Katholiken engagieren sich auf der Seite der Armen - Hilfe im Kampf gegen den Goldabbau

Deutsche Kirchengemeinden stärken Campesinos in Peru den Rücken im Kampf um ihre Lebensgrundlagen. Die Landarbeiter dort sehen sich bedroht durch die profitabelste Goldmine der Welt, die Berge abgräbt und Gewässer verschmutzt. Die internationale Hilfe hat erste Erfolge.

Campesinos vor der Kathedrale in Cajamarca: Die Campesinos suchen bei ihrer Kirche Schutz vor Ausbeutung. Foto: Willi Knecht

Am sechsten Berg kam das vorläufige Aus. Fünf Berge um Cajamarca in Peru waren dem Goldfieber schon zum Opfer gefallen, als in der Region um die 2700 Meter hoch gelegene Stadt Zehntausende auf die Straße gingen und Banken, Schulen und Geschäfte aus Protest geschlossen blieben. Was die Menschen erboste, war die Absicht der Goldmine Yanacocha, mit dem Cerro Quilish nun auch jenen Berg zu schleifen, in dem viel Gold steckt, aber auch die einzige saubere Trinkwasserquelle.

Die Streiks und Sitzblockaden hatten Erfolg: In zähen Verhandlungen findet sich eine gewaltfreie Lösung. Die Mine, ein Gemeinschaftsunternehmen des US-Konzerns Newmont Corporation und der peruanischen Firma Buenaventura mit Beteiligung der Weltbank, macht Zugeständnisse, und der Staat widerruft vorerst die schon erteilte Abbaulizenz.

Eine zentrale Rolle in diesem Konflikt hat die kirchliche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Grufides gespielt, deren Kopf Marco Arana für seine Arbeit als Vermittler mit dem peruanischen Menschenrechtspreis geehrt worden ist. Der Padre steht für eine Pastoralarbeit, die sich nicht auf die Verkündung der kirchlichen Lehre beschränkt, sondern aus dem christlichen Liebesgebot die Geschwisterlichkeit ableitet und diese in Solidarität mit den Armen konkret werden lässt. "Sie haben auf friedliche Weise für ihr Recht auf Wasser und Gesundheit in einem Land gekämpft, das sie weiterhin nicht beachtet und sie ausschließt", gab Arana nach der Preisverleihung den Dank an die Bauern und Viehhalter weiter, die Peru nicht einmal als Staatsbürger zweiter Klasse anerkennt.

Halt und Würde

Solche Parteinahme für die Armen ist nicht mehr selbstverständlich in der Diözese, die bis 1992 von José Dammert geleitet worden war, jenem Bischof, der die Kirche für die Landbevölkerung geöffnet und die Campesinos in Gemeinschaften zusammengeführt hatte. Diese "Comunidades" wurden zu einer Struktur, die den Bauern Halt und Würde gibt. Hier wurden sie ausgebildet, hier sind sie Teil eines Netzes, das die Armut überwinden will.

Heute steht zumindest die Spitze der Kirche wieder auf der Seite der Mächtigen, sagt der Ulmer Theologe Dr. Willi Knecht. Dieser kennt die Situation vor Ort seit mehr als 25 Jahren und hat maßgeblich Anteil daran, dass trotz des Wechsels im Bischofsamt zu Francisco Simon nicht alles zerbrochen ist, was an Sozialpastoral aufgebaut worden war. So wurde unter Simon Campesinos der Zutritt zur Kirche verwehrt, die Gemeindearbeit aber blieb intakt.

Zum Beispiel in San Pedro Cajamarca. Die Pfarrei mit mehr als 40 000 Katholiken, überwiegend Indios aus ländlichen Gebieten, ist seit 1982 Partner der Ulmer Kirchengemeinde St. Georg, die Jahr für Jahr mit einem Spendenaufkommen von 30 000 bis 50 000 Euro vor allem die Basisarbeit fördert. Herzstück des Engagements ist die Casa Urubamba, ein ehemaliges Herrschaftshaus, das in Gemeinschaftsarbeit zum Ausbildungszentrum hergerichtet wurde. Es bietet auch Platz für Kindergarten und 8 Mütterklubs, und es wird mit Beginn des Protests gegen den Goldabbau zu einem der Kristallisationspunkte der Widerstandsbewegung.

