„Wir haben den Hunger satt!“
Die diesjährige Fastenaktion von Misereor steht unter dem Leitwort: „Wir haben den Hunger satt“. Jeder sechste Mensch auf der Erde muss hungern. Aber Hunger ist nicht in erster Linie ein Problem des Mangels, sondern der ungleichen Verteilung bzw. gezieltenVerknappung. Weltweit schrumpfen die Anbauflächen, die Erträge sinken und der sich ausweitende Anbau von Agrarrohstoffen und Viehfutter hat der Produktion von Lebensmitteln den Rang abgelaufen. Zudem sind Nahrungsmittel auf den Finanzmärkten zu einem interessanten Anlageobjekt geworden. Die Präsidenten der drei kontinentalen Bischofskonferenzen von Asien, Afrika und Lateinamerika nennen als ein Hauptproblem unserer Zeit: Die Gier nach immer mehr Rohstoffen und Land. „Der Reichtum an Rohstoffen und Land macht uns arm“.
„In allen Religionen steckt die Sehnsucht nach einer gerechteren Welt“ (Interview DBK-Weltkirche)
Bis Sonntag informieren rund 150 Aussteller aus dem In- und Ausland auf der Stuttgarter Messe über Fair Handeln. Mit einem eigenen Weltmarktplatz sind auch die beiden großen Kirchen vertreten, wie Willi Knecht aus dem Diözesanausschuss Eine Welt berichtet. Im Interview mit dem Internetportal Weltkirche spricht der Theologe über die Idee des fairen Handelns, die neue globale Nachhaltigkeitsagenda und über die Rolle der Kirchen in der Entwicklungspolitik.
Frage: Herr Knecht, vom 31. März bis 3. April findet die FairHandeln-Messe in Stuttgart statt. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart gestaltet dort zusammen mit der evangelischen Kirche einen eigenen Weltmarktplatz. Was findet der Messebesucher hier vor?
Knecht: Die FairHandeln-Messe ist nach eigenen Angaben die größte ihrer Art in Deutschland. Die Bandbreite der Aussteller und Angebote ist sehr groß – meiner Meinung nach zu groß und oft willkürlich. Wie der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird „fair handeln“ inzwischen in vielen Geschäftsbereichen und von vielen Konzernen als schicke Etikette benutzt bzw. ausgebeutet. Zusammen mit der Messeleitung und der grün-roten Landesregierung haben die Kirchen versucht, diejenigen Gruppen zusammenzufassen und einzuladen, von denen die ursprüngliche Idee des fairen Handelns seit den 70er Jahren entwickelt worden war. Solche Eine-Welt-Gruppen sind nun auf dem neu gestaltetem Weltmarktplatz zu finden – gewissermaßen unter einem gemeinsamen Dach und entsprechend herausgehoben vom üblichen Messebetrieb.
Der Theologe Willi Knecht hat für die Diözese Rottenburg-Stuttgart an den entwicklungspolitischen Leilinien des Landes Baden-Württemberg mitgearbeitet.
Kirche vor Ort – Weltkirche vor Ort (Predigt zum außerordentlichen Missio-Sonntag, am 2./3. Juli 2016 in der SE Ravensburg)
Liebe Gemeinde:
„Kirche am Ort“ - so heißt das Programm unserer Diözese zur Erneuerung der Kirche: „Dorthin gehen, wo die Menschen sind, wo sie leben, feiern, leiden...“. Kirche am Ort ist aber auch immer „Weltkirche am Ort“, denn sonst wären wir nicht katholische Kirche. Dies möchte ich näher erläutern. Wir feiern zusammen die Eucharistie. Wir nehmen in dieser Feier die endgültige Gemeinschaft aller Menschen untereinander und mit Gott vorweg. Das biblische Bild dazu: Tischgemeinschaft mit denen, denen ansonsten der Zugang zum Tisch und damit zum Brot des Lebens verwehrt wird. Dies ist eine der zentralen Botschaften Jesu. Kennzeichen dieser Tischgemeinschaft ist das Miteinanderteilen von Brot und Wein, das steht symbolisch für all das, was wir zum Leben brauchen. Die Jünger von Emmaus erkennen den auferweckten Christus erst, als er mit ihnen das Brot teilt. Da gehen ihnen die Augen auf! Man erkennt eine christliche Gemeinde daran, wie und mit wem sie das Brot teilt. In einer Gemeinde, in der das geschieht, ist der lebendige Christus gegenwärtig, es ist Auferstehung spürbar, neues Leben.
Altkleider spenden Hoffnung
War in den 60er bis 80er Jahren das Wort von der „Hilfe zur Selbsthilfe“ und in den 90er und 00er die Rede von der „Nachhaltigkeit“ dominierend, so wird heute in den ausgeplünderten Ländern immer mehr von „solidarischem Wirtschaften“ gesprochen und dies auch praktiziert. Was bedeutet dies? Kleine Gemeinschaften, christliche Basisgemeinden, Frauen- und Nachbarschaftsgruppen (u.a.) einigen sich z.B. auf die gemeinsame Produktion von Waren, Nahrungsmitteln, erwerben gemeinsam Land, säen und ernten gemeinsam. Zuerst für den eigenen Bedarf und wenn etwas übrig bleibt, wird es verkauft oder getauscht, um andere notwendige Dinge des täglichen Gebrauchs erwerben zu können. Dies bedeutet auch eine Besinnung auf die eigenen, uralten und bewährten Traditionen, manchmal auch ein bewusstes Leben in Gemeinschaft im Geiste Jesu Christi.
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