Die Bischöfe des Nordosten Brasiliens schreiben in einem gemeinsamen Hirtenwort: „Das Elend in Lateinamerika ist die direkte Folge des allein am Kapital und dessen Vermehrung bestehenden Herrschaftssystems. So sind auch die in Brasilien herrschenden Sozial- und Wirtschaftsstrukturen auf Unterdrückung und Ungerechtigkeit errichtet, die aus einer Situation des von den großen internationalen Marktzentren abhängigen Kapitalismus hervorgehen. Innerhalb unseres Landes bemühen sich kleine Minderheiten, Komplizen des internationalen Kapitalismus, mit allen möglichen Mitteln ihm zu dienen, um eine für sie günstige Position zu bewahren. So entstand ein unmenschlicher Zustand, der sicherlich nicht christlich ist“. Und die peruanischen Bischöfe schreiben: „Wir teilen mit den Nationen der Dritten Welt das Schicksal, Opfer von Systemen zu sein, die unsere wirtschaftlichen Reichtümer ausbeuten, unsere politischen Entscheidungen kontrollieren und uns die kulturelle Vorherrschaft ihrer Werte und ihre Konsumzivilisation aufdrängen. Diese von den lateinamerikanischen Bischöfen in Medellín angeprangerte Situation bleibt bestehen und festigt sich aufgrund der internen Struktur unserer Länder, einer Struktur der wachsenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ungleichheit und der politischen Perversion, die nicht dem Wohle aller, sondern einiger weniger dient“.

Dokument der Bischöfe Nordostbrasiliens, Mai 1973, in: Katholizismus in Lateinamerika, Wien, S. 27  und Erklärung des peruanischen Episkopats 1971; a.a.O., S. 30

Stimmen aus Lateinamerika - historisch und aktueller Kontext

A) 1968 - 1980       

Medellín: Kap. 1, Gerechtigkeit: 

Über die Situation des lateinamerikanischen Menschen gibt es viele Studien. In allen wird das Elend beschrieben, das viele Menschen in die Randzonen des Gemeinschaftslebens drängt. Dieses Elend als Massenerscheinung ist eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit.

Die lateinamerikanische Kirche hat eine Botschaft für alle Menschen, die in diesem Kontinent „Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit“ haben. Derselbe Gott, der den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis schafft, hat die „Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter allen zustattenkommen“.

Wir möchten unterstreichen, dass die Hauptschuldigen der wirtschaftlichen Abhängigkeit unserer Länder jene Kräfte sind, die, angetrieben von einem hemmungslosen Gewinnstreben, zu einer wirtschaftlichen Diktatur und zum „internationalen Geldimperialismus“ führen, den schon Pius XI. in „Quadragesimo anno“ (1931) und Paul VI. in „Populorum progressio“ (1967) verurteilten. Wir klagen hier den Imperialismus jedweder Prägung an, der in Lateinamerika in indirekter Form bis hin zu direkten Interventionen ausgeübt wird.

(II. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats in Medellín, 24.08 – 06.09.1968, Adveniat, Doku/Projekte 1-3)

Die Bischöfe des Nordosten Brasiliens schreiben in einem gemeinsamen Hirtenwort: „Das Elend in Lateinamerika ist die direkte Folge des allein am Kapital und dessen Vermehrung bestehenden Herrschaftssystems. So sind auch die in Brasilien herrschenden Sozial- und Wirtschaftsstrukturen auf Unterdrückung und Ungerechtigkeit errichtet, die aus einer Situation des von den großen internationalen Marktzentren abhängigen Kapitalismus hervorgehen. Innerhalb unseres Landes bemühen sich kleine Minderheiten, Komplizen des internationalen Kapitalismus, mit allen möglichen Mitteln ihm zu dienen, um eine für sie günstige Position zu bewahren. So entstand ein unmenschlicher Zustand, der sicherlich nicht christlich ist“. Und die peruanischen Bischöfe schreiben: „Wir teilen mit den Nationen der Dritten Welt das Schicksal, Opfer von Systemen zu sein, die unsere wirtschaftlichen Reichtümer ausbeuten, unsere politischen Entscheidungen kontrollieren und uns die kulturelle Vorherrschaft ihrer Werte und ihre Konsumzivilisation aufdrängen. Diese von den lateinamerikanischen Bischöfen in Medellín angeprangerte Situation bleibt bestehen und festigt sich aufgrund der internen Struktur unserer Länder, einer Struktur der wachsenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ungleichheit und der politischen Perversion, die nicht dem Wohle aller, sondern einiger weniger dient“.

