Bereits seit 1963 zeichneten sich in der Diözese Cajamarca die Umrisse einer befreienden Pastoral ab, die zu einer Kirche der Befreiung führten - eine arme Kirche inmitten der Ausgestoßenen und aller, die unter die Räuber fallen. Eine solche Praxis der Befreiung führte dann u.a. zu den Beschlüssen von Medellín (1968) und dann zu einer neuen Theologie, die erstmals aus der Perspektive der Opfer die biblische Botschaft neu entdeckt und neu deutet. Es ist eine prophetische Kirche, die die herrschenden Missstände anklagt und die eine neue Zeit verkörpert, in der alle Menschen - weil Kinder Gottes mit einer unantastbaren Würde - das haben und sein werden, was sie für ein Leben in Würde und in Fülle brauchen. An dieser Entwicklung in Cajamarca waren auch Deutsche beteiligt. Dies soll hier exemplarisch am Beispiel von Pfr. Alois Eichenlaub aufgezeigt werden.

I. Deutsche pastorale Mitarbeiter in Cajamarca

Cajamarca war die Diözese, in der nach Auffassung peruanischer Kirchenhistoriker (J. Klaiber u.a.) und Theologen, die Beschlüsse und der Geist des II. Vatikanischen Konzils am konsequentesten in die Praxis umgesetzt wurden. Ihre sozialpastorale Arbeit war richtungsweisend für die weitere Entwicklung der peruanischen Kirche und über die Landesgrenzen hinaus. Entscheidend hierfür war Bischof Dammert, von 1962 - 1992 Bischof von Cajamarca. Er war in den sechziger Jahren Vorsitzender der Kommission für die Laien im CELAM und hatte maßgeblichen Anteil an der Vorbereitung und dann den Beschlüssen der II. Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Medellín 1968. Gustavo Gutiérrez betont, dass er seine „Theologie der Befreiung“ (1971) nicht ohne die Erfahrungen einer befreienden Praxis in der Diözese Cajamarca (von 1963 - 1971) hätte schreiben können.

Die Aufbrüche in der Diözese Cajamarca seit 1962 - angestoßen, geleitet und verantwortet von Bischof Dammert in engem Kontakt zu Papst Paul VI. und weiteren Bischöfen wie Helder Camara, Leónidas Proaño u.a. - wären aber kaum in dieser Form möglich gewesen, wenn Bischof Dammert nicht Mitarbeiter gefunden hätte, die von gleichen Geist erfüllt waren wie er selbst. Eine entscheidende Hilfe und Stütze für Dammert war Pfr. Alois Eichenlaub, in Cajamarca seit 1962. Auch deutsche Hilfswerke und deutsche Entwicklungshelferinnen hatten einen großen Anteil an der Entwicklung in Cajamarca seit 1962. In diesem Abschnitt werden die Anfänge und Weichenstellungen in der Diözese Cajamarca beschrieben. Dabei steht - exemplarisch - Alois Eichenlaub im Mittelpunkt.

1. Alois Eichenlaub und sein Weg nach Cajamarca

a)  Vorbereitung auf Peru

Alois Eichenlaub, geb. 1931 in Herxheim (Pfalz) und Weltpriester der Diözese Speyer, wurde 1961 von seiner Diözese ausgesandt und lebt und arbeitet bis heute in der Diözese Cajamarca. Er war einer der ersten deutschen Diözesanpriester, die in etwa zeitgleich mit dem Entstehen von Misereor und Adveniat und im Rahmen der ebenfalls neu übernommenen Patenschaften deutscher Diözesen für einzelne „Missionsländer“ als Priester in ein solches „Missionsland“ gehen wollten. Die Idee der deutschen Diözesen war, den Priestermangel in den Missionsländern durch großzügige „Aushilfen“ zu überbrücken, als Zeichen der Solidarität mit den jungen Kirchen. 1959 war Misereor gegründet worden, 1962 Adveniat.

In der damaligen Zeit war in den Ländern des christlichen Abendlandes noch die Auffassung verbreitet, dass die Entsendung von Missionaren die dringlichste Aufgabe sei, um den Kir-chen in den armen Ländern zu helfen. Der Priestermangel in den armen Ländern war das entscheidende Motiv für die Entsendung von europäischen Missionaren (1). Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass über entwicklungspolitische Zusammenhänge (z.B. Fragen nach den Ursachen der Armut) selten oder nur vereinzelt nachgedacht wurde. So stellen es heute zumindest die ersten ausgesandten Priester im Rückblick fest, eine entsprechende entwicklungspolitische Diskussion hatte noch nicht stattgefunden. Andererseits war es in der Zeit vor dem Konzil selbstverständliche Meinung, dass die unterentwickelten und zum großen Teil noch heidnischen Länder darauf angewiesen waren, vom christlichen Abendland her bekehrt und missioniert zu werden, obwohl es in den „Missionsländern“, mehr als in den „entwickelten“ Ländern, zunehmend Überlegungen gab, neue Wege zu beschreiten, da die bisherige Praxis ja gerade zu der Situation geführt hat, die nun als Mangel empfunden wurde. Dabei wurde selbstverständlich ausschließlich an Priester oder Ordensleute gedacht, wenn es darum ging, das Evangelium in aller Welt zu verkünden.

Alois Eichenlaub ging es von Anfang an nicht zuerst darum, als europäischer Priester in Peru den Priestermangel zu lindern. Es ging ihm nicht darum, die Zahl der Priester in Lateinamerika zu erhöhen, sondern vielmehr ging es ihm um eine neue Orientierung der gesamten Pastoral und der Seelsorge aufgrund der dortigen Gegebenheiten. Nur solche Leute sollten in die Mission gehen - so seine Auffassung - die mit den Menschen vor Ort die Probleme erkennen, analysieren und bereit sind, neue Wege zu gehen. Von Löwen aus, wo er sich auf seine Aufgabe in Peru vorbereitete, schrieb er am 19.11.1961 an Mitbrüder und Kurskollegen: „In den letzten Jahren wuchs der Kontinent Amerika um 45 Millionen Menschen. Trotz größter Anstrengung ist im gleichen Zeitraum die Zahl der Priester nicht gewachsen. Was tun? Nur eine Neuorientierung vom Zentrum her, von unseren Prinzipien her, kann helfen: die verantwortliche Mitarbeit von Laien, nicht nur in der katholischen Aktion, sondern direkt in und mit priesterlichen Aufgaben wie Taufe, Beerdigung, Unterricht, Kommunionausteilung, Liturgie außer der Hl. Messe - vielleicht sogar Beichte im Sinne der Urkirche - kann zu einer Erneuerung führen. Das sind Fragen ans kommende Konzil“ (2). 

Mit dieser Einstellung war Alois Eichenlaub seiner Zeit weit voraus. Er kam zu dieser Auffassung - ohne vorher in Lateinamerika gewesen zu sein - weil er sich zuerst von der Bibel und der Praxis der ersten Christen leiten ließ und weniger von den Traditionen der vergangenen Jahrhunderte. Schon während seiner Studienzeit und im Priesterseminar war es sein Traum, zuerst das Evangelium zu verkünden. Alles andere war im Vergleich dazu sekundär. Allerdings konnte er damals noch nicht ergründen, warum es so wenige Priester und noch weniger pastoral ausgebildete Laien in den „Missionsländern“ gab.

38 Jahre später, im Mai 1999 berichtet Alois Eichenlaub von dem Treffen der Fidei - Donum - Priester in Ekuador, in dem die Mehrzahl der deutschen Priester den großen Priestermangel in Lateinamerika beklagt und einige, darunter Prälat Spelthahn von Adveniat, die Lösung des Problems darin sehen, verstärkt deutsche Priester für eine Arbeit in Lateinamerika zu gewinnen. „Spelthahn von Adveniat insistierte auf der Notwendigkeit Propaganda zu machen für Nachfolger für uns in Lateinamerika. Mit anderen Worten: es sollte alles geschehen, damit die klerikale Kirche nicht ausstirbt. Auch einige der Kollegen drängten auf dasselbe“.

Besonders wertvoll war für ihn die Vorbereitung in Löwen, insbesondere weil er hier in intensiven Kontakt mit reformwilligen Priestern aus aller Welt kam. In Löwen wurde auch seine Auffassung bestärkt, dass es nicht Aufgabe des Priesters sei - und zudem noch als „Einzelkämpfer“ - zuerst die Sakramente zu verwalten, sondern dass Teams von Priestern und Laien sich in sozialen Brennpunkten niederlassen sollten, gut darauf vorbereitet durch Kurse in Soziologie und Pädagogik, um inmitten der Armen die Worte und Taten Jesu zu verkünden. Ohne dies wissen zu können, traf er damit genau das Anliegen seines späteren Bischofs José Dammert, der übrigens ebenfalls Abbé Houtart, den Leiter von Lumen Vitae in Löwen, sehr gut kannte und schätzte. Er bereitete sich länger vor, als ursprünglich vorgesehen.

Seit März 1961 in Löwen, spricht er bereits im Juni 1961 von einer „qualitativen Veränderung im Bewusstsein“, will heißen, dass er durch den Kontakt mit der Weltkirche in Löwen seine zukünftige Aufgabe in Peru immer klarer sieht (3). Der Leiter von Löwen, Abbé Houtart, bestärkt ihn darin, noch ein Jahr in Lumen vitae anzuhängen. Außerdem beginnt er Quechua zu lernen. Über seine Vorbereitung in Lumen vitae schreibt er: „Wir sind ein Kreis von etwa 100 Personen. Das Gute daran ist, dass in jeder Hinsicht Weltkirche beisammen ist - aus verschidensten Ländern, verschiedensten Ordensgemeinschaften, sogar beiderlei Geschlechts und auch mit Laien. Es wird von Jesuiten geleitet und nennt sich Lumen vitae. In unserer Vorbereitung geht es darum, wie man Laien zur Mitarbeit gewinnen und ihnen Verantwortung übertragen kann. Nicht der Priester soll alles machen, z.B. Religionsunterricht, Ehevorbereitung etc. Der Priester hat danach die Aufgabe, die verantwortlichen Laien zu begleiten“.

Alois Eichenlaub sollte wie zwischen den Bischöfen von Speyer und Abancay (Peru) bereits vereinbart, schon im Sommer 1961 ausreisen. Eine längere Vorbereitung war nicht vorgesehen, außer einem kurzen Sprachkurs. Sowohl sein Bischof in Speyer als auch der Bischof von Abancay (s.u.) wurden bereits ungeduldig. Die Diözese Speyer sah sich gar veranlasst, das Gehalt von Alois Eichenlaub einzubehalten, weil die Vorbereitung schließlich nur „ein Privatvergnügen“ sei, wie ihm der Bischof von Speyer schrieb. Doch Alois Eichenlaub verteidigt seine Vorbereitung und riskiert viel (den Vorwurf des „Ungehorsam“ und den Verlust der Finanzierung).

Für ihn wird es immer unverständlicher, wie man bisher Priester in die armen Länder schicken konnte, die oft noch nicht einmal die Sprache der Armen (z.B. Quetschua) sprechen konnten. Er schreibt nach Speyer: „Wir haben hier den Grundsatz, es komme nicht so sehr darauf an, dass alle getauft werden oder dass alle in die Hl. Messe kommen - wenn sie bisher schon Jahrzehnte ohne Priester auskommen mussten, so kommt es auf ein paar weitere Jahre nicht an. Es kommt auf eine  Neuorientierung an. Das neue Programm  lateinamerikanischer Bischöfe, wie auch aus den USA lautet: Trotz eigener Priesternot wird ein größerer Teil des jüngeren Klerus fort geschickt (Löwen, Brüssel, Rom) zur Spezialisierung. Zurückgekehrt werden sie dann in Teamarbeit, jeder in seiner Spezialität, die brennendsten Probleme anpacken“.

Diese Auseinandersetzung mit seinem Bischof ist ein Hinweis darauf, dass in der Priesterausbildung in Deutschland bis dahin kein großer Wert darauf gelegt wurde, die zukünftigen Priester auf soziale, pädagogische und gesellschaftspolitische Herausforderungen vorzubereiten. Wenn man (als Priester) der Auffassung ist, dass ein Priester „über allem steht“, dass es nicht seine Aufgabe ist, auch die Probleme der Menschen in ihrem gesellschaftlichen Kontext zu verstehen und diesen gar zu verändern helfen, sondern die Menschen vorrangig auf das Ewige Leben vorzubereiten, dann ist es in der Tat nicht wichtig, ob ein Priester z.B. in Speyer, Polen oder in den Anden Perus wirkt, es gelten immer und überall die gleichen von der Kirche festgelegten Regeln, um Gnade vor Gott zu  finden. Denn die von Priestern gespendeten Sakramente wirken immer, überall und automatisch. Alois Eichenlaub war nicht dieser Meinung, er musste sich aber mit dieser damals noch allgemein verbreiteten Auffassung auseinander setzen und darunter leiden.

b) Nach Abancay oder Cajamarca? - Die Rolle von Bischof Mendoza

Bischof Mendoza stammt aus Abancay. Er wurde schon 1958 mit 30 Jahren zum Bischof geweiht und war noch auf der ersten Konzilsperiode 1962 mit 34 Jahren der jüngste Bischof der Weltkirche. Sein Bistum wurde erst kurz vorher von der Erzdiözese Cusco abgetrennt. Der junge Bischof sprach auf seinen wiederholten Besuchen in Deutschland immer wieder von der Notwendigkeit von Reformen in der Kirche. Er schilderte sehr anschaulich die pastorale Situation in seiner Diözese, den Mangel an Priestern und die damit verbundene mangelnde pastorale Betreuung der Menschen. Mit dem jüngsten Bischof der Weltkirche wollte Misereor ab 1961 ein Pilotprojekt starten, das als Vorbild für ganz Peru gedacht war. Man glaubte in Bischof Mendoza den geeigneten Bischof dafür gefunden zu haben, jung und dynamisch, voller neuer Ideen und offen für die Anliegen des beginnenden Konzils. Die Diözese Speyer wollte das Patronat über die Diözese Abancay übernehmen, weil in Abancay bereits schon vorher Ordensschwestern aus Speyer (St. Ursula) waren. Von daher bot sich die Diözese Abancay als logischer Einsatzort für Alois Eichenlaub an.

Bereits im März 1961 beginnt ein intensiver Briefkontakt zwischen Bischof Mendoza und Alois Eichenlaub. Am 8. März beglückwünscht Bischof Mendoza Alois Eichenlaub zu dem Entschluss, nach der Vorbereitung in Löwen sofort nach Abancay auszureisen. Er äußert auch sein Befremden, dass die Diözese Speyer nicht die Bezahlung für die Vorbereitungszeit übernehmen will, da doch Speyer das Patronat für die Diözese Abancay übernommen hat. Bischof Mendoza versprach sich sehr viel von dem Patronat. Alois sagte später, dass er Bischof Mendoza die Ausreise nach Peru verdankte, weil dieser sich für ihn eingesetzt hatte und weil der Kontakt zwischen Speyer, Abancay und Misereor dank des dynamischen Bischofs für die Zukunft viele Möglichkeiten eröffnete. Alois glaubte, seine Überzeugungen in Abancay unter Bischof Mendoza optimal in die Praxis umsetzen zu können. Die guten Eindrücke wurden auch bestätigt, als Alois schließlich im Juli 1962 zum ersten Mal in Peru ankam und Bischof Mendoza persönlich kennen lernte. Dieser war zwar nicht wie versprochen nach Lima gekommen, um ihn dort abzuholen, aber er hinterließ in Lima ein Flugticket nach Cusco. Von dort fuhr Alois mit dem Bus nach Abancay weiter, wo ihn Bischof Mendoza erwartete. „Exz. Mendoza machte sich sogar die Mühe und holte mich ab“.

Erst einmal in Abancay, verschafft sich Alois Eichenlaub rasch ein Bild über die soziale und pastorale Lage in Abancay, die er in dieser Härte nicht erwartet hatte. Bischof Mendoza hatte nie über das konkrete Elend geschrieben, sondern immer nur von seinen pastoralen Plänen und Reformen. In einem ersten Bericht schreibt Alois am 7.9.1962 aus Abancay: „In der ganzen Diözese gibt es nur 19 Priester, davon 12 Amerikaner aus Boston; 29 Pfarreien sind ohne Priester und sind zum Missionsgebiet erklärt, d.h. sie werden einmal im Jahr, mehrere Gebiete nur alle fünf Jahre von irgendeinem Pfarrer besucht. Nahezu das gesamte Land gehört Großgrundbesitzern, die Durchschnittsgröße der Hazienden liegt bei 5.000 ha., die ‚Quetschua - Indianer‘ arbeiten auf deren Gütern und kennen kein Geld (‚Entlohnung‘ in Naturalien). 1962 sterben 70% aller Neugeborenen, es gibt keine Milch! Etwa ein Drittel der Bevölkerung wandert in ihrer Not ab nach Lima, in die Elendsviertel, in denen dann noch die moralische Not dazukommt, die Entwurzelung“ (4).

Alois Eichenlaub sieht in dieser Situation eine dramatische Herausforderung und Verpflichtung der Kirche. Bemerkenswert ist, dass er schon nach sechs Wochen eine genauere Beschreibung und Analyse der wirklichen Lage in der Diözese geben konnte, als sowohl der Bischof als auch die deutschen Schwestern dies jemals konnten oder wollten (5). Auch Misereor war diese Situation nicht bekannt, da Misereor auf die Informationen des Bischofs angewiesen war bzw. diese Informationen die Grundlage der anvisierten Zusammenarbeit bildeten. Als Priester und als Mensch war Alois Eichenlaub zutiefst davon überzeugt, inmitten des vorgefundenen Elends die Botschaft von der Würde aller Menschen als Kinder Gottes verkünden zu müssen bzw. zu dürfen. Doch der Bischof wollte ihm offensichtlich Ämter und Aufgaben übertragen, die ihn genau vor dieser Wirklichkeit „schützen“ sollten.

Der Bischof bot ihm an, als Kaplan des wichtigsten Schwesternkonvents der Stadt täglich drei Messen zu lesen und sonst praktisch als Sekretär des Bischofs arbeiten zu dürfen - aus der Sicht des Bischofs eine besondere Auszeichnung für den Ankömmling. Für Bischof Mendoza war es unvorstellbar, dass ein Europäer (der sich sonst in Europa ein „schönes Leben“ hätte machen können) unbedingt mit „Indios“ arbeiten wollte, die seit Jahrhunderten keine Rolle gespielt hatten und von denen laut Bischof Mendoza auch nichts zu erwarten war und es sich ja immer wieder herausgestellt hätte, dass die Indios die christliche Predigt doch nie verstehen würden.

Für die „Indianermission“ waren die Ordensgemeinschaften zuständig, nicht aber Weltpriester. Erst recht war es für den Bischof nicht vorstellbar, mit den Indios zusammen beispielhafte Entwicklungsprojekte in Zusammenarbeit mit Misereor zu beginnen. Er verstand vielmehr unter  entwicklungspolitischer Zusammenarbeit, die Infrastruktur seiner Diözese (z.B. bessere Pfarrhäuser etc.) auf den neuesten Stand zu bringen und im sozialen Bereich die Initiativen einer dynamischen Mittelschicht in Zusammenarbeit mit der regionalen Oberschicht (Großgrundbesitzer) zu fördern (6).

Um so enttäuschter war der Bischof, dass Alois dieses großzügig gemeinte Angebot abgelehnt hatte. Alois Eichenlaub kündigte in diesem 1. Rundschreiben an, dass er die nächsten Monate in den Elendsvierteln von Lima arbeiten würde, weil der Bischof nach Rom reisen musste und er selbst in Abwesenheit des Bischofs nicht beginnen wollte, neue Wege zu beschreiten und Veränderungen anzustoßen. Mit seinem Bischof fuhr er zurück nach Lima. Während der Bischof nach Rom weiter flog, um bei der Eröffnung des Konzils teilzunehmen, blieb Alois Eichenlaub in der Pfarrei „Jesus Obrero“, in einem der Elendsviertel der Stadt. Dort wollte er während der Abwesenheit des Bischofs die soziale und religiöse Problematik Perus besser kennen lernen.

