Partnerschaft St. Georg - San Pedro: Krise überwunden
I. Gemeindebrief Juni 1995)
Willi Knecht: Vor 2 ½ Jahren geriet die Partnerschaft mit San Pedro in eine Krise. Pfarrer Lorenzo Vigo umgab sich mit Menschen, die die Probleme der Mütterklubs und der Campesinos nicht mehr verstanden. Dazu kam ein Bischofswechsel und mit ihm eine neue Kirchenpolitik, so z.B. keine Verantwortung mehr für Laien, Ausgrenzung von Frauen, Pastoralarbeit nur noch mit Reichen u.v.m. Unsere Partner, die Campesinogemeinschaften und Mütterklubs, verloren völlig das Vertrauen in die Pfarrleitung, sie wurden buchstäblich vor die Tür gesetzt.
Trotzdem rissen die Kontakte zu uns nie ab. Wir konnten ihnen Mut machen und auch helfen. Nach langen Diskussionen kamen wir zur Einsicht, dass die Campesinogemeinschaften, Mütterklubs und alle Bedürftigen in San Pedro nicht nur unsere eigentlichen Partner waren und sein werden, sondern dass sie letztlich die Gemeinde San Pedro sind. So entschlossen wir uns zu Beginn dieses Jahres, diese unsere Partner und Partnerorganisationen direkt zu unterstützen. Seither blühen das pastorale und soziale Leben in San Pedro wieder auf. Viele neue Ideen und Projekte entstehen.
Als ein Beispiel ein Brief von Katecheten aus acht Campesinogemeinschaften. Wir bitten Sie, den folgenden Aufruf mit Gebet und Spenden verstärkt zu unterstützen. Unsere Partner geben uns ein Beispiel dafür, dass wahrer Glaube sich nicht klein kriegen lässt, sondern sogar Berge versetzen kann! „Liebe Brüder und Schwestern in Christus: Empfangt Grüße und herzliche Umarmungen von den vereinigten Gemeinschaften vom Cumbe San Pedro de Cajamarca. Wir wünsche, dass ihr euch körperlich und seelisch guter Gesundheit erfreut. Wir haben heute unsere Versammlung, wir sind 16 Personen, die 8 Gemeinschaften vertreten.
Gestern, am Samstag, dem 27.Mai, haben wir 3.000 kg Saatkartoffen erhalten, weitere 3.000 kg werden wir am Samstag, dem 17 Juni bekommen. Es fehlen dann noch 2.000 kg, um unseren dringenden Bedarf zu decken. Wir legen Fotos von der Verteilung des Saatgutes bei. Wir sind sehr bekümmert über den neuen Bischof. Für ihn zählen die Campesinos nicht. Weder wir noch die Mütterklubs waren bei seiner Amtsübernahme vertreten. Er ist ein Bischof der Reichen, nicht der Armen. Aber wir haben begriffen: die Kirche, das sind nicht nur die Priester, sondern auch wir, die Campesinos und besonders auch die Katecheten. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, um Christus als Jünger zu folgen.
Unsere Kartoffeln, die wir erhalten, kommen auf den gemeinschaftlichen Acker jeder einzelnen Gemeinschaft. An euch richten wir die Bitte: Ihr habt uns Geld für das Saatgut geschickt. Könnt ihr uns auch bei den benötigten Pflanzenschutzmitteln helfen? Wir hoffen auf eure baldige Antwort und verbleiben mit guten Wünschen. Gott segne Euch!“ Unterschriften der Campesinos: Siehe weitere Infos...