Dokument der Bischöfe Nordostbrasiliens, Mai 1973, in: Katholizismus in Lateinamerika, Wien, S. 27 ; Erklärung des peruanischen Episkopats 1971; a.a.O., S. 30

Paulo Suess, als Generalsekretär des brasilianischen Indianermissionsrats (CIMI), in einem Interview 1979: 

„Es ist ein großes Geschenk für die Kirche, mit den Indianern leben und arbeiten zu dürfen. Unseren zukünftigen Weg, den wir die ‚Utopie‘ einer geschwisterlichen Gesellschaft nennen, sehen wir unter den Indianern schon weitgehend verwirklicht. Eine solche Gesellschaft ist nur da möglich, wo Grund und Boden gemeinsam genutzt werden, wo die Produktionsmittel nicht von einzelnen willkürlich und nach Kraft ihrer Muskeln angeeignet werden und wo Not und Überfluss gemeinsam geteilt werden.  Das erleben wir unter Indianern. Da gibt es keine großen Mauern, die den einen von dem anderen trennen. Da sehen wir so etwas wie Gemeinschaft, wie eine geschwisterliche Gesellschaft, auf die wir ja auch in der Kirche zugehen wollen. Hoffnung sehe ich auch im ganzheitlichen Lebensbegriff. Die Indianer leiden unter unserer Gespaltenheit in ein religiöses und profanes Leben, in der Gespaltenheit zwischen Geist und Erde, zwischen Natur und Mensch. Unter Indianern erleben wir ein integrales, ganzheitliches Menschsein.

Auch in anderer Beziehung kann indianisches Leben für uns beispielhaft sein, etwa in der ökologischen Frage. Indianer verstanden es, über Jahrtausende hinweg mit der Natur, mit ihrer Umwelt in Harmonie zu leben und zu überleben. Sie verstanden es, sich in den extrem schwierigen Verhältnissen der Tropen zu verteidigen. Sie hatten eine eigene Medizin, die es ihnen gestattete zu heilen. Alles, was wir oft zu diesen indianischen Völkern hintragen wollen, z.B. unsere Medizin, dient schließlich nur dazu, um die von uns verursachten Krankheiten wieder einzudämmen.“

Und innerkirchlich: „Oder die kirchlichen Leitungsfunktionen: Der Hausvater in einem indianischen Urwalddorf ist Baumeister seines Hauses, er ist Ingenieur, er ist Jäger, er ist Fischer, er schneidet die Haare seiner Kinder, er ist Gärtner. Brauchen wir in einem so wenig differenzierten Kontext ein so differenziertes Priestertum, das wir von der lateinischen Kirche her kennen? Ist das nicht ein bisschen so, als wenn wir dort einen äußerst spezialisierten Raketentechniker hinschicken würden, um eine Aufgabe wahrzunehmen, die im Indianerdorf gar nicht spezialisiert ist bzw. gar nicht gibt? Es gibt dort nicht die Aufteilung in Berufe. Religion als Beruf wird nicht anerkannt. Religion ist Berufung.“  „Kirche und Indianer“, in Adveniat: Dokumente/Projekte Nr. 19, S. 98/99.

Brief der Völker des Amazonas an Papst Johannes Paul II. (1980)

„Die zum Tode Verurteilten und die Letzten dieser Erde sind in ganz besonderer Weise die indianischen Völker. Die große Straße, die sogenannte Transamazonas, ist wie eine giftige, todbringende Schlange, die schon einige Indianervölker an den Rand der Auslöschung gebracht hat. Werden die Straße, die Großfarmen und die Viehzucht wieder einmal mehr den Vortritt haben vor dem Volk der Coxodoá, die bis zuletzt unberührt geblieben sind? Von Krankheiten dezimiert, von Riesenfarmen, die ihr Land besetzen, ermordet, in ihrer Kultur unterdrückt, ohne Recht darauf, ihre eigene Sprache zu sprechen, wurden in Brasilien die indianischen Völker in den vergangenen 400 Jahren bis auf den heutigen Tag systematisch beseitigt. Von mehr als 5 Millionen Indianern, die es vor der Eroberung gab, leben heute noch ganze 210.000. Dieses Hinschlachten, das in den letzten Jahrzehnten noch dadurch beschleunigt wurde, dass man das Amazonasbecken großen brasilianischen und multinationalen Firmen übergab, ist vergleichbar mit dem Massaker, das der Naziimperialismus am polnischen und jüdischen Volk begangen hat. Es besteht kein Zweifel: Die Indianervölker sind an die letzte Stelle verwiesen, wie zum Tode verurteilt“.

