Die Ronda
„Gott hat mir die Ohren lang gezogen und hat mir gesagt: Hör mal, warum sitzt du hier untätig herum und hörst nicht diese arme Frau, wie sie schreit, weil man ihre einzige Kuh, ihr einziges Schaf weg nimmt! Also machte ich mich auf und organisierte mit anderen die Ronda, um die Armen und Schwächsten zu verteidigen. Die Ronda ist ein Geschenk Gottes” (1).
Die befreienden Erfahrungen der Campesinos von Bambamarca fanden in der Ronda ihren sichtbarsten Ausdruck und es ist auch die Ronda, in denen diese Erfahrungen nicht nur weiter leben, sondern immer mehr Verbreitung und Kraft finden. Dies ist heute umso wichtiger, weil die Campesinos von Bambamarca seit 1997 die Pfarrei in ihrer kirchlich-offiziellen Struktur nicht mehr als ihre Heimat erleben und sogar ausgeschlossen wurden. Das Beispiel der Ronda kann als exemplarisch für die globale Situation verstanden werden. Es weist auf die herrschende Situation hin und zeigt, was geschieht, wenn die Menschen vom Rand sich basis-demokratisch organisieren, sich gegen die „Räuber“ verteidigen und ihre Rechte einfordern. Es werden dabei hoffnungsvolle Zeichen und Alternativen sichtbar.
....Nach den Bekenntnissen engagierter Gruppen sowohl in den Elendsvierteln der Stadt als auch auf dem Land, sucht die „Kirche der Autoritäten“ nur ihre eigenen Interessen und die eigenen Bequemlichkeiten. „Sie wollen nichts mehr von uns wissen, sie haben uns vergessen. Und das Traurigste, sie vergessen so ihren Herrn Jesus Christus, der unter den Armen lebt“. „Wir jedoch, wir sind die Kirche Jesu Christi, weil wir das Brot und das Wort Gottes untereinander teilen; wir versammeln uns und feiern die Gegenwart des Herrn, seiner Leiden, seines Todes und seiner Auferstehung in unserer Mitte“. Gegenüber diesen Veränderungen in der kirchlichen Hierarchie: Was tun? Sollen wir uns auseinander dividieren und isolieren lassen? Oder uns damit trösten zu sagen, dass das, was in Cajamarca oder Puno und in vielen anderen Orten der Welt passiert, zwar etwas seltsam ist, aber eben nicht typisch - obwohl in so vielen anderen Orten genau dasselbe passiert, weil es sich um das gleiche System und die gleiche Politik handelt? Oder wenn Jemand seine Arbeit von heute auf morgen verliert (nachdem er sich dreißig Jahre lang im Dienst einer Kirche der Armen aufgeopfert hat und er dann unter den lächerlichen und erfundenen Vorwänden rausgeworfen wird), sollen wir dann nur mit den Schultern zucken und sagen, da kann man doch nichts machen?
Die Kirche Jesu Christi - eine Kirche der Armen (José Espíritu, Maler und Katechet, Bambamarca)
Wir haben alle Argumente auf unserer Seite: die Ergebnisse einer modernen Theologie und Exegese, die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und der lateinamerikanischen Bischofskonferenzen, die Erfahrungen eines befreienden Glaubens....! Und warum fragen wir nicht einfach die Leute, welche Art von Kirche sie wollen und dass sie dann vergleichen: eine Kirche, die sich für ein menschenwürdiges Leben einsetzt, ein Leben in Gemeinschaft, gegenseitigem Respekt usw. - oder eine Kirche im Stil der vergangenen Jahrhunderte und in Heiliger Allianz mit den „Fürsten dieser Welt“.
Sie sagen uns, dass wir die Kirche spalten wollen oder dass wir eine Parallelkirche schaffen wollen. Aber es sind die Mütter in den Elendsvierteln, die ihre Pfarrer und den Bischof bitten, sie sollten sie doch besuchen, sie begleiten und ihnen das Wort Gottes verkünden. Es sind die Campesinos und ihre Katecheten, die die Einheit mit den Priestern wünschen, in dem sie Priester für ihre Gemeinschaften wünschen, Priester, die aufs Land gehen. Niemand jedoch hört diesen Schrei. Und wenn eine Delegation der Mütterklubs zum Bischofshaus geht und beim dritten Versuch erreicht, wenigstens in das erste Vorzimmer einzutreten, wirft man sie dann sofort hinaus und schreit sie an, sie würden mit ihren dreckigen Füßen die Teppiche, die gerade frisch aus Spanien importiert wurden, verschmutzen. Und wenn sie zu ihrer Pfarrkirche gehen, um an der Aussetzung des Allerheiligsten Altarsakramentes teilzunehmen, wirft man sie ebenfalls hinaus und man sagt ihnen, sie sollen nicht die vornehmen Damen mit ihrer Anwesenheit belästigen......