Dass diese stabil genug war, um zum vorläufigen Erfolg zu führen, liegt nach Einschätzung Knechts auch an deutschen Katholiken, die Partnerschaften mit Cajamarca pflegen. Diese insgesamt 16 Kirchengemeinden haben sich als Antwort auf den Wandel zurück zur Obrigkeitskirche vernetzt und ihre Hilfe neu geordnet. So hat St. Georg in Ulm engen Kontakt zu 200 bis 300 Vertrauensleuten in San Pedro, die sicherstellen, dass 10 000 Menschen sozial und pastoral versorgt werden - an offiziellen Strukturen vorbei.

Aufklärungsarbeit über die sich zuspitzende Situation in Cajamarca kommt dazu. Eine Studie der Universitäten Tübingen, Bamberg und Würzburg und der Deutschen Forschungsgesellschaft macht die Pastoralarbeit unter Bischof Dammert neu zum Thema. Als der Streit um den Goldabbau zu eskalieren droht, engagieren sich auch Hilfswerke wie Caritas, Misereor, Fian und Kolping in einer Kampagne mit dem Thema: "Bergwerk Peru: Reichtum geht, Armut bleibt". Start war beim Katholikentag vor einem Jahr in Ulm; inzwischen ist auch die deutsche Entwicklungspolitik hellhörig geworden. Wenn Marco Arana nach seinen Terminen heute und morgen in Stuttgart und Ulm weiterreist, folgen in Berlin Gespräche mit Regierungsvertretern und Abgeordneten.

INFO

Über "Gold oder Leben" spricht der Priester Marco Arana heute in Stuttgart (17.30 Uhr, Haus der Wirtschaft, Willi-Bleicher-Straße) und morgen in Ulm. Der Gottesdienst in St. Georg (Ecke Frauenstraße/Olgastraße) beginnt um 19 Uhr, der
Gesprächsabend im Gemeindehaus um 20 Uhr.

HINTERGRUND:

Alter Konflikt stellt sich neu In Lateinamerika leben mehr als 400 Millionen Katholiken, knapp 80 Prozent der Bevölkerung. Fast jeder zweite ist arm. Die Bekämpfung der Armut muss deshalb nach Ansicht vieler Bischöfe absolute Priorität des nächsten Papstes sein. Eine Forderung mit Sprengstoff: Es geht um den Konflikt zwischen Traditionalisten und Modernisierern, der in den 70er Jahren schon einmal ausgefochten wurde. Damals waren die Befreiungstheologen unterlegen. Mit Genugtuung nehmen sie jetzt zur Kenntnis, dass selbst wertkonservative Bischöfe das Thema Armut wieder nach oben stellen.

In Lateinamerika hatten die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils von 1962 - 1965 das größte Echo gefunden. Der Kontinent wurde zum Epizentrum einer kirchlichen Erneuerungsbewegung, der Befreiungstheologie mit ihrer "Option für die Armen". Diese sollten in ihren Forderungen nach mehr Gerechtigkeit aktiv unterstützt werden. Doch weil sie häufig mit marxistisch inspirierten, politischen Befreiungsbewegungen liebäugelten oder von ihnen vereinnahmt wurden, ging Papst Johannes Paul II. massiv gegen die Befreiungstheologen vor.

"Johannes Paul II. hat mit seinem brennenden Anti-Kommunismus die soziale Seite der Kirche in Lateinamerika platt gemacht", resümiert der mexikanische Kirchenexperte Bernardo Barranco. Unter ihm rückte die Kirche weg von den Armen, hin zum Establishment.

Südwestpresse 08.04. 2005, überregionale Ausgabe, von Andreas Hacker


Padre Marco Arana zu Gast - Antrieb: Glaube und immer neue Hoffnung (Südwestpresse, lokaler Teil, 14. 4. 2005)

Seit mehr als zehn Jahren unterstützt Padre Marco Arana Indios in der Region Cajamarca (Peru) in ihrem Kampf gegen den Goldabbau. Jetzt war er zu Gast in St. Georg, der deutschen Partnergemeinden von Cajamarca, um über das Elend der Indios zu berichten.

Als Marco Arana, Sohn einer christlichen Lehrerfamilie aus Cajamarca (Peru) von 15 Jahren in seiner Heimatstadt vom damaligen Bischof Dammert als Diözesanpriester in die Indiogebiete bei rund um die Kleinstadt Porcón geschickt wurde, war das Leben für Bewohner der Hochgebirgsregion schon schwer genug: Von der spanischstämmigen Oberschicht des Landes verachtet und ignoriert, lebten die Abkömmlinge der Ureinwohner des südamerikanischen Landes in den abgelegenen, meist weglosen Gebieten von dem, was der karge Boden hergab. Etwas Getreide, Knollenfrüchte, dazu vielleicht ein paar Ziegen oder als Gipfel der Wohlhabenheit eine Kuh.