Er begann sein Quetschua zu verbessern und sprach mit den wenigen und neu gelernten Worten die Menschen nach dem Gottesdienst direkt an. Von den belgischen Priestern der Pfarrei erfuhr er dann, dass deren Haushälterin sich bisher stets ihrer Herkunft und Sprache geschämt hatte und nie Quetschua sprechen wollte. Als sie nun aber sah, dass ein ausländischer Priester sich so sehr um diese Sprache bemühte, begann auch sie, mit den Menschen aus den Anden Quetschua zu sprechen und war schließlich gar stolz darauf, mehr als eine Sprache sprechen zu können. Sie hatte buchstäblich ihre Sprache wieder gefunden.

Für Alois Eichenlaub war dies eines von mehreren Schlüsselerlebnissen. Er knüpfte Kontakte zu verschiedenen Institutionen der Kirche und des Staates, um zu erfahren, ob diese eventuell bei einer sozio-religiösen Erschließung der Diözese Abancay mithelfen könnten. Er glaubte noch an eine mögliche Arbeit in Abancay, er hielt sie angesichts der Situation dort sogar für dringlicher als zuvor angenommen. Doch es waren ihm erste Zweifel bezüglich der Haltung des Bischofs gekommen. Dieser sprach zwar, wie schon erwähnt, immer wieder von Reformen und einem Aufbruch in der Kirche, er sprach aber nicht von der Not der Menschen, er schien diese noch nicht einmal wahrzunehmen.

Auf keinen Fall wollte er als „Sekretär des Bischofs“ sich hauptsächlich in dessen Residenz aufhalten und sich auch sonst nur innerhalb der etablierten Kreise  der  Stadt bewegen. Stattdessen hatte Alois  Eichenlaub zufällig in Lima Bischof Dammert kennen gelernt, bevor dieser ebenfalls nach Rom abgeflogen war. In Bischof Dammert fand er einen aufmerksamen Zuhörer seiner Ideen und Vorstellungen und umgekehrt war Bischof Dammert von Alois Eichenlaub und dessen Elan und Vorstellungen einer erneuerten Kirche beeindruckt. Bischof Mendoza hatte, wie sich später herausstellte, auch seine ersten Zweifel bekommen, denn er konnte nicht verstehen, dass ein Priester seiner Diözese die ihm angebotenen Privilegien ausschlagen wollte.

Ende November 1962 hat dann Alois Eichenlaub über einen Freund in Lima erfahren, dass Dammert und Mendoza sich auf dem Konzil geeinigt hatten, dass „Alois für einige Monate nach Cajamarca gehen sollte, denn Dammert wollte dort etwas ganz neues anfangen“. Bischof Mendoza bot Bischof Dammert an, Alois Eichenlaub für den Neubeginn in Cajamarca auszuleihen. Alois sollte ab und zu in Cajamarca aushelfen, um dort die jungen Priester zu orientieren. Sogar an einen regelmäßigen Priesteraustausch mit Abancay wurde gedacht (Gedanken- und Erfahrungsaustausch). Alois Eichenlaub wurde von dieser Nachricht völlig überrascht, denn er hatte weder Bischof Mendoza noch Bischof Dammert gegenüber den Wunsch geäußert, Abancay zu verlassen und nach Cajamarca zu gehen. In der Zwischenzeit hatte Bischof Mendoza von Rom die Eltern von Alois Eichenlaub in Deutschland besucht und bei dem Besuch in der Diözese Speyer auch die immer noch ausstehende Bezahlung geregelt.

Alois Eichenlaub machte sich nun mit dem Gedanken vertraut, vielleicht doch erst einmal das „Angebot“, nach Cajamarca zu gehen, anzunehmen. Die Arbeit mit Bischof Dammert stellte er sich leichter vor, denn inzwischen hatte er in Lima auch vieles über Bischof Dammert gehört und war zunehmend von ihm begeistert. Vor allem aber war in Cajamarca wohl die Art der Arbeit möglich, von der er zutiefst überzeugt war: Eine Arbeit im Team und inmitten sozialer Brennpunkte, also dort, wo die religiöse und soziale Not am größten ist. Diese Arbeit schien in Abancay zwar dringend notwendig, aber nicht möglich zu sein.

Auch die anderen Priester der Diözese schienen ihn nicht verstanden zu haben. Er schreibt Bischof Mendoza, dass er bereit sei, die Arbeit in Cajamarca wenigstens erst einmal kennen lernen zu wollen. Nachdem Alois Eichenlaub es abgelehnt hatte, als Sekretär des Bischofs zu arbeiten, konnte ihm der Bischof von Abancay auch den Wunsch, im Team mit zumindest einem anderen Priester zu arbeiten, nicht erfüllen, denn diese bildeten „je eine Welt für sich“, lebten nach Nationen getrennt zusammen, gingen nicht aufs Land (zu den „Indios“) und lebten von den Sakramenten. Als letztes Zugeständnis wollte ihm Bischof Mendoza eine Pfarrei in der Stadt übertragen. Bedingung von Alois  Eichenlaub war es aber, nicht allein zu  arbeiten, doch Mendoza hat keinen anderen Priester, den er abstellen konnte und wollte.

Für Alois Eichenlaub widersprach diese Praxis - ihm als Neuankömmling allein eine Pfarrei zu übertragen, von der sozialen Komponente abgesehen - allem, was ihm in Löwen von erfahrenen Theologen und Praktikern gelehrt wurde. In einem Brief aus Rom an Alois Eichenlaub (8. Februar 1963) schreibt darauf Bischof Mendoza, dass er den Wunsch von Alois respektiere, mit dem jungen Klerus in Cajamarca etwas Neues beginnen zu wollen. „Der Kirche Gottes könne man überall dienen“. Alois Eichenlaub sollte seinen Bischof von Speyer über die bevorstehenden Pläne informieren, nicht mehr in Abancay arbeiten zu wollen. Alois Eichenlaub glaubte an ein Missverständnis, denn nicht er war es, der sich einen anderen Einsatzort gewünscht hatte.

In einem Brief im Mai 1963, Alois Eichenlaub ist inzwischen in Cajamarca, schreibt ihm Bischof Mendoza, dass er es bedauere, dass Alois Eichenlaub nicht in Abancay bleiben wollte. Auch in einem Brief an Speyer deutet Bischof Mendoza an, dass Alois  Eichenlaub aus eigenem Willen Abancay verlassen hat und wie sehr er dies bedauere und er fährt fort, dass er ihn  „nach Cajamarca gehen lassen musste, weil ich in meiner Diözese keinen Priester habe, der die gleichen Ideale und Arbeitsmethoden wie Padre Alois hat. Selbst mit einer Taschenlampe auf Suche, würde ich keinen Priester finden, der mit Padre Alois arbeiten könnte, zumal Padre Alois es abgelehnt hat, mit den US-Priestern zu arbeiten“. Speyer reagiert entsprechend und stellt wiederum die gerade aufgenommene Bezahlung von Alois Eichenlaub ein.

Die Position der Diözese Speyer: Wenn Alois Eichenlaub nicht gemäß der Vereinbarung nach Abancay geht, fallen die Vertragsgrundlagen weg, die ausschließlich für Abancay gelten. Alois war sehr perplex, da Mendoza ausdrücklich die Arbeit in Cajamarca genehmigt hatte bzw. sie sogar ohne Rücksprache mit ihm vorgeschlagen hatte. Er gehorchte aber seinem Bischof in Speyer, denn dieser hatte ihm Bischof Mendoza anvertraut und dieser an Dammert weitergereicht und er legt sein weiteres Schicksal in die Hände der beteiligten Bischöfe. Aus einem Brief im Juni 1963 an den Bischof von Speyer: „Es wäre für die Kirche am besten, wenn ich nun in Cajamarca bliebe, ich bin zum Gehorsam bereit. Vielleicht können sich die drei Bischöfe zu Beginn der Konzilsperiode einigen. Im Gehorsam zu Ihrer völligen Verfügung, es küsst Ihren pastoralen Ring...“

Die drei Bischöfe einigten sich tatsächlich: Alois Eichenlaub sollte endgültig in Cajamarca bleiben, denn Bischof Mendoza hatte nicht mehr wirklich die Absicht, auf der Mitarbeit von Alois Eichenlaub zu bestehen. Wie er in einem Brief an den Bischof von Speyer schreibt, verzichtete er jetzt „schweren Herzens auf Alois Eichenlaub zu Gunsten von Cajamarca“. Aus der Sicht Dammerts stellte sich die Situation so dar: Weil er seinen Bruder im Bischofsamt genauer kannte und dieser ihm auch angeboten hatte, Alois „auszuleihen“, er zudem Alois Eichenlaub inzwischen noch mehr schätzen gelernt hatte, war er sofort einverstanden und darüber erfreut, Alois Eichenlaub in seine Diözese aufnehmen zu dürfen. Aus der Sicht von Bischof  Mendoza (d.h. wie er wollte, dass man es sehe): Alois Eichenlaub wollte unbedingt aus Abancay weg, er akzeptierte kein Angebot und stellte zusätzlich unerfüllbare Bedingungen. Bischof Mendoza schreibt auch nach Speyer (u.a.), dass Alois es war, der nicht nach Abancay wollte.

Aus der Sicht des Bischofs von Speyer stellt sich die Situation folgendermaßen dar (auch weil Dammert den Bischof von Speyer nicht über die wahren Sachverhalte  informiert hatte, um nicht seinen peruanischen Mitbischof bloßzustellen): Alois Eichenlaub ist vertragsbrüchig geworden, er gefährdete dadurch sogar die anvisierte Zusammenarbeit mit der Diözese Abancay und die Pläne von Misereor, Abancay zu einem Modellprojekt auszubauen. Laut Verfügung der Diözese Speyer war er ungehorsam gegenüber seinem Bischof (von Speyer und Abancay) und hat daher keinen Anspruch auf Bezahlung. Aus der Sicht von Alois Eichenlaub: Er fühlte sich hinter seinem Rücken von Bischof Mendoza getäuscht und abgeschoben, als dieser merkte, was Alois wirklich in Abancay machen wollte. Er war aber letztlich froh, mit Bischof Dammert zusammen das aufbauen zu können, was er sich erträumt hatte. Die ausgesetzte Bezahlung kümmerte ihn nicht.

Auch Misereor hatte sich inzwischen eingeschaltet, weil es nicht nur um Alois Eichenlaub ging (dieser hatte ja vordergründig nichts mit Misereor zu tun), sondern weil im „Gefolge“ eines deutschen Priesters Misereor in der Diözese Abancay mehrere Projekte starten wollte und eine erste deutsche Entwicklungshelferin, Elsbeth Neumann, bereits nach Abancay ausgereist war, weitere wurden gerade vorbereitet. Im Gegensatz zum Bischof von Speyer bestand Misereor auf einer offenen Antwort von beiden Bischöfen, Dammert und Mendoza. Während Mendoza in wenigen Worten noch einmal die gleichen Argumente nach Aachen schrieb (7)  (Alois Eichenlaub will nicht nach Abancay etc.) antwortete Dammert ausführlich, allerdings in einem eigens als sehr vertraulich bezeichneten Brief. Darin schrieb er (Brief an Frl. Jörrissen, 18.4.1963, u.a. über die Einstellung von Mendoza - in leicht ironischer Form):

„Wenn Hilfe aus dem Ausland kommt, dann hat sich diese Hilfe den Gegebenheiten und der Linie der Diözese anzupassen und dürfe nicht, wie Frl. Neumann meint, alles umkrempeln wollen. Mendoza erträgt es, wenn spanische Priester auf ihre Art dominieren, denn ohne sie gäbe es kaum eine religiöse Erziehung, er erträgt es auch, wenn nordamerikanische Priester alles Unmögliche machen, aber sie bringen wenigstens viel Geld - aber dass eine Frau, Laie und ohne finanziellen Rückhalt einer Institution, hier alles verändern will, das geht nicht. Erst recht nicht, wenn sie die indianische Bevölkerung gegen alle Gewohnheit zu mehr Mitsprache erziehen und mit ihnen arbeiten will. Das Bequemste ist es daher, das Fräulein einem seltenen Vogel wie dem Bischof von Cajamarca  anzubieten. Die Bedingung und  Erwartung  von Mendoza für die Mitarbeit der Deutschen (Alois und E. Neumann) war, dass sie in der traditionellen Linie (Verwaltung der Sakramente, Almosen verteilen, Kranke pflegen etc.) arbeiten, aber nicht, dass sie die Probleme von Grund auf angehen. Die Andenbevölkerung ist laut Mendoza nicht fähig, etwas Neues zu akzeptieren, denn sie wollen immer nur das Gewohnte und Almosen! Deshalb ist er auch froh, dass Padre Alois nach Cajamarca geht, weil er nur die gewohnte Seelsorge stören würde. Der Bischof von Speyer kann so etwas nicht verstehen, auch Misereor offensichtlich nicht. So traurig es ist: Mendoza würde Frl. Neumann nur akzeptieren, wenn durch sie und über sie viel Geld nach Abancay käme“ (8).

Dammert sorgt sich im folgenden um die generelle Hilfe für Peru, denn Misereor hat wohl Abancay als Pilotprojekt für Peru vorgesehen, und wenn dieses scheitert, könnte dies das Ende jeder Hilfe für Peru bedeuten. „Es ist internationale Übereinkunft, zuletzt besprochen in Lima, dass die neuen Pläne für das IER, die neue Pastoral etc. nur in den Diözesen gestartet werden sollen, deren Bischöfe dazu bereit sind, neben Cajamarca z.B. Ayaviri mit Bischof Metzinger. Misereor würde es gut anstehen, wenn es sich, bevor es Programme startet, vor Ort über die Gegebenheiten informieren würde, z.B. einen Beauftragten für Peru ernennen, der in Zusammenarbeit mit peruanischen Stellen nach den besten Möglichkeiten der Hilfe sich umsieht“. Dammert erklärt sich bereit, Frl. Neumann aufzunehmen, obwohl es für Abancay das Beste wäre, sie würde dort arbeiten können. Von Alois Eichenlaub selbst sind keine negativen Aussagen über Bischof Mendoza bekannt.

Bereits an dieser Stelle, d.h. schon bevor sich deutsche Hilfswerke in Peru engagiert haben bzw. in der ersten Planungsphase, werden Probleme sichtbar, die auf große Spannungen und auf fundamental andere Sichtweisen hindeuten. Misereor knüpft die materielle und pastorale Hilfe eng an die „einheimischem“ Bischöfe und deren Optionen, ohne zu berücksichtigen, dass diese Optionen - de facto! - möglicherweise in völligem Widerspruch zu den Zielsetzungen z.B. von Misereor stehen. Am Beispiel von Bischof Mendoza bedeutete dies konkret, dass man nahezu blind dessen Worten als Bischof vertraute, ohne sich ernsthaft um dessen pastorale und theologische Prioritäten in der Praxis zu kümmern oder sie überhaupt wahrnehmen zu können oder zu wollen.

Dabei geht es nicht darum, einem Bischof bewusste Täuschung zu unterstellen, sondern der Bischof glaubte fest daran, dass mit dem Beginn des Konzils auch in seiner Diözese „die Fenster aufgemacht und ein neuer Wind den alten Muff vertreiben würde“ (aus einem Brief des Bischofs an Alois Eichenlaub). Die Praxis in seiner Diözese deutet eher darauf hin, dass er das Konzil und das Anliegen von Johannes XXIII. missverstanden hat und er davon ausging, dass das Konzil die Bischöfe ermutigen würde, die kirchliche Autorität und die bisherigen Prioritäten der Kirche (z. B. Vorbereitung der Seelen auf das ewige Leben) in immer unruhiger werdenden Zeiten zu stärken und diese kirchlichen Prinzipien auf zeitgemäße Art zu verkünden und ihnen somit eine neue Geltung zu verschaffen. Misereor aber verstand den Aufbruch der Kirche auf eine Weise, die dem Konzil gemäß war, sah aber völlig davon ab, dass ein solcher Aufbruch nur möglich war mit Menschen, die von einem entsprechenden Geist erfüllt waren und ein Bischof nicht „automatisch“ oder „per se“ ein solcher Mensch sein musste. Auffällig ist auch, dass Dammert schon zu Beginn der Beziehung mit Deutschland darauf hinweisen musste, dass sich jede Hilfe aus dem Ausland zuerst an den Gegebenheiten vor Ort (und dazu zählen auch die zur Verfügung stehenden Personen) auszurichten habe.

Bischof Mendoza war bis 2003 Erzbischof von Cusco. Nach seiner Zeit in Abancay wurde er zuerst Militärbischof und 1982 wurde er als Nachfolger von Luis Vallejos zum Erzbischof von Cusco ernannt. 1986 war er es, der maßgeblich an dem Zustandekommen der Partnerschaft der Erzdiözese Freiburg mit der peruanischen Kirche beteiligt war (9). In einer ersten Bilanz nach einem Jahr der Freiburger Perupartnerschaft stellte Weihbischof German Schmitz (Lima) 1987 in einem Gespräch mit mir fest, dass sich überproportional viele peruanische Opus - Dei - Pfarreien um eine Partnerschaft mit deutschen Gemeinden bemüht hätten, weil sie als erste die Chance einer Partnerschaft im Sinne von Mendoza erkannten (10).