II: Infos zum Perusonntag (Predigt) am 12. 11. 1995 (wie üblich in allen Gottesdiensten)
Unsere Partnerschaft mit San Pedro erlebt zur Zeit einen zweiten Frühling. Seit Beginn des Jahres bekommen wir zunehmend bessere Nachrichten aus San Pedro. Vorher allerdings, in den Jahren 1993 und 1994, erlebte die Partnerschaft ein Tief. Das hatte verschiedene Gründe: Zum Einen scharte Pfarrer Lorenzo Vigo Leute um sich, die die Bedürfnisse der Campesinos und Mütterklubs nicht verstanden bzw. nicht verstehen wollten. Viele Katecheten und Vertreterinnen der Mütterklubs wurden buchstäblich aus der Pfarrei vertrieben. Glücklicherweise haben sie inzwischen in einer Nachbarpfarrei, die gut mit uns zusammen arbeitet, eine Aufnahme gefunden.
Pfarrer Lorenzo Vigo selbst ist alt und krank geworden. Der Pfarrgemeinderat hat sich aufgelöst. Zum anderen veränderte sich in der gesamten Diözese schlagartig das Klima - von daher sind auch die Veränderungen in San Pedro selbst besser zu verstehen. Ein neuer Bischof zog ein, der fast genau das Gegenteil von dem tut, was seinem Vorgänger, Bischof Dammert, bei uns allen wohl bekannt, wichtig war. Er setzte z.B. alle verantwortlichen Laien ab, die Priester müssen sich auf das Messe lesen und die Verwaltung der Sakramente beschränken, das sie dann auch für viel Geld tun. Und wie uns die Campesinos schreiben, ist ihm das Schicksal der Armen egal. Er ist ein Bischof der Reichen. Ein eisiger Wind weht durch die Diözese Cajamarca.
Bei dem Partnerschaftstreffen im August in Ulm zeigte sich, dass auch andere Kirchengemeinden, die eine Partnerschaft in der Diözese Cajamarca haben, vor gleichen Problemen stehen. In dieser Situation gelang es uns, den Kontakt zu den einzelnen Gruppen von San Pedro, vor allem mit den Campesinos und den Mütterklubs, aufrechtzuerhalten. Langsam kamen wir zu der Überzeugung, dass unsere Partnerschaft nicht von einem einzelnen Pfarrer oder vom Bischof abhängig sein darf. Sondern wir fragten uns: „Wer sind denn unsere eigentlichen Partner? Es sind die, die am meisten Hilfe und Beistand brauchen, die unzähligen Mütter und Campesinos, die nicht wissen, was sie am nächsten Tag ihren Kindern zu essen geben sollen. Sie waren unsere Partner, sie sind es und sie werden es bleiben!
Wir schrieben nun diesen unseren Freunden und Partnern, dass sie uns direkt schreiben und uns auch mitteilen sollten, welche Bedürfnisse sie haben, was sie brauchen und was sie vorhaben. Wir teilten ihnen mit, dass wir nun auch ohne den offiziellen Weg über die Pfarrei und direkt mit ihnen, die Partnerschaft vertiefen wollen. Auf diese Nachricht hin versammelten sich in San Pedro spontan die Menschen und dankten Gott.
Auch das Geld konnten wir nun direkt an die einzelnen Gruppen schicken. Frau Olivia Velarde und Christa Stark, zwei absolute Vertrauenspersonen, helfen uns dabei und garantieren, dass alles klappt. Seither hat sich einiges getan: Die Mütterklubs vereinigten sich und wählten eine gemeinsame Führung, mit Schatzmeisterin, Schriftführerin usw. Sie treffen sich nun wieder regelmäßig einmal pro Woche und zusätzlich treffen sich die Verantwortlichen der einzelnen Gruppen jeden Donnerstag bei Olivia Velarde. Ihre gemeinsamen Arbeiten nehmen einen neuen Aufschwung, Kurse für Alphabetisation, Gesundheits- und Ernährungskunde und selbstverständlich biblische und religiöse Weiterbildung stehen auf dem Programm.
Auch die Campesinos gründeten eine Art Genossenschaft. Acht Campesinogemeinschaften schlossen sich zusammen und wählten ihre Vertreter. Diese kaufen nun z.B. Saatgut zusammen ein, organisieren Weiterbildung etc. Nun planen sie den Aufbau von Lehrwerkstätten für Schreinerei und Schmiedehandwerk eine sehr zukunftsträchtige Perspektive mit Hand und Fuß. Beraten werden sie dabei u.a. von Hans Hillenbrand, einem engen Vertrauten von Altbischof José Dammert.