(in PORATIM, der Zeitung des „Indianischen Missionsrates“ von Manaus, Übersetzung: Horst Goldstein)

Botschaft indianischer Völker an Papst Johannes Paul II. (Brasilia, 30. Juni 1980)

"Als Vertreter von 26 indianischen Völkern in Brasilien möchten wie Sie – zusammen mit dem Volk der Shuar, von dem 100.000 Menschen in Ekuador leben – anlässlich Ihres Besuches in diesem Land begrüßen. Gleichzeitig möchten wir Ihnen auch sagen, was mit uns passiert, die wir die ersten Bewohner dieses Landes sind. Wir kämpfen um Bedingungen, damit wir als Menschen und als Völker leben können. Aber seitdem andere Völker hierherkamen, werden wir direkt oder indirekt umgebracht.

Wir wollten hier in Brasilia mit Ihnen sprechen, aber wir haben erfahren, dass sie nach Manaus fahren. Aber dort werden Sie sich nicht mit den Tausenden Indianern treffen, die in der Stadt ein unmenschliches Leben führen müssen. Denn sie leben dort als schlecht bezahlte Arbeiter, billige Hausmädchen und sogar als Prostituierte.  Stattdessen werden Ihnen in Manaus singende und tanzende Indianer vorgeführt werden. Aber werden Sie nicht traurig und vielleicht sogar weinen, wenn Sie erfahren, dass ein ganzes Volk weder singen noch tanzen kann, dass man ihm sein Land raubt, seine Häuptlinge umbringt und Tausende unserer Leute zwingt, als Sklaven zu arbeiten? Sie sollten dahin fahren, wo sich Dutzende von Großfarmen z.B. auf dem Land der Nambikwara breit machen, was den sicheren Tod der Indianer bedeutet. Alles Mögliche, bis hin zu chemischen Mitteln wird eingesetzt, um den Wald zu entblättern. Sie werden sehen, dass Brasilien mit Hilfe ausländischer Banken gerade in diesem Augenblick dabei ist, eine neue Straße quer durch die Dörfer der Nambikwara zu bauen. ….

Herr Johannes Paul II.! Wir möchten Ihnen gerne die ganze Geschichte unseres Kampfes, unseres Leidens, der Ungerechtigkeit, die man uns zugefügt hat und der Unterdrückung erzählen, die wir selbst von der FUNAI erleiden. Diese Behörde zerreißt unsere Völker, verfolgt die, die sich unter Lebensgefahr auf unsere Seite schlagen und droht den Landsleuten mit Verhaftung, die versuchen, alle Indianervölker in Brasilien zu vereinen. …  Wir haben doch auch ein Recht, wie Menschen zu leben, wie Brüder und Schwestern, so wie viele Christen schon nicht mehr leben.

Wir möchten Sie darum bitten, diese unsere Botschaft in die Welt zu tragen, damit die ganze Menschheit erfährt, dass dies ein Land voller Ungerechtigkeiten ist. Diese Ungerechtigkeiten sind so groß, dass sich jedes Land, vor allem aber ein Land, das sich christlich nennt, darüber schämen sollte. Christus hätte den Führern dieses Landes harte Worte zu sagen. Und Sie, von dem ja die Katholiken sagen, dass Sie der Vertreter Christi sind, was sagen Sie?

(„Kirche und Indianer“, Horst Goldstein; in Adveniat: Dokumente/Projekte Nr.19,S. 105/106.) 