Die Umstände des Abschieds von Alois Eichenlaub aus der Diözese Abancay und seines Abschieds als aktiver Priester aus der Diözese Cajamarca weisen verblüffende Parallelen auf: (11)

  • Bischof Mendoza wollte anfangs Alois Eichenlaub unbedingt für seine Diözese gewinnen, weil er ihn als Vehikel für zukünftige Geldströme in seine Diözese ansah. Er wollte ihn - de facto - als seinen Stellvertreter installieren, weil Caritas, Misereor und Speyer die Diözese Abancay als Pilotprojekt ausbauen wollten. Mendoza lockte Alois Eichenlaub mit zahlreichen Versprechen und vor allem damit, ihm freie Hand für einen radikalen Neubeginn in der Diözese Abancay zu lassen. Der Bischof verstand sich als Reformer, zumindest gab er sich gegenüber den deutschen Stellen als ein solcher zu erkennen. Doch der Bischof verstand überhaupt nicht, um was es Alois Eichenlaub ging - so zumindest empfand es Alois Eichenlaub.
  • Vor allem hatte der Bischof - so wiederum Alois Eichenlaub - keinen Blick für die sozialen Probleme und war zuerst an der Stärkung einer sich klerikal verstehenden Kirche interessiert. Eine Beschäftigung mit der konkreten Not der Menschen (wirtschaftlich, sozial etc.), besonders der Indios, wurde nicht als Aufgabe der Kirche gesehen oder gar strikt abgelehnt, weil dies in den Augen des Bischofs eine Vermischung von Religion und Politik gewesen wäre, z.B. eine Stellungnahme zu Gunsten einer Landreform, während gleichzeitig Großgrundbesitzer in ihrem „unveräußerlichen Recht auf Land“ vom Bischof unterstützt wurden (Bemerkenswert  der Vergleich mit Bischof Simón im Bezug auf dessen Haltung zur Goldmine in Cajamarca).
  • Bischof Simón bot nach 1993 Alois Eichenlaub  verschiedene wichtige Aufgaben in der Diözese Cajamarca an, vor allem aber, dass er sich dafür einsetzen werde, dass Speyer ihren Diözesanpriester bis zum Ende des aktiven Priesterdienstes der Diözese Cajamarca ausleihen würde (12). Bischof Simón hatte großes Interesse daran, in Deutschland als ein weltoffener Bischof zu erscheinen, der die Linie Dammerts im Sinne einer Option für die Armen fortführen wollte.
  • Als Bischof Mendoza merkte, dass Alois Eichenlaub unter Reformen  etwas anderes verstand, versuchte er ihn abzuschieben. Er stellte es öffentlich so dar, dass Alois Eichenlaub es war, der untreu wurde und die Diözese (d.h. den Bischof) im Stich ließ, während A. Eichenlaub in Wirklichkeit nur einige Monate Zeit haben wollte, um die Realität Perus kennen zu lernen, um danach um so effektiver in Abancay arbeiten zu können.
  • Auch Bischof Simón, konnte und wollte bald mit Alois Eichenlaub nicht mehr zusammen arbeiten, zu groß waren die unterschiedlichen Vorstellungen von Glaube, Pastoral und Aufgaben und Wesen der Kirche. Vor allem aber konnte Alois Eichenlaub nicht auf die Angebote und Bedingungen des Bischofs eingehen, was der Bischof als Ungehorsam auslegte (Ungehorsam gegenüber dem Bischof und damit gegenüber der Kirche). Vor anderen Priestern sagte aber der Bischof intern, dass Alois Eichenlaub unbedingt die Diözese verlassen müsste, weil er ihm seine Arbeit als Bischof unmöglich machte und diese sogar verunglimpfe (laut verschiedenen Aussagen beteiligter Priester).
  • Mit Alois Eichenlaub sprach er dagegen nie von Angesicht zu Angesicht über diese „Verunglimpfungen“, vielmehr verkündete er öffentlich, dass Alois Eichenlaub freiwillig und zu seinem Bedauern die Diözese verlassen würde. Nachdem Alois Eichenlaub resigniert das Handtuch geworfen hatte, konnte Bischof Simón dann an den Bischof von  Speyer schreiben (am 17. Mai 1995): „Padre Alois hat aus eigenem Willen beschlossen, in seine Heimatdiözese zurückzukehren. Ich akzeptiere diesen Schritt“. Alois Eichenlaub wurde nach einem Aufenthalt in den USA (ein Jahr Seelsorgearbeit mit „Latinos“) am 1.10.1996 aus gesundheitlichen Gründen von seiner Heimatdiözese in den Ruhestand versetzt und erhält seither seine Pension (13).
  • Neben den äußeren Parallelen fallen auch starke Ähnlichkeiten in den inhaltlichen Begründungen der beiden Bischöfe Mendoza und Simón auf (hier nur als Aufzählung, Näheres im Abschlusskapitel): a) die Gemeinsamkeiten im Verständnis dessen, was Pastoral - Kirche (Auftrag, Wesen, Aufgabe) ist und das damit verbundene Verhältnis zu „weltlichen“ (sozialen) Aufgaben und zu Politik (strikte Trennung von Pastoral und Sozial) b) die Rolle ausländischer Priester und Entwicklungshelfer als „Geldbeschaffer“ bei gleichzeitiger Ablehnung einer Einmischung in „innerkirchliche“ Angelegenheiten des jeweiligen Bischofs (weil Bischof gleich Kirche). c) De facto Ausschluss der Armen (besonders der „Indios“), diese seien nur oder bestenfalls fähig, Almosen zu empfangen und unter Partnerschaft würden sie eben dies verstehen.

c) Annäherung an Peru

Wie schon erwähnt, kehrte Alois Eichenlaub zusammen mit Bischof Mendoza im Oktober 1962 nach Lima zurück, um während der Abwesenheit des Bischofs in Rom sich auf seine Arbeit in Abancay vorzubereiten. Er hatte immer noch die feste Absicht, nach Abancay zurückzukehren. Denn in seinem kurzen Aufenthalt in Abancay hatte er gesehen, worin seine Aufgabe (Berufung) bestand und dies hat ihn in seinem Entschluss bestärkt mit den Ärmsten zu arbeiten. In Lima lebte er bei einem belgischen Priester, Victor Marrit, der ihm später nach Cajamarca folgen sollte. In einem Bericht an die Heimatgemeinde Herxheim schildert er seine ersten Erfahrungen in einem Elendsviertel in Lima.

Zu Beginn allerdings schildert er ausführlich seine Reise von Deutschland über Cáracas, Bogotá, Riobamba bis zur Ankunft in Lima. Diese Stationen seines Weges nach Peru werden hier deshalb skizziert, weil sie Elemente und Anregungen enthalten, die für die spätere Arbeit der Diözese Cajamarca von großer Bedeutung werden sollten. In Cáracas wird Alois Eichenlaub erstmals mit den konkreten Problemen Lateinamerikas konfrontiert. „Der ermordete Diktator Jiménez, der zehn Jahre lang regierte, hat mit den Erdölgeldern eine hypermoderne Stadt geplant und zum Teil verwirklicht. Heute werden mit den Erdölgeldern ca. 25% der Bevölkerung als Angestellte des Staates bezahlt, um dadurch die Gefahr des Kommunismus womöglich zu bannen. Die letzten Ereignisse haben gezeigt, wie stark der Kommunismus trotzdem ist. Vor dem Pfarrhaus, in dem ich wohnen durfte, hatte man einige Wochen zuvor regierungsfreundliche Arbeiter erschossen. Einige Tage zuvor sang man bei einem Gottesdienst die Internationale.

Noch stärker beeindruckte mich die uns noch so wenig bekannten Elendsviertel und die Riesenschar von Jugendlichen (52% unter 18 Jahren). Auch Lichtblicke zeigten sich: Die Schulen der belgischen Patres, die es verstehen, mit neuen Methoden die Jugend zu begeistern und ihre großartige Sozialarbeit. Und dann überraschte mich die erstaunliche Aufgeschlossenheit der Katholiken, aus ihrem traditionellen spanischen Katholizismus herauszukommen und aktiv mitzuwirken bei der Liturgie und so auch in der pfarrlichen Arbeit insgesamt. Allerdings hat es viel Mühe der Padres dazu gebraucht“ (14). Hier wird im Ansatz deutlich, um was es Alois und mit ihm den reformorientierten Kräften innerhalb der Kirche ging:

  • tief greifende soziale Reformen, einerseits um dem Kommunismus den Boden unter den Füßen zu entziehen, anderseits weil die Spaltung in der Gesellschaft und die Ausgrenzung der Armen nicht mit dem Glauben zu vereinbaren war;
  • das Interesse an neuen Methoden in der Verkündigung, Ausbildung und Sozialarbeit;
  • die Erneuerung der Liturgie mit aktiver Teilnahme des Volkes und die notwendige Ausbildung und Mitarbeit der Laien als Voraussetzung einer engagierten Kirche, die offen ist für die Nöte und Sorgen der „kleinen Leute“, und die Arbeit in einem Team statt als Einzelkämpfer.

Auf der nächsten Station, in Bogotá, werden diese Eindrücke bestätigt und ergänzt. „Ungelöst ist das Problem der Partisanen, die schon seit 1948 ihr Unwesen treiben und insgesamt schon ca. 300.000 Menschen ermordet haben. Ihre Unterstützung über Kuba durch die Kommunisten ist erwiesen. Auch die Elendsviertel ähneln denen in Cáracas, allerdings mit dem großartigen Hoffnungsblick der ‚Unión Parroquias del Sur‘. 32  Pfarreien in den Elendsvierteln, haben sich seit 1957 zusammengeschlossen, 400.000 Katholiken. Jeder der Pfarrer arbeitet in einer der sechs Kommissionen. Gemeinsam haben sie das religiöse Leben erneuert in diesen Vierteln, vor allem sind sie der großen Not zu Leibe gerückt mit Konsumgenossenschaften, Kredit- und Wohnungsbaugenossenschaften. Gemeinsam konnte viel Not gelindert werden. Dieses Beispiel müsste auch in den Stadtpfarreien Deutschlands Schule machen. Arbeit auf rein pfarrlicher Ebene reicht heute nicht mehr“. Neben einer für ihn vorbildlichen Arbeit im Team und über den Horizont der eigenen Pfarrei hinaus, beeindrucken ihn vor allem die Radioschulen („Radio Sutatenza“) und die damit verbundenen Studienzentren, die er in Bogotá kennenlernt. „Diese Studienzentren erforschen die sozialreligiöse und sozialökonomische Struktur des Kontinents. Dieses Studium ist Voraussetzung dafür, dass aus einem klaren Sehen und Urteilen ein Handeln erfolgen kann. Nicht umsonst wurde Bogotá zum Sitz der ständigen Bischofskonferenz der Bischöfe Lateinamerikas erwählt, CELAM genannt“ (15).

In Riobamba  kommt er dann auch erstmals mit der Welt in Kontakt, die bis zu seiner Pensionierung auch seine Welt werden wird: Die Welt der Campesinos in den Anden. „Den dortigen Bischof Proaño kannte ich und durfte bei ihm zu Gast sein. Er hat mit der Hilfe von Misereor, also mit Eurer Hilfe, Großartiges geleistet: Er verwirklichte ein Fünf-Punkte-Programm um die Indianer, aus denen sein Bistum fast nur besteht, aus ihrer steinzeitlichen Befangenheit herauszuführen. Nur kurz hinweisen kann ich auf die landwirtschaftlichen Genossenschaften auf bistumseigenen Grund. Der notwendigen Bodenreform auf staatlicher Seite wurde damit von kirchlicher Seite ein erster Anstoß gegeben. Die Indianer müssen von ihrer Stellung als Sklaven der Weißen befreit werden und wieder zu Herren ihrer Heimat werden. Nur dadurch können sie aus ihrer menschlichen und auch religiösen Not herauskommen. Noch wichtiger scheinen mir die landwirtschaftlichen Schulen, die sich selbst unterhalten können dadurch, dass sie gleichzeitig ein entsprechend großes Land bebauen. Die jungen Menschen, die hier geformt werden, müssen dann, zurückgekehrt in ihre Elendshütten, zu Kernzellen werden in ihren Heimatdörfern, die mutige Verbesserungen beginnen, Gewerkschaften bilden... Der Kontakt untereinander und die technische Hilfe einer Zentrale macht es diesen ‚Führern‘ möglich, ihr Dorf zu erschließen, sei es durch bessere Bebauung des Landes, sei es durch günstigeren Absatz ihrer Produkte oder durch Bau von Straßen usw..“ (16).

Das liest sich wie ein Programm für das, was in den nächsten Jahren in Cajamarca entstehen sollte: Option für die Campesinos, Aufbau von Genossenschaften, Ausbildung und Heranbildung von Führungspersönlichkeiten usw. Alois Eichenlaub war es aber noch nicht so deutlich, dass diese Punkte, vor allem die Option für die Campesinos, die immer verbunden ist mit der Frage nach gerechten Strukturen, Landbesitz usw., auf erheblichen Widerstand stoßen sollten, sei es in Riobamba, Cajamarca und überall, wo Menschen gewaltsam und strukturell darin gehindert werden, am Tisch des Lebens Platz zu nehmen. Die enge Freundschaft zwischen den Bischöfen Dammert und Proaño und ein reger Erfahrungsaustausch der jeweiligen Mitarbeiter führten zu einer gegenseitigen Bestärkung auf dem gemeinsam eingeschlagenen Weg (17). Auffallend ist, dass in den bisher erwähnten Beispielen ausländische Priester eine entscheidende Rolle spielten - ausgenommen die beiden zuletzt genannten Bischöfe, deren engste Mitarbeiter aber ebenfalls Priester und später Laien aus Europa waren.

Die Ankunft von Alois Eichenlaub in Lima war anders als er sich dies vorgestellt hatte. Als deutscher Diözesanpriester wurde er zuerst bei der deutschen Ordensgemeinschaft Stella Maris (18) untergebracht. Dort hielt er es aber nur für zwei Wochen aus. Neben dem luxuriösem Leben bei den Ordenschwestern war es vor allem die hermetische Abriegelung vor der Wirklichkeit, die Alois Eichenlaub bewog, früher als vorgesehen diese „Anlaufstelle für deutsche „Missionare“ zu verlassen. Man hatte ihn immer eindringlich davor gewarnt, sich allein unter das „gewöhnliche Volk“ zu wagen - nicht nur wegen der (verständlichen) Angst vor Überfällen, sondern weil es unter der Würde eines deutschen Priesters sei, „einfach so“ und zu Fuß sich unter die armen Leute zu begeben.

Alois interpretierte die Haltung der Schwestern derart, dass sich diese vor der Wirklichkeit abschirmten und nicht bereit waren, sich auf die Wirklichkeit einzulassen. Ihre Türen waren in jeder Hinsicht verschlossen. Bestärkt wurde er in seiner Auffassung dadurch, dass die Kontakte der Schwestern nach außen vornehmlich darin bestanden, an prachtvollen Empfängen des Nuntius, des deutschen Botschafters und anderer Würdenträger teilzunehmen. Es geht hier nicht darum, im Nachhinein das Verhalten der deutschen Schwestern zu kritisieren. Vielmehr ist dieses Verhalten der Ausdruck eines damals verbreiteten (nicht ausschließlichen) Missionsverständnisses.

So wurde Alois Eichenlaub bereits bei dem Abschied aus seinem Heimatdorf Herxheim (19) vom Gemeindepfarrer der Auftrag und das Versprechen mitgegeben, eine deutsche Missionsstation  aufzubauen, die dann von der Heimatgemeinde finanziell unterstützt werden würde. Der Gemeindepfarrer, ein herzensguter und frommer Mann, war der Meinung, dass die „Wilden und Heiden“ nur dann gerettet werden könnten, wenn ihnen von europäischen Priestern das Evangelium gebracht wird, vor allem aber, wenn sie abendländische Zivilisation und deutsche Arbeit kennen lernen würden. Unter „Missionsstation“ verstand man eine „europäische Insel“ inmitten von Heiden, die es zu missionieren galt. Dieses Missionsverständnis scheint auch in der Diözesanleitung in Speyer verbreitet gewesen zu sein. So wurden zwei deutsche Missionare aus Speyer, die wenig später nach Afrika (Togo) ausreisten, mit großzügigen Hilfen aus der Heimatkirche unterstützt, weil sie eben diese Art von Missionsstationen aufbauten - von denen heute wenig geblieben ist. Alois Eichenlaub dagegen wurde sein Gehalt nicht ausbezahlt. Speyer warf ihm Vertragsbruch und Untreue vor, weil er nicht bereit war, die ihm zugedachte Rolle als Missionar zu spielen.

In der Pfarrei „Jesus Obrero“ (Jesus der Arbeiter), damals inmitten eines Elendsviertels gelegen, waren es belgische Priester, die im Begriff waren, inmitten des Elends eine lebendige Pfarrei mit den Armen aufzubauen. Hier mitzuarbeiten und mitzuleben war für Alois Eichenlaub der beste Anschauungsunterricht für „Fremde“, die gekommen sind, um etwas zu lernen und hier zeigt sich auch, was eventuell mitgebrachte Konzepte taugen. Alois Eichenlaub erlebt die sogenannten „Invasionen“ der Landlosen, die „mit Schilfmatten bewaffnet und der Fahne Perus in der Hand über Nacht brachliegendes Gelände besetzen“, er erlebt deren Zusammenstöße mit der berittenen Polizei, er geht in „Häuser“, in denen mehrere Familien in einem einzigen Raum zusammengepfercht wohnen, „meist ohne Licht, selbstverständlich ohne Wasser, auf dem Dach Abfall, Wäsche und Fernsehantennen, die von geschäftstüchtigen Unternehmern aufgestellt werden und die für das Zuschauen umgerechnet 10 Pfennig die Stunde kassieren“.

Und er lernt kirchliche Würdenträger kennen, die diese wahren Berichte und Erzählungen aus den Elendsvierteln für teuflische bzw. kommunistische Propaganda halten. Seine Eindrücke aus Lima fasst er so zusammen: „Abbé Pierre, der Lumpensammler von Emmaus, hat letzte Woche Lima einen Besuch abgestattet. In der Pressekonferenz sagte er: ‚Wir gehen einer Katastrophe entgegen, da die kleine Gruppe der wohlhabenden Klasse sich ihrer Verantwortung nicht bewusst ist‘. Ein zweites Beispiel: Gestern erzählte mir eine Frau, sie habe 3½ Jahre bei einer reichen Familie gearbeitet, die Herrin wäre jeden Tag zu Hl. Kommunion gegangen und gehörte mehreren frommen Vereinigungen an. Jetzt hätte sie aber eine schwere Grippe gehabt, über 40 Grad Fieber und konnte zum ersten Mal nicht arbeiten. Wieder gesund, wird sie fortgejagt, es war inzwischen ein andere Hausgehilfin eingestellt worden. So geht es vielen, sie haben keine Rechte, weder Kranken- Unfall- Alters- noch Arbeitslosenversicherung. Rings um unser Pfarrhaus sehe ich die Not der engen unmenschlichen Behausungen alltäglich. Es sieht alles so friedlich aus, was gärt aber unter dieser Decke von Not und Schmutz und Ungerechtigkeit? ... Die Kirche muss Christi Botschaft verkünden, die nicht von Almosen redet, sondern von Gerechtigkeit“ (20).


d) Ankunft in Cajamarca

Im Dezember erreichte Alois Eichenlaub die Nachricht, dass sich die beiden Bischöfe auf dem Konzil geeinigt hatten. Er sollte noch nicht in Abancay beginnen, sondern erst einmal und vorläufig in Cajamarca mitarbeiten. Auf seiner ersten Reise nach Cajamarca machte er auch in Trujillo Station. Er berichtete von vielen Grabplünderungen und dass bis dahin nicht erforschte Ruinen zerstört wurden um neues Ackerland zu gewinnen. „Ein junges Volk schaut nicht zurück in die Geschichte, so werden  viele Zeichen einer großen Vergangenheit verschwinden“. In Casa Grande bei Trujillo, der größten Hazienda im nördlichen Peru, in der damals täglich 10 - 12.000 Sack Zucker produziert wurden, macht er Bekanntschaft mit dem System der Hazienda, den dort herrschenden Arbeitsbedingungen und deren Verflechtung in die internationale Wirtschaft. Diese Hazienda gehörte einer aus Deutschland stammenden Familie (Gildemeister) und produzierte ausschließlich für den Weltmarkt.

Erste Station in der Diözese Cajamarca (als Durchreise) war Cascas. Ein Pfarrer war für ein Gebiet von 40 x 80 km zuständig, vorher war über mehr als 100 Jahre lang die Pfarrstelle nicht besetzt. Innerhalb eines Jahres hatte der dort seit einem Jahr arbeitende Pfarrer bereits sehr viel erreicht. Es gab eine Gruppe junger Katecheten und Katechetinnen, die mit der religiösen Unterweisung der Kinder beauftragt waren. Eine Genossenschaft war gerade gegründet worden: „Bisher verkauften die Kleinbauern dieses Gebietes schon im Winter ihre kommende Ernte einigen gewissenlosen Ausbeutern, um Samen zu kaufen und um existieren zu können. Jetzt blüht eine gute Kreditgenossenschaft, die diesen Ungerechtigkeiten Einhalt gebietet und gleichzeitig das Volk zum Sparen erzieht“.

In Form einer „Minga“ wurde die Kirche renoviert und eine Schule gebaut. Weihnachten 1962 kehrt Alois Eichenlaub nach Cascas zurück, um mit dem dortigen Pfarrer das Weihnachtsfest vorzubereiten und zu feiern. „Das half mir an Weihnachten etwas, die Armut von Bethlehem zu erfahren. Arm nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch religiös, da das Dorf noch nicht an regelmäßige Betreuung gewöhnt ist und so auch kein Verständnis besitzt für die religiösen Feste“. An allen Weihnachtsmessen nahmen etwa 200 Menschen teil, 8 gingen zur Kommunion (die 8 neuen Katecheten). Doch auch dieser junge peruanische Pfarrer war „für eine andere wichtigere diözesane Aufgabe vorgesehen, so dass diese Pfarrei bald wieder verlassen sein wird“. Der junge peruanische Priester war Alfonso Castañeda.