Um all dies in Gang setzen zu können brauchen sie aber Geld. Nachdem in den letzten Jahren aus verständlichen Gründen die Spendenbereitschaft in St. Georg zurückging, brauchen wir wieder einen neuen Anstoß. Bei dieser Gelegenheit möchten wir uns bei allen bedanken, die uns in eher frostigen Zeiten die Treue hielten. Durch Ihre Hilfe konnten wir unsere Partner über Wasser halten. Und so können wir nun wieder mit neuen Kräften beginnen. Wir bitten Sie, diesen Neuaufbruch kräftig zu unterstützen.
Es ist für unsere Partner ungeheuer wichtig, zu erfahren, dass sie sich selbst organisieren können und vor allem zu erfahren, dass wir als Gemeinde St. Georg und als Kirche, die wir sind, sie nicht im Stich lassen - wo sie doch so schlechte Erfahrungen mit ihrer eigenen Kircheleitung gemacht haben. Wir bekamen noch nie so viele Briefe von Müttern und Campesinos wie in den letzten Monaten! Vielleicht beginnt auch bei uns hier ein Neubeginn. Lassen wir uns doch anstecken vom Feuer und der Begeisterung unserer Partner!
Zwei Ihnen bekannte Vorhaben gingen unterdessen unbehelligt weiter: die Kindergärten von Urubamba und San Vicente, sowie die gesamte Frauenarbeit in San Vicente. Denn beide Projekte liefen stets unabhängig von der Pfarrei. Sie stehen u.a. unter der sehr guten Leitung von Schwester Laura Alcalde. Zur Veranschaulichung möchten wir Ihnen aus drei Briefen an die unsere Gemeinde vorlesen:
Brief der gewählten Vertreterinnen von sechs Mütterklubs:
„Geschätzte Brüder und Schwestern! Wir sind hier versammelt im Haus von Frau Olivia, 27 Mütter als Vertreterinnen der 6 Mütterklubs Urubamba, Delta, Chaullacocha, Alto Hualanga, Hualanga und Túpac Amaru. Wir versammeln uns jeden Donnerstag und wir beten für euch und so sind wir trotz der Entfernung vereint im Gebet! Am 30. August haben sich 150 Mütter aus den 6 Klubs versammelt, um zu beten und um uns gegenseitig über unsere Arbeiten zu informieren und um diese Arbeiten auch auszustellen. Es handelt sich um Stricksachen, Schnitt, Nähen, Häkeln, Konfektion und Design. Nach einem gemeinschaftlichen Essen, das diesmal der Klub Delta vorbereit hat, tanzten wir.
Die Armen wissen zu arbeiten und sich zu freuen. Die Nahrungsmittel werden weiterhin an die 6 Klubs verteilt. Das Geld dafür erhält unsere Schatzmeisterin Angelika und den Einkauf machen die 6 Präsidentinnen der Klubs gemeinsam. Wir arbeiten weiter entsprechend unserem Haushaltsplan und den uns selbst gestellten Aufgaben und Vorhaben. Das Kapital, das wir in unsere Arbeiten stecken, bekommen wir zurück, indem wir Handarbeiten verkaufen. Von dem Erlös kaufen wir uns dann neue Materialien. Jede Gruppe hat ihre eigene Haushaltsführung und Abrechnung. Jedes Mal, wenn wir wieder etwas Geld aus Ulm bekommen, danken wir Gott dafür. Alle Mütter schicken Ihnen der Hoffnung und in der Liebe.“
Aus zwei Briefen der Campesinogemeinschaften von San Pedro:
„Geschätzte Brüder und Schwestern! (vom 28. 08. 1995) "Wir sind gerade auf unserer monatlichen Weiterbildung und nützen die Gelegenheit, Ihnen unsere besten Segenswünsche zu schicken. Wir möchten mit Ihnen unsere Erfahrungen und Vorhaben teilen. Wir haben erfahren, dass die 2.000 Dollar angekommen sind, die wir für den Kauf von Pflanzenschutzmitteln und Medikamenten brauchen. Inzwischen haben wir einen sehr wichtigen Beschluss gefasst: Wir haben eine Organisation (Genossenschaft) gegründet mit dem Namen ‚Comunidades del Cumbe’. Dafür haben wir auch ein eigenes Konto eröffnet. Wir brauchen noch etwas Geld, um einige Matratzen kaufen zu können für die Herberge in San Vicente. Dort wollen wir ja die Werkstätten einrichten für Schreinerei und Schmiede, damit wir dies erlernen können.
