Wegen ihres ehemaligen Bischofs eignet sich die Diözese Cajamarca in hervorragender Weise für eine exemplarische Darstellung des kirchlichen Aufbruchs in Lateinamerika in den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Dies bezieht sich zum einen auf die Person des Bischofs selbst. Vor allem aber meint es die Campesinos, die in der Folge einer von Dammert und seinen Mitarbeitern ausgehenden Evangelisierung sich als „Kinder Gottes“ (wie sie es ausdrücken) mit einer einzigartigen Würde und unveräußerlichen Rechten entdeckt haben.

Die Diözese Cajamarca besitzt internationales Ansehen. Die Arbeit der Diözese Cajamarca wurde auch in Deutschland bekannt, Werke aus Cajamarca in Deutschland übersetzt (z.B. Vamos Caminando). Die Sozialpastoral und die Kirche in Cajamarca gilt zusammen mit der in Recife (Helder Camara) und Riobamba (Leonidas Proaño) als Modell einer einheimischen Kirche auf der Seite der Armen. Der peruanische Kirchenhistoriker Jeffrey Klaiber bezeichnet die sozialpastorale Arbeit in der Diözese Cajamarca als das beste Beispiel in Peru für die Umsetzung der Beschlüsse und vor allem des Geistes des Zweiten Vatikanischen Konzils. (Klaiber, Jeffrey: La Iglesia en el Perú; Lima : PUC, 1988, S. 356. Nicht zuletzt gewinnt das Beispiel „Cajamarca“ durch die Tätigkeiten der profitabelsten Goldmine der Welt in Cajamarca eine zusätzliche globale Bedeutung.  Als charakteristisches Merkmal der Erneuerungen des Konzils gilt in der Interpretation der Campesinos die Umgestaltung der Kirche in das Volk Gottes, das sich im Kontext von Geschichte und Gegenwart auf dem Weg zu einer integralen Erlösung und Befreiung befindet.

Die Bedeutung von Cajamarca geht noch über das bisher Gesagte hinaus. Wie in einem Brennglas zeigen sich an diesem einen Ort Probleme und Chancen der „Einen Welt“. Die Region Cajamarca ist nicht nur eine der ärmsten Zonen Lateinamerikas, sondern sie war auch Schauplatz der ersten Konfrontation zwischen Europa und Südamerika, zwischen Christentum und andiner Kultur. Cajamarca ist ein Ort der Weltgeschichte. Hier kam es zu dem gewalt- samen Zusammenstoß zweier Kulturen, die zur Zerstörung der einen und zum Sieg der anderen Kultur und Religion führte. Die Europäer kamen des Goldes wegen nach Cajamarca und „das Gold von Cajamarca“ bestimmt heute wieder das Schicksal der Menschen von Cajamarca - zu deren Unheil und zum „Heil“ der geistigen Nachfahren der damaligen Eroberer. Cajamarca wird so zu einem symbolischen Ort, in dem sich zeigen lässt, was die Eroberung im 16. Jahrhundert mit der Situation von heute zu tun hat.

Cajamarca steht exemplarisch für eine Globalisierung, die mit der europäischen Weltherrschaft zu Beginn der Neuzeit begann und sich heute konkurrenzlos auf ihrem Höhepunkt befindet, mit den USA als den Erben der Europäer. Die Auswirkungen dieser Weltherrschaft lassen sich bis heute konkretisieren. Deutsche Partnergruppen sehen sich in ihrer Partnerschaftsarbeit direkt damit konfrontiert.

Am Beispiel Cajamarcas lassen sich wiederum die entsprechenden Reaktionen auf eine Praxis der Befreiung sowohl vor Ort, als auch national und international, ebenso die Reaktion Roms im Zusammenwirken mit dem damaligen Freien Westen, aufzeigen. So gerieten nicht nur Bischof Dammert und einige seiner Mitarbeiter ins Blickfeld der römischen Kurie, sondern auch Publikationen der Campesinos, in denen sie ihren Glauben bezeugen, wurden als Beleg für Marxismus und Gewalt gedeutet (so von Kardinal Ratzinger 1979). Es lässt sich auch exemplarisch zeigen, wie z.B. die akademische und politische Auseinandersetzung über die Theologie der Befreiung sowohl zum Vorwand theoretischer Diskussionen in Europa wurde als auch zum Vorwand, um alle sozialen Bewegungen als Terrorismus und Kommunis- mus und kirchlich als Häresie zu diffamieren - mit den entsprechenden Konsequenzen für die Armen und ohne diese authentisch zu Wort kommen zu lassen oder sie zu hören.