 

2. Pastorale Anfänge in Cajamarca am Beispiel der Arbeit von Alois Eichenlaub (21)

Nach dem Besuch einer Pastoralwoche in Lima und der Vorbereitung einer ersten Pastoralwoche in Cajamarca (22) begann im Februar 1963 die eigentliche Arbeit von Alois Eichenlaub in Cajamarca. Im Anschluss an die erste Pastoralwoche, die als Anstoß und Startpunkt für die sozialpastorale Arbeit in der Diözese Cajamarca gelten kann, wurden verschiedene Kom- missionen gebildet, die die Beschlüsse der Pastoralwoche umsetzen sollten. Alois Eichenlaub war es, der die Arbeit der Kommissionen strukturierte (organisatorisch, methodisch), der in- haltliche Anstöße gab und auf konkrete Ergebnisse drängte - selbstverständlich unterstützt von seinem Bischof. Den ganzen Monat Februar arbeiteten die Kommissionen. In einem längeren Bericht nach Deutschland im Februar 1963 zählt Alois Eichenlaub einige „wichtige Ergebnisse dieser Arbeit im Geist des Konzils“ auf  (in eigener Zusammenfassung):

  • Um das Laienapostolat voranzutreiben, werden für den 1. April zwei IER ihre Toren öffnen, eines für die Ausbildung von Männern, ein anderes für Frauen. Die Institute sind ungemein wichtig. Sie versuchen in viermonatigen Kursen jungen aufgeschlossenen Indios eine vielseitige Ausbildung zu vermitteln, die sie befähigt, in stän- diger Zusammenarbeit mit ausgebildeten Delegierten eine echte Erneuerung der ländlichen Struktur zu erreichen - Hilfe zur Selbsthilfe - im Rahmen einer entwickelten aufgeschlossenen Dorfgemeinschaft.
  • Eine katechetische Kommission hat einen 60-stündigen Ausbildungskurs vorbereitet, der jetzt am 18. März beginnt. Wir versuchen in sämtlichen Landgemeinden mit Hilfe von Katecheten guten Willens, die später sich vielleicht zu voll ausgebildeten Kate- cheten entwickeln, einen geregelten dreijährigen Religionsunterricht durchzusetzen, der bisher aus Mangel an ausgebildeten Laien von den wenigen Priestern (34 Priester insgesamt, davon nur die Hälfte in der Pfarrarbeit) nicht durchgeführt werden konnte. Gleichzeitig werden weitere Kurse vorbereitet für die noch wichtigere Katechese in den Gemeinschaften der Indios mit Hilfe der so genannten „Rosarieros“ oder „Rezanderos“. Wir konnten feststellen, dass sie uralte handgeschriebene Gebetsbücher oder Ritualien besitzen, auf  Spanisch und Quetschua. Wir haben sie  geprüft und wollen daraus neue Gebetsbücher machen. Vielleicht gelingt es uns, diese vom Volk erwählten „Diakone“ auszubilden und sie zu echten, von der Kirche bestellten Dia- konen für ihre Dorfgemeinschaften auszusenden, um die religiöse Unterweisung durchzuführen, um gegenwärtig zu sein bei den Kranken, bei Beerdigungen, für einen sonntäglichen Gottesdienst ohne Priester und vieles andere mehr.
  • Da alle religiöse Erneuerung vom Altar ausgehen muss, haben wir die erste diözesane Gemeinschaftsmesse ausgearbeitet. Es gibt hier keine Diözesangesang- und Gebetbücher. Da sich niemand ein teures Gebetsbuch kaufen könnte, haben wir festen Karton mit Texten bedruckt, klar und übersichtlich, mit all den Angaben einer aktiven Teilnahme. Da aber die meisten nicht lesen und schreiben können, müssen wir auch viele Zeichnungen anfertigen. Ähnliches bereiten wir für die üblichen Sakramente vor.

Noch ein weiterer interessanter Beschluss: Ein großer Teil der Priester der Diözese hat in diesen Tagen gespürt, dass die größte Gefahr für ihre Arbeit und für sie selbst die Einsamkeit ist. Oft Tage weit von einander entfernt, verlieren sie bald alle Begeisterung und beschränken sich wie so viele aufs Geld verdienen, wenn nicht noch auf Schlimmeres. Der Bischof war bereit, einige Pfarreien aufzugeben und sie zu einer größeren Pfarrei zusammenzuschließen mit jetzt einer Equipe von Priestern. In Bambamarca, eine Pfarrei mit bisher einem Pfarrer, der buchstäblich nichts arbeitete, hat eine Gruppe junger Priester unter unglaublichen Bedingungen mit der Arbeit begonnen (23).

Liturgie

Die Liturgie und deren Reform war für Alois Eichenlaub ein zentrales Anliegen: „Der Schlüssel für alle religiöse Erneuerung muss vom Altar ausgehen“. (s.o.). In der erneuerten Liturgie sah er zudem das am besten geeignete „Mittel“, um das Anliegen der Erneuerung insgesamt den Gläubigen zu vermitteln. Ähnlich wie bei der Entdeckung der Bibel als Frohe Botschaft waren es auch in Fragen der Liturgie eher die „nicht-etablierten“ Menschen, die für die Erneuerung der Liturgie sehr aufgeschlossen waren. Die simple Wahrnehmung, dass sich der Priester nicht mehr mit dem Rücken zum Volk steht, sondern sich ihm zuwendet und die Arme ausbreitet, bedeutete für viele Menschen damals, dass ihr Verständnis von Gott und Kirche vom Kopf auf die Füße gestellt wurde. Dies wurde sehr schnell als eine tiefer gehende Botschaft verstanden: die Kirche wendet sich den Menschen zu und spricht nun auch eine Sprache, die verstanden wird (Volkssprache statt Latein).

Selbstverständlich musste diese Botschaft einhergehen mit einer Erneuerung des Gottesbildes vom Evangelium her und umgekehrt, die Verkündigung des Evangeliums als befreiende Botschaft fand ihren Ausdruck in einer neuen Form, diesen Glauben zu feiern. Es handelte sich um einen parallelen Prozess: mit Entdeckung der Bibel wuchs Hand in Hand auch das Verständnis für die Liturgie und umgekehrt. Die Liturgie wurde als Katechese des Glaubens verstanden und nicht als Wert an sich oder als lediglich äußere Form. So wie es aber auch bei der Verkündigung der Bibel erst noch zu Missverständnissen oder gar Ablehnung kam, so auch bei der Liturgiereform.

Für Alois Eichenlaub hatte die Erneuerung der Liturgie einen sehr hohen Stellenwert, doch wurde er darin wenig oder gar nicht von anderen Priestern unterstützt, nur die Priester, die auch den Erneuerungskurs von Bischof Dammert voll und innerlich überzeugt unterstützten, hatten auch ein Gespür für die Liturgiereform, aber selbst diese waren dann nicht die treibenden Kräfte. Die Mehrzahl der Priester in der Diözese lehnte die Reformen innerlich ab, da sie ihrem (oft unbewussten und unreflektierten) Priesterbild zu widersprechen schienen, das darin bestand, exklusiver Mittler zwischen Gott und den Menschen zu sein. Entsprechend diesem vom Konzil überholten Priesterbild war es dann für diese Priester schwer nachzuvollziehen, warum sie nun selbst am Altar - ihr letztes als sicher geglaubtes Refugium - auf ihre exklusive Stellung verzichten sollten (24).

Es kam sicher auch zu Übertreibungen der Reformer (Bischof und Alois Eichenlaub) und der Bischof erließ Dekrete und wies die Pfarrer an, die Bestimmungen des Konzils (Dammert berief sich hierbei immer auf das Konzil) einzuführen. Selbstverständlich ließen sich dadurch nicht sehr viele Priester überzeugen und setzten ihre bisherige Praxis einfach fort (außer lateinischen Messen), zumal der Bischof die Durchführung seiner Dekrete weder kontrollieren konnte noch wollte: „Mit dem Bischof haben wir während der Pastoralwoche eine Messe durchgeführt, moderner als in Deutschland. Die Ka- thedrale haben wir umgestaltet, in der Vierung alles aufgebaut. Der Thron des Bischofs wurde hinter den Altar gestellt, von wo er aus sitzend die Predigt hielt“ (25). Auch die Altarräume in den anderen städtischen Pfarrkirchen wurden umgestaltet, der Altar zum Volk hin ausgerichtet, der Chorraum wurde neu gestaltet, der Ort und die Art der Predigt wurde verändert, u.v.m.

Dammert selbst ließ Alois Eichenlaub freie Hand und kümmerte sich wenig um die praktische Umsetzung von solchen Details, wie er es nannte. Alois Eichenlaub wurde als Liturgieexperte angesehen, allerdings dann auch für alle Veränderungen verantwortlich gemacht (26). Im Nachhinein lässt sich dies als einer unter vielen anderen Gründen dafür erkennen, dass die meisten einheimischen Priester und auch die Vertreter der etablierten Kräfte letztlich die Ausländer für die „Unordnung“ (Abfall vom wahren Glauben etc.) in der Diözese verantwortlich machten. Die Veränderungen kamen zu schnell (auf die Stadt bezogen) und zudem „von außen“ - ohne - im Unterschied zu der Evangelisierung bei den Campesinos - auf eine ausreichend innere Disposition „von innen“ zu treffen.

Für die etablierten Kräfte verstießen die von außen angestoßenen Veränderungen gegen grundlegende Werte der eigenen Tradition, Kultur und Religion - zumindest konnten nun die Ausländer aus dem „protestantischen“ Deutschland als willkommener Vorwand dienen, alle Veränderungen abzulehnen. Vor allem die sozialen Veränderungen  (u.a. Option für die Campesinos) konnten  unter Berufung auf die eigene Identität abgelehnt und die wahren Gründe der Ablehnung (wirtschaft-politisch-soziale Privilegien) verdeckt werden. 1963 konnte man dies in der Umgebung Dammerts nicht absehen, auch wenn Dammert immer gerade einen solchen Prozess der Selbstrechtfertigung befürchtet hatte. Für Bischof Dammert persönlich lag die innere Begründung in der Liturgiereform darin, die spirituellen Quellen des Christentums durch eine verständliche Sprache und Form freilegen zu helfen und er sah sich darin bestärkt durch die Aussagen des Konzils. Es war vor allem das Beispiel persönlicher Armut und Demut in der Nachfolge Jesu, das er in den Mittelpunkt rücken wollte. Und nicht nur der einzelne Christ, sondern die Kirche als Ganzes sollte dieses Beispiel der Armut im Dienst der Armen vorleben und bezeugen. Diese Bescheidenheit musste auch in der Liturgie und im Kult zum Ausdruck gebracht werden.

In zwei Hirtenbriefen 1964 zur Liturgie begründet er sein Verständnis von der Bedeutung einer Liturgiereform und damit sein Verständnis vom christlichen Glauben. Im ersten Hirtenbrief über die Liturgie am 2. Juli 1964 bezieht er sich zu Beginn zuerst auf die pastorale Instruktion von Kardinal Lercaro, dem damaligen Präsidenten der Kommission für die Erneuerung der Liturgie: Als erstes Ergebnis des Konzils kommt die Reform der Liturgie an die Öffentlichkeit. Dies ist kein Zufall, sondern zeigt, dass die Verehrung Gottes an erster Stelle steht. Mit dieser Reform beginnt eine neue Epoche in der Kirchengeschichte. Es endet die posttridentische Epoche (Lercaro).

Und Dammert fährt fort, dass das entscheidende Kriterium in der Reform der Gedanke der Gemeinschaft und der aktiven Teilhabe aller ist. Dies ergibt sich - so Dammert - aus der Verkündigung der Botschaft Jesu selbst. Jesus Christus selbst ist die Mitte und von ihm her konstituiert sich jede christliche Gemeinschaft. Die Eucharistie als Zeichen dieser Gemeinschaft ist die Quelle aller Aktivitäten der Kirche. Um aber dies zu erkennen, muss die Bibel und damit die Verkündigung der Botschaft im Mittelpunkt der Liturgie stehen bzw. die Verkündigung ist die Voraussetzung jeglicher Liturgie. In einem solchen Verständnis von Liturgie finden dann auch die Traditionen, Sitten, Kulturen und Mentalitäten der Völker finden ihren Platz und ihren Ausdruck, der ihnen gemäß ist und ihnen gerecht wird.

In einem zweiten Hirtenbrief vom 10.8.1964 konkretisiert Dammert einige Schwerpunkte: Das Ostergeheimnis wird zum Zentrum der Liturgie. Die Bibel und die Verkündigung des Wortes Gottes sollen von nun an in allen Sakramenten und Glaubensfeiern die zentrale Rolle spielen. Dies sei die Chance und Voraussetzung einer neuen Evangelisierung. Denn durch den Zyklus der biblischen Stellen empfängt der Gläubige im Verlauf der Jahre nahezu die gesamte biblische Botschaft. Die Riten sollen stark vereinfacht und verständlich gemacht werden, ohne dass sie ihre tiefe Bedeutung verlieren. Die „Sprache des Volkes“ sei einer der wichtigsten Punkte in der Reform. Die lebendigen, gesprochenen Sprachen würden die Feier der Liturgie nicht ärmer, sondern reicher machen. Sie erleichterten den Dialog sowohl mit Gott als auch zwischen Priester und Volk.

Der Empfang der Kommunion in zwei Gestalten bei besonderen Anlässen, ermöglicht der christlichen Gemeinschaft eine tiefere Teilhabe an der Eucharistie. Nach Bischof Dammert handelt es sich nicht um einige äußere Reformen, sondern um eine völlige Neuausrichtung und eine Rückkehr zur ursprünglichen Bedeutung der gemeinsamen Feier. Es bedürfe deshalb einer gründlichen Vorbereitung und Erziehung zur Eucharistie. Dammert gibt außerdem noch Hinweise auf die Gestaltung des Taufbeckens, der Altäre (z. B. muss man um den Altar herumgehen können), der Sitzpositionen der Zelebrierenden etc. In der äußeren Anordnung muss die innere Bedeutung der Eucharistie zum Ausdruck kommen (27).

Die beiden Hirtenbriefe sind als Reaktion und Vertiefung der zweiten Pastoralwoche vom 14. - 17. Januar 1964 zu verstehen, die ihrerseits eine Reaktion auf die offizielle Verkündigung der Liturgiereform durch Johannes XXIII war (s.u.). Im Dezember 1963 gab es eine Vorbereitungswoche zur Pastoralwoche unter Leitung von Alois Eichenlaub, der auch die neuesten Beschlüsse des Konzils aufbereitet hatte. Die Leitfragen der Pastoralwoche waren:

  • Besteht eine wahrhaft christliche Gemeinschaft im und durch den Kult?
  • Welche Hindernisse zeigen sich, um eine echte Gemeinschaft im Kult zu erreichen? Welche Mittel müssen angewandt werden, um diese Gemeinschaft zu erreichen?
  • Ist in biblischen Wortgottesdiensten mehr Gemeinschaft zu erreichen?

Die Antworten sind ähnlich denen der 1. Pastoralwoche 1963 (siehe Kap. IV: Der Pastoralplan Dammerts): Gemeinschaft ist nur andeutungsweise im Gesang vorhanden, ansonsten herrscht Passivität und Unverständnis. In feierlichen, gesungenen Messen fällt auch noch der gemeinsame Gesang aus. Während des Gottesdienstes ist die soziale Trennung deutlich sichtbar. Die Sprache der Liturgie ist  gänzlich unverständlich; auf dem Land und  in  kleinen Dörfern gibt es eher eine gemeinsame Feier; allgemeine Klagen: Ignoranz, Laien können bisher nicht mitgestalten, überhaupt keine Vorbereitung etc.

Daraufhin wurden folgende Vorschläge erarbeitet: Ernennung einer Liturgiekommission auf Diözesanebene; Vorbereitung und Ausbildung auf Liturgie hin, biblische Elemente müssen eine größere Rolle spielen; ein Wortgottesdienst mit Bibelgespräch kann oft sinnvoller sein. Die Bibel als Schlüssel zur Liturgiereform: Hören des Wortes, Rundgespräch, aufeinander hören, eigene Fragen einbringen (Dialog), sich mehr in Gemeinschaft fühlen - ausgedrückt in der äußeren Form des Zusammenseins. Ergebnis: Gemeinschaftserlebnis im Gottesdienst ist weitgehend unbekannt und war auch gar nie das Anliegen. Erste Erfolge werden in Bambamarca und Baños del Inca festgestellt, wo es bereits eher gemeinschaftliche Feiern und Hl. Messen als Gemeinschaftserlebnis gibt.

Eine wichtige Frage auf dem Kurs war auch, welche Rolle Christus im Kult spielt. Die Antwort: er spielte bisher überhaupt keine Rolle - und wenn doch einmal Christus vorkam, dann in der Verehrung seines Bildes (wie als Heiliger), aber nichts von seiner Botschaft oder von der Bibel her abgeleitet. Auch in der Jugend, in der Familie, in der „normalen“ Frömmigkeit, spielt Christus keine Rolle. Auch in den Novenen kommt Christus nicht vor, noch weniger in den Heiligenfesten etc. Ein Landpfarrer: „In unserer Ausbildung und Verkündigung  wurde das Evangelium vergessen“. Ein Stadtpfarrer: „Christus spielt doch eine Rolle: in der Karwoche, in Corpus Christi und an Heiligabend - aber immer nur als Statue“.

Trotz reger Beteiligung des Klerus und eingeladener Laien dauerte es noch sehr lange (oder es geschah nie etwas), bis ein Teil der Erkenntnisse in einzelnen Pfarreien lebendig werden konnte. Zwei Stadtpfarrer (darunter der Pfarrer der Kathedrale und  Stellvertreter  des Bischofs), die dem Bischof und dessen Anliegen neutral gegenüberstanden, erklärten den Widerspruch zwischen den Erkenntnissen und der Begeisterung auf den Pastoralwochen und der danach mangelnden Umsetzung damit, dass auf den Pastoralwochen das Gemeinschaftserlebnis überwog und zudem die Autorität des Konzils (und des Papstes) großen Eindruck hinterließ, während in der Praxis einer Pfarrei sich die meisten Pfarrer überfordert fühlten und sich vor allem den Ansprüchen und Wünschen der einflussreichen Familien nicht widersetzen konnten oder wollten (z.B. Taufe als gesellschaftliches Ereignis und nicht als Aufnahme in die Gemeinschaft der Jünger Jesu).

Unmittelbar nach der Pastoralwoche schreibt der Bischof einen Hirtenbrief (2.2.1964), in dem er die Umsetzung der Liturgiereform ankündigt, die am 4.12.1963 vom Papst verkündet worden war, in welcher der Papst betont, dass Christus und seine Botschaft im Zentrum der Liturgie stehen sollen, d.h. die Liturgie soll das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu feiern und verkünden. Die auf der Pastoralwoche beschlossene Liturgiekommission wurde be- reits am 16. März in der Diözese eingeführt. Dies konnte deshalb geschehen, weil es Alois Eichenlaub gelungen war, Interessenten für diese Kommission zu gewinnen und er auch inhaltli- che Vorgaben geben konnte.

Mit der Einführung der Liturgiekommission wurden auch weitere Verfügungen erlassen: in allen Sonntagsmessen muss gepredigt werden; die Gläubigen tei- len dasselbe Brot (Hostie) wie der Priester; die zwei Teile der Messe, Wortgottesdienst und Eucharistie, müssen eine untrennbare Einheit bilden, deswegen müssen die Gläubigen auch an der gesamten Messe teilnehmen; die mitgebrachten Heiligenbilder sollen auf ein Minimum re- duziert werden, das Volk soll eigene Gesänge einüben und singen.

