer drängender zum Bewusstsein.

Das Thema der Globalisierung rückte immer mehr in den Vordergrund. Durch die Beschäftigung mit bestimmten Themen (z.B. Staudamm), die für die Partnergruppen in Peru Existenz bedrohend sein können, werden auch die wirtschaftlichen Verflechtungen und Verwerfungen immer besser durchschaut und können auf der Basis besserer wirtschaftlicher Kenntnisse und einer Deutung der Verhältnisse im Lichte des Glaubens neu gedeutet werden. Zu einer solchen Deutung werden sie wiederum von den Partnergruppen inspiriert, ebenso durch deren andere Art der Bibellektüre. Die Arbeit der Partnergruppen kann als exemplarisch für eine Kirche bezeichnet werden, die immer mehr zur „Welt-Kirche“ wird. In ihrer Arbeit, der gegenseitigen Unterstützung und im gemeinsamen Brotbrechen wird zeichenhaft deutlich, was Kirche sein kann.

Bischof Dammert setzte sich stets mit Fragen der Weltwirtschaft auseinander, weil er wusste, dass weltwirtschaftliche Prozesse konkrete Auswirkungen für die Menschen, besonders für die Ärmsten seiner Diözese, haben.20 Sah er zu Beginn seiner Amtszeit die ausländische Hilfe eher als moralische Verpflichtung der Wiedergutmachung an den ausgebeuteten Völkern, so nahm bei ihm gegen Ende seiner Amtszeit der Gedanke einer Partnerschaft immer mehr Raum ein und er entdeckte immer wieder neue Facetten von Partnerschaft.

Schließlich verstehe ich meine eigene Arbeit, sowohl im Rahmen der Partnerschaft als auch der Studie und die vorliegende Arbeit, als ein Beispiel von „globaler Verantwortung“ und von gelebter Weltkirche. Dies führt so weit, dass ich als Deutscher (aber nicht weil ich Deutscher bin) gebeten wurde, beispielhaft die Praxis der Kirche von Cajamarca (1962 - 1992) und im weiteren Sinne der Kirche von Peru, in Mexiko (Cuernavaca) vorzustellen und zu vertreten.

b, 2) Unterscheidung des Begriffs Globalisierung

Diese gerade beschriebene Art von „Globalisierung“ (Partnerschaften, Weltkirche) werde ich in der Folge nicht Globalisierung nennen. Denn der christliche Glaube hat eine eigene, eine biblische Deutung der Geschichte, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, an deren Ende die Einheit aller Menschen und der Menschen mit Gott steht. Diese Geschichte beginnt damit, dass Gott ein völlig unbedeutendes und versklavtes Volk ausgewählt und in die Freiheit geführt hat. Dies hat eine Bedeutung für alle Völker. Der Gott der Hebräer wird als Gott aller Menschen geglaubt. Im Neuen Testament wird endgültig der räumliche und zeitliche Rahmen gesprengt. Im christlichen Glauben gibt es weder „Grieche noch Jude“ (Paulus), oder heute: weder „Indio noch Deutscher“. Die Kirche als „pilgerndes Volk Gottes in der Geschichte“ (Lumen Gentium) ist die Sammlung und Gemeinschaft aller Menschen auf dem Weg. Und dieser Weg hat ein Ziel: die Versöhnung und die Einheit der Menschen mit Gott.

Partnerschaft zwischen einer reichen und einer Gemeinde sind ein Zeichen dieser neuen Einheit. Wenn reiche und arme Gemeinden das Brot teilen, ist Jesus Christus gegenwärtig. Selbstverständlich kann man im innerkirchlichen Bereich und in der Theologie den Begriff Globalisierung nicht ausblenden, auch wenn man damit - wie ausgeführt - nichts anderes meint, als dem Auftrag Jesu gerecht zu werden, seine Botschaft in aller Welt zu verkünden. Sonst könnte man sich auch schwerlich in der gegenwärtigen Diskussion verständlich machen.

