Die Lage in der Partnergemeinde von St. Georg spitzt sich zu. Der bange Blick nach Peru.  Artikel vom 15.12.2006 aus SÜDWEST PRESSE

Alles andere als Adventsstimmung herrscht derzeit in Cajamarca. In der Partnergemeinde der Ulmer Georgskirche im peruanischen Andenhochland spitzt sich ein Konflikt zu, bei dem es um Menschenrechte und widerstreitende Auffassungen zu den Aufgaben der Kirche geht.

"Sie sind eine politische Instanz, Herr Bischof, ob Sie es wollen oder nicht. Sie können dem Wort der Kirche Nachdruck verleihen. Auf Sie wird die Regierung hören." So steht es in einem offenen Brief von Professor Elmar Klinger von der Katholischen Fakultät Würzburg an den Bischof von Cajamarca in Peru.

Ein Aufruf, sich für die Menschen dort einzusetzen und nicht Spielball von Regierung und Industrie zu sein. Was das alles mit Ulm zu tun hat? Nun, die Gemeinde San Pedro in der 130 000 Einwohner-Stadt Cajamarca ist Partnergemeinde der St. Georgskirche, seit 1982 schon. Die Probleme, die hinter dem Appell stecken, sind in Ulm bekannt und oft öffentlich benannt worden. Es geht um den Goldabbau in der Gegend, der "weltweit profitabelste", sagt Dr. Willi Knecht von der Gemeinde Guter Hirte in Ulm-Böfingen und Begründer der Partnerschaft von St. Georg, Ulm und San Pedro, Cajamarca.

Es geht um die Ausbeutung der Umwelt und Menschen aus den Armenvierteln im Sprengel von San Pedro, der Campesinos indianischen Ursprungs. Marco Arana, Priester in der Diözese Cajamarca, den Knecht seit 30 Jahren sehr gut kennt, hat von den Problemen persönlich in Ulm erzählt. Im April 2005 war er zu Gast bei der Georgsgemeinde. Er ist eine Schlüsselfigur im jetzt eskalierenden Konflikt, als Fürsprecher der Campesinos und Kopf einer Umwelt- und Bürgerrechtsorganisation.

Im Herbst hat der Bischof von Cajamarca, seit 2004 im Amt, in einem Hirtenbrief dargelegt, dass Priester sich nicht in die Politik einmischen und die Agitation gegen die Goldmine einstellen sollten. Das hat die Situation verschärft, urteilt Knecht, der mit den Basisgruppen in Cajamarca in engem Kontakt steht. Im November ist ein Campesino ermordet worden, Pfarrer Arana selbst ist akut bedroht, er, der als Vermittler bisher "Blutvergießen abwenden konnte" und dafür 2004 den peruanischen Menschenrechtspreises bekam.

Der kirchliche Disput

Daraus folgt auch ein tiefer kirchlicher Disput. Knecht: "Es geht um grundlegende Richtungsentscheidungen innerhalb der Katholischen Kirche", die doch Hoffnung sein solle und für die die Menschen, die Armen, die Indios im Zentrum stehen müssten, zumal in Cajamarca. "Es gibt kaum eine Diözese, aus der so viele authentische Zeugnisse der Armen vorliegen und deren befreiende sozialpastorale Arbeit so genau dokumentiert wurde."

So schließt denn auch Professor Klinger seinen offenen Brief an den Bischof: "Haben Sie Mut! Seien Sie der Bischof der Kirche des Volkes Gottes in Cajamarca! Sie werden dadurch Nachteile erleben, aber sich Schätze im Himmel sammeln." Die Georgsgemeinde in Ulm hält einstweilen an praktischer Hilfe für die Campesinos fest: Sie verkauft derzeit eine CD mit Orgelmusik zur Weihnachtszeit. Der Erlös kommt einer Schreiner- und Schlosserwerkstatt in der Partnergemeinde San Pedro in Cajamarca zugute.


Artikel in der Südwestpresse, Ulm, 09. 09. 2010 (von Elisabeth Zoll)

"Roter Pfarrer" zeigt Goldminen-Besitzern die Stirn

Die Goldmine Yanacocha in Peru verspricht Reichtum - einigen wenigen. Weil viele Bauern dadurch ihre Lebensgrundlage verlieren, kämpft Marco Arana für Gerechtigkeit. In Deutschland wurde er dafür geehrt. Die Stunden des Atemholens sind gezählt. Sobald Marco Arana in wenigen Tagen in Peru heimischen Boden betritt, bestimmen Konflikte und Bedrohungen sein Leben. Arana, der gerade in Aachen mit dem Friedenspreis geehrt wurde, ist Priester, Umweltaktivist, Politiker und ein unerschütterlicher Kämpfer für die Rechte der Landbevölkerung in Peru. In den Augen der Campesinos ist der 47- Jährige ein Hoffnungsträger, für die Eigentümer der Goldmine von Cajamarca und für seine Kirchenspitze ist er ein Ärgernis. Der "rote Priester" wurde vom peruanischen Kardinal Juan Luis Cipriani, der der erzkonservativen Vereinigung Opus Dei angehört, Anfang des Jahres suspendiert.

Kirchenkampf und politischer Streit lassen sich in Cajamarca, einem Departement im Norden Perus, nicht trennen. Seit 20 Jahren verändert die Goldmine Yanacocha das Gesicht der Region. Wo früher grüne Hügel waren, klaffen heute tiefe Krater. Im offenen Tagebau wird nach dem Edelmetall gesucht. Cajamarca gilt als wichtigste Bergbauregion des Landes. 30 Prozent des weltweiten Goldvorkommens werden dort vermutet. Entsprechend begehrt sind Abbau-Lizenzen. Brachial ist schon die heutige Ausbeutung durch die US-Gesellschaft Newmont Mining.