Die Pfarrei Bambamarca ist die größte Pfarrei der Diözese und in ihr leben fast ausschließlich Campesinos (über 90% der Bevölkerung). Sie nimmt in den Plänen von Bischof Dammert und danach konsequenterweise auch seines Nachfolgers eine Schlüsselstellung ein. Am Beispiel der Region und Diözese Cajamarca wird in kleinem Maßstab sichtbar, wie wirtschaftliche, politische und kirchliche Abhängigkeiten und Strukturen weltweit funktionieren. Am Beispiel von Bambamarca lässt sich zeigen, wie bis „in die letzten Winkel“ unserer Erde hinein, diese Strukturen das Leben und das Schicksal der Menschen scheinbar wie ein Naturgesetz bestimmen.

Umgekehrt lässt sich in herausragender Weise mit dem Beispiel der Campesinos von Bambamarca zeigen, wie angesichts dieser Strukturen Menschen ihren Glauben an Jesus Christus neu entdecken, diese Strukturen als den Tod bringend entlarven und sich daher auf den Weg machen, diese zu überwinden und der Welt eine Alternative aufzeigen. Daher werden die Erfahrungen der Campesinos von Bambamarca im Mittelpunkt stehen. (Antoncich, Ricardo SJ, Peru: Diagnose der Lage Lateinamerikas und der Ort der Kirche in diesem Gesamtbild. In: Geschenk der Armen an die Reichen, Goss-Mayr, Hildegard (Hrsg.), Wien: Europaverlag, 1979, S. 56. „Das Makrosystem von Zentrum und Peripherie wiederholt sich in gleicher Weise als Mikrosystem im Innern eines jeden Landes. Die Verbindungen ... gründen auf dem gemeinsamen Interesse auf dem Weltmarkt, den gleichen Grundentscheidungen im politischen Bereich, demselben Lebensstil und den denselben Wert- und Kulturvorstellungen. ... Die Kritik, die an der Abhängigkeitstheorie geübt wird, bezieht sich vor allem auf ihren allgemeinen und globalisierenden Charakter“. Das Zitat habe ich aus folgenden Gründen gewählt: es ist typisch für die Diskussion in den 70er Jahren in Peru; in dem Zitat wird als Kritik an der Dependenztheorie genannt, dass diese „globalisierenden Charakter“ hat - genau dies ist aber heute angesagt und das Zitat ist eine präzise und aktuelle Beschreibung von Globalisierung. Die Kritik an der Dependenztheorie, sie würde alles nur monokausal erklären (u.a.) und die hausgemachten Probleme der armen Länder verschweigen wollen, trifft auf G. Gutiérrez und Bischof Dammert, die wiederholt ähnliche Aussagen wie im Zitat machten, nicht zu. Gerade in der aktuellen Diskussion um die Globalisierung werden wichtige Erkenntnisse der Dependenztheorie neu zu entdecken sein und müssen weiter entwickelt werden. Auch hier geht es nicht um eine Theorie oder Methode als solche, sondern darum, ausgehend von den Betroffenen Hilfswerkzeuge zu entwickeln, um Existenz bedrohende Prozesse besser verstehen zu können. Besonders die Kirche als weltweite Gemeinschaft der Jünger Jesu steht hier in der Pflicht.

So wie Cajamarca für den Teil der Welt steht, der europäische und christliche Eroberung und Herrschaft erleiden musste, so stehen auch die Erfahrungen der Campesinos von Bambamarca stellvertretend für alle Ausgestoßenen dieser Welt. In der Folge wird daher des Öfteren von den „Indios dieser Welt“ die Rede sein, die ich entsprechend dem Selbstverständnis der Campesinos gelegentlich auch als die „Hirten von Bethlehem“ bezeichne.

„Diejenigen, die am meisten verachtet werden, die Hirten von Bethlehem und von den Anden, sind die Ersten, die die Botschaft von einem Neuen Himmel und einer Neuen Erde hören. In der finsteren Nacht einer langen Geschichte öffnet sich plötzlich der Himmel und steigt zur Erde hinab, das Licht dringt in die Herzen der Menschen ein und es zeigt ihnen den Weg. Sie folgen dem Stern und sie gelangen zu einer Hütte, und dort entdecken sie in einer Krippe ihren Retter und Befreier - während die Weisen von Jerusalem und die Mächtigen von Rom und deren Statthalter weder diese Botschaft hören noch den Stern sehen können, weil sich selbst für das Licht halten“.