„Solidarität - die andere Globalisierung“, so heißt ein von Misereor herausgegebenes Buch mit den Inhalten eines von Misereor veranstalteten Kongresses 1999 in Aachen. Eine solche Formulierung, ähnlich die häufig benutzte Formulierung „Globalisierung von unten“, bringt deutlich die Alternative zum Ausdruck. Wird der Begriff Globalisierung in der entwicklungspolitischen Diskussion benutzt, dann hat er viele Gesichter und Facetten. Meiner Meinung nach ist aber darüber hinaus in der öffentlichen Diskussion darauf zu bestehen, dass die Kirche nicht wieder hilflos einem aktuellen Thema hinterherläuft, sondern aus ihrer eigenen Mitte heraus zumindest die Richtung mitbestimmt und die Themen besetzt, die im Grunde ihre eigenen sind. Keine weltweite Gemeinschaft (außer dem Islam?) hätte sonst die Autorität, ausgehend von den Armen die bestehende Praxis der Globalisierung anzuklagen und neue Wege zu beschreiten.

b, 3) Globalisierung als weltweite Entfesselung des Kapitalismus

Wenn von nun an von Globalisierung die Rede ist, dann ist das Gegenteil zu dem gerade Ausgeführten gemeint. Die Globalisierung wird in der Folge als eine bisher beispiellose und weltweite Entfesselung des Kapitalismus verstanden, mit tödlichen Folgen für immer mehr Menschen und die gesamte Natur. Die gegenwärtige Globalisierung unter wirtschaftlichen und kulturellen Vorzeichen ist als direkte Folge bzw. Weiterführung der im 15. Jahrhundert begonnenen Eroberung der Welt durch das christliche Abendland zu sehen. Ein biblisches Bild hierfür ist der Turmbau zu Babel.

Wenn alle Menschen immer höher hinauf und immer mehr haben wollen, dann zerbricht die menschliche Gemeinschaft. Es gibt immer mehr Verlierer und Opfer. Es entsteht eine Gesellschaft, in der die Macht über andere zum höchsten Gut wird. Es gibt dann keine gemeinsame Sprache mehr. Genau das geschieht heute - nicht erst seit der Globalisierung, aber verschärft durch sie. Ein Anliegen meiner Arbeit (u.a.) ist, einen Beitrag in diesem doppelten Sinne zur theologischen Diskussion über Globalisierung und deren Folgen zu leisten.

Das Besondere dieses Beitrages ist, die Campesinos als die „Indios dieser Welt“ mit in die Diskussion einzubringen bzw. ihre Sicht der Dinge bekannt zu machen. Tippt man in eine Suchmaschine im Internet den Begriff Globalisierung ein, erscheinen etwa 400.000 Nennungen (in deutsch) (21). In der immensen Zahl der Definitionen lassen sich alle denkbaren Varianten finden - von einer extremen Verteufelung bis zu einer extremen Verherrlichung der Globalisierung. Ich möchte zwei heraus greifen, die mir repräsentativ und ausgewogen erscheinen: eine Definition der UNO und eine Definition des Verbandes entwicklungspolitischer deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO). Die UNO definiert: „Der Terminus Globalisierung weist auf mehrere Entwicklungen:

  • Voranschreitende ‚weltweite’ Integration der Märkte für Güter- und Dienstleistungen im Zuge des Abbaus einstiger - künstlicher und natürlicher - Handelshemmnisse.
  • Länderübergreifende - letztendlich globale - Organisation von Produktionsprozessen durch transnationale Unternehmen oder Unternehmensverbünde (global sourcing).
  • Als Folge von beiden: zunehmende Integration der Arbeitsmärkte in dem Sinne, dass für immer größere Teilbereiche das Gesetz des einen Preises gilt.
  • Nahezu abgeschlossene weltweite Integration der Finanzmärkte.
  • Zunahme grenzüberschreitender Informationsflüsse. - Zunehmende Wahrnehmung (ob richtig oder falsch), dass wichtige Probleme globalen Charakters sind und supranationale Lösungen erfordern (Beispiel: Klimaproblematik).

