Mikrokreditprogramme – ein Instrument der Partnerschaftsarbeit für Verbände und Gemeinden?

Nachdem die „aktion hoffnung“ sich entschieden hat, verstärkt im Bildungsbereich aktiv zu werden um damit die weltkirchliche Arbeit der Verbände, Gemeinden und der Diözese zu unterstützen bzw. zu ergänzen, fand am Freitag, 14. Oktober 2011, die 1. Fachtagung der „aktion hoffnung“ statt.

Eingeladen waren als Zielgruppen die Facharbeitskreise der katholischen Verbände, Ortsgruppen der katholischen Verbände, Ausschüsse MEF der Kirchengemeinden und entwicklungspolitisch und am Thema Interessierte. Es waren 62 Teilnehmer erschienen. Die beiden Referenten waren Abbé Ambroise Tine, Generalsekretär von Caritas Senegal und Präsident des Mikrofinanzinstituts Caurie und Dr. Birgit Galemann, Beraterin für Finanzsystementwicklung in den Entwicklungsländern. Da Missio zum diesjährigen Monat der Weltmission Abbé Ambroise Tine eingeladen hatte und dessen Thema „Mikrokredite“ im Mittelpunkt stand, lag es auf der Hand, dieses Thema zu wählen.

Mikrokreditprogramme sind ein Instrument der Entwicklungspolitik, das spätestens seit 2006 deutlich an Popularität gewonnen hat. Damals gewannen Muhammad Yunus und seine Grameen Bank den Friedensnobelpreis für ihre Bemühungen um die „wirtschaftliche und soziale Entwicklung von unten“. Dabei ist die Idee der Mikrokredite schon vor 150 Jahren mit dem Genossenschaftsmodell (Raiffeisen)

entwickelt worden. Doch zuletzt geriet diese Idee in die Schlagzeilen (Kredithaie, Überschuldung, mehr Armut?). Angesichts dieser Diskussionen wurde die Frage diskutiert, welche Chancen und Risiken Mikrokredite in der Entwicklungszusammenarbeit mit sich bringen. Vor allem stand die Frage im Mittelpunkt, ob derartige Programme ein Instrument der Partnerschaftsarbeit für Verbände und Kirchengemeinden sein könnten.

Im 1. Teil konnte Abbé Ambroise Tine zeigen, dass Mikrokredite eine Chance für benachteiligte Menschen sind, um ihre Erwerbsmöglichkeiten zu verbessern. Seine Vision: Dienstleistungen anbieten auf der Basis der Kath. Soziallehre, dazu gehört eine vorrangige Option für die Armen und Befreiung von Elend und Abhängigkeit. Konkret zeigt sich dies darin, dass Arme nun Zugang zu Krediten haben, die sie sonst nie erhalten könnten. Dies ermöglicht Frauen (Mikrokreditprogramme im Senegal gibt es nur für Frauen, insgesamt sind 41.000 Frauen „Kunden“ des Mikrofinanzinstituts Caurie) eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit, dies wiederum führt zu neuem Selbstbewusstsein. Bemerkenswert ist, dass 97% der Frauen Muslima sind und die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche an der Basis reibungslos verläuft. Der Abbé deutet einen anderen Konflikt nur an: „Besonders die Ärmsten, also die Frauen sind unsere Partner. Das führt zu Schwierigkeiten mit der Bischofskonferenz, weil die Männer nicht dabei sind. Aber es ist schwer mit den Männern zu arbeiten, weil sie nicht zuverlässig sind“.

Im 2. Teil sprach Dr. Birgit Galemann über „Die Idee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen – Grundlage für nachhaltige Mikrofinanzsysteme“. Sie zeigte auf, dass es Raiffeisen aus christlicher Verantwortung heraus darum ging, angesichts eines damals „wilden Kapitalismus“ den Menschen zu helfen, die den „freien Kräften des Marktes“ (wie am heute sagen würde) völlig wehrlos ausgeliefert waren. Er gründete zuerst einen „Brodverein“, dann einen „Hülfsverein“, einen Wohltätigkeitsverein und zuletzt einen Darlehensverein. Diese Projekte, die auf den drei Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstorganisation beruhten, setzten sich durch und wurden bald weltweit zu einem Modell christlich motivierter Solidarität.

In Arbeitskreisen und nachfolgenden Diskussionen waren sich die Beteiligten weitgehend einig, dass Mikrokreditprogramme ein geeignetes Instrument sein können, den Ärmsten Auswege aus ihrer Abhängigkeit und Perspektiven für eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Voraussetzung für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit unsererseits ist, uns selbst gut zu informieren, die jeweiligen Kontexte und Bedürfnisse unserer Partner verstehen zu wollen, auf sie zu hören (Dialog auf Augenhöhe) und bereit zu sein, sich auf einen wechselseitigen Lernprozess einzulassen. Der „aktion hoffnung“ wurde bescheinigt, mit dieser Veranstaltung einen guten ersten Schritt gemacht zu haben.

Dr. Willi Knecht (Beitrag in drs.global/newsletter)

Vorsitzender der „aktion hoffnung“ (bis 2015), seit 2013 im Vorstand von oikocredit