Bischof Simón Piorno, Nachfolger von Bischof Dammert (1962 - 1992), wurde laut seinen eigenen Aussagen von Rom mit dem expliziten Auftrag nach Cajamarca geschickt, all das zu zerstören, was von und mit Bischof Dammert aufgebaut worden war (siehe auch den Bericht: "Der Nuntius verunglimpft Konzil").

Mir persönlich versprach Bischof Simón 1993, dass er das "Unkraut vertilgen wird, das unter Dammert gesät worden war"; dass besonders in Bambamarca "Köpfe rollen werden" (bezogen vor allem auf die Katecheten) und dass er die wahre Kirche wieder aufbauen werde. Deutsche Bischöfe, vor allem die Erzdiözese Freiburg in Vertretung von Prälat Wolfgang Sauer, solidarisierten sich völlig mit Bischof Simón und warfen mir vor (und allen, die an der Studie beteiligt sind: Elmar Klinger, Ottmar Fuchs etc.), die Kirche zerstören zu wollen. (siehe auch, u.a.:  "Der Bischof, das Gold und die Campesinos")

Drei konkrete Beispiele aus der Praxis von Bischof Simón:

1. Beispiel: Baños del Inca war bis 1993 das wichtigste diözesane Zentrum für die Landpastoral, seit den sechziger Jahren kontinuierlich aufgebaut und mit einer zentralen Bedeutung für die Pastoral von Dammert. Ein aufschlussreiches Detail für den dann folgenden Wechsel: die Campesinos hatten massiv geholfen, die Pfarrkirche und das Kurszentrum aufzubauen. Während eines Kurses für Katecheten über das Leiden und die Auferstehung Jesu kam die Idee auf, einen symbolischen Beitrag für die Pfarrkirche als Ergebnis des Kurses zu leisten. In wochenlanger Arbeit haben einige Dutzend Katecheten einen zwei Tonnen schweren Gesteinsbrocken derart behauen, dass daraus ein wunderschöner Altartisch für die neue Kirche wurde. Bischof Dammert hat diesen Altar geweiht. 1996 wurde dieser Altar im Auftrag des Bischofs herausgerissen (weil „primitiv und heidnisch"), auf einen LKW geladen und einen Abhang hinuntergeworfen (als „Müll"). Nach meinem Verständnis und laut offiziellem Kirchenrecht ist dies ein Sakrileg (Strafe der Exkommunikation!). Mir ist nicht bekannt, dass der Bischof deswegen vom Nuntius belangt wurde.

2. Beispiel, das Priesterseminar: Bischof Simón sah in der Ausrichtung des Seminars unter Dammert einen Abfall vom Glauben, eine Hinwendung in das rein Weltliche unter völliger Vernachlässigung der kirchlichen Lehre. Bereits Anfang 1993 wurde beschlossen, das Seminar zu schließen (wie der Erzbischof von Santiago de Chile später Miguel Garnett bestätigte). 1994 schloss Bischof Simón das alte Seminar, nachdem er den Abschluss der Erweiterung und Renovation für 1,1 Millionen Dollar (darunter Spenden von Adveniat) noch abgewartet hatte. Die „Renovierung” bestand vor allem darin, das vorbildlich mit Materialien der Region fertig gestellte Seminar teilweise abzureißen und mit „material noble” neu zu bauen, weil z.B. Lehmziegeln unwürdig für ein Seminar seien. Mir liegen Briefe vor (Archiv Adveniat), in denen Bischof Simón 1993 um weitere Gelder für den Ausbau des Seminars bat und bekam. Gleichzeitig liefen Verhandlungen mit den Karmeliterinnen, dass nach Schließung des Seminars vier Ordensschwestern in Klausur das neue Gebäude beziehen, so geschah es auch. Er schickte 17 von 21 Seminaristen unter skandalösen Umständen „in die Wüste“ (nur die vier, die sich nicht positiv zu Dammert geäußert hatten durften bleiben) und begann mit dem Aufbau eines Proseminars in San Luis, wo Knaben „fern von den Versuchungen der Welt“ auf den Priesterberuf vorbereitet werden sollen (vgl. den Artikel „Das Seminar San José, Cajamarca“ von Miguel Garnett im Sammelband „Die globale Verantwortung“).

Leiter wurde Manuel Àlvarez, der kurz zuvor auf massiven Druck der Pfarrgemeinde Celendín seine Pfarrstelle aufgeben musste und der trotzdem drei Wochen später vom Bischof im vollem Wissen um die näheren Umstände (Kindesmissbrauch) dessen Vertreibung als Pfarrer aus Celendín ausgerechnet zum Direktor des Proseminars für Knaben (12 - 17 Jahre) ernannt wurde. In der Karwoche 2002 suchten mich zwei Frauen auf, deren Söhne im Proseminar waren. Sie baten mich verzweifelt, etwas für ihre Söhne zu tun, da sie schwerem Missbrauch ausgesetzt seien. Nachfolger von Manuel Àlvarez (heute Bischofsvikar) wurde Alex Urbina. Ob der Nuntius vielleicht nicht den Müttern helfen möchte? (Vgl. dazu den neuen Erlass des Vatikans über die Zulassung von Priestern).