Diese Aspekte lassen sich auf den gemeinsamen Nenner bringen: ‚tatsächlicher und perzipierter Bedeutungsverlust nationalstaatlicher Grenzen’. Diese ‚Entgrenzung’ wird sowohl als ‚naturwüchsiger’ Vorgang als auch als politisches Projekt wahrgenommen und diskutiert“ (22). Bemerkenswert an dem folgenden Zitat ist, dass die zitierten Aussagen als Anregungen für den Unterricht (Oberstufe Klasse 11-13) erarbeitet wurden. Sie stammen von einer Initiative, in der sich ehemalige Entwicklungshelfer zusammengeschlossen haben, um ihre in der „Dritten Welt“ gemachten Erfahrungen in Deutschland weiter zu geben und auf weltweite Zusammenhänge, Abhängigkeiten und Ungerechtigkeiten hinzuweisen.

„Globalisierung ist mittlerweile zu einem Modewort geworden und wird mit unterschiedlichen Vorstellungen, Erwartungen und Ängsten verbunden. Im Kern meint Globalisierung die Intensivierung transnationaler, aber auch interdependenter Beziehungen in unterschiedlichen Bereichen (Ökonomie, Politik, Kultur, Kommunikation, Ökologie u.a.). In zunehmendem Maße wird für uns wichtig, was in anderen Teilen unseres Globus geschieht.

Neu an dieser Globalisierung sind vor allem das Ausmaß und die rasante Zunahme dieses globalen Beziehungsgeflechts, insbesondere durch

  • Wachsende Konkurrenz auf globalen Märkten, nicht nur fürKonsumgüter, sondern auch für Dienstleistungen, für das Bankenwesen, für Versicherungen, Transport etc.
  • Wachsende globale und deregulierte Finanzmärkte. Auslandsinvestitionen, Schuldverschreibungen oder Devisengeschäfte orientieren sich weltweit an Renditeerwartungen, nicht aber an nationalen Grenzen.
  • Wachsende Bedeutung transnationaler Unternehmen als global Players, während der Gestaltungsrahmen der Nationalstaaten enger wird.
  • Wachsende ‚Grenzüberschreitungen’ durch Migration und Verlagerung von Arbeitsplätzen, aber auch durch Ferntourismus und durch weltweite Kommunikation via Internet oder Email“ (23).

In Lateinamerika überwiegt im Vergleich zu der Diskussion in Europa die Sorge um die eigene Identität und das eigene Selbstwertgefühl. Man sieht sich überrollt von den der Globalisierung innewohnenden Mechanismen der Werbung (Verführung), des Konsums, der audiovisuellen Macht der Medien - eines „american way of life“, der von den Protagonisten und Profiteuren dieses Weges als der allein selig machende Weg in die Köpfe und Seelen der Menschen eingehämmert wird. Gerade arm gehaltene und sonst jeder alternativen Illusion beraubte Menschen sind für solche Botschaften empfänglich (24). Dies ist auch deshalb zu betonen, weil die Armen nicht automatisch, weil sie z.B. als Arme die Auserwählten Gottes sind, immer in der Lage sind, das Wort Gottes von ihrer Befreiung zu hören. Viel nahe liegender für sie ist es oft, den augenblicklichen Verheißungen von Glück mittels mehr Konsums etc. Glauben zu schenken, als den mühsamen „Weg durch die Wüste“ zu gehen. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle.

Bei Volksgruppen, denen über Jahrhunderte das Menschsein de facto abgesprochen wurde, ist die Verheißung, durch den Gebrauch bestimmter Güter und Werte Mensch zu werden, d.h. zu der großen Familie der Erfolgreichen zu gehören, sehr attraktiv. Diese „Menschwerdung“ geschieht z.B. durch das gemeinsame Sehen weltweit ausgestrahlter Telenovelas, dem Konsum weltweiter Markenartikel etc. (so erscheint Publik-Forum Nr. 25 vom 25. 10. 2002 mit dem Titelbild und der Titelgeschichte: „Weltreligion Coca-Cola“) (25)

Selbstverständlich steht diese Menschwerdung in einem unvereinbaren Gegensatz zu der christlichen Botschaft von der Menschwerdung. Die Menschwerdung Gottes, wie sie bei den Campesinos verstanden und gelebt wird, wird daher in dieser Arbeit einen breiten Raum  einnehmen. Zu beachten ist der Begriff der „Kommunion“ (vgl. das Zitat von Hopenhayn): Die herrschende Globalisierung als weltweit dominante Religion und deren Grundsakramente werden verglichen mit dem Grundsakrament der Kirche als weltweite Gemeinschaft; dadurch wird die Alternative deutlich.