Kommentar                                                                               

Die indigenen Völker des Amazonas erhielten keine Antwort. Vielmehr verloren einzelne Bischöfe, die sich für diese Völker in besonderer Weise eingesetzt haben, die Unterstützung „Seiner Heiligkeit“. Mehr noch: Sie wurden von Rom aus diffamiert. Ihnen wurde vorgeworfen, Politik mit Glauben zu verwechseln und nur „Werkzeuge kommunistischer Ideologien“ zu sein. Leonardo Boff wurde zum Schweigen verurteilt. Als Boff 1985 nach Rom zitiert wurde, um seine Ermahnung in Empfang nehmen zu dürfen, gab ihm ein Kurienkardinal väterlich fürsorgend den Rat, zur Buße eine Wallfahrt in das Hl. Land zu unternehmen, denn könnte er wieder auf den Spuren Jesu zum wahren Glauben und zu Jesus zurückfinden. Boff antwortete: „Danke, ich lade Sie vielmehr ein, mit mir in das Amazonasbecken zu kommen. Dort würden Sie aber Gefahr laufen, dem lebendigen Jesus zu begegnen.“

B) Eigene Texte: Die „babylonische Gefangenschaft“ der römischen Kirche (1978 – 2013)

Es kam noch schlimmer: 1984 besuchte der Papst Santo Domingo, um zu verkünden, dort die nächste Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischofskonferenz abhalten zu wollen, 1992, dem 500. Jahrestag der „Evangelisierung Amerikas“. In seiner Ansprache am 11. Oktober 1984 sagte er u.a.: „Dieses Datum - eines der entscheidendsten in der Geschichte der Menschheit - gilt auch für den Anfang von Glauben und Kirche auf dem Kontinent. Auf dieser Insel, auf der vor fast 500 Jahren die erste Messe gefeiert und das erste Kreuz errichtet wurde, möchte ich als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus diese Jahresnovene eröffnen. `Gott sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten, er ist in unserem Herzen aufgeleuchtet`.

Vor der von Christoph Kolumbus geführten Expedition tat sich eine neue Welt auf. Plötzlich erlaubte der gleiche Gott, dass die Entdecker, die die Abgründe des Ozeans überquert hatten, eines Tages in den Aufschrei: `Land!` ausbrechen konnten. ER selbst ist so in unserem Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi!` Der heilbringende Anfang der Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi, das war der Beginn der Evangelisierung Amerikas, der Beginn des Glaubens und der Kirche in der Neuen Welt“. („500 Jahre Evangelisierung in Lateinamerika“, Dokumente / Projekte Nr. 31, Adveniat)

Aus seiner Ansprache am 12. Oktober 1984 an die versammelten Bischöfe, unter der Überschrift: „Der providentielle Charakter der Entdeckung und der Evangelisierung Amerikas“ (a.a.O.): „Die Ankunft der Entdecker bedeutete eine phantastische Ausweitung der Grenzen der Menschheit, die gegenseitige Entdeckung zweier Welten, die Erscheinung der ganzen bewohnten Welt vor den Augen des Menschen und den Beginn der Universalgeschichte. … Schon Papst Leo XIII. schrieb zum Abschluss der 400-Jahr-Feier 1892 von den Plänen der göttlichen Vorsehung, die das größte und wundervollste unter den menschlichen Ereignissen geleitet haben und durch die Verkündigung des Glaubens eine unermessliche Menge zu den Hoffnungen des ewigen Lebens gelangen ließen (Schreiben vom 15. Juli 1892).“

Wie wahr, es ging schneller als gedacht! Auf der Insel Hispañola (heute Dominikanische Republik und Haiti) lebten bis zur Ankunft der Europäer nach übereinstimmenden Schätzungen mindestens zwei Millionen Menschen. Nach 40 Jahren (nach anderen Angaben 100 Jahren) europäischer Herrschaft und Evangelisierung hatten nur noch einige Hundert Ureinwohner überlebt. Paulo Suess zitiert Las Casas: „Dass gegenwärtig von mehr als drei Millionen Menschen, die ich ehedem auf der Insel Hispañola mit eigenen Augen sah, nur noch zweihundert Eingeborene vorhanden sind“. (Suess, Paolo: Weltweit artikuliert, kontextuell verwurzelt. Frankfurt: IKO, 2001, S. 129).