Bereits der erste Hirtenbriefe nach seiner Ernennung zum Bischof von Cajamarca (am 19. Juli 1962, also vor Beginn des Konzils) enthielt Verordnungen des Bischofs,  z.B. dass ein Priester nicht mehr als drei Messen am Tag lesen darf, oder dass in unzugänglichen Gebieten, auch ein Tisch mit einem Bischof geweihten Tuch als Altar dienen darf, oder dass die Gläubigen den österlichen Kommunionempfang bis zum 1.11. empfangen dürfen. Der erste Hirtenbrief  enthielt insgesamt 14 Verfügungen für Priester und Gläubige. Am 22. August wurden in einem weiteren Hirtenbrief die Priestern angewiesen, wann sie in der Sakramentenspendung die la- teinische oder einheimische Sprache benutzen dürfen, so durfte z.B. die Krankensalbung kurz vor dem Ableben nur in Latein gespendet werden, ferner alle Segnungen, der Exorzismus bei der Taufe etc. Und im Rundschreiben an alle Pfarrer der Diözese wird am 8. September darum gebeten, zur Eröffnung des Konzils am 11.10.62 alle Kirchenglocken aller Kirchen läuten zu lassen.

Am 7.7.1965 ordnet der Bischof in einem Brief an die Pfarrer an, die Prefacio in spanisch zu halten. Es darf in der Messe, außer der kanonischen Ordnung der Zelebrierenden, keinerlei Unterscheidung der Gläubigen geben (reservierte Plätze etc.), dies sei eine Anordnung des Konzils (Liturgie, Art. 32). Die äußere Gleichheit ist ein Zeichen dafür, dass alle in gleicher Weise Söhne und Töchter des einen Vaters sind. Widerstand erfährt der Bischof vor allem, als er anordnet, dass es keine verschiedenen Tarife mehr geben darf, weder für die Messen noch für Feste, Sakramentenspendung, Exerzitien etc.. Auch die Feier der Messen soll einheitlich gestaltet werden, um einen „Wettbewerb“ unter den Pfarreien zu verhindern. Der Widerstand kam nicht nur von den Pfarrern, sondern noch mehr von (wohlhabenden) Gläubigen, denn sie pflegten den Grad ihrer Gläubigkeit nach außen hin dadurch zu demonstrieren, dass sie sich eine Messe sehr viel kosten ließen. Noch heute ist oft der Satz zu hören: „Eine Messe, die nichts kostet, ist auch nichts wert“.

Die  Erneuerungen (zuerst die liturgischen Erneuerungen auf der Basis eines neuen Verständnisses von Liturgie) in der Diözese Cajamarca hatten eine Ausstrahlung über die Diözese hinaus und Alois Eichenlaub wurde zusammen mit Bischof Dammert immer wieder zu wichtigen und den Weg weisenden Treffen und Seminaren in Lima eingeladen. Bei diesen Treffen ging es stets darum, nach neuen Wegen im Geist des Konzils zu suchen bzw. das Anliegen und die Vorschläge des Konzils besser kennen zu lernen. In einem zweiten Schritt ging es darum, die einheimischen Priester auf die Erneuerungen vorzubereiten. Auffallend war auch hier, dass es fast ausschließlich ausländische Priester waren, die mit dieser Aufgabe betreut worden waren. Die peruanischen Bischöfe waren zur Zeit des Konzils mehrheitlich der Auffassung, dass die Erneuerung der peruanischen Kirche von außen her angestoßen und orientiert werden musste (28).

Alois Eichenlaub berichtet in einem „inoffiziellen“ Brief an Freunde in Deutschland z.B. von einer nationalen Studienwoche im August 1963 in Lima, die unter der Leitung von zwei Direktoren aus Spanien stattfand. „Die beiden setzten sich - für Spanier ungewöhnlich - restlos für die moderne Linie und die Erneuerung der Katechese ein“ (29). 200 Priester und Ordensleute nahmen daran teil. Alois Eichenlaub war als Liturgieexperte eingeladen worden und kam in Begleitung von Padre Bartolini und Padre Castañeda nach Lima. Er war als Gruppenleiter u.a. mit der Bibellektüre beauftragt. „Anstatt des Breviergebets machten wir eine gemeinsame Bibellesung und sprachen darüber. Ich glaube es ist gut gelungen, denn vor allem für die Priester war dies völlig neu“.

Die drei Priester aus Cajamarca trugen ihre Erfahrungen mit den „misioneros católicos del campo“ (so der ursprüngliche Name für die Katecheten auf dem Land) vor, zusammen mit den Maryknoll - Padres des Surandino. „Aber, hört und staunt, wir konnten uns durchsetzen. Die Volksmeinung und die der Professoren waren zu unseren Gunsten. Wir führten unsere Kurse in der ganz neuen Richtung der katechetischen Erneuerung durch. Wir haben praktisch eine ganz neue Methode erarbeitet. Ihr könnt euch denken, dass wir drei Padres aus Cajamarca mordsmäßig stolz sind auf unseren Erfolg und jetzt entschlossen sind, es auf alle Fälle auszubauen und zu erweitern. Wenn es der richtige Weg ist, werden wir bald ganz Peru dafür gewinnen. Eine weitere Intervention hatte ich mit meinem Lehrmaterial aus Deutschland und Frankreich, ebenfalls mit durchschlagendem Erfolg, da man hier nur das kitschige Material der Salesianer und einiger Nordamerikaner kennt“.

Die neuen Methoden bestanden vor allem darin, direkt mit der Bibel zu arbeiten und die Erzählungen der Bibel mit dem konkreten Leben der Campesinos in Beziehung zu setzen. Auch der Einsatz von didaktischem Material, darunter auch eigene Fotoserien aus dem Alltagsleben und didaktisches  Material aus dem Religionsunterricht in Deutschland, war für die Teilnehmer an der Studienwoche neu. Es war nicht nur das jeweilige Material, das neu war, sondern für die meisten Teilnehmer war auch neu, dass überhaupt in der Verkündigung für sie als Priester nun auch religionspädagogische Elemente und didaktische Gesichtpunkte und Kriterien eine Rolle spielen sollten. Nach den Schilderungen von Alois Eichenlaub erfuhren dies die meisten Teilnehmer als große Hilfe, spielten doch bisher in der Ausbildung und dann in der Praxis diese Methoden keine Rolle (30).

Ende Oktober 1963 war Alois Eichenlaub schon wieder für zwei Wochen in Lima, weil er von den deutschen Ordensfrauen in Peru eingeladen worden war, mit ihnen die Exerzitien zu halten. Auch hier führte er völlig neue Methoden ein: „moderne“ Lieder auf Schallplatten, eigene Dias, Bibellesungen im Sinne von „Bibelteilen“ (in persönlicher Form über den eigenen Glauben - einschließlich persönlicher Probleme - sprechen), aktive  Beteiligung aller  an  den Gottesdiensten und eine Hinführung zu (priesterlosen) Wortgottesdiensten als wertvolle Ergänzung zur Feier der Eucharistie. Offensichtlich waren die Ordensschwestern von der neuen Linie und den Methoden von Alois Eichenlaub überzeugt, denn im Februar 1964 wurde er als liturgischer Leiter zu dem Kongress der peruanischen Oberinnen, an dem 700 Ordensschwestern teilnahmen, eingeladen.

Ein vorläufiger Höhepunkt war 1964 die Berufung von Alois Eichenlaub in die Liturgieabteilung von CELAM, die auf einem Treffen von CELAM in Cieneguilla bei Lima beschlossen worden war: „CELAM hat ein Pastoralinstitut eröffnet mit tüchtigen Leuten in der Führung. Kurse zur Liturgiereform sollen in ganz Lateinamerika abge- halten werden. Ich bekam eine Einladung als Beobachter zu dem Expertentreffen über die Liturgiereform in ganz Lateinamerika. Neun Bischöfe aus neun Ländern waren anwesend, alles modernst eingestellte Männer. Sonst nahmen außer mir noch sieben Priester als Sekretäre teil. Alle waren sich über eine umfassende Liturgiereform einig. Die Liturgieabteilung des CELAM, die neu gegründet wurde aufgrund der Versammlung in Cieneguilla bei Lima, an der ich teilnehmen durfte, versucht auch vieles in Bewegung zu setzen. Ich erhielt das offizielle Ernennungsschreiben als Mitglied der Equipe lateinamerikanischer Liturgieprofessoren“ (31).

Im gleichen Rundbrief berichtet Alois Eichenlaub über ein Ereignis, das im Nachhinein als ein Symbol dafür verstanden werden kann, dass als Zeichen für den Beginn einer neuen Zeit die Campesinos nun auch von der Kathedrale „Besitz ergriffen“ haben. „Am 27. Dezember 1964 hatten wir in unserer Diözese nach vier Jahren wieder einmal eine Priesterweihe. Ein spätberufener ‚Indianer‘ war es. Bei dieser Weihe führten wir die erste Konzelebration (mit 10 Priestern) in ganz Peru durch und feierten zudem die Hl. Messe erstmals in der Landessprache“. Zu dieser Feier waren auch 240 Abgesandte (Campesinos) aus 19 Comunidades gekom- men, davon allein 105 Verantwortliche aus der Pfarrei Baños del Inca (dort wurde Werbung über das monatlich erscheinendes Pfarrblatt gemacht, in der Stadt keine Werbung, da die Pfarrer nicht wollten).

Die Campesinos, zusätzlich zu den Abgesandten noch etwa 300 weitere Campesinos, zogen mit ihren Clarines (32) und Gesängen in die Kathedrale ein und zum ersten Mal befanden sich in der Kathedrale die Campesinos in der Überzahl. „Die Campesinos zogen mit ihren Ponchos und Clarines als erste in die Kathedrale ein. Zum ersten Mal in der Ge- schichte Cajamarcas waren die Clarineros rechts und links vom Chor und durften sogar vor dem Segen ihr „alabado“ (Lobklänge) ertönen lassen, dann stimmte der Chor der Männer ein. Bischof Dammert hatte vom Hl. Vater einen eigenen päpstlichen Segen für die Campesinos des gesamten Bistums erhalten“. Die angeblich Kultivierten und Vornehmen der Stadt schüttelten die Köpfe. Einige verließen sogar protestierend die Kathedrale. Die Campesinos aber sind stolz und glücklich. Eine neue Zeit bricht für sie an“ (33).

 

Briefe an  den Bischof von Speyer

Neben den Rundbriefen an die „Freunde und Förderer  in Deutschland“ schrieb Alois Eichenlaub auch regelmäßig an seinen Bischof in Speyer. Einige Ausschnitte dieser Briefe kommen hier deswegen zur Sprache, weil Alois Eichenlaub in diesen Briefen seinem Bischof auch „etwas mitteilen wollte“, nämlich welche Prioritäten die Kirche auch in Deutschland setzen bzw. wie und was Kirche auch in Deutschland sein könnt (34). In seinem ersten Brief an den Bischof von Speyer schreibt er davon, wie ein Pfarrer in einer Gemeinde mit 45 Streudörfern und insgesamt 20.000 Getauften („einer der kleinsten Gemeinden in unserer Diözese“) seine Aufgabe erfüllen kann oder auch nicht. Er berichtet von kleinen Subzentren, für deren Leitung Laien ausgebildet werden, die dann die Verantwortung für diese kleineren Einheiten übernehmen können, einschließlich der pastoralen Leitung und der Verantwortung für die Wortgottesdienste.

Fernziel war damals, eine möglichst große Zahl von Verantwortlichen auszubilden, die dann zu Diakonen geweiht werden würden. Die ausgebildeten Laien bilden das eigentliche Fundament der Seelsorge, weil sie „die Sprache des Volkes“ sprechen und mitten unter den Menschen leben. „Unsere Landkatecheten bereiten uns dafür hauptsächlich den Weg.“ Ferner berichtet Alois Eichenlaub davon, wie „einfach“ doch die Verwaltung einer Diözese sei. „Es gibt in der Diözese keinen Generalvikar, mein Pfarrer (Alfonso Castañeda) wurde für die Abwesenheit des Bischofs in Rom zu seinem Stellvertreter ernannt. Die bischöfliche Behörde besteht nur aus einem Sekretär, der halbtäglich arbeitet, weil er sonst noch in der Seelsorge aushilft“. Zu dieser Zeit bekommt Alois Eichenlaub keinen Gehalt aus Speyer, weil die Situation mit der Diözese Abancay noch nicht endgültig geregelt war. Er lebt nur von der persönlicher Unterstützung deutscher Freunde und er hat kein Geld für einen Heimaturlaub (dies schreibt er aber nicht seinem Bischof).

Im November 1966 beglückwünscht er den Bischof von Speyer dafür, dass dieser laut Verfügung nur noch mit „Herr Bischof“ angeredet werden will. Zur (zukünftigen) Rolle des Priesters schreibt er: „Vielleicht war es von Gott so geplant, dass der Priestermangel uns wachrütteln musste, um neue Wege zu entdecken, den Menschen das Heil zu bringen. Der Priester wird in diesen Ländern nicht mehr der ‚Gute Hirte seiner Herde’ sein, sondern der Diakon. Dem Priester werden neue Aufgaben erwachsen, vielleicht vor allem, diese Diakone religiös zu nähren und die Laien mit dem Geist Gottes zu beseelen. Der Priester wird vielleicht der Spezialist sein für die Katechese, sei es für die Liturgie, für Pastoralfragen und in Soziologie, um als Spezialist auf seinem Gebiet diese Gruppen weiterzubilden“.

Immer wieder kommt er auf das persönliche Zeugnis der Armut zu sprechen, insbesondere auf das Beispiel von Bischof Dammert: „Das Bischofshaus selbst, in dem unser Bischof nur ein einziges Zimmer belegt hat als Schlaf- und Arbeitsraum, steht allen Priestern und Laien für ihre pastoralen Aufgaben zur Verfügung. Für die Priester auch als Wohnung, vor allem angenehm für die aus den Provinzen kommenden Priester. Unsere Landbevölkerung findet im Garten des Bischofshauses einen Backofen, in dem täglich etwa 1.000 Brote gebacken werden für die Gruppen von Caritas in den Landgemeinden und für bedürftige Kinder der hiesigen Schulen. Die Jugend der Stadt findet hier Spielräume und vor allem steht ihnen hier ständig ein geistlicher Berater zur Seite. Ich konnte hier auch in den letzten Jahren ein kleines Zentrum für Katechese einrichten mit Aggregat für die Stromerzeugung, Projektionsapparat, Filmgeräte, Bücher für die Lehrer. Die Seele des Bischofshauses ist unser Bischof.35  Er hat die Gabe, alle für einen Bischof un- wesentlichen Aufgaben anderen abzugeben und die wenigen Aufgaben, die ihm verbleiben, schnell zu erledigen. Dadurch hat er viel Zeit, alle Besucher im Hof oder im Sekretariat zu empfangen und völlig formlos sich mit jedem zu unterhalten. Eine Kurie gibt es nicht mehr“.

In einem weiteren Brief vom September 1967 macht er seinem Bischof auch Vorschläge, wie durch einen zeitlich begrenzten  missionarischen Einsatz einiger Diözesanpriester, diese dann zurück in der Heimatdiözese, zu einer wesentlich besseren Arbeit in ihren Pfarreien befähigt werden würden. „Die heute so oft genannte Krise unserer Priester könnte auch durch einen zeitweise  Missionseinsatz  überwunden  werden. Er würde aus einer ihn unzufrieden machenden bürokratischen Verwaltungsarbeit herauskommen, würde durch die Not der Menschen wachgerüttelt, durch die großen körperlichen Strapazen auch gesundheitlich gefestigt“.

Deshalb schlägt er vor, dass nach dem Vorbild anderer Diözesen (Paderborn für Buenos Aires, Regensburg für Bolivien etc.) auch die Diözese Speyer und jede deutsche Diözese sich auf je ein Land konzentrieren und Mitverantwortung dafür übernehmen sollte (Patenschaft - analog zu dem Taufpaten gedacht). „Ich bin überzeugt, dass ein solcher Patenkontakt eine gegenseitige Bereicherung und gegenseitige Evangelisierung mit sich bringen wird“. Ansonsten bemängelt er, dass die Verantwortung für die Weltkirche in deutschen Diözesen sehr schwach entwickelt ist, es keine langfristige Planung gäbe und alles sehr zufällig geschehe. Und wieder kommt er auf das Priesterbild zu sprechen: „Priester fehlen uns, Ordensleute gibt es hier viele, aber keine, die aus ihrem alten Gleis herauskommen können, um neue Wege zu gehen, um missionarisch zu werden, sie verlieren sich in ihren Privatschulen für die Oberschicht. Wir brauchen missionarische Priester und missionarische Schwestern. Missionarisch heißt in unserer Zeit: weltoffen, mitleiden, mitsorgen.

Aus dieser Offenheit und Sorge heraus wird der Missionar seine Methoden überprüfen müssen, wird sich ständig  weiterschulen müssen, wird immer tiefer sich Gott ausliefern müssen... Die Masse der getauften Heiden müssen wir weiterhin betreuen, aber nur im allerdringlichsten. Die gewonnene Zeit müssen wir vielleicht für die folgende Methode verwenden: durch anziehende Massenaktionen aus der Masse die Führertypen herausfiltern, sie schulen und mit ihnen versuchen, kleine christliche Gemeinschaften heranzuziehen, die dann einmal als echte Zellen missionarisch ausstrahlen können. Um diese Arbeit durchführen zu  können  brauchen wir zwei Typen von  missionarischen Helfern: eine Gruppe, die die Bewegung hervorruft, die die Zellen ins Leben ruft, eine zweite Gruppe umfasst den sesshafteren Verantwortlichen, der die Zellen am Leben erhält und sie weiterführt.

Für die ersten Aufgaben müsste man eher an den gottgeweihten Menschen denken, der unverheiratet sich ganz opfern kann und will und so ein Zeichen des sich schenkenden Gottes ist. Zu dieser Gruppe gehört hauptsächlich auch der unverheiratete Priester, der sich spezialisiert hat und in Gemeinschaft lebt. Zur zweiten Gruppe gehört hauptsächlich der Diakon der verheiratet ist und durch seine Familie und seinen Beruf mitten in der Dorfgemeinschaft steht, vielleicht auch der verheiratete Presbyter. Der Missionar, der sich abrackert, um all seine vielen Dörfer aufzusuchen, ihnen wöchentliche Hl. Messen garantieren muss, der die Kinder unterrichtet, alles selbst tut, dürfte wohl heute nicht mehr zu verant- worten sein. Nicht der Priester, sondern der gut vorbereitete Laie, besser Diakon, muss diese bewahrende und unterrichtende Funktion, wir nennen  sie  katechetische  Funktion, übernehmen“. Auf alle diese Briefe - und damit auf alle Vorschläge und Anregungen - bekam Alois Eichenlaub keine Antwort von seinem Bischof in Speyer.

Rolle als Ausländer und Anfangsschwierigkeiten

„Einer der großen peruanischen Pastoraltheologen erklärte uns einmal, dass zum Wesen des Peruaners die regelmäßige Unregelmäßigkeit gehöre. Sind wir inzwischen schon zu Peruanern geworden?  Das wäre das beste Zeichen, dass wir in unserem Dienst doch ein wenig vorangekommen sind, denn der ständige Ruf an uns heißt: ‚sich anpassen‘, beobachten, kennen- und schätzen lernen, nie nein sagen, dafür eher eine ausweichende Antwort geben, nie hart erwidern, nie schimpfen, kaum kritisieren, noch weniger Vergleiche anstellen, vor allem keine andere Sprache sprechen als die hiesige, immer bereit sein, die Aussprache zu verbessern, den Wortschatz zu erweitern. Noch Vieles haben wir zu lernen“ (36).

In diesem Text spiegelt sich die ständige Zerrissenheit wider, in der sich alle ausländischen Mitarbeiter befanden, insofern sie auch tatsächlich davon überzeugt waren, am Aufbau einer einheimischen Kirche (einschließlich der Stärkung der einheimischen Kultur usw.) mitwirken zu wollen. Dabei waren es meist nicht bestimmte theologische Konzepte oder verschiedene kulturelle Vorstellungen, sondern es waren die Anforderungen des  Alltags im alltäglichen menschlichen Umgang mit den Einheimischen, die zu Schwierigkeiten führten (zumindest in Cajamarca, da alle kirchlichen Mitarbeiter die pastoralen Vorgaben von Bischof Dammert innerlich akzeptiert hatten). Anpassen bedeutete hier, auch die Gewohnheiten zu übernehmen, die man „eigentlich“ als nachteilig erkannt hatte (z. B. Unpünktlichkeit, Unregelmäßigkeit, etc.).