Der folgende Text von Jesus Flores de la Loma aus Bambamarca bringt den Gegensatz zwischen einer Globalisierung der Märkte und der Sehnsucht nach Gerechtigkeit auf den Punkt.  „Sie erzählen uns, dass es in den Zeiten der Globalisierung mehr Freiheit und vieles mehr gibt. Ja, gewiss, denn jeder kann sein Geld verschwenden wie und wo er will ... vorausgesetzt er hat genug davon, und wenn nicht, so ist das sein Pech, er hat selbst Schuld. Und währenddessen gibt es täglich immer weniger Kinder, die sich in Freiheit ein Leben aussuchen können, das zumindest die fundamentalsten Bedürfnisse befriedigt.

Die Globalisierung wird als die neue, absolute Religion verkauft und statt der Zehn Gebote herrschen die Gebote des nackten Egoismus, das Recht des Stärkeren und des permanenten Kampfes des Einen gegen den Anderen. Sie erzählen uns von einer ständig besseren Kommunikation und Verständigung untereinander, und dass Jeder, der kein Handy hat, nicht auf der Höhe der Zeit ist, während man gleichzeitig von seinem Nachbarn nebenan immer weniger weiß. Es herrscht eine weltweite ‚Kommunion’, die in der Präsentation künstlicher und Gewalt verherrlichender Vergnügungen besteht, in der Präsentation nackter Ärsche auf so vielen Titelseiten und darin, überall und zu jeder Zeit Hamburger verschlingen zu können, hergestellt auf der Basis von vergiftetem Fleisch.

Und all das geschieht, um die Menschen immer mehr zu verblöden und zu vergiften. Und als Krönung allen Übels gibt es noch kirchliche Prälaten, die sich berufsmäßig über die moralische Dekadenz beklagen, während sie gleichzeitig nicht schnell genug zu den Banketten und Festmählern eilen können, zu denen sie von den ‚Herren der Unmoral’ und den Autoren dieser Globalisierung eingeladen werden.

Wir haben als Christen die Pflicht, der Welt eine Alternative zu präsentieren: die Alternative einer anderen ‚Kommunion’ - in dem wir das tägliche Brot mit den Opfern teilen, denn sie sind die Ersten, die von Gott zu seinem Festmahl eingeladen sind, in dem ihr Hunger nach Brot und nach Gerechtigkeit gestillt wird. Man teilt das tägliche Brot dann, wenn man für eine Welt kämpft, in der jede Schwester das Notwendige hat, damit sie in Würde und in Gemeinschaft mit dem Nächsten leben kann... Wir jedoch, wir sind die Kirche Jesu Christi, weil wir das Brot und das Wort Gottes untereinander teilen; wir versammeln uns und feiern die Gegenwart des Herrn, seiner Leiden, seines Todes und seiner Auferstehung in unserer Mitte“ (26).


Anmerkungen

(1) Leónidas Proaño, Bischof von Riobamba, Ekuador: Palabra viva 1; Quito: Cultura indígena, 1989, S. 5.

(2) Zitiert nach Päschke, Bernd: Befreiung von unten lernen. Zentralamerikanische Herausforderung theologischer Praxis. Münster : edition liberación, 1985, S. 48.

(3) Rahner, Karl: Theologie. In: Herders Theologisches Taschenlexikon, Band 7; Freiburg i. Br.: Herder, 1973.