"Die Kirche der Nacht" (José Espíritu, Maler und Katechet, Bambamarca)
Das Volk Gottes geht seinen Weg weiter, aber es fühlt sich von seinen Hirten verlassen. Wenn wir das Volk Gottes auf seinem Weg begleiten wollen, auf der Basis der offiziellen Dokumente der Kirche, der Zeugnisse so vieler Märtyrer und des Zeugnisses der Armen selbst (von der Bibel ganz zu schweigen), wenn die „Kirche der Autoritäten“ jedoch einen anderen Weg sucht, einen Weg mit den anderen „Autoritäten“ und angezogen von den Götzen der Macht und des Geldes - wer verlässt dann wen, wer spaltet und wer bildet eine sektiererische Kirche?
Die Armen laden ihre Hirten an ihren Tisch, sie wollen das Brot mit ihnen teilen und mit allen. Aber es gibt Hirten, die die Bankette der „Herren und Könige dieser Welt“ bevorzugen und die das Brot der Armen verachten. Sie sind es, die sich nicht mit dem Volk Gottes an einen Tisch setzen wollen, sie wollen nicht „kommunizieren“, sondern höchstens unter ihresgleichen. Somit schließen sie die Mehrheit aus, diese wird „exkommuniziert“. Sie respektieren nicht mehr den Glauben und die Kultur des Volkes, treiben einen Handel mit Sakramenten und drohen mit der Hölle, wenn die Leute nicht bei ihnen beichten. Sie sprechen zwar viel von Kommunion, aber sie wollen nicht das tägliche Brot teilen. Wer „exkommuniziert“ hier wen bzw. sich selbst? (hier komplett im span. Original)
Auschnitt aus: Jesus Flores de la Loma, in: Die Globale Verantwortung - Partnerschaften zwischen Pfarreien in Deutschland und Peru”, S.35: “Lasst uns den Weg weitergehen...!” > hier der komplette Aufruf. Im Advent 2016: In weiten Teilen Lateinamerikas herrscht noch die gleiche Situation, nur wenige Bischöfe und "kirchliche Autoritäten" lassen sich von Papst Franziskus bewegen - im Gegenteil! Und was ändert sich bei uns, in der deutschen Kirche? Sie dreht sich nur rascher als zuvor um sich selbst - ein autoreferenzielles Monster, wie selbst der Papst und sogar sein Vorgänger sagen?
Jesus Flores ist ein Pseudonym, so heißt die Hauptfigur von Vamos Caminando (Machen wir uns auf den Weg! Glaube, Gefangenschaft und Befreiung in den peruanischen Anden, Bambamarca). Der Aufruf richtet sich an alle, die am Aufbau einer Kirche mit Poncho und Sombrero“ aktiv beteiligt waren, auch berühmte Theologen, die es aber heute für klug halten, zu schweigen (abgefasst von Willi Knecht, nach intensiven Gesprächen mit den Campesinos und Katecheten von Bambamarca (November 1999 in Bambamarca). Sie wünschten eine Veröffentlichung, auch auf die Gefahr hin, deswegen verfolgt zu werden. Doch Bischof Simón (1993 - 2005 Bischif von Cajamarca, gelang es trotz intensiven Nachforchungen nicht, den Autor zu identifizieren.
Zu "Vamos Caminando" (darin auch die Auseinandersetzung von Josef Ratzinger - 1978 (!) damals Erzbischof von München - mit der Kirche der Armen, einer Kirche der Befreiung:
Zu: El Despertar: "Wacht auf, Campesinos"! - Die Zeitung der Campesinos von Bambamarca (1972 - 1989)
Aufgabe und Praxis der Kirche: Anklage und Verkündigung
Im Folgenden werden die zwei Organe vorgestellt, in denen die Campesinos selbst zu Wort kamen: „El Despertar“ und „Vamos Caminando“ (siehe eigenen Artikel). In der Stimme der Armen und Vergessenen Yahwes, der „Indios in den Anden und aller Indios dieser Welt“, kommt laut biblischer Tradition und im Selbstverständnis der Campesinos Gott selbst zu Wort. Dieses Wort zu hören ist eine zentrale Aufgabe derjenigen christlichen Kirchen, die aufgrund geschichtlicher und wirtschaftlicher Gegebenheiten nicht in dieser biblischen Unmittelbarkeit leben (können) und die aufgrund ihrer eigenen kulturellen Tradition und Herkunft eher dazu neigen, ihre eigenen indigenen europäischen Maßstäbe und Begriffe zu universal gültigen Maßstäben zu erklären. Die authentische Stimme der Campesinos zu hören ist umso wichtiger in Zeiten, in denen wieder, von den reichen Kirchen ausgehend, die Stimme der Campesinos zum Schweigen gebracht werden soll.
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