Das hinderte die Bischöfe der Dominikanischen Republik nicht, den Papst bei seinen Besuchen auf die großen Leistungen der ersten Missionare hinzuweisen, denen es nach etwa vierzig Jahren bereits gelungen war, auf der gesamten Insel Hispañola die Kirche aufzubauen. So gab es bereits nach 40 Jahren acht Pfarreien und Pfarrkirchen, sowie mehrere Dutzend Kapellen. Diese waren über die ganze Insel verstreut, denn sie war in so kurzer Zeit bereits völlig erkundet und erschlossen worden – so der Bericht der einheimischen Bischöfe an den Papst. Und der Papst dankte den Missionaren, die unter Einsatz ihres Lebens diese heldenhafte missionarische Leistung vollbracht hatten. Der Papst: „Es war der mächtige Aufbruch der Universalität, die Christus, wie wir beim hl. Matthäus gelesen haben, für seine Botschaft gewollt hat“.

Damals wie heute? – Vor allem Evangelikale (wie in USA als auch in Brasilien) berufen sich für ihre „Politik“ stets auf die Bibel – wie auch z.B. die Verfasser der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und anderer europäischer Geistesgrößen, die glaubten begründen zu können, warum man die „Wilden“ von ihrem Land vertreiben oder gar ausrotten dürfte und auch Sklaven halten durfte…

Aus meiner Dissertation (2004): „Einige spanische Theologen des 16. Jahrhunderts bezeichneten das Gold als ein Geschenk Gottes, der in seiner göttlichen Vorsehung die heidnischen Völker mit unvorstellbaren Goldvorkommen ausgestattet hat, damit auf diese Weise die Christen den Weg zu diesen Völkern finden, um die Heiden zu taufen und sie so vor der Hölle zu bewahren. Die Heiden verdanken demnach ihr Seelenheil dem Gold und die Christen verdanken ihren sehr irdischen Reichtum ebenfalls dem Gold, „ihrem Gott“. In seinem Werk „Gott oder das Gold“ geht Gustavo Gutiérrez dieser Thematik auf den Grund. Das dritte Kapitel des Buches hat den Titel: „Das Gold als Vermittler des Evangeliums“. Gutierrez geht hier auf die Schrift von García de Toledo ein, in der die genannte These begründet wird: „Und so gab er ihnen die Gebirge von Gold und Silber..., damit es in diesem Duft Menschen gebe, die um Gottes willen hierher kommen wollten, das Evangelium zu predigen, sie zu taufen und diese Seelen mit Jesus Christus zu vermählen“. Und etwas weiter, sich auf die Schätze und Reichtümer beziehend: „Dorthin, wo es sie gibt, das Evangelium im Fluge und um die Wette kommt, während dort, wo es sie nicht gibt, sondern nur Arme, dies ein Mittel der Zurückweisung ist, denn dorthin kommt das Evangelium niemals...“.

Nach Gutiérrez vertreten die damals maßgeblichen Theologen (u.a. Sepúlveda) die Meinung, dass das Gold eine providentielle Rolle bei der Ausbreitung des christlichen Glaubens hatte. Gutiérrez schließt: „So wird das Gold zum wirklichen Vermittler der Anwesenheit Gottes in Westindien. Die Position des García de Toledo ist so etwas wie eine verkehrte Christologie. Letztlich steht das Gold dort, wo sonst Christus steht: als Mittler der Liebe des Vaters“ (a.a.O.)

Diese Alternative, Gott oder das Gold, hat bis heute seine Gültigkeit. Nach dem „Evangelium der Herren dieser Welt“ verdanken es die eroberten Länder nur dem Gold, stellvertretend für alle „Schätze“, dass dort heute die moderne Zivilisation Einzug halten kann. Aktuelles Beispiel: Wegen dem Erdöl engagieren sich die USA im Irak (u.a.), um den Menschen dort die Segnungen der Demokratie und die Werte des Freien Westens zu bringen. Ausländisches Kapital wird zum Segen für die Menschen in den armgemachten Ländern. Wenn diese sich aber diesem „Bundesschluss“ (sprich „Freihandel“) verweigern, kommt das Gericht über sie - so die Verkündigung der Propheten der Freiheit des Kapitals bzw. der Freiheit der Sklavenbesitzer.  Aber diese Schätze sind die Ursache der Armut in jenen Ländern. Auf der Suche nach Gold sind die Europäer bis in die letzten Winkel der Erde vorgestoßen und haben dabei ganze Völker in den Abgrund gestoßen. Es war die Suche nach sagenhaften Goldvorkommen, weshalb spanische Söldner z.B. auch nach Peru kamen und das mächtige Reich der Inkas im Handstreich zerstörten. Es war das Gold, das die Europäer nach Amerika trieb. Gold steht hier als Sammelbegriff für alle Reichtümer, als Inbegriff aller Schätze dieser Welt.

