Der Kreuzweg von Bambamarca - heute

Das biblische Gleichnis vom Sämann ist bei den Campesinos sehr populär, ebenso das Bild von dem Weizenkorn, das sterben muss, damit daraus Nahrung und Leben für eine menschliche Gemeinschaft entstehen kann. Diese biblische Sprache gleicht der alltäglichen Sprache der Campesinos und der Wahrheitsgehalt dieser Bilder erweist sich in ihren alltäglichen Erfahrungen - sei es direkt in der Natur oder im Leben jedes einzelnen Menschen. So ist in der Diözese Cajamarca und noch mehr in Bambamarca heute die Rede von einem Sämann sehr verbreitet, der eine frohe Botschaft gebracht hat und dessen Saat sowohl auf fruchtbaren als auch auf steinigen Boden gefallen ist.

In Anlehnung an dieses Bild lässt sich der Befund der sozialpastoralen Arbeit in Bambamarca seit 1963 ebenfalls in einem Bild ausdrücken, das vielleicht eher als eine rein analytische Betrachtung den Kern des Problems, um das es hier geht, trifft: In einen Topf guter Erde wurden Samenkörner gelegt. Sie wurden gehegt und gepflegt und aus den Samenkörnern wurden Pflanzen, die eine reiche Ernte verhießen. War der Topf anfangs notwendig, um die Erde und den Samen zu schützen, so erwies er sich bald als zu klein und drohte, die schnell wachsenden und blühenden Pflanzen am weiteren Wachstum zu hindern. Ein Umpflanzen in einen weit größeren und durchlässigen Topf oder am besten ein Einpflanzen in die freie und weite Erde, hätte das Wachstum der Pflanzen und das Reifen der Früchte ermöglicht.

Stattdessen droht Gefahr, dass viele der noch jungen Pflanzen und Blüten verwelken, bevor sie überhaupt zur Reife gelangen konnten. Es fehlen ihnen Luft und Wasser wegen der Enge des Topfes. Einige Pflanzen aber werden überleben und noch widerstandsfähiger sein als zuvor - vielleicht gerade deswegen, weil sie die Kraft hatten, die harte Schale des Topfes zu zerbrechen und Wurzeln schlagen konnten in der Erde, die als Mutter aller Menschen diese nährt und sie wachsen und gedeihen lässt. Denn dafür wurde sie von Gott geschaffen.

Wird der Topf aber zum Selbstzweck oder gar zum absoluten Maßstab, dann ist man aus einer Angst heraus, der Topf könnte Schaden nehmen, schnell bereit, die Pflanzen herauszureißen, um den Topf zu retten. Ist dieser Topf auch noch mit lieblichen Blumenmustern und sonstigen Schnörkeln versehen, dann besteht zudem die Gefahr, die gekünstelte Dekoration mit dem Inhalt zu verwechseln bzw. diesen als gefährliche Konkurrenz zu deuten und dann auch entsprechend zu behandeln. Die gegenwärtigen Ereignisse in der Kirche von Bambamarca und in der Diözese Cajamarca lassen den Schluss zu, dass die beschriebene Gefahr eingetreten ist und der Glaube der Armen als Unkraut definiert wird, das herausgerissen und verbrannt werden muss.

Dies trifft in besonderer Weise für die Ronda zu. Im Selbstverständnis der Ronda und von Bischof Dammert wurde unter den Armen eine neue Form der Demokratie geschaffen. Diese Demokratie unterscheidet sich wesentlich von einer Demokratie, wie sie in Europa von der griechischen Klassik her verstanden wird. Die Demokratie Athens war eine Schöpfung der Bürger Athens, während gleichzeitig die Barbaren ausgeschlossen blieben; mehr noch: diese Art von Demokratie beruhte darauf, dass 1.000 Bürger auf Kosten der Sklavenarbeit von Abertausenden von Barbaren lebten und ihren eigenen Lebensstil pflegten und verteidigten (1).