(4) Zum Bedeutungsverlust der akademischen Theologie in Deutschland aufgrund ihres mangelnden oder fehlenden Praxis- und Gemeindebezugs, vor allem der (strukturellen?) Unfähigkeit, sich existentiell auf die „Menschen am Rand“ einlassen zu können, gibt es inzwischen viele Beiträge, so schreibt z.B. Sofia Karwarth (die hier im Rahmen der Feministischer Theologie von Befreiungstheologie spricht und dies gilt aus meiner Sicht für jede Theologie), dass ein Ortswechsel von der Universität zu den Armen, wo das Gedachte auch gleichzeitig gelebt wird, die deutsche Theologie von ihrer Kraftlosigkeit befreien könnte. „Ohne Kontakt zu diesen Frauengruppen“ - sich beziehend auf Ausländerinnen, Asylantinnen, Sozialhilfeempfängerinnen, allein erziehenden Müttern, strafentlassenen Frauen - „verliert die feministische Theologie als Befreiungstheologie jeden Boden... Ein befreiungstheologischer Ansatz ... kann sich nur durchhalten, wenn ein existentieller Bezug gegeben ist. Nur dann werden die Themen dieser Theologie drängend, gehen unter die Haut und fordern nach Lösungen“. Ihre These „Feministische Theologie muss sich immer ausrichten an den Frauen, die ausgebeutet werden“. Karwarth, Sofia: Frauen und Theologie - eine Befreiung menschlichen Lebens. In: Arntz, Norbert u.a. (Hrsg.): Werkstatt „Reich Gottes“ - Befreiungstheologische Impulse in der Praxis. Frankfurt: IKO, 2002, S. 266.

(5) Gutiérrez, Gustavo: Gott oder das Gold - Der befreiende Weg des Bartolomé de las Casas. Freiburg i. Br. : Herder, 1990, S. 17. Ich mache mir für diese Arbeit die Methode (den Standpunkt) von Las Casas zu eigen und sehe dies in Übereinstimmung der Begriffsbestimmung von Theologie wie sie Karl Rahner definiert.

(6) Gutiérrez, Gustavo: Theologie von der Rückseite der Geschichte her. In: Die historische Macht der Armen, München/Mainz: Kaiser - Grünewald, 1984, S. 164.

(7) Diese Methode wurde bereits 1924 vom Gründer der christlichen Arbeiterjugend, Joseph Cardijn, erstmals entwickelt. Es ging darum, die Situation der Arbeiter zu „sehen“ und eine entsprechende Pastoral zu entwickeln. Warum sich die Bischöfe und Theologen von Medellín sich veranlasst sahen, auf eine - wie man meinte - in Europa entwickelte Methode zurückzugreifen, mag verschiedene Gründe haben. Es wäre nahe liegend gewesen, sowohl auf die Erfahrungen indianischer Völker in Amerika als auch auf die Bibel zurückzugreifen. Alle Kulturen gehen zuerst von den konkreten Erfahrungen des Alltags und deren Deutung aus, ebenso Jesus vor allem in seinen Gleichnissen. Dass die Methode von Cardijn so neu erschien, ist ein Hinweis auf die damalige Entfremdung der Kirche von der Realität. Umso verdienstvoller ist selbstverständlich deren Wiederentdeckung.

(8) Es ließen sich viele Beispiele für diese neue Blindheit und deren konkrete Auswirkungen in Cajamarca aufzeigen. So sagt (will heißen: ordnet an) der aktuelle Bischof: alle getauften Christen müssen jeden Sonntag die Hl. Messe besuchen! Wer dies nicht tut, begeht eine Todsünde. Gleichzeitig verbietet er alle Gottesdienste der bisherigen Katecheten auf dem Land; viele Campesinos leben weit abgelegen von der nächsten Pfarrkirche und nur eine Minderheit von Priestern geht noch aufs Land.