Aus Angst, als „typischer Deutscher“ (oder Ausländer) bezeichnet und abgelehnt zu werden, konnte und wollte man nicht auf den eigenen Gewohnheiten, die man als Wert verinnerlicht hatte, bestehen und erst recht nicht vermitteln. Bestimmte Werte sind aber nicht deswegen schlecht, weil sie von Ausländern stammen und umgekehrt sind bestimmte Mängel nicht deswegen gut, weil sie von Einheimischen im Alltag praktiziert werden. Auf diese Art und Weise kam es gerade nicht zu einem gleichberechtigten „Dialog zwischen den Kulturen“, in dem man dann auch offen über unterschiedliche Wertvorstellungen etc. hätte reden können.

Die Mitarbeit von Ausländern bewegte sich im Spannungsfeld von zwei Extremen: totale Anpassung bis hin zur Selbstverleugnung (und Verleugnung seiner Kultur, seiner Herkunft und seiner Gewohnheiten) oder ein bewusstes Auftreten als Europäer (als ein „Anderer“). In der Diözese Cajamarca standen die meisten Mitarbeiter dem ersten Extrem näher oder zeigten zumindest mehr Sympathien dafür. Alois Eichenlaub stand eher in der Mitte der beiden Extreme. Konsequenterweise wurde er von einigen (hauptsächlich deutschen) Mitarbeitern dafür kritisiert, dass er z.B. moderne europäische Methoden und Mittel (Diaprojektoren etc.) bei Menschen einsetzte, die selbst nie in der Lage sein würden, diese Mittel zu erwerben („nicht angepasste Technologie“).

Der Verzicht auf solche Mittel und das (stark verbale) Bekenntnis zu radikaler Armut galt als progressiv und sogar bei einigen wenigen Mitarbeitern als Voraussetzung, um überhaupt in Cajamarca mitarbeiten zu dürfen (37). Andererseits wurde er auch in „bürgerlichen Kreisen“ der Stadt, in denen er sich im Auftrag des Bischofs bewegen musste (und durfte), ebenfalls heftig kritisiert - angefangen von seiner „schäbigen Kleidung“ als Priester bis zu grundsätzlicher Ablehnung wegen seiner Arbeit mit Campesinos. Allen ausländischen Mitarbeitern war aber gemein, dass sie ihre jeweilige  Rolle so verstanden, dass sie als Ausländer dazu beitragen sollten, die Mitarbeit von Ausländern eines Tages überflüssig zu machen. Ein zukünftige Mitarbeit und Unterstützung wurden zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber sie sollte dann nicht mehr auf Notwendigkeit bestehen, sondern aus freiwilliger und gleichberechtigter Übereinkunft.

Alois Eichenlaub fasst die Rolle der ausländischen Mitarbeiter zusammen und schreibt nach Deutschland: „Es gibt tatsächlich unter den Peruanern viele Priester und Laien, die großartige Fähigkeiten besitzen und gleichzeitig die Alarmsituation ihrer Heimat erkannt haben. Ich bin jeden Tag mehr davon überzeugt, dass wir Ausländer in erster Linie diese einheimischen Kräfte zu unterstützen haben und nicht unseren eigenen Laden aufmachen sollten. Vor allem uns Deutschen droht dabei ähnliches wie den Nordamerikanern, dass wir eine Mauer um unsere geordnete deutsche Pfarrei ziehen und damit zwar respektiert werden, aber nicht nachge- ahmt und keine lebendige Zelle werden im Ganzen der Landeskirche. Dasselbe Schicksal erleiden viele unserer Ordensgemeinschaften“ (38).

Umgekehrt hatten nicht nur die ausländischen Mitarbeiter Probleme mit ihrer Rolle, sondern auch für die einheimischen Mitarbeiter und allgemein für alle Einheimischen bildete das Verhältnis zu den Ausländern ein Problem. Eine solche Art der Zusammenarbeit war bisher nicht bekannt und auch nicht praktiziert worden und durch die Mitarbeit von Ausländern entstanden bei den Einheimischen Ängste und Hoffnungen, die sich leicht zu einem nicht mehr rational zu entflechtenden Gemisch verbanden. Auf diesem Hintergrund sind auch die Anfangsschwierigkeiten in der Pastoralarbeit in Cajamarca zu sehen und zu deuten.

Im Vergleich zu den Anfängen in Bambamarca, war die Ausgangslage im Einzugsbereich der Stadt Cajamarca ähnlich: „In religiöser Hinsicht hatte die ganze Betreuung darin bestanden, dass einmal im Jahr am Festtag des Dorfpatrons ein Padrecito ein unverständliches lateinisches Hochamt zelebriert hatte. In die vielen Dörfer, in denen keine Kapelle stand, kam überhaupt niemand. Die Leute können kaum das Kreuzzeichen machen. Was tun? - vor allem Laien ausbilden“!  (39).  Ähnlich wie in Bambamarca gab es bestehende Traditionen (z.B. die alten Vorbeter), an die man anknüpfen konnte. Im Bezug auf die Erfahrungen in Bambamarca heißt es weiter: „Die Vorbeter mussten sich seit Urzeiten um das Rosenkranzgebet und Gesängen bei Beerdigungen kümmern. Gleichzeitig waren sie auch die „curanderos“, d.h. die einzigen, die sich etwas auf die Naturheilkunde verstanden.

Bei uns in der Umgebung von Cajamarca fanden wir in den Comunidades etwas ähnliches vor, sogenannte ‚rezanderos‘. Außerdem die Verantwortlichen für die Kapelle, die ‚sindicos‘, die Verantwortlichen für die Feste, die ‚procuradores‘. Für sie und andere geeigneten Männer führten wir einen einwöchigen Kurs durch um sie in den religiösen Grundbegriffen zu unterrichten und für eine verantwortliche Aufgabe vorzubereiten. Der Beginn gelang. Allmonatlich kommen sie zusammen, bringen ständig mehr Männer mit. Langsam wirken sie auch auf die Nachbargemeinden ein  und wir hoffen, auf diese Weise bald überall eine Gruppe verantwortlicher Männer zu besitzen“.

Bereits im September 1963 hatten die ersten Kurse mit den Vorbetern, die zu „misioneros del campo“ ausgebildet werden sollten, großen Erfolg gehabt: „Ich war hocherfreut über die Begeisterung, die bis jetzt weiterdauert. Sie hatten 2/3 der Einwohner zusammengebracht. Auch in anderen Comunidades wurde mit der Arbeit begonnen. In einem Dorf versammelten sie zweimal in der Woche über 90 Personen und sie erteilen bereits Religionsunterricht. Sie beginnen mit der Kinderspeisung, planen schon den Bau einer Schule, wollen eine Kapelle bau- en. Das wird eine richtige Bewegung auslösen und auch die anderen Comunidades mit in die Erneuerung einbeziehen. Gebe Gott, dass das Feuer nicht erlischt, sondern zu einer wahren Erneuerung des Landes führt“ (40).

Im Unterschied zu den Anfängen in Bambamarca kam es aber in der Folge in den Landzonen von Cajamarca zu größeren Schwierigkeiten und die neue Pastoral auf der Basis einer neuen Evangelisierung konnte nicht in gleicher Weise Fuß fassen wie in Bambamarca. Dafür gab es vor allem zwei Gründe, die unmittelbar mit den damaligen innerkirchlichen Strukturen zu tun haben. Der Mangel an Personal (Mitarbeiter) und speziell die mangelnde Mitarbeit des einheimischen Klerus. Neben Alois Eichenlaub war, wie schon erwähnt, nur noch der einheimische Priester Alfonso Castañeda bereit, im Sinne Bischof Dammerts in Cajamarca selbst und Umgebung zu arbeiten. Während in Bambamarca drei einheimische Priester (und bald darauf mehrere deutsche Entwicklungshelferinnen) tätig waren, verblieben für die gesamte übrige Diözese (über 30 Pfarreien) dem Bischof folglich nur zwei Priester, die bereit waren, die Beschlüsse  des Konzils innerlich und aktiv mitzutragen und in die Praxis umzusetzen. Diese zwei Priester sahen sich daher Aufgaben und Herausforderungen gegenüber, die sie trotz der vollen Unter- stützung des Bischofs unmöglich alle gleichzeitig angehen oder gar bewältigen konnten.

Alois Eichenlaub wurde nicht nur immer wieder vom Bischof nach Lima geschickt (zu Kursen etc., siehe oben) oder von nationalen kirchlichen Stellen dazu eingeladen, er war gleichzeitig noch Pfarrer der Pfarrei Baños del Inca mit einem riesigen Landzone, dazu u.a. Kaplan einer Privatschule, „Fatima“, der Dominikanerinnen, zeitweise Militärpfarrer (!) und er verkörperte das „equipo volante“ (fliegendes Einsatzteam), das die Aufgabe hatte, in alle Regionen und Pfareien der Diözese zu gehen, um dort jeweils etwas anzustoßen.

Gleichzeitig war Alois Eichenlaub, wenn auch nicht offiziell, zuständig für den Aufbau der Schulungszentren, für die Koordination der Beziehungen (Projekte) nach Deutschland, er war Anlaufstelle für die ankommenden deutschen Entwicklungshelfer, er gab Anstöße für einen Religionsunterricht in der Diözese, baute Sonoviso (Medienstelle) auf und war auch noch Delegierter der Diözese Cajamarca auf nationaler Ebene und darüber hinaus (z.B. CELAM). Alfonso Castañeda war offiziell der Pfarrer von Baños del Inca und der Verantwortliche des IER (siehe unten), er begleitete Alois Eichenlaub (seinen Kaplan) auf dessen Besuchen in alle Regionen der Diözese etc., doch stieß auch er bald an seine Grenzen. Er wurde bereits 1967 von Bischof Dammert zum Studium nach Paris geschickt (Soziologie), erlebte dort die Aufbrüche (Mai 1968) in Europa und kehrte nicht mehr als aktiver Priester nach Cajamarca zurück. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn Alois Eichenlaub neben vielen Erfolgen auch über  große Anfangsschwierigkeiten nach Deutschland berichten musste, von denen hier einige exemplarisch genannt werden (und die gleichzeitig die Vielfalt der Herausforderungen aufzeigen).

Allein als Pfarrer für die Pfarrei Baños del Inca mit seinen 45 Comunidades wäre er mehr als ausgelastet gewesen. In der Pfarrei gab es keine Taufbücher (Taufen wurden vorher - wenn überhaupt - vom jeweiligen Pfarrer, der aus der Stadt Cajamarca kam, in dessen eigener Pfarrei registriert oder beim Großgrundbesitzer), es gab keine Angaben über die Zahl der Einwohner, die Grenzen der Pfarrei waren nicht festgelegt, nur 5% der Campesinos hatten Ausweispapiere bzw. waren registriert. Dazu kamen Probleme mit der Landreform: „Das fruchtbare Tal gehört Großgrundbesitzern, die unbewässerten und schwerbebaubaren Hänge und Höhen dagegen den Indios. Und auch diese Flächen wurden ihnen erst vor kurzem zugeteilt, weil diese Ländereien doch nichts einbringen, gleichzeitig der  Grundbesitzer die Verantwortung für diese Campesinos los ist und er nun leichter Tagelöhner unter ihnen rekrutieren kann, gleichzeitig sind die Campesinos vorläufig ruhig gestellt, weil sie ja nun ‚Besitzer’ sind und selbst verantwortlich“ (41). 

In seiner Pfarrei gab es bald ein monatlich erscheinendes Pfarrblatt als Hilfe für die Feier der Wortgottesdienste, die zweimal wöchentlich sein sollen, vor allem am Sonntag mit Gebet, Schriftlesung mit Erklärung und zur Katechese allgemein. „Wir möchten möglichst bald den Bestimmungen der Konzilskonstitution über die Liturgie entsprechen können, die in allen Orten ohne Priester sonntägliche Wortgottesdienste vorschreibt“ (42).

Als weiteres wurden Caritaskomitees gegründet und Refektorien aufgebaut für die unter- ernährte Bevölkerung. 1964 gab es schon 17 Refektorien in der Pfarrei mit 1.900 warmen Mahlzeiten täglich und kostenloser Verteilung von Milchpulver, Haferflocken etc. Als seine Hauptaufgabe in der Pfarrei sieht Alois Eichenlaub die Organisation in den Comunidades, die bis dahin völlig unorganisiert waren und in denen es keine Gemeinschaft, kein Gemeindebewusstsein und keine „natürlichen Autoritäten“ gab. Über praktische Arbeiten (z.B. Schulen bauen) entstand langsam das Gefühl der  Zusammengehörigkeit als Schicksalsgemeinschaft. „Weitere Versuche, die Gemeinschaften zusammenzubinden, sind ländliche Genossenschaften“. Dennoch ist Alois Eichenlaub mit der Arbeit in seiner Pfarrei unzufrieden, er stellt nur wenige Fortschritte fest. In der größten Comunidad der Pfarrei, in Llacanora, sieht er kaum Fortschritte. „Ich versuchte es mit einem ‚Großangriff’: drei Wochen täglich dorthin gefahren, mit Versammlungen etc. Doch es kommen wenig Leute.

Die Sekten erreichen dagegen leicht eine große Zahl. Warum haben die Evangelistas so großen Erfolg? Ein Campesino sagte: ‚Ich bin Protestant geworden, weil die Katholiken uneins sind, weil sie sich immer betrinken und weil sie zu keinem Opfer bereit sind’. Daneben gibt es die üblichen und schon beschriebenen Widerstände: „Die neu ausgebildetren Katecheten haben auch starke Widerstände zu spüren. Vor allem werden sie wegen der Hl. Schrift, die besitzen und lesen, als ‚Evangelistas’ verschrieen. Dasselbe wird ja auch von uns Padres gesagt, da wir in Zivil gehen und vor allem bei der Hl. Messe, im Gegensatz zu bisher, viel in spanisch beten. denn wir versuchen, endlich verständlicher zu werden. Wir werden als Protestanten verschrieen, weil wir beim Gottesdienst das Evangelium gelesen haben, auch weil wir keinen Talar tragen und weil wir an Allerseelen wegen der vielen Menschen die Hl. Messe auf dem Friedhof gefeiert haben. Eine weitere Gemeinde beschimpft uns als Kommunisten“ (43).

Neben der Verantwortung für die beginnende Lehrerausbildung (zur Erteilung von Religionsunterricht, auch dafür gab es noch keine Konzepte und noch keine Erfahrungen) nahm die Gründung des IER (siehe nächsten Abschnitt) viel Zeit in Anspruch. Hier waren es weniger die Inhalte (Lernprogramme etc.), die es zu erarbeiten galt. Weil das Zentrum des IER in Baños del Inca aufgebaut wurde, wurde von Alois Eichenlaub fast wie selbstverständlich erwartet, dass er der maßgebende „Bauherr und Finanzier“ (im Sinne von Geld beschaffen und Kontakte knüpfen und pflegen) war. Gleichzeitig und im Zusammenhang mit dem Zentrum des IER wurde auch mit dem Bau der Pfarrkirche von Baños del Inca begonnen. Die beginnende Arbeit des IER brachte Alois Eichenlaub zwar auch viel zusätzliche Verantwortung („damit komme ich zu unserer sehr wichtigen dritten Arbeit: die beiden Institute IER, zu deren Assessor ich zusammen mit Padre Alfonso, meinem Pfarrer, ernannt wurde. Wir haben der ganzen Einrichtung seine Prägung zu geben. Das ist sehr schwer, weil mit uns auch die Professoren neu in dieser Arbeit sind.

Dazu kommt noch die ständige Belastung durch finanzielle Sorgen“) aber sie bot ihm auch gute Anknüpfungspunkte für seine sozialpastorale Arbeit: „Wir haben das Glück, dass die beiden Zentralen des IER, ihre promotores sociales (‚Sozialarbeiter’, Teilnehmer, die einen Kurs abgeschlossen haben) gerade in unserer Gegend einsetzen. Sie versuchen in unseren Comunidades eine planmäßige Entwicklung durchzuführen. Diese promotores sociales leben in den Comunidades mit den Campesinos in ihrer Armut und versuchen sie durch ihr Beispiel und Verständnis langsam für Kurse über hygienische, landwirtschaftliche und genossenschaftliche Fragen zu interessieren. Es gelang ihnen, nach etwa drei Monaten in zwei Orten Verkaufsgenossenschaften zu gründen. So lächerlich es erscheint, an einem Ort konnten sie sogar die ersten fünf Aborte einrichten“ (44).

Die Arbeit im „Equipo volante“ war weniger nachhaltig. Im 6. Rundbrief berichtet Alois Eichenlaub von einem solchen Einsatz in Chetilla (45). Zusammen mit einem inzwischen eingetrof- fenen deutschen Katecheten und zwei weiteren Mitarbeiterinnen (eine peruanische Katechetin und eine Krankenschwester aus Spanien) wurde erstmals für eine Woche eine abgelegene Comunidad besucht und viele Menschen dieser Comunidad sahen zum ersten Mal in ihrem Leben Ausländer und ein Auto. „Als wir am frühen Morgen nach abenteuerlicher Nachtfahrt im Jeep ankamen, wurde auch schon die Bevölkerung wach; überall verfolgten sie uns mit staunenden Gesichtern und vor Verwunderung offenen Mündern, verängstigte Kinder. Noch nie hatten sie solch ein Tier aus Blech, Eisen und Gummi gesehen, mit solch eigenartigen Geräuschen. Nie war ein Fahrzeug in diese Gegend vorgedrungen... Es gab zuerst viele Missverständnisse, dann hatten wir Aussprachen, Schriftlesungen etc.

Die langsam zunehmende Schar von Teilnehmern an unseren abendlichen Gottesdiensten - trotz Regen und schlüpfriger Saumpfade - war das Zeichen dafür, dass die Eingeborenen allmählich begriffen, dass das Christe tum weniger magische, unverständliche Zeichen umfasst, sondern in erster Linie das Wort Gottes, das von einer Botschaft handelt, die Menschen frei macht und errettet. Sie spürten, dass der Padrecito nicht ein alleinstehender Zauberer ist, vor dem man sich nur fürchten muss und vor dem man sich zu ducken hat. Sie entdeckten, dass nicht er allein verantwortlich ist für das Reich Gottes, sondern alle, jeder nach seiner Art und seinen Fähigkeiten. Die Laienhelfer gaben das Zeichen dafür, sogar Frl. Consuelo wagte sich daran, das Wort Gottes auszulegen. Einige Männer kamen regelmäßig zur Bibellesung und zwei erklärten sich bereit, unsere Kate- chetenkurse in der Stadt zu besuchen“ (46).

Besuche in anderen Comunidades verliefen ähnlich. Entscheidend ist, dass solche Impulse nicht nachhaltig aufgegriffen werden konnten (im Unterschied zu Bambamarca), weil die zu- ständigen Gemeindepfarrer nicht zu den Comunidades gingen (höchstens zum Patronatsfest für viel Geld) und das „Equipo volante“ seinerseits völlig überlastet war. So konnte in der Regel (mit wenigen Ausnahmen) keine Basis in den Comunidades geschaffen werden, in denen aus verschiedenen Gründen eine kontinuierliche Aufbauarbeit nicht möglich war. Noch gravierender war, wenn der zuständige Pfarrer die Impulse des „Equipo volante“ konterkarikierte und nach „Abzug“ der eigentlich unerwünschten Besucher (deren Besuche aber geduldet werden mussten, weil diese vom Bischof gewünscht waren) bemüht war, den „Virus der Erneuerung“ auf der Basis bewährter Rezepte möglichst effektiv zu bekämpfen.

Bischof Dammert bemühte sich immer wieder, reformwillige Priester für seine Diözese zu gewinnen und dies schien auch deshalb zu gelingen, weil die Arbeit von Bischof Dammert  inzwischen auch in Europa bekannter geworden war. Im Juni 1964 kamen  drei spanische Ordensgeistliche aus Valladolid in die Diözese Cajamarca, ihnen wurde die Pfarrei Celendín anvertraut. Alois schrieb über deren Arbeitsbeginn begeistert nach Deutschland, doch musste er schon ein Jahr  später am 18.8.1965 berichten: „Die Priestergruppe in Celendín aus Valladolid ist am Zerbrechen. Ende des Jahres wollen sie nach Spanien zurückkehren“. Die Auffassungen innerhalb der Priestergruppe erwiesen sich als zu gegensätzlich. Ein Priester widmete sich der Arbeit auf dem Land (im Sinne von Dammert), die beiden anderen konnten damit in der Praxis nichts anfangen (47). Die Pfarrei Celendín spielte bis 1992 trotz immer wieder neuer Ansätze und Versuche keine bedeutende Rolle in der Erneuerung der Diözese (die Entwicklung seit 1993 wird an anderer Stelle beschrieben).

Im Sommer 1965 beginnt der französische Priester René Froment seine Arbeit in der Diözese. Vorher war er bereits in Lima tätig und er hatte Alois Eichenlaub in der Pfarrei „Jesus Obrero“ kennen gelernt, der ihn für die Arbeit in Cajamarca begeistern konnte. Sein Wunsch war, auf dem Land zu arbeiten. Er ist für kurze Zeit für die Pfarrei Baños del Inca verantwortlich, doch ist ihm diese Arbeit u.a. wegen der Bautätigkeiten und der Nähe zur Stadt Cajamaca zu „hektisch“ und er findet dann in der Pfarrei Ichocán eine Aufgabe. „René Froment ist jetzt Pfarrer von Baños del Inca. Alfonso Castañeda und ich sind nun verantwortlich für den größeren Landteil der Provinz Cajamarca“ (48). René Fromment gelingt es, im Süden der Diözese ein Zentrum für die Erneuerung der Pastoral zu schaffen (1966 - 1975).

René Fromment schreibt im Februar 1969 in seinem Rundbrief an französische Freunde: „Wir sind 40 Priester in der Diözese, Peruaner, Ausländer und Ordensleute zusammengenommen. Die Laien spielen schon eine bedeutende Rolle. Besonders die deutschen Katecheten und ihre Familien sind hier hervorzuheben. Auch französische Entwicklungshelfer haben wir. Sie unterstehen alle dem Bischof und Padre Alois Eichenlaub“ (49). Nach der Rückkehr von seinem 3. Heimaturlaub 1975 hatte ihn Bischof Dammert zum Pfarrer von Namora und Matara ernannt, was er aber nicht akzeptieren wollte. Im Mai 1976 kehrte er nach Rücksprache mit Bischof Dammert und seinem Bischof in Reims endgültig nach Frankreich zurück. Die Trennung geschah in Freundschaft und die schriftlichen Kontakte zwischen beiden blieben erhalten (50).

Fast zeitgleich mit René Froment kommt im Oktober 1965 der deutsche Priester Norbert Austen nach Cajamarca. Er hatte in seiner Zeit als Vikar in Dortmund 1962 - 1964 von der Arbeit in der Diözese Cajamarca gehört. Er wird zum Pfarrer von Chilete ernannt, der Pfarrei, in dessen Nähe (Cascas) Alois Eichenlaub seine erste Bekanntschaft mit der Realität von Cajamarca machen durfte. Im Dezember 1966 schreibt Norbert Austen über seine Erfahrungen in Chilete. „Seit fünf Jahren dachte der Bischof daran, in Chilete ein Seelsorgezentrum zu schaffen. Infolge des Priestermangels war dies bisher nicht möglich. Bis zu meiner Ankunft hat es nie einen dort ansässigen Priester gegeben. Die Gläubigen haben wenig mehr als ein Mal im Jahr eine Hl. Messe gehabt. Dementsprechend sind die Leute nur an diese Feier (Patronatsfest) gewöhnt, wobei zu bemerken ist, dass der Schwerpunkt dieser Festfeier hier wie wohl überall in Südamerika bei der allgemeinen Volksbelustigung liegt bis hin zum sinnlosen Besäufnis. Man muss wohl sagen, dass das geistige Niveau des Durchschnitts unter dem deutscher Hilfsschulkinder liegt. Andererseits  zeichnet sich die Bevölkerung durch ein übersteigertes, schlechthin nicht zu beschreibendes Selbstbewusstsein aus. In der ganzen Pfarrei gibt es sicher niemanden, von dem man sagen könnte, dass er etwa die Hl. Messe richtig kennt. Wohl halten sie sich aber für sehr katholisch, woraus sich ergibt, dass alles, was über ihre Gewohnheiten hinausgeht (und das ist fast alles), abgelehnt wird, zudem es von einem ‚Padre Gringo‘ verkündet wird. Dementsprechend vollzieht sich auch die Hl. Messe unter hochgradiger Passivität der Leute, ungehindertem Stören durch Kinder und Randalierer, freiem Zutritt der Tiere“.

Im Nachhinein erscheint es unverständlich, dass Bischof Dammert einen neu angekommenen deutschen Priester, zudem noch allein und entgegen seiner Absicht einer „Pastoral de Conjunto“, in eine solche Pfarrei schickte. Chilete liegt näher an der Küste und orientiert sich auch bis heute dahin. Zwischen Chilete und Cajamarca liegen (auch bildlich) hohe Andenpässe, so dass auch von daher der Kontakt zu Cajamarca und den dortigen Mitarbeitern sehr schwer herzustellen war. Aber auch in Chilete selbst konnte Norbert Austen nicht Fuß fassen. Norbert Austen kam im März 1967 durch einen Autounfall auf dem Weg nach Cajamarca (er stürzte im Nebel einen tiefen Abhang hinunter) ums Leben. Er wurde in Cajamarca beerdigt, nur zwei Personen aus seiner Pfarrei waren bei der Beerdigung anwesend. Bis heute gibt es keinen Nachfolger in Chilete.

Alois Eichenlaub berichtet von weiteren zahlreichen Enttäuschungen. Selbstverständlich konnte der Alltag nicht immer von dem gleichen Elan und der gleichen Begeisterung geprägt sein. Auch seinen noch wenigen ausländischen Mitbrüdern erging es so. „Einer meiner europäischen Mitbrüder erlebte gestern seinen traurigsten Tag. Er wurde aus seiner Pfarrei verjagt, weil er nicht das tat, was die Leute wollten, sondern weil er das wollte, was Gottes Wille ist. Wir sind in einem sehr heidnischen Land. Nur opferbereite Missionare werden diese Völker retten können. Unsere lieben peruanischen Mitbrüder nehmen es von ihrer Art her nicht so genau. Es ist üblich, dass einer kurz vor Weihnachten seine Pfarrei verlässt und eine Urlaubsfahrt antritt...“ (51). Und am 2. Januar 1967: „Gestern verbrannte in San Luís eine hölzerne Gottesmutter, weil jemand eine Kerze auf der Strohmatte abgestellt hatte. Die ganze Landgemeinde ringsum hat sich zusammengerafft und ist dabei, uns zu lynchen. Heute morgen war ich schon bei der Geheimpolizei. Wir seien protestantische Pastoren, deshalb hätten wir sie verbrannt. Vor zwei Jahren gab es in unserer Pfarrei Tote wegen eines ähnlichen Falles. Für unsere Landbevölkerung sind die Heiligenstatuen lebend und ihre Dorfgötter, die gut bewacht werden müssen“ (52).

Die Vielfalt der Aktivitäten und die daraus resultierende Überlastung führte zu physischen und psychischen Ermüdungserscheinungen, was sich gelegentlich z.B. auf die Vorbereitung und Durchführung der Kurse auswirkte. „Durch drei Studienwochen ohne Unterbrechung waren wir zu müde und die Vorbereitung war nicht so gut. Es gab keinen neuen echten Schwung für die Gesamterneuerung der Diözese...“.  Vor allem die Kurse für die Stadt waren des öfteren ohne großen Erfolg und ohne Resonanz geblieben. Es gelang kaum, Laien als Katecheten für die Stadt zu finden und auszubilden. „Im Januar hatten wir einen Kurs für Katecheten in der Stadt. Mit allen drei Kursen waren wir unzufrieden, sie haben lange nicht den Elan wie die Tagungen für die ländlichen Laienhelfer“ (53).  Kurse mit dem Ziel, regionale Jugendorganisationen ins Leben zu rufen hatten etwas mehr Erfolg. Dies lag daran, dass es sich hierbei um nationale Ableger z.B. der Katholischen Studierenden Jugend und der Katho- lischen Schüler handelte und die nationale Leitung Hilfestellung für die Durchführung von Kursen in den Regionen leisten konnte und wollte. Bereits 1965 gab es die JEC (Katholische Schüler), die UNEC (Katholische Studenten) und die JOC (Katholische Arbeiterjugend). In allen drei Bewegungen spielte Alois Eichenlaub eine wichtige Rolle bei der Gründung und Etablierung dieser Gruppen.

Die schlimmste Enttäuschung für Alois Eichenlaub (und den Bischof) war, dass keine weiteren peruanischen Mitbrüder an dieser Arbeit der Erneuerung mitarbeiten wollten und die wenigen, die bisher mitgemacht hatten (siehe Bambamarca und Alfonso Castañeda), aus den verschiedensten Gründen nun andere Wege gingen. Selbst auf nationaler Ebene scheint sich dies ähnlich verhalten zu haben. So stellt Alois Eichenlaub fest, dass auf den nationalen Pas- toralwochen in Lima die Zahl der peruanischen Priester von Jahr zu Jahr eher ab- als zunahm (aber die Zahl der beteiligten Bischöfe nahm stetig zu). Und nach einem Kurs in Bambamarca (Februar 1966) schreibt er: „Wir hatten wieder einen Kurs für zukünftige Katecheten in Bam- bamarca. Die Campesinos hier machen großartig mit. Nur schade, dass die übrigen Pfarreien des Bistums nicht mitziehen, auch die Ordenspriester nicht“. Bereits am 2. Januar 1964 stellte er fest: „Leider muss man aber immer deutlicher feststellen, dass nur dort etwas zu machen ist, wo junge und aufgeschlossene Kräfte am Werk sind, das sind in unserer Diözese nur drei Pfarreien. Die alten Geistlichen und die Ordensleute halten es weder für überflüssig oder halten sich selbst nicht für fähig, etwas Neues anzufangen. Die Notwendigkeit einer zentral gesteuerten und organisierten Pastoralarbeit erkennt man nicht“.

Als er Ende 1969 nach seinem ersten längeren Aufenthalt in Europa (Kurse zu seiner Weiterbildung) nach Cajamarca zurückkam, war seine Enttäuschung besonders groß. „Nur wenige freuten sich über das Wiedersehen. Kaum jemand interessierte sich für das, was ich im vergangenen Jahr getan und gelernt habe“. Viele seiner Arbeiten wurden in seiner Abwesenheit nicht weitergeführt, so die Arbeit mit den Lehrern, die religionspädagogischen Tagungen, die Ferienkurse etc. „Was nützt es wundervolle Schlösser zu bauen? Eine gründliche und ehrliche Revision oder Infragestellung unserer Aufgabe hier tut immer wieder not.

Vielleicht müssen wir uns überhaupt erst einmal fragen, was hier in der peruanischen Wirklichkeit Kirche überhaupt bedeutet. Sind wir nicht immer von der ‚Pflicht‘ fast erdrückt, Seelen retten oder die unglaubliche Masse von Getauften betreuen zu müssen, einen religiösen Service zu garantieren? Sollten wir nicht den Mut haben, auf die kleinen Gruppen von Christen zurückzugreifen, die mitten in der Welt stehen und die bei ihrem Ringen um eine neue und gerechtere Welt in Christus einen Halt und einen Sinn für ihr Leben entdeckt haben“?


Anmerkungen

(1)  „Vor 40 Jahren machte eine Gruppe deutscher Weltpriester einen Neuanfang und kam in verschiedene lateinamerikanische Länder. Es waren Fidei Donum Priester, die großherzig Antwort auf den Aufruf des Papstes gaben, ihre Heimat zu verlassen, um in Diözesen zu dienen, die nach Sprache und Kultur in einer ganz anderen Welt lebten. Sie waren Pioniere einer neuen Mission, die mit der zeit eine Doppelspur hinterließ, einerseits bei denen, die auszogen, als auch andererseits bei jenen, die sie empfingen“. Bischof Jorge Jiménez, Generalsekretär des CELAM, in einem Grußwort zu dem Buch: „..und sie machen einander reich“, eine Chronik der Fidei Donum Priester, Redaktion Enrique Rosner, Quito 1998. In der Enzyklika „Fidei Donum“ von Papst Pius XII. (21. 4. 1957) und noch mehr im Zweiten Vatikanischen Konzil (Lumen Gentium 23 bzw. 2. Kap. Nr. 10) wurde die Gesamtverantwortung der Bischöfe und Priester für die Weltkirche (damals im Sinne des Missionsauftrags an die Jünger) herausgestellt und angemahnt. In der Fidei Donum Chronik schreibt Enrique Rosner (Seite 35): Warum deutsche Priester nach Lateinamerika? Um dem chronischen katastrophalen Priestermangel abzuhelfen! Das war die erste Motivation zur Ausreise oder zur Entsendung nach dem Zweiten Weltkrieg. Südamerikanische Bischöfe bettelten um Priester. Es entstand ein ‚Handel’ um Priesteraushilfen. Damals blieb alles noch dem Zufall überlassen und entsprach der Privatinitiative der einzelnen“. Von Emil Stehle, damals Geschäftsführer von Adveniat, stammt die Idee, die in Lateinamerika tätigen Weltpriester nach einem Rundschreiben von Pius XII. von 1957 „Fidei - Donum - Priester“ zu nennen (1971).

(2) Die in diesem Abschnitt zitierten Briefe befinden sich im Privatarchiv von Alois Eichenlaub, in den Archiven von Misereor, in St. Martin Dortmund und Caritas Freiburg. Die Briefe von Dammert befinden sich im Archiv des IBC, Lima.

(3) Die Entscheidung für Peru war rein zufälliger Natur und hing damit zusammen, dass sich ihm zufällig die Möglichkeit bot, die spanische Sprache zu erlernen. Eigentlich wollte er ursprünglich nach China, im übrigen wollte er vor allem eines: er wollte „hinaus“.

(4)  Erster Rundbrief nach Deutschland, dem noch viele weitere folgen und aus denen zuerst die „Inkahilfe“ und später die „Informationen aus Cajamarca“ hervorgehen sollten. Archiv St. Martin Dortmund.

(5)  Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass von der jeweiligen Option her betrachtet, die Wirklichkeit und damit die pastoralen und sozialen Notwendigkeiten völlig anders oder gar entgegengesetzt wahrgenommen werden können. Denn die jeweilige Option zeigt sich ausschließlich oder vorrangig in der Praxis. Übersieht man dies oder es wird nicht berücksichtigt, dann ist die Gefahr groß, dass man zwar meint, die gleiche Sprache zu sprechen (z.B. „Erneuerung der Kirche“, „Evangelisierung“ etc.), aber in Wahrheit völlig gegensätzliche Standpunkte vertritt - bzw. die Wahrheit selbst stellt sich von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet je anders dar, die meist damit unterschiedlichen Interessen nicht einmal berücksichtigt. Die Frage nach dem „Standort“ und der je verschiedenen Interessen ist auch bei den unterschiedlichen Voraussetzungen einer armen und reichen Kirche (und Theologie) in der Einen Welt zu beachten.

(6)  In der Tat könnte man diese Einstellung als modern bezeichnen, denn sie entspricht voll dem Dogma des klassischen Marktliberalismus, dass man zuerst den Starken alle Hindernisse aus dem Weg räumen müsse, denn nur so könnten diese den Karren zum Wohle aller aus dem Dreck ziehen. Im 3. Teil wird noch zu sehen sein, dass dies nur nicht und auch nie so funktioniert hat, sondern dass auch  dieser klassische Liberalismus (Adam Smith) als überholt gilt bzw. als soziale Folklore verhöhnt wird. Heute (spätestens seit 1989) spielen ethische und moralische Überlegungen (z.B. das Schicksal der Armen und das Allgemeinwohl) gar keine Rolle mehr.

(7)  Nachdem die Entscheidung bereits gefallen war, dass Alois Eichenlaub in Cajamarca bleiben würde, schrieb Mendoza auch noch einmal an Caritas Freiburg: „Pater Eichenlaub war von Anfang an für unsere Diözese be- stimmt; leider habe ich schon von Anfang an bemerkt, dass er irgendwie beeinflusst war, um nicht weiter in Abancay zu arbeiten. Zufällig hatte ich in Rom ein Gespräch mit dem Bischof von Cajamarca geführt und habe dem Bischof die Aushilfe von Pater Eichenlaub zeitweilig angeboten, bis ich die von P. Eichenlaub gewünschten Bedingungen zum Arbeiten geschaffen hätte: Bedingungen, die mir schon zeigten, dass es unmöglich wäre, dass er bei uns arbeitete“. (Brief an Frau Dr. Böhle, vom 5. August 1963, Archiv Caritas Freiburg und Archiv IBC, Lima). Aus diesem und weiteren Briefen wird deutlich, dass sich Bischof Mendoza in einem Dilemma befand: einerseits konnte er sich eine Zusammenarbeit mit Alois Eichenlaub nicht mehr vorstellen, andererseits fürchtete er mit Recht, dass mit dem Verzicht auf ihn auch der Plan von Misereor und von Speyer, die Diözese Abancay zu einem Pilotprojekt und Zentrum deutscher Hilfe auszubauen, gegenstandslos werden könnte.

(8)  Archiv IBC, Lima. In diesem Brief geht es auch um den weiteren Verbleib dieser ersten deutschen Entwicklungshelferin (siehe unten), denn diese wurde vor die gleichen Schwierigkeiten gestellt. Im Unterschied zu Alois Eichenlaub wollte aber Elsbeth Neumann unter keinen Umständen in Abancay bleiben, weil sie sich von Mendoza getäuscht sah und sich eine Zusammenarbeit mit dem Bischof nicht vorstellen konnte. In dem Brief versucht Dammert zu vermitteln, was die meisten Bischöfe (damals) von ausländischer Hilfe erwarteten. Er wendet sich dabei an eine Mitarbeiterin, weil die damalige Leitung von Misereor - wie er sagte - „die Übersicht verloren hatte“. Der Brief bezieht sich zwar zuerst auf  Elsbeth Neumann, dann erst auf Alois Eichenlaub, wird hier aber referiert, weil er überraschend deutlich auf grundlegende „Missverständnisse“ hinweist und die verschiedenen Positionen deutlich werden lässt. Der Brief ist um so bemerkenswerter, als er überaus modern und zeitgemäß erscheint, d.h. er trifft auch die heutige Situation in Cajamarca (näheres zur Entlassung von Alois Eichenlaub aus Cajamarca s.u.).

(9)  Pressemitteilung im „Konradsblatt“ (Freiburger Diözesanzeitung) am 30.9.2001: „Alcides Mendoza Castro (73), Erzbischof von Cusco in Peru, hat sein 50-jähriges Priesterjubiläum gefeiert. Erzbischof Oskar Saier gratulierte dem peruanischen Oberhirten, der die älteste Diözese Perus seit 43 Jahren leitet und damit der weltweit am längsten amtierende Bischof ist. Oskar Saier dankte dem Jubilar für seine Begleitung der Freiburger Perupartnerschaft und lud ihn gleichzeitig zur Feier des 175-jährigen Bestehens des Erzbistums Freiburg am 1. Mai kommenden Jahres ein“. (In der Pressenotiz ist ein Fehler enthalten, denn Bischof Mendoza wurde erst 1982 Erzbischof von Cusco, er ist aber seit 43 Jahren Bischof: 1958 - 2001).

(10) Gesprächsnotizen 1987, während eines Besuchs in Lima, im Auftrag von Domkapitular Zwingmann, Freiburg. Gespräche u.a. mit dem KGR der deutschen Pfarrei in Lima, sowie den Bischöfen Schmitz und Metzinger. Nach dem Besuch lieferte ich den Bericht in Freiburg, Referat Weltkirche ab.

(11)  Auch zu dem Weggang von Alois Eichenlaub aus Abancay und der ersten deutschen Entwicklungshelferin in Peru, Elsbeth Neumann, gibt es eine Parallele. Sie wurde ebenfalls im Rahmen der schon beschriebenen Pläne in die Diözese Abancay geschickt um dort die Krankenversorgung zu organisieren. Sie blieb auch für 1 Jahr in Abancay, „flüchtete“ dann aber aus Abancay und fand Zuflucht in der Diözese Cajamarca .

(12) In dieser Zusage war natürlich eine Drohung versteckt: falls sich Alois Eichenlaub weigern sollte, auf die Linie des Bischofs einzuschwenken, würde dies zu entsprechenden Interventionen in Speyer führen. Auf nähere Details der „Angebote“ Simóns kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Simón versuchte auch Rudi Eichenlaub für sich zu gewinnen; so wollte er ihn als Koordinator aller deutschen Gruppen gewinnen, die über Rudi Eichenlaub ihm dann direkt zuarbeiten sollten. Außerdem sollte es die Aufgabe von Rudi Eichenlaub werden, die Hilfe der Diözese Hildesheim (vor allem die Bezahlung der Priestergehälter) zu garantieren. Während meines Aufenthaltes 1993 in Cajamarca gab mir der Bischof u.a. die Zusage, freien Zugang zu allen Archiven und sonstigen kirchlichen Stellen in Cajamarca zu gewähren, falls ich die Partnergruppen und Hilfswerke in Deutschland über seine Bereitschaftzum „Dialog“ informieren würde (bei dieser Gelegenheit erzählte er mir auch von den Erwartungen, die er an die Brüder Eichenlaub hatte).

(13)  Am 25. Juli 1995 erschien unter der Überschrift „Ein unvorhergesehener Abschied“ in der Tageszeitung „Clarín“, Cajamarca, ein längeres Interview aus Anlass des Abschiedes von Alois Eichenlaub. U.a. nach den Gründen seines Wegganges gefragt, antwortet Alois Eichenlaub: „Ich selbst habe die Entscheidung getroffen, weg zu gehen, nachdem ich 33 Jahre im Dienste dieser Diözese stand. Die Gründe, nun gut, im Grunde genommen möchte ich nicht gehen. Ich fühle mich hier zu Hause, hier ist der Ort meiner Arbeit, ja meines Lebens und hier habe ich praktisch mein gesamtes priesterliches Leben verbracht. Während der Zeit von Bischof Dammert konnte ich dieses Leben auch realisieren. Es gab immer pastorale Aufgaben, Projekte, Pastoralpläne - speziell mit und für Campesinos - und wir haben an all dem gearbeitet, was die Menschen von Cajamarca wirklich brauchen. Nach dem Bischofswechsel und dem Wechsel in der kirchlichen Politik, war das Arbeitsklima nicht mehr sehr günstig. Ich sehe nicht, dass diese Art von Arbeit, für die ich stehe, in dieser Situation noch gebraucht wird. Ich fühle mich nicht mehr so integriert. Dies tut mir leid, denn im Grunde genommen müssen wir nach der Einheit suchen. Vielleicht konnte ich nicht eine Brücke dieser Einheit sein. Daher ist es besser zu gehen, denn ich möchte weder ein Hindernis noch ein Problem für die kirchliche Hierarchie in Cajamarca sein“.

(14) Alois Eichenlaub: 2. Rundbrief nach Deutschland, 11.11.1962,  Archiv St. Martin Dortmund

(15) Ebd.

(16) Ebd.

(17)  Im Oktober 1978 war ich im Auftrag der Pfarrei Bambamarca für 10 Tage bei Bischof Proaño und seinem Team zu Besuch, um die gegenseitigen Beziehungen (Cajamarca - Riobamba) zu bestärken und Erfahrungen auszutauschen. Während dieser Zeit war auch der damalige Erzbischof von München, Kardinal Ratzinger, zu Besuch in Ekuador, dem „Patenland“ der Erzdiözese München. Bischof Proaño wurde bei diesem Besuch radikal ausgegrenzt. Zu dieser Zeit lief eine üble Kampagne der Diffamierung gegen Bischof Proaño, die von dem damaligen „starken Mann“ der Kirche in Ekuador, dem Erzbischof von Guayaquil angeführt wurde (u.a. ging es sich um den Vorwurf angeblich grober Verfehlungen von Bischof Proaño, vorgebracht ausgerechnet von dem Erzbischof, von dem allgemein bekannt war, in welchem Luxus er lebte und welche Prioritäten er setzte. Der Erzbischof, in enger Absprache mit der damaligen Regierung, organisierte den Besuch von Ratzinger, der entsprechend ausfiel. (Es ist mir nicht bekannt, ob Ratzinger von den Hintergründen wusste, in Riobamba vermutete man dies aber).

(18) 1999 wurde Bischof Dammert in  das Krankenhaus der Schwestern von Stella Maris eingeliefert. Sein Zustand war lebensbedrohlich. Nach zwei Wochen ging es ihm zwar etwas besser, doch er musste das Krankenhaus verlassen, weil die Schwestern nicht bereit waren, den Preis für den Aufenthalt im Krankenhaus zu senken bzw. dem Bischof einen Zahlungsaufschub zu gewähren.

(19) Zu der Situation in der Heimatgemeinde Herxheim im Jahre 2001 siehe einen Artikel im Internet unter der Webadresse www.cajamarca.de. Dieser Gemeindepfarrer, der spätere Dekan und Geistliche Rat Hans Geraldy, war über acht Jahre, von 1953 - 1961, mein Religionslehrer in der damaligen Volksschule Herxheim. Vor meiner Ausreise nach Peru (1977) gab er mir noch seinen Segen (und Geld) für die „Arbeit in der Mission“.

(20)  Alois Eichenlaub, 2. Rundbrief 11.11.1962 (ebenso folgende Zitate auf der Seite). Die Pfarrei „Jesus Obrero“ entwickelte sich seit 1962 zu einer Anlaufstadion in Lima, besonders für deutsche und belgische Mitarbeiter und Besucher. Im Laufe der Jahre wurde ein großes Kurs- und Tagungszentrum vor allem mit Hilfe deutscher Spenden gebaut. Hier hatte dann u.a. auch die JOC (christliche Arbeiterjugend) ihr nationales Zentrum. Die JOC hatte wiederum besonders enge Verbindungen mit der CAJ Freiburg (besonders in den siebziger Jahren). Als 1998 nach einem Heimaturlaub der bis dahin verantwortliche belgische Pfarrer in seine Pfarrei zurückkehrte, fand er u.a. das Kurszentrum verschlossen vor. Die Schlösser waren ausgewechselt worden, das Eingangstor war zusätzlich mit einer schweren Kette gesichert. Dem Pfarrer wurde der Zutritt verboten. Dies geschah auf Anordnung des damaligen Kardinals von Lima, Alzamora. Die belgischen Priester mussten die Pfarrei aufgeben.

(21)  Die folgenden Schwerpunkte (allerdings weniger das Bemühen um eine Reform der Liturgie) waren auch die Schwerpunkte der Arbeit der Diözese und sie ergeben sich in gleicher Weise aus den Anstößen und Vorgaben des Konzils als auch aus den Analysen und Deutungen Bischof Dammerts (siehe Teil 1, Bischof Dammert und seine pastoralsoziale Arbeit).

(22)  Einzelheiten zu diesen Weg weisenden Treffen siehe in Kapitel IV:  Der Pastoralplan Dammerts. Im Unterschied wird an dieser Stelle vom Standpunkt und der Sichtweise der deutschen Mitarbeiter ausgegangen (nicht als Gegensatz, sondern als gegenseitige Ergänzung):

(23)  Alois schließt den Bericht mit einer persönlichen Note: „Bis jetzt wohnte ich hier bei einer sehr gastlichen Familie. Bin aber entschlossen, heute umzuziehen ins bischöfliche Palais, um näher an der Quelle zu sitzen. Der Bi- schof ist einmalig. Er ist der beste in Peru. Er wagt etwas, deshalb ist es angenehm, mit ihm zu arbeiten. Er kennt genau die Richtung der einzelnen Bischöfe, war ja auch Sekretär der Bischofskonferenz. Er versucht jetzt in Cajamarca ein Musterbeispiel zu schaffen, das mit der Hilfe Gottes richtungsweisend sein soll für die Diözesen der Anden - die Situation der Küstendiözesen ist ja völlig verschieden“.

(24)  Die meisten Beschwerde- und Protestbriefe (aus den sechziger Jahren) vieler Pfarrer an Bischof Dammert bezogen sich tatsächlich darauf, dass sie durch die Liturgiereform ihre Rolle als Priester in Frage gestellt sahen. Noch 1988  (Brief  vom 19.  März) schrieb der Pfarrer einer großen Stadtpfarrei  an  Bischof Dammert und beschwerte sich, dass in den Gottesdiensten mit dem Bischof in der Kathedrale „so viel Unordnung herrscht, irgendwelche Leute laufen im Altarraum herum, weltliche Texte werden vorgelesen und es herrscht das Gegenteil einer feierlichen Stille und Andacht“. Archiv IBC, Lima):  Er gab Bischof Dammert die Schuld an diesen „Missständen“, u.a. auch deshalb, weil „der Bischof nicht als Bischof zu erkennen war“ (ohne Mitra., d.h. „ohne Autorität“). Durch dieses schlechte Beispiel würden die Menschen ihren Glauben verlieren - so der Pfarrer.

(25) Alois Eichenlaub, 3. Rundbrief, Fest des Hl. Nikolaus 1963;  Archiv St. Martin Dortmund.

(26)  Weil Alois Eichenlaub derjenige war, der in der Diözese Cajamarca die Ergebnisse des Konzils im Hinblick auf die Liturgie in die Praxis umgesetzt hat, kommt das Anliegen der Liturgiereform an dieser Stelle zur Sprache und nicht in Kap. IV (Pastoralplan Dammert).

(27) Dammert: Hirtenbrief vom 2. Juli 1964 und Hirtenbrief vom 10.8.1964; Archiv IBC, Lima. Alle Hirtenbriefe des Bischofs sind ohne Ausnahmen im Archiv des IBC erhalten.

(28)  Erst der Bischofsversammlung von Medellín 1968 gelang es, mehr eigenständige Schwerpunkte zu setzen und diese auch selbstbewusst zu vertreten. Bischof Dammert war sich zwar im Unterschied zu anderen Bischöfen, die ja mehrheitlich selbst Ausländer waren, schon vorher dieser Problematik bewusst, musste sich aber mangels Alternativen (als vorübergehend gedacht) auf ausländische Priester stützen.

(29) Alois Eichenlaub, Brief vom 2.9.1963, ebenso die folgenden beiden Zitate; Archiv St. Martin Dortmund.

(30)  Bemerkenswert ist auch das „missionarische Selbstverständnis“ von Alois Eichenlaub, nämlich Pionierarbeit in Peru leisten zu dürfen, und seine Bemerkungen über spanische und vor allem nordamerikanische Priester. Vor allem seine Erfahrungen in Abancay bilden dafür den Hintergrund. Unter „kitschigem“ Material ist zu verstehen, dass die bisher weitverbreitete „Methode“ religiöser Unterweisung und Verkündigung vor allem darin bestand, Bilder von den Heiligen und von einem Christus zu verbreiten, der „über den Wolken schwebt“ und der eines Tages wiederkehren wird, um die Menschen zu richten.

(31) Alois Eichenlaub, 4. Rundbrief vom 12.1.1965; Archiv St. Martin Dortmund

(32) Clarín: ein für die Campesinos von Cajamarca typisches und schwer zu spielendes Blasinstrument (etwa 2-3 m lang), das von den Städtern stets als barbarisch und als heidnisches Instrument abgelehnt wurde.

(33) Ebd.

(34) Alois Eichenlaub, Briefe an den Bischof von Speyer; Privatarchiv Alois Eichenlaub. Gerade im Hinblick auf aktuelle Diskussionen um Seelsorgepläne und Seelsorgeeinheiten erscheinen auch diese Briefe an den Bischof sehr aktuell.

(35)  Das Bischofshaus war bis Ende 1992 auch der Sitz von Sonoviso, dem DAS und anderen zentralen Diözesanstellen. Nach dem Bischofswechsel Ende 1992 ist der freie Zutritt zum Bischofshaus nicht mehr möglich. So wurden z.B. die auf der Straße arbeitenden Kinder (Schuhputzer), die bis 1992 einen kleinen Treffpunkt im Bischofshaus hatten, nun mit der Begründung des Hauses verwiesen, ihr Äußeres würde der Würde des Hauses nicht entsprechen.

(36) Alois Eichenlaub, 8. Rundbrief, Februar 1969; Archiv St. Martin Dortmund.

(37)  Gerade diese Mitarbeiter waren psychisch stark gefährdet und sie mussten entsprechend angeschlagen nach Europa zurückkehren. Nähere Einzelheiten können hier nicht aufgeführt werden. Bischof Dammert distanzierte sich von einer solchen radikalen Haltung, er erkannte die gute Absicht an, konnte ihnen aber menschlich keinen Halt oder Rat geben. Sein Motto war: wenn jemand als Ausländer Probleme hat, dann soll er möglichst schnell nach Hause zurück, um den Menschen vor Ort nicht mit seinen eigenen Problemen zusätzlich zur Last zu fallen. Ich selbst war in den ersten Monaten meiner Zeit in Bambamarca der Meinung, nie etwas anderes essen zu dürfen als das tägliche Essen der Campesinos (hauptsächlich Kartoffelsuppe, nur aus Wasser und Kartoffeln). Nach ersten negativen Erfahrungen und einem längeren Gespräch mit dem Bischof leistete ich mir dann den „Luxus“ einer ausgewogeneren Ernährung: Milch, Bananen, Brot etc.. Solidarität heißt nicht, alle miserablen Lebensum- stände wörtlich zu übernehmen (nachzuahmen), die man ja gerade zusammen mit den Armen überwinden will. Dies erwarteten die Campesinos auch nicht von den ausländischen Mitarbeitern, sie spürten aber dennoch sehr wohl, wer sich mit ihnen auf welche Weise solidarisierte und wer nicht.

Diese Solidarität zeigte sich im Verständnis der Campesinos weniger im gleichen Essen (oder Kleidung), sondern darin, ob jemand im Kampf um mehr Gerechtigkeit bereit war, mit ihnen zusammen zu stehen und die eventuell die gleichen Konsequenzen zu erleiden. Trotzdem war es wichtig, z.B. bei Besuchen in den Comunidades, bei gemeinsamen Kursen etc. tat- sächlich dasselbe wie die Campesinos zu essen, auf dem Fußboden zu schlafen etc. Es wäre undenkbar gewesen, die Gastfreundschaft der Campesinos auszuschlagen - von theologisch-pastoralen-pädagogischen Grundsätzen einmal abgesehen. An der Option des pastoralen Mitarbeiters - ob Priester oder Laie - durfte kein Zweifel aufkommen, sonst wäre eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und ein gegenseitiges Lernen nicht möglich gewesen.

(38) Privater Brief, Februar 1963.

(39) Alois Eichenlaub, 3. Rundbrief, 11.11.1963; Archiv St. Martin Dortmund.

(40 - 42) Ebd.

(43) Privater Brief. August 1964, Privatarchiv Alois Eichenlaub.

(44) Alois Eichenlaub, 3. Rundbrief, 11.11.1963; Archiv St. Martin Dortmund (ebenso das vorhergehende Zitat).

(45) Chetilla, eigentlich ein eigener Pfarrsitz, wird bis heute von der Pfarrei San Pedro betreut. Nach Beginn der Partnerschaft zwischen San Pedro und St. Georg, Ulm, im Jahre 1982 konnten noch drei Männer ausfindig gemacht werden, die bereits in den sechziger Jahren Katechetenkurse besucht hatten, aber danach allein auf sich gestellt, es nicht fertig brachten, sich in ihren Comunidades durchzusetzen. Sie wurden von ihrem Pfarrer (Lorenzo Vigo) nicht zur Kenntnis genommen und für eine konstante Betreuung von Cajamarca aus fehlten geschultes Personal und Priester. Im Rahmen der Partnerschaft waren zwei der drei ehemaligen Kursteilnehmer bereit, als Katecheten zu arbeiten, der dritte war inzwischen protestantischer Pastor geworden. Inzwischen gibt es in den Landzonen der Pfarrei San Pedro über 30 ausgebildete Katecheten und ein reges pastorales Leben (siehe dazu die Partnerschaft San Pedro - St. Georg, Ulm). Einzelheiten zu Chetilla auch in dem Abschnitt über Partnerschaften mit Deutschland, hier zwischen Herzogenaurach - Chetilla (im web: www.cajamarca.de).

(46) Alois Eichenlaub, 6. Rundbrief, im Advent 1966; Archiv St. Martin Dortmund.

(47)  Bei Befragungen (1998 im Rahmen der Studie) von Katecheten in den Landzonen von Celendín, neben Bam- bamarca und Cajabamba die größte Pfarrei der Diözese, erinnerten sich noch einige Campesinos an die Arbeit dieser drei Priester. „Vor mehr als 30 Jahren gab es das Beispiel von Padre Vicente Aragón, der aufs Land ging um zu evangelisieren. Den Anstoß gab Padre Vicente Aragón. Das geschah im Jahre 1965. Seine Arbeit bestand darin, dass er uns lehrte als Christ zu leben, sei es auf dem Lande sei es in der Stadt“. Danach wurde diese Arbeit unterbrochen, doch sie kam deshalb nicht ganz zum Erliegen, weil von den Landzonen der Nachbargemeinde Bambamarca aus Katecheten und Priester (durch die „Hintertür“) immer wieder verschiedene Comunidades in Celendín besuchten. Obwohl alle drei Priester entsprechend ihrer Vorbereitung und ihrer Theorie mit den „Armen“ arbeiten wollten und sich (in der theoretischen Theologie) den selben Prioritäten und Optionen verpflichtet fühlten, stellte sich bald heraus, dass zwischen Theorie - einer fortschrittlichen Theologie - und Praxis eine große Kluft bestand. Mit anderen Worten: die jeweiligen Statements, Erklärungen und theoretischen Optionen sind nur glaubhaft (und wirklich und wahr), wenn sie sich sowohl in der Praxis als auch existentiell  bewähren. Da aber viele Theologen  und  Bischöfe gar nicht erst in diese Verlegenheit kommen, dürfen sie sich weiterhin unwidersprochen für glaubwürdig und offen für die Armen wähnen.

(48) Alois Eichenlaub, privater Brief vom 18.8.1965, Privatarchiv Alois Eichenlaub.

(49) René Froment, Rundbrief an französische Freunde, Archiv IBC, Lima.

(50)  René Froment schreibt mir für diese Studie (Brief vom 11.12.1997): „Ich habe Bischof Dammert bewundert, vor allem wegen seiner konsequenten Haltung zu Gunsten der Armen und seiner Treue zum Konzil. Wäre es als Reaktion auf die aktuelle Pastoral des jetzigen Bischofs von Cajamarca nicht sinnvoll, die christliche Presse über diese vorkonziliare Restauration zu informieren und die Bemühungen des aktuellen Bischofs zu denunzieren, alle Bemühungen rückgängig machen zu wollen, die auf pastoralsozialem Gebiet insbesondere von ausländischen Mitarbeitern angestoßen wurden“?

(51)  Alois Eichenlaub, 3. Rundbrief, 11.11.1963; Archiv St. Martin Dortmund

(52)  Privater Brief vom 2.1.1967; Privatarchiv Alois Eichenlaub

(53) Privater Brief vom 27.1.1964; Privatarchiv Alois Eichenlaub