Die Demokratiebewegung der Ronda geht den umgekehrten Weg. Sie ist die Selbstorganisation der Campesinos und sie tragen ihre Art der Demokratie in die Stadt hinein. Nimmt man die Rede von der Globalisierung ernst und versteht man Bambamarca als globales Dorf, dann gilt: es kann nur dann zu einer echten Demokratisierung des Globus kommen, wenn die Mehrheit der Völker nicht nur ihre Anliegen und Interessen einbringen kann, sondern wenn die Armen weltweit zu Protagonisten ihres eigenen Schicksals werden und von ihnen und ihren Bedürfnissen her Wirtschaft und Politik weltweit gestalten werden.

Dies zu fordern und vor allem in ihrer eigenen Praxis zu bezeugen, wäre die dringendste und vornehmste Aufgabe der Kirche Jesu. Aber so wenig die Bürger Athens wie die weißen Siedler in Amerika erkannten, dass ihre Art zu leben und zu glauben den Ausschluss und den Untergang der Barbaren bedeutete, so wenig mögen dies heutige „Weltbürger“ erkennen. So wie die „Städter“ in Bambamarca die Organisationen der Campesinos mit Recht als Bedrohung ihrer Privilegien erfahren haben, so deuten die liberalen Bürger in den Zentren dieser Welt die Forderung der Armen und der Barbaren nach mehr Gerechtigkeit und gleichberechtigter Partizipation als Anschlag auf die Freiheit und auf die christlich-abendländische Zivilisation. Die Zustimmung zu dieser Ordnung muss uneingeschränkt, also absolut sein. Wer dies nicht kann oder gar eine andere Ordnung anstrebt, wird wegen Gotteslästerung an das Kreuz geschlagen.

Der Kreuzweg der Campesinos von Bambamarca steht stellvertretend für das „Kreuz dieser Welt“. Die Campesinos und ihre Organisationen waren über drei Jahrzehnte hinweg in die Kirche integriert bzw. sie waren diese Kirche. Nun erfahren sie diese Kirche in ihrer äußeren Struktur als ein Gegenüber, gar als ein feindliches Gegenüber. Analog dazu verhält es sich mit ihren Organisationen auf staatlicher und gesellschaftspolitischer Ebene. Sie haben sich, angeregt und beflügelt durch die Evangelisierung, zum ersten Mal seit vierhundert Jahren demokratisch organisieren können und den unschätzbaren Wert dieser Demokratisierung kennen gelernt.

Doch je mehr und besser sie sich organisiert haben, desto mehr erfahren sie die Ablehnung oder gar Feindseligkeit eines Staates, der sich in Anlehnung an europäische Modelle demokratisch nennt bzw. dem diese Art von Demokratie wie im Falle von Peru von außen aufgezwängt oder verordnet wurde. Der Unterschied zur Situation innerhalb der Kirche besteht nur darin, dass diese Ablehnung seitens des Staates von Beginn an bestand. Werden die Campesinos nun wieder wie über Jahrhunderte hinweg bis 1962 sowohl von Kirche als auch Staat als Barbaren angesehen und entsprechend behandelt, sie aber andererseits nicht mehr gewillt sind, dies ohne Widerspruch hinzunehmen, ist der Konflikt programmiert.

Dieser Konflikt und dessen Deutung als Kreuzweg stehen im Mittelpunkt dieses Abschnittes. Bei der Deutung des Weges als ein Kreuzweg steht nicht nur das erfahrene Leid und die Ungerechtigkeit im Mittelpunkt, sondern Elemente der Auferstehung sind darin immer bereits im Ansatz und in jeder Station schon enthalten. Der Weg zum Kreuz, die Kreuzigung und die Auferstehung bilden für die Campesinos eine Einheit. Dies ist für sie keine theoretische Erkenntnis oder ein gelernter Glaubenssatz, sondern sie haben in Augenblicken des größten Leides und von Gottverlassenheit Zeichen höchstmöglicher Solidarität und Hoffnung erfahren.