Und diese „Theologie des Imperiums“ (von Augustinus über Sepúlvedra bis Josef Ratzinger) hat auch heute noch seine Gültigkeit. Wir als Christen in einem der reichsten Regionen der Erde brauchen auch diese Art von Religion um unsere imperiale Lebensweise – bei gleichzeitig großer Spendenfreudigkeit - rechtfertigen zu können. So konnte das deutsche Zentralorgan „Bild“ am 20. April 2005 mit Recht verkünden „Wir sind Papst“. Dieser Papst reiste 2007 nach Brasilien. Dabei fand er nicht nur kein Wort des Bedauerns für die Mitwirkung der Kirche bei Conquista und Sklavenhandel, im Gegenteil: Die Verkündigung Jesu und seines Evangeliums habe „zu keinem Zeitpunkt eine Entfremdung der präkolumbianischen Kulturen mit sich“ gebracht, dozierte Ratzinger eurozentrisch, „ebenso wenig wurde ihnen eine fremde Kultur aufgezwungen“. Eine Delegation von Ureinwohnern wollte er gleich gar nicht empfangen. Vielmehr hatte er als Botschaft an die Völker Lateinamerikas (neben anderen Hauptbotschaften wie z.B. politische Enthaltsamkeit für Kirchenleute und sexuelle Abstinenz für alle) folgendes zu sagen, sinngemäß: Freut euch und seid dankbar, dass wir euch das Evangelium gebracht haben! Denn dadurch konntet ihr euren Retter und Erlöser kennenlernen, ohne den ihr weiterhin in der Finsternis wandeln würdet.

"Der Papst war sehr arrogant", sagte der Vorsitzende eines Verbandes der Amazonas-Völker, Gesinaldo Satere. Benedikt XVI. hatte während seines Besuchs gesagt, die Verkündung Jesu und des Evangeliums hätte den amerikanischen Ureinwohnern in "keiner Weise eine Entfremdung" gebracht. Auch wäre es zu keiner "Besetzung oder Auferlegung durch eine fremde Kultur" gekommen. Vielmehr sei Christus der Retter gewesen, den sich die Indianer im Stillen herbeigewünscht und "ohne ihn zu kennen, in ihren vielfältigen religiösen Traditionen gesucht" hätten. Das Wiederaufleben vorkolumbianischer Religionen bezeichnete der Papst als einen "Rückschritt". Ratzinger steht damit in der Tradition eines Sepúlvedra.

Im Kontext massiver römischer Eingriffe in eine seit dem Konzil in Lateinamerika entstandene Praxis und Theologie der Befreiung schrieb ich bereits 1986 (im Kontext vieler Vorträge zur Theologie der Befreiung, z.B. 1986 auch einen Brief an den Papst – Schweigegebot für L. Boff - mit knapp 4000 Unterschriften der Gesamtkirchengemeinde Ulm): „Das Ergebnis dieser von Rom ausgehenden Maßnahmen ist verheerend. Die Mehrheit des Volkes Gottes wird erneut ausgegrenzt. Diese römische (und weiße) Kirche ist nicht mehr unter den Armen präsent, geschweige mit den Armen. Daher spreche ich von der RÖMISCHEN Kirche, weil sie das Gegenteil einer im ursprünglichen Sinne des Wortes KATHOLISCHEN Kirche ist, nämlich eine Kirche, die - und seit dem Theologen Josef Ratzinger umso mehr - ihre Fundamente nicht im Evangelium hat, nämlich Jesus dem Christus und dessen befreiende Botschaft von dem anbrechenden Reich Gottes, sondern in einer auf der altgriechischen Philosophie gegründeten Doktrin und Praxis, die per se die Erfahrungen anderer Völker (der "Barbaren") und Kulturen nicht nur nicht respektiert, sondern diese entweder unterwirft oder vernichtet. Dies ist unter dem Einfluss von Josef Ratzinger (seit 1982) verstärkt zu beobachten, sowohl in der Theorie (Lehre) und noch schlimmer, in der Praxis.“