Bagger bewegen in der Mine Yanacocha täglich 600 000 Tonnen Erdreich. Das Geröll wird ausgewaschen mit hochgiftiger Zyanid-Lauge, um Steine vom Edelmetall zu trennen. Wie viel Quecksilber und Arsen dabei in den Boden und ins Grundwasser dringt, weiß niemand. Aber Arana benennt die Folgen: Tote Forellen, verendetes Vieh, missgebildete Kinder.

Die Konflikte Perus kristallisieren sich im Streit um Yanacocha. Hier steht die eigennützige politische Elite im Verbund mit internationaler Wirtschaftsmacht armen Bauern gegenüber, hier will eine mit den Mächtigen verbündete Kirche den befreiungstheologisch gesinnten Priester in die Knie zwingen. "Der Bergbau ist zum Zeichen für missbrauchte und missratene Macht geworden", sagt Marco Arana.

Wenige profitieren, viele verlieren ihre Existenz. Während die Region selbst im Vergleich zur Metropole Lima ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum verzeichnet, nimmt genau dort die chronische Unterernährung von Kindern zu. Das Departement gehört zu den ärmsten im Land, obwohl hier die größte Goldmine ist. "Der Reichtum geht, Armut und Zerstörung bleiben," sagt Arana. Das betrifft auch den aktuellen Konflikt um den Berg Quilish in Nachbarschaft zur Mine. Ihn will die Minengesellschaft im Bunde mit der Weltbank abtragen lassen. Doch am Berg entspringt der Fluss Porcón, der für die Wasserversorgung der Region Cajamarca und für die dortige Landwirtschaft unersetzlich ist.

Weil andere Flüsse schon verseucht sind, rebelliert die Bevölkerung gegen das Vorhaben. Nach einem vorläufigen Stopp des Projektes 2004 spitzt sich der Konflikt inzwischen wieder zu. Anscheinend versucht Newmont sich weitere Gebiete anzueignen. Der in Cajamarca aufgewachsene Arana kennt die Region. Nach seiner Rückkehr aus Rom, wo er Theologie studierte, sah der junge Priester früh, wie Campesinos, die weder lesen noch schreiben konnten, mit lächerlichen Geldbeträgen, falschen Versprechen und Gewalt von Landaufkäufern über den Tisch gezogen wurden.

Auch der damalige Bischof der Region, Jose´ Dammert Bellido, hatte einen Blick für die Ungerechtigkeit. Er schickte Arana in die Landpfarrei Porcón, wo er an der Seite der Armen friedlich für Gerechtigkeit streiten sollte. Die Bergpredigt wird für den aus bürgerlichem Hause stammenden Arana zur Leitschnur. Ohne Gerechtigkeit sei Frieden nicht möglich, sagt er. Damit fordert er die Kirchenspitze heraus. Diese setzt auf Evangelisierung. Deren "Theologie der Versöhnung" klammert die strukturellen Ungerechtigkeiten aus. "Leer" nennt das Arana. "Wir leben in einem Winter der Kirche".

Die Kirchenleitung distanziert sich 2006 vom sozial- und umweltpolitsch engagierten Pfarrer, im Frühjahr 2010 suspendiert sie ihn. Die Distanzierung habe ihn geschwächt, aber auch näher zu den Armen gebracht. So kämpft Arana weiter. Inzwischen nicht mehr nur als Gesicht der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Grufides, sondern auch als Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2011. Chancen werden ihm kaum eingeräumt. Doch das ist dem Theologen egal. Als exponierte Figur seiner Partei "Tierra y Libertad" (Land und Freiheit) will er Fragen zur gerechten Teilhabe an der Macht und zur nachhaltigen Entwicklung Perus landesweit zur Sprache bringen, ebenso die Korruption bei der Vergabe von Abbau-Lizenzen ansprechen und die Benachteiligung derer, die das Land seit jeher bewirtschaften. Unterstützt wird er unter anderem von Intellektuellen, Bürgermeistern sozialer Brennpunkte und fortschrittlichen evangelikalen Kreisen.

Doch auch die Anfeindungen sind erheblich. In Peru lebt Arana unter ständigem Personenschutz. Nachdem zwei seiner Mitstreiter 2006 ermordet wurden und auch er vermutlich vom Sicherheitsdienst des Minenbetreibers Newmont massiv bedroht, überwacht und belästigt wurde, forderte der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte Leibwächter für den Aktivisten. Sie haben im bevorstehenden Wahlkampf viel zu tun. Denn, so Marco Arana: "Die Schlamm-Schlacht hat bereits begonnen." Zimperlich sind seine mächtigen Gegner jedenfalls nicht.

Eine Partnerschaft die trägt

Seit 1982 verbindet die katholische Pfarrgemeinde Sankt Georg in Ulm eine intensive Partnerschaft mit der Gemeinde San Pedro in Cajamarca. St. Georg unterstützt unter anderem die Alphabetisierung und Ausbildung der benachteiligten Campesinos, um ihren Stand in der Gesellschaft zu stärken. Dem erzkonservativen Ortsbischof Jose Carmelo Martinez gelang es nicht, die Zusammenarbeit zu torpedieren. Auch wenn er versucht, den Aufbruch, der mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) verbunden ist, zu ersticken. In Cajamarca bläst seither ein scharfer Wind. Der Apostolische Nuntius in Peru, Rino Passigato, bezeichnete 2005 die zurückliegenden 30 Jahre als Epoche, die nichts zustande gebracht habe. (Eth)

Bild von Willi Knecht, aufgenommen zuhause, Schlesienweg 99, 89075 Ulm, wo auch das Treffen mit der Presse stattfand

(Elisabeth Zoll von SWP und Thomas Seiterich, Publik-Forum)