Im ersten Teil dieses Abschnitts steht eine aktuelle Bestandsaufnahme (1998 - 2002) zur Situation in Bambamarca. Dabei kommen Ereignisse zur Sprache, die für die Campesinos sowohl in der Vergangenheit als auch für den weiteren Weg von großer Bedeutung waren und sein werden: die Entwicklung der Campesinoschule Alcides Vásquez; die Rolle der Frauengruppen im Bündnis mit den alten Katecheten; die Partnerschaft mit der Gemeinde St. Martin in Dortmund; die Rolle der Schwestern vom Heiligen Herzen; der Widerstand gegen die sich ausbreitende Goldmine und damit in Zusammenhang das Schicksal des bis heute größten Projektes in Zusammenarbeit mit Misereor. Die Ereignisse sind als Schlaglichter zu verstehen, die exemplarisch ein Licht auf bestimmte Strukturen und Verhaltensweisen werfen und die auf globale Strukturen hinweisen. Diese werden entsprechend gedeutet.

Der Weg des Volkes Gottes wird als ein Kreuzweg nach dem Vorbild Jesu verstanden. José Espíritu, Katechet seit 1974, interpretiert diesen Weg im Lichte der Bibel und seines Glaubens. Seine Interpretation bzw. die Möglichkeit, diesen Weg als einen Weg in eine bessere Zukunft und nicht nur des Leides zu deuten, verdankt José Espíritu - wie er selbst betont - Bischof Dammert. Der so genannte „Kreuzweg von Bambamarca“ steht am Ende dieser Arbeit und bedarf - vorläufig - keines weiteren Kommentars. Denn in ihm bündeln sich die zentralen Aussagen dieser Arbeit.

a) aktuelle Bestandsaufnahme

Fünf aktuelle Beispiele aus Bambamarca bilden den Rahmen und den Hintergrund für den Kreuzweg von José Espíritu. Die folgenden Beispiele und der Kreuzweg von José Espíritu ergänzen und bedingen sich gegenseitig. Die Beispiele als Illustration der aktuellen Situation erhalten im Lichte des Kreuzwegs von José Espíritu ihre Bedeutung und Deutung. Alle Beispiele haben ihre Vorgeschichte. Sie sind im Rahmen der bisherigen Evangelisierung seit 1963 und des Richtungswechsels seit 1993 zu sehen.

1) Die Campesinoschule Alcides Vásquez (2)

Bereits Ende der siebziger Jahre entstand bei den Campesinos immer stärker das Bedürfnis, auch formal einen anerkannten Schulabschluss zu erhalten. Die üblichen Kurse entsprachen den unmittelbaren Bedürfnissen der jeweiligen Comunidades und der Männer und Frauen, die an den Kursen teilnahmen. Bald stellte sich heraus, dass es darüber hinaus für die erwachsenen Campesinos immer wichtiger wurde, sich elementare Kenntnisse in Mathematik, Geschichte, peruanischer Literatur, Geographie etc. anzueignen. Alphabetisierung war hingegen oft schon integraler Bestandteil der bisherigen Kurse. Das traditionelle Schulsystem war, wie überall auf der Welt, auf Kinder und Jugendliche hin orientiert - von den Inhalten der schulischen Vermittlung einmal ganz abgesehen.

Erwachsenenbildung oder vergleichbare Einrichtungen wie in Deutschland gab es selbstverständlich nicht in Bambamarca. Erste Versuche, jungen Erwachsenen zu einem Schulabschluss zu verhelfen, gab es bereits 1978. Sie wurden von den Schwestern im Pfarrhaus organisiert. Vor allem die Mitarbeiter des Despertar hatten daran ein großes Interesse. Der Unterricht bestand anfangs darin, den schulischen Unterrichtsstoff so schnell als möglich einzutrichtern, damit die Schüler an einer regulären Schule eine Abschlussprüfung bestehen konnten, wobei es noch unklar war, ob eine staatliche Schule überhaupt bereit war, diese Vorbereitung zu akzeptieren.

Vereinzelt konnte auf diese Weise in der Tat ein Campesino einen Schulabschluss (Primarschule) erwerben. Bald aber wurde deutlich, dass dies nicht die Lösung sein konnte. Es gab Überlegungen, eine eigene Schule zu gründen und zu betreiben, die speziell auf die Bedürfnisse der Campesinos ausgerichtet war. Es sollte eine Schule von Campesinos - mit der Hilfe von Profesionales, vor allem der Schwestern - für Campesinos werden.