Siehe dazu: Josef Ratzinger und der Glaube der Campesinos (Auseinandersetzung mit „Vamos Caminando“ aus Bambamarca, 1979 als Erzbischof von München. In: http://cajamarca.de/download/ratzinger.pdf)

Dagegen ein Zitat von einem Hirten der Kirche Jesu Christi, von Leónidas Proaño, „Bischof der Indios“, Riobamba:

„Der Kapitalismus ist kalt, kalt wie alles, das aus Metall ist. Es interessieren ihn weder die Menschen noch die Völker. Es interessieren ihn allein die Gewinne. Menschen und Völker interessieren ihn nur in dem Maße, in dem sie ihm Gewinne versprechen. Um Gewinne verschlingen zu können, verschlingt er Menschen und Völker. Er ist kalt, er hat kein Herz. Unser Land, wie viele andere Länder in Lateinamerika, ist schon seit langem in die Klauen dieses Monsters gefallen. Wir hängen auf vielfältige Weise von ihm ab. Wir sind sein Spielzeug“.

Nach mehr als 30 verlorenen Jahren (ausgerechnet – zufällig? – in der Zeit, in der die Entfesselung der Märkte und Finanzwirtschaft rasant beschleunigt wurde) wurde der Kirche ein Papst geschenkt, der wieder an die Aufbrüche der Kirche infolge des Konzils anknüpft und sie weiterführt. Auf der II. Lateinamerikanischen Bischofskonferenz 1968 in Medellín sprachen die Bischöfe schon von „Strukturen der Sünde“, von einem „Elend das zum Himmel schreit“ und von einem „internationalen Finanzkapitalismus“ (auch Pius XI. in Quadragesimo Anno und Paul VI. in Populorum Progressio), von institutionalisierter Ausbeutung und Geldgier als Ursache des Elends der Menschen

C) Aktuell:

Brief der Ka`apor-Indigenen in Maranhao an Partnergruppen in Deutschland (29.08.2019)

1. Der Wald ist unsere Mutter. Dieses Gebiet ist unsere Heimat. Es sind unser Leben. Wir werden es verteidigen!

Seit 519 Jahren dringt ihr gierig in unser Territorium ein und zerstört es – mit der Bibel, der Kugel und der Kuh. Mit buntem, leerem Papier, auf das ihr falsche Gesetze und Richtlinien schreibt, die nicht einmal ihr selbst respektiert und erfüllt. Diese Gesetze bringen uns nichts. Alles, was ihr euch bisher für uns ausgedacht und geschaffen habt, hat nicht funktioniert. Aber es hat euch bereichert. Wir möchten euch wissen lassen, dass alle starken Krieger, die ihr getötet habt, hier im Wald bei uns sind, hier in Maranhão. Eure Projekte werden uns nie nützen.

Deshalb haben wir 2013 gebeten, unseren Tuxa ta pame, den Verwaltungsrat der Ka'apor, zurückzubringen, der unseren Rat der Community leitet. … Die Selbstverteidigungswache der Ka'apor, steht neben jedem Baum, jedem Tier, jedem Fluss – neben allem, was uns hier Leben schenkt.  Vom Wald haben wir gelernt, wurden weise und stark, um hier für ein gutes Leben zu kämpfen. Die Holzfäller betreten unser Gebiet und dringen mit der Unterstützung der Stadträte und Bürgermeister und den Abgeordneten der Region immer weiter in unser Territorium ein. Polizisten und von Vale do Rio Doce unterstützte Organisationen machen dabei mit und alle werden vom Präsidenten und vom Gouverneur von Maranhão bekräftigt, weiterzumachen. Wir haben in verschiedenen Teilen unseres Territoriums Lager aufgebaut. Wir möchten euch warnen, dass wir nicht akzeptieren werden, dass die Polizei und die Justiz uns kriminalisiert, weil wir die Gegenwart und die Zukunft unserer Kinder, den Wald und das Leben verteidigen.