(12) Folgenden einleitenden Text von Gutiérrez möchte ich für mich selbst und meine Arbeit in Anspruch nehmen: „Die vorliegende Arbeit versucht, eine Reflexion zu entwerfen, die zugleich vom Evangelium und von den Erfahrungen der Männer und Frauen ausgeht, die sich in diesem von Unterdrückung und Beraubung beherrschten lateinamerikanischen Kontinent dem Prozess der Befreiung verpflichtet haben. Es handelt sich um eine theologische Reflexion, die aus der Erfahrung entsteht, denn sie teilt das Bemühen, die gegenwärtige, von Ungerechtigkeit gekennzeichnete Lage zu beseitigen und eine andere, freiere und menschlichere Gesellschaft zu schaffen“. Gutiérrez, Theologie der Befreiung, S. 2. Gutiérrez sehe ich als einen der wenigen Theologen, der diese Erfahrungen unmittelbar geteilt hat und daher auch von unmittelbaren Erfahrungen ausgehen kann. Im Unterschied zu Gutiérrez ist meine Absicht aber nicht, eine neue theologische Reflexion zu entwerfen. Dies würde a) meine Möglichkeiten übersteigen und ist b) auch nicht notwendig.

(9) Gustavo Gutiérrez zitiert als Vorwort zu seiner Theologie der Befreiung den peruanischen Dichter José María Arguedas, der in seinem Roman „Todas las sangres“ fragen lässt: „Kann Gott denn in der Brust derer sein, die den Körper des unschuldigen Handwerksmeisters Bellido zerrissen? Kann Gott wirklich im Körper der Ingenieure wohnen, die Esmeralda umbringen. Im Körper des Herrn der Obrigkeit, der den Eigentümern ihr Maisfeld nahm, wo bei jeder Ernte die Jungfrau mit ihrem Kindchen spielte“? Gutiérrez, Gustavo: Theologie der Befreiung. München: Christian Kaiser, 1973, S. 1.

(10) Umgekehrt kann das Sehen auch eine Option auslösen. Es soll offen bleiben, was zuerst da ist: die Option oder das Sehen der Realität, das dann zu einer Option führt. Es handelt sich eher um einen dialektischen Prozess der Erkenntnis, in dem sich beide Pole gegenseitig bedingen und aufeinander verweisen und weniger um eine monokausale Begründung. Unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Situationen lernen aus unterschiedlichen Gründen sehen - oder auch nicht.

(11) Viele Theologen der Befreiung bezeichnen heute die allgemein anerkannte Anwendung der Methode des Sehen - Urteilen - Handeln als wichtigsten Beitrag der Theologie der Befreiung. So zuletzt Leonardo Boff, in Bezug auf diese Methode: „Einer der grundlegendsten und dauerhaftesten Beiträge der Theologie der Befreiung liegt in ihrer Methode“ (Vorwort in: Weber, Burkhard: Ijob in Lateinamerika. Mainz: Matthias Grünewald, 1999, S. I). Theologen - und auch z.B. einige Bischöfe in Medellín - mögen zu dieser Bewertung kommen, weil sie selbst ursprünglich in einem Umfeld (Seminar, vorkonziliare Theologie etc.) aufgewachsen und ausgebildet worden sind, in der der Blick auf die sie umgebende Realität zumindest sehr eingeschränkt, wenn nicht völlig verstellt oder ausgeblendet war. Sie haben danach einen Prozess erlebt, ihnen „gingen die Augen auf“, sie haben „sehen und hören“ gelernt. Und nun übertragen sie ihre neue Erkenntnis und ihr neues Sehen auf andere Menschen. Das Entdecken dieser Methode ist ein Hinweis darauf, wie in der europäischen Theologie und Priesterausbildung etwas ausgeblendet worden war, was in anderen Kulturen und Traditionen für selbstverständlich galt und gilt. Die u.a. von Boff gemachte Aussage (die nicht von G. Gutiérrez geteilt wird) bedeutet letztlich eine „Verniedlichung“ der Theologie der Befreiung bzw. die Reduzierung auf eine Methode. Im Übrigen widerspricht sie dem von Boff selbst vertretenen Anspruch der Theologie der Befreiung als eine Theologie, die sowohl von den biblischen als auch aktuellen Erfahrungen der Ärmsten ausgeht und von daher auf authentische Weise in einen Dialog mit der Welt eintreten kann. Sie ist die Auslegung des II. Vatikanums aus der Sicht der Armen.