Wohl selten ist das Programm einer Schule so identisch mit seinem Namen, wie in diesem Fall. Fragt man Schüler nach dem Sinn und Zweck ihrer Schule, erzählen sie zuerst von Alcides Vásquez. Alcides wurde am 6. 6. 1953 in Tallamac geboren. Seit 1970 arbeitete er in der Pfarrei mit und er war von Anfang an einer der treibenden Kräfte in der JARC (Katholische Landjugend). 1974 heirate er Santos Saucedo, sie hatten zwei Kinder. Schon damals bildete er zusammen mit seiner Frau in seiner Comunidad Gruppen zur Alphabetisierung. Er war sich früh bewusst, dass es nur dann zu nachhaltigen Veränderungen kommen kann, wenn sich die Campesinos ihrer Situation bewusst werden, wenn sie sich organisieren und sich ständig weiterbilden.

Diesen Prozess verstand er als einen Erziehungsprozess. 1978 unternahm er zum ersten Mal als Leiter einer Gruppe von Jugendlichen eine Reise an die Küste, um mit der Gruppe an einem Festival für Theater, Musik und Kunst teilzunehmen. Er komponierte Lieder und schrieb Texte für Theaterspiele und Lieder. Er kümmerte sich besonders um die Organisation der Hüteflechter, damit diese ihre Produkte besser vermarkten konnten. In die gleiche Richtung ging sein Bemühen, die selbst angefertigten Textil- und Webarbeiten zu verbessern.

In der Comunidad Tallamac begann er mit dem Anlegen von Gemüsegärten, der Zucht von Kleintieren und der Produktion von Bienenhonig. Er war - wie es später hieß - die Seele der Ronda von Tallamac. Dieser Einsatz für seine Comunidad blieb nicht auf Tallamac beschränkt. In vielen Kursen und Besuchen in anderen Comunidades gab er seine Kenntnisse und Fragen weiter. Gelegentlich arbeitete er im Despertar mit und schrieb dort auch Meditationen über biblische Texte.

1980 wurde sein Krankheitsbild immer deutlicher erkennbar. Er litt an einer unheilbaren Form von Diabetes und es war ihm bewusst, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Seit 1980 widmete sich er vor allem der Naturheilkunde, er wurde zum Vorsitzenden der „Promotores de salud“ von Bambamarca, er organisierte Kurse und sorgte dafür, dass Kenntnisse über Heilpflanzen gesammelt und niedergeschrieben wurden.

Er war maßgeblich am Entstehen der Gruppe Martín Quiliche im Jahr 1983 beteiligt. Er hielt es für unabdingbar, die eigene Geschichte und Kultur kennen zu lernen und fing an, alte Erzählungen, Legenden, Märchen, Lieder und mündlich überlieferte Sitten und Gebräuche zu sammeln und aufzuschreiben. Für zwei Jahre war er stellvertretender Vorsitzender des Pfarrgemeinderates. Er erlebte noch den Beginn der Campesinoschule in der Asistencia im Jahre 1985.

Von Beginn setzte er sich dafür ein, dass die Bildung, so wie er sie verstand, gerade den Ärmsten offen stehe müsse und sich zuerst an den Bedürfnissen der Ärmsten auszurichten habe. Er brachte noch zwei Vorschläge ein, die für die weitere Zielsetzung der Schule von großer Bedeutung waren: die Ausbildung solle vor allem dazu dienen, sich als Campesinos besser organisieren zu können und den Schülern zu praktischen Fähigkeiten verhelfen, damit sie diese in ihrer Comunidad danach anwenden könnten. Alcides Vásquez starb im Alter von 32 Jahren am 15. September 1985.

Im April 1985 hatte der Schulbetrieb in der Asistencia mit 30 Schülern begonnen. Die Initiative für den Beginn ging von führenden Ronderos aus. Diese insistierten solange, bis sich Pfarrer Rolando Estela und die Schwestern bereit fanden, sich als Lehrer zur Verfügung zu stellen und weiteres Lehrpersonal zu suchen. Die Ronderos, in der Mehrheit Katecheten, gaben als Hauptziel der Schule an, den Campesinos alle die Kenntnisse zu vermitteln, die notwendig sind, um der jeweiligen Comunidad besser dienen zu können. Der Unterricht fand anfangs nur samstags statt. Auf dem Lehrplan standen: Religion, peruanische Geschichte und Geographie, Sprache, Mathematik und Naturlehre (Sachkunde). Die staatliche Schule in der Stadt hatte sich bereit erklärt, die Abschlussprüfungen abzunehmen und Zeugnisse auszustellen.

