Gott und Gold – Wie viel ist genug?
Eine Bildbetrachtung zum Hungertuch 2015/16 von Misereor
In der Geschichte Gottes mit den Menschen geht es immer zuerst darum, an welchen Gott sie glauben: An den Gott des Lebens oder an die Götter des Todes. Von der Exodus-Geschichte – der Tanz um das Goldene Kalb - über die biblischen Propheten bis zu Paulus wird berichtet, dass die Menschen immer wieder der Versuchung erliegen, sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse zum absoluter Maßstab zu machen, mehr haben und mehr sein zu wollen als der andere. Dies ist in der Sprache der Bibel die „Ursünde“. Der Bruch mit Gott, mit den Mitmenschen und der Schöpfung führt ins Verderben. Das Gold steht symbolisch für diese Versuchung. Gott und Gold – Gott oder Gold?
Gold übt immer eine große Faszination aus. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen gilt Gold als sichere und stabile Wertanlage und das, obwohl auch der Goldpreis an der Börse Spekulationen und Schwankungen unterworfen ist. „Gott und Gold – Wie viel ist genug?“ lautet der Titel des MISEREOR-Hungertuchs 2015/16. Ich möchte fragen: „Gott oder Gold?“ Auch die Bibel kennt Gold als göttliches Metall. Es wird beim Bau des Tempels verwendet (1 Kön 21–22) und die Weisen aus dem Morgenland schenken es Jesus als Zeichen seiner Göttlichkeit (Mt 2,11). Es kann aber auch das Gegenteil bedeuten: Das „Goldene Kalb“ (Ex 32,1–35) gilt als Prototyp des Götzendienstes und „Gold und Silber“ sollen die Boten des Reiches Gottes nicht besitzen (Mt 10,9). Auch Papst Franziskus benutzt für unser Wirtschaftssystem das Bild vom Goldenen Kalb (EG Nr. 55). Das Hungertuch lädt ein, die vielen Facetten des Goldes zu betrachten. Entsprechend vielgestaltig sind auch die Zugänge.
Gemalt hat das Hungertuch der chinesische Künstler Dao Zi. Es hat die Überschrift „Gott und Gold - Wie viel ist genug?“ Grau und Schwarz ist der Hintergrund des Bildes. Davor in leuchtendem Gold ein großer Stein, der fast die ganze Höhe des Hungertuches ausfüllt. Sieben kleine goldene Brocken können wir noch entdecken, sechs links von dem großen Stein, der siebente rechts ist fast mit dem goldenen Zentrum verbunden.
Der Künstler: „Das Bild ist ganz einfach aufgebaut. Ich habe nur drei Farben benutzt: Gold, schwarz und grau. Das gesamte Bild wirkt wie ein Kreuz und in der Mitte des Bildes ist ein großer Goldklumpen, ein Stein, der vom Himmel herabstürzt, aber noch nicht auf der Erde gelandet ist. Unten am Bild gibt es sieben kleine Goldkörner. Sieben als biblische Zahl bedeutet Erfüllung. Das heißt, was Gott uns Menschen auf Erden gegeben hat, ist genug. Es reicht für alle Menschen“.
Die Welt ist nicht so, wie sie sein könnte. Dieser „Glanz Gottes“ bricht ein wie ein Meteorit und wird zu einem Appell, zu einer Herausforderung, diese Welt im Sinne Gottes zu verändern. Das Bild lädt ein, darüber ins Gespräch zu kommen, sei es über das eigene Leben, sei es über die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in unserer Umgebung oder in der Welt. Wie ticken wir? Wie tickt die Welt? Wie tickt Gott? Der Künstler nennt sein Bild ein „Offenbarungsbild“. Wenn die Menschen sich darauf einlassen, es meditieren, sei es allein oder in Gemeinschaft, führt es zur Frage: Wo ist eigentlich mein Schatz?
Schon immer hat Gold uns Menschen fasziniert. Gold – das steht für Besitz, für Reichtum, für Macht. Dafür tun viele Menschen alles. Dafür haben Menschen auch schon getötet. Gold – das steht aber auch für Schönheit, für Glanz, für Ewigkeit. Gold behält seine Schönheit und seinen Wert. Gold – das steht auch für Licht, für Reinheit, für das Heilige. Goldene Tempeldächer, goldene Priestergewänder, goldene Schalen, goldene Kelche – nur Gold scheint gut genug zu sein, um sich dem Heiligsten zu nähern. Gold – das steht für die Herrlichkeit Gottes. Der Glanz des Goldes spiegelt den Glanz Gottes. Die große goldene Fläche auf dem Hungertuch zieht die Blicke an. Was sehe ich? Welche Bedeutung hat das Gold für mich? Will ich Gold besitzen? Werde ich vom Gold besessen? Oder spüre ich durch dieses Gold hindurch den Glanz Gottes? Ist Gott mein Schatz?
Die Bergpredigt ist Jesu Bild von der veränderten, der „neuen Erde“, in der ein gutes Leben für alle gelingen kann. Das Gold (der goldene Stein) symbolisiert Christus: Er ist der Stein des Anstoßes, der zum Eckstein wird. Es ist der Stein, an dem wir uns stoßen, weil er eine Entscheidung fordert. Wem dienst du? Gott oder dem Gold? Kurse fallen, Kurse steigen – ihre Kurse bestimmen die Richtung der Volkswirtschaften. Franziskus wirft unserem Wirtschaftssystem vor, dass es über Leichen geht: „Diese Wirtschaft tötet“! (EG Nr. 53)
Info: Der Text basiert auf Impulsen aus den Materialien von Misereor zum Hungertuch.
Der nachfolgende Artikel befasst sich ausführlicher mit dem Thema „Gott oder das Gold - an wen glaubst du?“
Beide Artikel veröffentlicht in Der geteilte Mantel", 2015, das Magazin der weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttart.