Gemeinsame Delegationsreise der Kirchen zum Weltklimagipfel in Paris, am 5./6. Dezember 2015.

Die ökumenische Delegation der Kirchen von Baden-Württemberg und dem Elsass bestand aus je 5-6 Vertreter*innen der badischen und württembergischen Landeskirche, den beiden Diözesen Freiburg und Rottenburg-Stuttgart, sowie einer Delegation aus dem Elsass. Dafür gab es Vorbesprechungen und wir fuhren ab Straßburg in einem reservierten Waggon nach Paris. Ich wurde gebeten, im Sonntagsgottesdienst in der deutschen kath. Kirchengemeinde in Paris die Predigt zu halten, wenn möglich mit Impulsen von „Laudato si“. Der kath. „Teil“ der Delegation wurde von der kath. Gemeinde eingeladen, der ev. „Teil“ von der ev. Kirchengemeinde in Paris.

Predigt mit einem Impuls zu Laudato sí (in Stichworten)

1) Bisher einmalig: 98% der Weltbevölkerung einigen sich auf einen gemeinsamen Entwurf bzw. auf einen Klimabericht. Stichworte: Dekarbonisierung - 1,5 Grad? - Klimaschäden (Haftung, Finanzierung)

Vorgeschichte: UN-Generalsekretär U Tant: Tag der Erde 1969, ohne Echo in EU – dann 1972 Club of Rome – Ökologiebewegung – Kairos (1989 Basel) > Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.

2) Zur Papstenzyklika: Generelle Einschätzung aus der Perspektive der (Basis-) Kirchen des Südens:

  • Geistig-moralische, kulturelle Wende – andere Kosmovision – globale Zusammenschau aller Probleme
  • Weder nur grün, sozial, ökologisch, ökonomisch, sondern zutiefst spirituell-theologisch – Neuer Geist!
  • Abkehr von einer europäischen Kirche (griechisch-römisch) und von griechischer Philosophie und röm. Recht (absoluter Vorrang des Privateigentums) zu einer katholischen Kirche

Europäische Kosmovision als Sonderweg der Weltgeschichte: Trennungen, Abspaltungen, Zerrissenheit des menschlichen Seins und seiner Ganzheit (Ratio, materiell, irdisch, körperlich, Seele, Mann-Frau, etc.)

> Natur, deren Güter werden zum bloßen Objekt, zum (feindlichen) Gegenüber, muss beherrscht werden. Damit auch: der Nächste wird zum Gegenüber, zum Objekt, zum Konkurrenten, muss besiegt werden (Turmbau zu Babel) > Zitat des Papstes. Dagegen andine Kosmovision: Gott hat die Erde uns allen geliehen, alle Güter für alle, Relationalität.

3) Konzil: Arme Kirche (Abbild des Gekreuzigten, der sich hingab und entäußerte um der Nächsten willen > Gott begegnen und erfahren im gekreuzigten Nächsten.

1968 in Medellín (Weiterführung des Konzils, ausgehend von der Situation in Lateinamerika): Schrei der Hungernden nach Brot und Gerechtigkeit, als der Ruf Gottes an uns heute: Strukturen der Sünde (z.B. in Landbesitz und Agrarpolitik heute) > Systematischer Ausschluss, Hunger ist gemacht – Götzendienst – Ursünde (mehr sein und haben wollen als der Nächste, „Ich an Gottes Stelle"

4) Umkehr: neue Perspektive (Geburt Jesu – Menschwerdung – neue Prioritäten): Leben in Fülle für alle, das Zeichen dafür: Die Eucharistie, reales Zeichen der Gegenwart der neuen Zeit unserer Mitte; Brotteilen (alle satt) als Zeichen der Vorwegnahme des Reich Gottes.


Begegnungen – Stichworte (Samstag, 5. 12.))

Berichte von Klimazeugen aus den Philippinnen und von Vertreter von NGO (vor allem Brot für die Welt):

Z.B. Merkel sagt: Dekarbonisierung bis 2100 und Obama: Saubere Energien, z.B. Atomenergie; insgesamt bisher sehr enttäuschend, vor allem auch im Blick auf die ärmsten Länder; Merkel könnte Messlatte höher legen, tut es aber nicht. EU verhandelt aus Rücksicht auf USA (um diese mit ins Boot zu nehmen), USA im Bündnis mit China verhandelt alles herunter (minimalste Standards), Saudis zählen sich zu Länder des Südens, EU sehr schwach, vor allem Polen blockiert (auch andere Ostländer), Deutschland stützt USA; ärmste Länder fordern mehr Unterstützung für Umsiedlungen, Schutzmaßnahmen, Fluchtvermeidung – aber ohne Echo. USA fordern Blankoscheck, dass nie Entschädigungen (Klimaschäden)  verlangt werden können.

Samstag wurde Vertragsentwurf offiziell übergeben, Bewegung von 2 zu 1,5 Grad; Frage der Finanzierung bleibt offen (100 Milliarden jährlich nötig), einer der Hauptstreitpunkte: wer, wie und für was Entschädigungen?  Pavlovic, europäische Bischofskonferenz in Brüssel: Große Frage der Transformation (aber nur bei Energie); Zum 1. Mal: es geht nicht nur um Klima, sondern um die Zukunft der Welt. Es ging auch um Fragen der Religion, Ethik, Glaube (Laudato si wurde mehrmals erwähnt) – aber politisch keine Bereitschaft, über die Große Transformation sprechen zu wollen; Klimaveränderung ist nicht nur ein Umweltthema, sondern eine moralische Herausforderung. Forderung der NGO: Totale Dekarbonisierung bis 2050 und alle Klimaberichte der Länder nach den gleichen Kriterien

Meine 1. Frage: Wurde auch die Frage gestellt, ob die genannten Klimaziele innerhalb der real existierenden globalen Wirtschaftsordnung überhaupt je erreicht werden können (d. h. ohne dieses System grundsätzlich in Frage zu stellen? Der Klimarat und fast alle NGO gehen noch von einem weiter notwendigen Wachstum aus, nur so sind bestimmte Ziele zu erreichen (weil nur so finanzierbar).

Meine 2. Frage: Spielte ÖRK – z.B. Erklärungen von Busan eine Rolle? Wurde die Enzyklika des Papstes wirklich verstanden, oder nur als Alibi benutzt? Sollen die Opfer auch noch die Zeche bezahlen („Gürtel enger schnallen“, auch die Armen bei uns)?

Insgesamt: Klimawandel zu isoliert im Mittelpunkt, fast alle reduzierte sich auf die CO2-Frage – und diese könnte man technologisch in Griff bekommen, ist beherrschbar und machbar > Machbarkeitswahn, wir haben alles im Griff....