"Die Indios waren schon immer unbeschreiblich arm", berichtete Arana jetzt vor der Gemeinde St. Georg in Ulm. Porcón ist eine Gemeinde aus etwa 30 Mini-Dörfern in einem Umkreis von 70 Kilometern um die Hauptsiedlung. "Von Dorf zu Dorf kommt man nur zu Fuß, bestenfalls auf dem Pferd." Aranas Auftrag damals: Zusammen mit anderen Priestern die Menschen religiös zu unterweisen, Lehrer dazu bringen, ihren Unterricht auch tatsächlich zu halten, zu helfen, dass auch Mädchen zur Schule gehen dürfen.

Erst braucht man Essen

"Aber an erster Stelle steht die Sorge um ein Dach über dem Kopf, um ordentliche Ernährung und Gesundheit", sagt Arana. "Erst dann sind sie auch bereit für die Religion." Zweierlei hat seinen Angaben nach eine Entwicklung zum Besseren nachhaltig beeinträchtigt: Bischof Dammert, ein Anhänger der südamerikanischen Bewegung "Kirche für die Armen", wurde von einem Bischof abgelöst, der zu einer strikt konservativen Kirchenpolitik zurückgekehrt ist.

Und 1993 begann ein internationales Konsortium, in den Bergen der Region Gold abzubauen. "Die Indios wurden teils unter Androhung von Waffengewalt gedrängt, ihr Land zu verkaufen", berichtet Arana. Die Minenbetreiber hätten mit Druck und Versprechen gearbeitet, die Menschen gegeneinander ausgespielt, sie auf schamlose Weise übervorteilt, viel zu geringe Summen für das Land bezahlt und versprochene Arbeitsplätze nicht geschaffen. Folge: Landflucht, Abwanderung in die ohnehin überfüllten Elendsviertel der Städte, wo es weder Wohnungen gibt noch Arbeit zu finden ist. "Die Menschen, die zuvor sich und ihre Familien wenigstens halbwegs ernähren konnten, haben nun nichts mehr", sagt er.

Es kam aber noch schlimmer: Der Goldabbau verbraucht sehr viel Wasser. Wasser, das nicht mehr für die Menschen in der Gebirgsregion und in den Tälern zur Verfügung steht. Was übrig bleibt, wird verunreinigt, weil zum Goldabbau hoch giftige Chemikalien wie zum Beispiel Zyanid eingesetzt werden. Das Land verschwindet - vier Berge sind inzwischen weg, ein fünfter steht zur Disposition. Es kam zu einem großen Fischesterben, die Bewohner der Siedlungen in den Tälern bekamen immer schlechteres Wasser. Die Verantwortlichen versuchten, die Schuld dafür den Indios in die Schuhe zu schieben.

Damit wuchs Widerstand, den Priester wie Padre Arana unterstützen. Illusionen macht sich Marco Arana nicht. "Peru ist hoch verschuldet", weiß er. "Die Kreditgeber drängen die Regierung dazu, ihre Bodenschätze auszubeuten, um so die Kredite zu bedienen." Zu den Kreditgebern gehört auch die Bundesrepublik Deutschland. Unterstützung für die Sache der Indios findet Arana unter anderem in deutschen Gemeinden wie St. Georg in Ulm, das eine langjährige Partnerschaft mit Cajamarca hat. "Nur internationales Aufsehen kann uns helfen", ist er sich sicher. Warum hat Padre Arana nach so langem Kampf noch nicht resigniert? Er ist überzeugt von der Würde auch des ärmsten Menschen. Er hofft, dass Dinge sich langfristig ändern lassen. Und er glaubt, dass Gott auf der Seite der Armen ist.
Ute Heidbrink


Info (Willi Knecht):

Padre Marco Arana befand sich 8.-10. April in Ulm. Ich hatte ihn von der Veranstaltung der SEZ, Stuttgart, abgeholt. Er war bei uns als Gast untergebracht, meine Frau und ich kennen Marco seit seinem 15. Lebensjahr. Offiziell war er von der Gemeinde St. Georg eingeladen. Am Samstag, 11.00 Uhr fand ein Pressegespräch statt. Da am Freitag, den 8. 4. und rechtzeitig zu dem Treffen bei der SEZ in Stuttgart, ein längerer, überregionaler Zeitungsartikel der Südwestpresse erschienen war, stand in dem Pressegespräch in Ulm eher das persönliche Engagement von Marco Arana im Vordergrund.