(11 a) Vgl. die Rezeption und Auseinandersetzung um Vamos Caminando in Kapitel V. Die Gegner der Theologie der Befreiung machten Dammert zum Vorwurf, der Theologie der Befreiung in seiner Diözese alle Türen geöffnet zu haben. Cajamarca galt „als ein Nest der Theologie der Befreiung“ (vgl. Miguel Garnett: „Das Seminar San José, Cajamarca“, im Sammelband „Die globale Verantwortung“, S. 90). Die Schließung des Priesterseminars und die schnelle Annahme des Rücktrittsgesuchs von Dammert sind auf solche Einschätzungen zurückzuführen.

(12) Folgenden einleitenden Text von Gutiérrez möchte ich für mich selbst und meine Arbeit in Anspruch nehmen: „Die vorliegende Arbeit versucht, eine Reflexion zu entwerfen, die zugleich vom Evangelium und von den Erfahrungen der Männer und Frauen ausgeht, die sich in diesem von Unterdrückung und Beraubung beherrschten lateinamerikanischen Kontinent dem Prozess der Befreiung verpflichtet haben. Es handelt sich um eine theologische Reflexion, die aus der Erfahrung entsteht, denn sie teilt das Bemühen, die gegenwärtige, von Ungerechtigkeit gekennzeichnete Lage zu beseitigen und eine andere, freiere und menschlichere Gesellschaft zu schaffen“. Gutiérrez, Theologie der Befreiung, S. 2. Gutiérrez sehe ich als einen der wenigen Theologen, der diese Erfahrungen unmittelbar geteilt hat und daher auch von unmittelbaren Erfahrungen ausgehen kann. Im Unterschied zu Gutiérrez ist meine Absicht aber nicht, eine neue theologische Reflexion zu entwerfen. Dies würde a) meine Möglichkeiten übersteigen und ist b) auch nicht notwendig.

(13) „Vom Mut, eine Theologie der Befreiung zu leben“, Sendebeitrag von Radio Bremen, Interview mit Rosemarie Bollinger, vom 23. 3. 1985. (Dok. 8, I).

(14) Ebd. Vgl. Knecht, Willi: „Die Wehklagen derer, die leiden, lassen mich nicht ruhen“. In: Meier, Johannes (Hrsg.): „Die Armen zuerst!“ - Zwölf Lebensbilder lateinamerikanischer Bischöfe. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1999.

(15) Die Geschichte der Partnerschaft St. Georg, Ulm mit San Pedro, Cajamarca ist im Sammelband zur Studie veröffentlicht (S. 143-158). Siehe auch: www.cajamarca.de; dort ist auch die zitierte Predigt veröffentlicht.

(16) Zur Problematik der Partnerschaften, siehe Beiträge im Sammelband, speziell: „Anspruch und Wirklichkeit“.

(17) Gutiérrez, Gustavo: Aus der eigenen Quelle trinken. Spiritualität der Befreiung. München/Mainz, 1986, S. 115: „Damit die Liebe zu den Armen echt und konkret werden kann, muss der, der sie praktiziert, bis zu einem gewissen Grad in ihrer Welt zu Hause sein und mit denen, die bedürftig sind und Ungerechtigkeiten erleiden, freundschaftlich verbunden sein. Solidarisch ist man in der Regel nicht mit ‚den Armen’ schlechthin, sondern mit Menschen von Fleisch und Blut“.

(18)  Die Auswertung der Befragungen ist neben der erwähnten Webadresse www.cajamarca.de auch auszugsweise im erwähnten Sammelband zu finden (im Artikel „Anspruch und Wirklichkeit“).

(19) Leonardo Herrera: „Wach auf, Campesino!“ Im Sammelband zur Studie, Seite 84.