„Bei unseren Freunden, den Ka`apor - Indigenen sind es zurzeit nicht die Feuer, die sie bedrohen, sondern Eindringlinge, die Holz schlagen und an die Bodenschätze wollen.“ (Ergänzung der Partnergruppe)

2. Bischof Casaldáliga: "Neoliberalismus ist transnationaler Kapitalismus, der auf die Spitze getrieben wird.“

Die Welt wurde in einen Marktplatz im Dienst des Kapitals verwandelt, als wäre das Kapital Gott und Grund des Seins. Der Neoliberalismus impliziert das Ende des Staates als Gemeinschaftswesen im Dienst einer nationalen Gemeinschaft, des Gemeinwesens und der öffentlichen Dienste und Güter. Durch Schwächung des Staates in diesem Sinne wird die Gesellschaft in der Tat destabilisiert. Die Gesellschaft hört auf zu existieren und der Wettbewerb der privaten Interessen überwiegt („freie Marktwirtschaft“). Diese Privatisierung führt zu einem grenzenlosen Individualismus. Das Private wird zuerst als Privateigentum verstanden. Durch das Anhäufen von immer mehr Privateigentum in den Händen von immer weniger Menschen - als Folge des „freien“ Wettbewerbs, in dem sich die Stärkeren eben durchsetzen - wird das Leben der anderen, der Verlierer, ihrer Würde, gar ihrer Lebensgrundlagen, beraubt. Privatisierung ist Privilegierung, die Auslese einer privilegierten Minderheit, die es verdient - so das Dogma - gut zu leben und der „Rest“, die Mehrheit“, soll eben sehen wo sie bleibt…

Das ist die unfehlbare Lehre der Theologen des Neoliberalismus: 15% der Menschheit haben das Recht, zu leben und gut zu leben. Das steht im Gegensatz zu dem, was die Bibel sagt, denn es ist der "Rest Israels", der der Mehrheit neue Wege des Lebens weist und den Armen die Hoffnung auf ein Leben in Fülle (Anteil an allen Gütern der Schöpfung) macht. Neoliberalismus dagegen ist die kalte Marginalisierung der überschüssigen Mehrheit. Herrschaft der Wenigen bedeutet immer auch Ausgrenzung der Vielen. Neoliberaler Individualismus bedeutet die Degeneration der Person und die Verleugnung der Gemeinschaft. Der egoistische Individualismus degeneriert die Person, die per definitionem eine Beziehung und Ergänzung zu anderen sein sollte. Dieser neoliberale Individualismus ist daher Degeneration und Zerstörung der Gemeinschaft, die Partizipation und Teilen bedeutet. Als Kirche und als Christen müssen wir angesichts dieser wilden Bestie den Gott des Lebens verkünden und ihm dienen.

Papst Franziskus: Diagnose Wegwerfkultur (Aus der Ansprache in Puerto Maldonado, Peru, am 19. 01. 2018)

Als Diagnose bot der Papst das Paradigma der „Wegwerfkultur“ an, eine Kultur, die den Nächsten zum Schweigen bringen wolle, die ihn ablehne, und in der „der entfremdende Konsumismus mancher scheinbar das erdrückende Leiden der anderen nicht ermessen (kann)“. Auch mit unserer Mutter Erde werde heute nach dieser Logik umgegangen, klagte Franziskus, „Wälder, Flüsse und Bäche werden bis zu den letzten Ressourcen genutzt und dann brach und unbrauchbar zurückgelassen.“ Und auch Menschen würden nach dieser Logik behandelt, kritisierte der Papst weiter. Als Beispiel nannte der Papst das Thema Sklaverei. „Wir haben uns daran gewöhnt, den Begriff ‚Menschenhandel‘ zu verwenden, aber in Wirklichkeit sollten wir von Sklaverei sprechen: Sklaverei in der Arbeit, sexuelle Sklaverei, Sklaverei für Profit.“ Vor allem Frauen würden immer wieder Opfer von Gewalt, „während eine Machokultur aufrechterhalten wird, die nicht die zentrale Rolle von Frauen in unseren Gemeinschaften anerkennt.“ Hier wegzuschauen sei nicht erlaubt, betonte der Papst. Als ein weiteres Problem nannte der Papst die Flucht aus prekären Situationen, die Menschen auf der Suche nach Gold ins Amazonasgebiet führe. Das „verheißungsvolle Funkeln des Goldschürfens“ könne aber zu einem „falschen Gott werden, der Menschenopfer fordert.“ „Die falschen Götter, die Götzen der Gier, des Geldes, der Macht verderben alles. Sie verderben die Menschen und die Institutionen und sie zerstören auch den Wald.“ Jesus habe von Dämonen gesprochen, deren Austreibung auch viel Gebet verlange. „Dies ist einer von ihnen.“