3. Bei einem Protest der Campesinos von Bambamarca gegen die rentabelste Goldmine der Welt verbot erst der Bischof diesen Protest mit der Begründung, Christen dürften sich nicht in Politik einmischen. Dann aber trat er auf Bitten der Mine als Vermittler auf, um die Campesinos zu beruhigen. Aus den Briefen der Campesinos: „…Der Streik dauerte 6 Tage, vom Sonntag, 4.3. bis Freitag, 9.3. 2001. Wir errichteten unser Lager 8 km nördlich von Cajamarca, am Weg nach Bambamarca. Protestveranstaltungen und Besprechungen fanden im Streiklager statt. Die Leute unterstützten uns mit Lebensmitteln… Dann folgte der Marsch auf Cajamarca. Zwischen der Kathedrale und dem Hotel begannen wir das Meeting. Die Plaza vor dem Obispado (Bischofssitz) füllte sich durchschnittlich mit 5.000 Menschen. Der Bischof bot sich als Vermittler zwischen den Organisationen aus Bambamarca und der Mine Yanacocha an. Er lud 4 Vertreter der Organisationen zum Gespräch ins Obispado. Die Leute wollten 18 Delegierte senden. Der Bischof bestand auf 4. Man willigte ein. Die Menge harrte vor dem Obispado aus. Zur Überraschung hatte der Bischof aber den Richter und die Polizei gerufen, jedoch niemanden von der Mine. Die vier Vertreter der Campesinos wurden verhaftet. Daraufhin entstand große Unruhe und es begann ein Protestzug durch die Straßen Cajamarcas. Folgende Parolen wurden gerufen: „Das Leben verkauft man nicht - man verteidigt es. „Herr Bischof, bete den wahren Gott an - nicht das Geld von Yanacocha!“ „Verlogener Bischof - du verrätst Bambamarca“.

Zur Theologie von Bischof Simón

Zitate: „Die bisherigen Katecheten haben sich nur um soziale Probleme gekümmert und sich in die Politik eingemischt. Dadurch ist das religiöse Leben völlig zum Erliegen gekommen. Nach 30 Jahren Irrweg müssen wir nun wieder völlig neu beginnen“. „Die meisten der ‚alten‘ Katecheten sind nicht kirchlich verheiratet und leben so im Zustand der Todsünde. Wie können sie da Katecheten sein“? „Die Laien müssen ihren Priestern folgen und werden mit dem Empfang der Sakramente belohnt“.

„Frauen können ohne Anleitung durch die Priester die Bibel nicht verstehen. Die rechte Interpretation des Wortes ist eine exklusive Gabe Gottes, die durch die Weihe dem Priester geschenkt wird. Die Kirche unterweist die Gläubigen im richtigen Verständnis“. „Die Lehre der Kirche ist das in verständliche Form gebrachte Wort Gottes und steht nicht zur Diskussion. Was Lehre der Kirche ist, definiert ausschließlich der Bischof“. „Die wahre Aufgabe und Berufung des Priesters ist die Spendung der Hl. Sakramente. Allein durch die Sakramente gelangt der Christ zum Heil“. „Ein Katechet, der sich bei der Ronda beteiligt, kann nicht mehr Katechet sein, denn als Katechet darf er sich nicht in weltliche Dinge einmischen“. „Oberstes Gebot für jeden Christen ist die Erfüllung der Sonntagspflicht und der monatlichen Beichte. Daneben sind das tägliche Gebet und die Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes Zeichen eines echten Christen. Um sich um soziale Probleme zu kümmern braucht man kein Christ zu sein, das können auch Gottlose“. „Durch tägliche Bußübungen bereiten wir uns auf das Ende der Welt vor. Nur wer ohne Sünde ist, wird gerettet. Deshalb müssen wir ständig bereit sein“. Alle Zitate sind audio-visuell belegt, sie stammen aus Predigten, Ansprachen und persönlichen Gesprächen. Archiv SonoViso.

Eine entsprechende Interpretation dieser und ähnlicher Zitate würde hier zu weit führen. Festzuhalten ist, dass die daraus resultierende Praxis verheerende Folge für die Pastoral und die Menschen besonders auf dem Land hatte. Die „Theologie“ und Praxis von Bischof Simón hat nichts mit den Aussagen des II. Vatikanischen Konzils zu tun. Die Vorkommnisse in der Diözese Cajamarca haben aber eine Bedeutung, die weit über die Region hinaus geht. Ist man hierzulande geneigt, solche Beispiele als extrem und vereinzelt darzustellen (und damit von der eigenen Verantwortung und Ohnmacht abzulenken), so ist festzuhalten, dass es sich hier um weltweite Tendenzen handelt und damit das Konzil zumindest in Frage gestellt wird. Diese Tendenzen gilt es anhand konkreter Beispiele aus der Praxis aufzudecken. Denn es geht nicht nur um eine theoretische Diskussion um bestimmte Aussagen des Konzils (oder der Theologie insgesamt), sondern um das ganz konkrete Leben ganz konkreter Menschen, die einer ganz konkreten kirchlichen Praxis ausgesetzt sind. Eine solche Praxis kann entweder, wie in Cajamarca von 1962 - 1992, zu einer erneuerten Kirche Jesu Christi und des Volkes Gottes führen, oder noch wichtiger: zu einem Mehr an der Fülle des Lebens, das uns verheißen ist - oder sie kann genau das verhindern, blockieren oder gar bekämpfen.