Wir sind 17 Verantwortliche aus 8 Gemeinden. Jeden Monat versammeln wir uns am Wochenende, um die Bibel zu teilen und uns auch in Landwirtschaft weiterzubilden. Morgen werden wir die Agrarmesse besuchen, was uns sicher viele Anregungen geben wird. Das nächste Mal wollen wir Ihnen die genauen Details und Regeln der gemeinsamen Werkstätten schicken. Gott beschütze Euch alle und die Partnerschaft. Danke, dass Ihr uns Mut gemacht habt, uns selbst zu organisieren“.
„Geschätzte Brüder und Schwestern! (01. 10. 1995)
Von unser Versammlung am 30.9 und 1. Oktober möchten wir Sie herzlich grüßen und Ihnen versprechen, dass wir weiterhin im Weinberg Gottes gegen Hunger und Armut arbeiten werden. Wir haben beschlossen, dass die Schreinerwerkstatt am 16. Oktober eröffnet wird. Wir arbeiten dabei mit Frau Christa Stark zusammen. Die Unterkunft wird in San Vicente sein. Die Schmiedewerkstatt wird dann im nächsten Monat eröffnet werden. Die erste Stufe wird die notwendige Errichtung der Werkstätten sein, die zweite Stufe dann die Ausbildung in den Werkstätten und die dritte Stufe die Produktion. Frau Olivia hat uns berichtet, dass wieder 2.000 Dollar angekommen sind. Das ermöglicht uns, mit dem Begonnenen fortzufahren.
Die Aussaat der Kartoffeln werden wir ab sofort beginnen, denn die Regenzeit hat sich schon mit ersten Regenfällen angekündigt. Wir haben insgesamt 7.500 kg Saatkartoffel für alle gekauft. Wir erwarten Ihre Antwort und bitten um den Segen Gottes für uns und für Sie in Ulm. Nach dem Gottesdienst um 10.30 findet das übliche Mittagessen bei Perusonntagen statt. Direkt nach dem Essen ist ein Diavortrag mit anschließenden Erläuterungen und Kaffee eingeplant.
Freunde aus Tettnang, die vor kurzem in ihrer Partnergemeinde in Cajamarca waren, berichten über die größten Goldabbaustätten in ganz Lateinamerika, die seit kurzem in Cajamarca ausgebeutet werden. Aber unsere Partner, die ganz große Mehrheit der Menschen und besonders die Armen, werden von all dem - wie gewohnt - nichts abbekommen. Im Gegenteil: Sie werden von ihrem Land vertrieben, ihr Wasser wird verseucht und die ausländischen Betreiber werden den Gewinn allein für sich ins Ausland transferieren. Ungeheure sozialen Umwälzungen zum Nachteil vieler und zum Vorteil von ganz Wenigen drohen in Cajamarca."
Darüber und über Projekte und Briefe aus San Pedro erfahren Sie mehr im Gemeindesaal. Sie sind herzlich eingeladen. Sich informieren, offen sein, ist schon ein erster Schritt und ein Zeichen von lebendigem Glauben. Willi Knecht