Bei dem Gespräch waren Pfr. Keller und Mitglieder der Partnerschaftsgruppe anwesend. Der weiter gehende Artikel in der SWP am Freitag basiert auf einem Gespräch mit dem Reporter der SWP, Andreas Hacker, Pfarrer Keller und mir, dazu meine Infos aus meiner Homepage. Nach Stadtbesichtigung etc. gestalte am Samstagabend Padre Marco ein Gottesdienst mit, er hielt eine eindrucksvolle Predigt, die ich simultan übersetzte. Danach wurde zu einem Info-Abend ins Gemeindehaus eingeladen, Thema selbstverständlich: Das Gold von Cajamarca - auch in seiner sozialpastoralen Dimension. Es nahmen etwa 50 sehr interessierte Besucher teil.

Der anschließende Sonntag (Marco kam erst um 03.30 ins Bett, weil er vor dem Schlafen u.a. noch alle inzwischen angefallene Mail-Korrespondenz erledigte) stand unter privaten Vorzeichen.

Noch ein Hinweis auf den erwähnten Artikel in der SWP vom Freitag, 8. April: Besonders festzuhalten ist der berechtigte Hinweis auf den drastischen Wechsel in der sozialen, pastoralen Arbeit in der Diözese Cajamarca infolge eines Bischofswechsels (1993): von einer Kirche auf der Seite der Armen zu einer Kirche auf der Seite der Mächtigen (zumindest was die Hierarchie, den Bischof anbelangt). Und dies wiederum ist zu verstehen auf dem Hintergrund gezielter Bischofsernennungen seitens des Papstes bzw. der Kurie - besonders unter dem Einfluss der beiden Kardinäle aus Kolumbien, die in ihrem Land u.a. wegen ihrer engen Verflechtungen zu den Todesschwadronen bekannt sind.


Einer der Briefe von Marco Arana

Lieber Willi,                                                           Cajamarca, 16. September 2003

mit Amelia waren wir gemeinsam das Forum besucht und gestaltet. Wir hatten einen großen Erfolg. Es waren mehr als 250 Personen aus ganz Peru, darunter Vertreter und Leiter von vielen Organisationen. Die Abschlusserklärung werden wir dir per Mail schicken.

Wir haben vor, alle Materialien des Foro zu publizieren: Vorträge, Beiträge der Arbeitskreise etc. Das Problem ist aber, finanzielle Unterstützung für den Druck zu bekommen. Hoffentlich erhalten wir Hilfe von den Freunden aus Deutschland. Wir werden sehen.....!

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um alle Compañeros zu grüßen, die sich in Ulm am 19.- 21. September versammeln werden. Diese Geste des Interesses und der Solidarität mit dem, was hier bei uns geschieht, ist für uns sehr wichtig. Dies hilft uns, nicht müde zu werden und es macht uns Hoffnung für die Zukunft. Für den Augenblick (kurzfristig) stellen sich folgende Aufgaben für uns:

  1. Wir wollen uns für mehr Bewusstsein und Gewissensbildung hier einsetzen.
  2. Wir wollen mehr und gründlicher die eigentliche Problematik kennen lernen und sie der Öffentlichkeit besser vermitteln.
  3. Wir wollen eine bessere Organisation schaffen und gemeinsame Ziele für unseren Kampf  formulieren.
  4. Dafür sind einige Kampagnen innerhalb unserer eigenen Bevölkerung von Nöten.  
  5. Wir wollen auch die Vertreter (autoridades) von politischen Entscheidungsträgern und Leiter von Organisationen des Volkes mit in die Kampagnen miteinbeziehen.
  6. Wir wollen den Glauben in den Sinn der Schöpfung vertiefen, ebenso das Engagement für die Verteidigung der Menschenrechte .... und noch so vieler anderer Aufgaben.

Vielen Dank für eure Solidarität und für die Versuche, unsere Anstrengungen zur Respektierung der Rechte der Campesinogemeinschaften (Comunidades) und für die Gesundheit von uns allen besser zu koordinieren. Viel Erfolg für euer Cajamarca-Treffen in Ulm

Der Segen Gottes bestärke euch in dem Geist, der einer echten Partnerschaft zugrunde liegt.

...... Marco