(20) Bischof Dammert war als Präsident der peruanischen Bischofskonferenz zum 91. Deutschen Katholikentag in Karlsruhe eingeladen worden. Seine Vorträge wurden mit dem (geliehenen) Titel: „Das Reich Gottes ist nicht gleichgültig gegenüber Welthandelsbedingungen“ zusammengefasst und von den Veranstaltern des Katholikentags veröffentlicht. In einem Vorwort zu den offiziell verteilten Texten Dammerts schreiben sie: „Die nachfolgend dokumentierten Ansprachen machen deutlich, was es heißt, die Option für die Armen zu leben und aus dieser Perspektive Befreiung aus ungerechten Strukturen einzuklagen. Bischof Dammert fordert von uns als Christen, als Kirche und als Gesellschaft einen entscheidenden Beitrag, damit wir ‚ehrlich, ohne rot zu werden, von der Einen Welt’ reden können“. (Dok. 10, I).

(21) Nicht aufzuzählen ist die Anzahl der in den letzten fünf Jahren erschienenen Bücher und Artikel. Es gibt heute nahezu kein Phänomen, das nicht irgendwie mit der Globalisierung in Zusammenhang gebracht werden kann.

(22) Die Definition der UNO ist zitiert nach: Int. Politik und Gesellschaft (www.fes.de) - Friedrich-Ebert-Stiftung, im Web am 11. 12. 2002

(23) VENRO (Hrsg.): Globalisierung ohne Armut - Handreichung für den Unterricht. Erarbeitet vom Welthaus Bielefeld, Bonn, 1999. Misereor ist in VENRO eine der Feder führenden Nichtregierungsorganisationen. Auch VENRO setzt den Beginn der Globalisierung auf den Beginn der Neuzeit („Es begann mit Kolumbus“). Eine häufig zitierte Aussage zur Globalisierung stammt von Beck, Ulrich: Was ist Globalisierung? Frankfurt 1997: „Globalität bezeichnet die Tatsache, dass von nun an nichts, was sich auf unserem Planeten abspielt, nur ein örtlich begrenzter Vorgang ist, sondern dass alle Erfindungen, Siege und Katastrophen die ganze Welt betreffen und wir unser Leben und Handeln, unsere Organisationen und Institutionen entlang der Achse ‘lokalglobal’ reorientieren und reorganisieren müssen“. Dieser Text erscheint mir zu vage und damit nichtssagend. Politik, Wirtschaft und deren Konsequenzen können so nicht hinreichend gesehen werden (vgl. auch das Zitat - aus dem Jahre 1979 ! - von Ricardo Antoncich).

(24) Auf diesen Punkt wird im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder hingewiesen. Er ist zu beachten, wenn es um den „Glauben und die Kultur der Menschen von Cajamarca“ und um die Evangelisierung in Cajamarca geht.

(25) Im November 1998 fand in Lima ein Seminar zu dem Thema „Kultur und Globalisierung” statt, veranstaltet u.a. von der Kath. Universität Lima. In den veröffentlichten ausgewählten Beiträgen geht es um die skizzierte Thematik, so z.B. in Hopenhayn, Martín: Das globale Dorf zwischen transkultureller Utopie und wirtschaftlicher Rationalität - Paradoxien einer kulturellen Globalisierung. In: Degregori, Carlos und Portocarrero, Gustavo (Hrsg.): Cultura y globalización. Lima: PUC, 1999, S. 21,: „Die Globalisierung erzeugt den sonderbaren Effekt einer kollektiven Identifizierung in unseren Gesellschaften und bei der Jugend - nicht durch ‚Dekaloge’ oder göttliche Gebote, sondern durch eine Ästhetik des Zappings oder des Shoppings, in der junge Reiche und junge Arme das ‚heilige Mahl’ empfangen, eine „Kultur der Software’ und der Diskurse ad hoc...

In Brasilien zeichnet sich ein neues Paradigma ab: Das Land mit der schlimmsten Ungleichheit der Einkommen in Lateinamerika besitzt eine der weltweit größten Medienkonzerne (O Globo) und eine solche Dichte von Fernsehgeräten, die es ermöglicht, dass Reiche und Arme für eine Stunde am Tag gemeinsam die ‚Kommunion’ empfangen, indem sie die selben Teledramen konsumieren“.

(26) Jesús Flores de la Loma, in: “Die globale Verantwortung”, Seite 36; (siehe auch in: www.cajamarca.de).