Diese Lehrer nahmen aber ihre Aufgabe nicht ernst, sie erschienen nicht zu den Prüfungen oder gaben willkürliche Abschlussnoten. „Dieses System konnte keine guten Ergebnisse bringen. Der hauptsächliche Mangel war neben der Arroganz der prüfenden Lehrer, dass die Lerninhalte wenig mit der Realität auf dem Land zu tun hatten und dass die Schüler zu den Examina in eine Schule in der Stadt gehen mussten, die sie nicht kannten. Angesichts dieser Situation insistierten wir mit Hilfe der Pfarrei und der Schwestern, unsere eigenen Programme und Lehrpläne gestalten und eigene Prüfungen ablegen zu können.

Trotz heftiger Widerstände erhielten wir im November 1987 vom Erziehungsministerium die Erlaubnis, eine Schule für Erwachsene mit allen Rechten aufmachen zu dürfen. Die Verantwortung für die Schule wurde der Pfarrei übertragen, die pädagogische Leitung wurde dem ‚Orden der Schwestern vom Heiligen Herzen’, Sitz in Lima (Monterrico), übertragen“ (3). Die Campesinos wählten als Namen für das neu geschaffene Studienzentrum „Alcides Vásquez“, „im Gedächtnis an einen unvergessenen Menschen, der beim Entstehen dieses Zentrums maßgeblich beteiligt war“ (ebd.). In den folgenden Jahren gab es vielfältige Anlaufschwierigkeiten: immer noch zu viel theoretischer Unterricht, mangelnde Disziplin, vor allem in Notengebung und Anwesenheitspflicht, keine Kontrolle und Weiterbildung des Lehrpersonals, es gab noch kein verbindliches Statut.

Ungeachtet dessen wuchs im Bewusstsein der Campesinos die Überzeugung, dass es „ihre“ Schule sei und dass sie im Dienste der gemeinschaftlichen Arbeiten in den Comunidades und der Ronda stehe. 1993 wurde endlich ein verbindliches Regelwerk geschaffen, so wurde z.B. großer Wert auf die Mitverantwortung der erwachsenen Schüler gelegt. Es wurde ein Mindestmaß an körperlicher Arbeit z.B. in den hauseigenen Mustergärten und Lehrwerkstätten verlangt; jeder Schüler musste einen materiellen Beitrag zur Finanzierung leisten, meist in der Form, Nahrungsmittel aus seiner Comunidad für die gemeinsame Küche mitzubringen und in der Küche zu helfen; die regelmäßige Anwesenheit im Unterricht wurde überprüft, der Unterricht fand an zwei Tagen pro Woche statt, so dass jeweils drei Schichten unterrichtet werden konnten.

„Diese Änderungen waren sehr wichtig, um das angestrebte Ziel einer solidarischen Organisation unter Mitbestimmung der Schüler erreichen zu können. Im theoretischen Unterricht behandelten wir Themen aus der Praxis, wie z.B.: im Sprachunterricht haben wir die Dokumente unserer Organisation behandelt; in Mathematik haben wir unsere Buchhaltung der Schule und der Ronda gelernt; in Sachkunde haben wir die Notwendigkeiten unserer Landwirtschaft studiert. Wir werden uns nun besser darauf vorbereiten können, unser eigentliches Anliegen zu erreichen: der Kampf gegen die Ungerechtigkeiten, die wir als Campesinos erleiden müssen und eine immer bessere Organisation, um diese Ziele erreichen zu können“.

Die pädagogische Leitung der Schule lag in den Händen der Schwestern. Sie hatten als Ordensgemeinschaft die staatliche Erlaubnis erhalten, eine solche Schule zu betreiben, d.h. sie waren die allein rechtlich anerkannten Betreiber. Grundstück und Gebäude dagegen gehörten der Pfarrei. Die allein rechtlich anerkannten Repräsentanten der Pfarrei sind die Pfarrer bzw. der Bischof. Nach der Übernahme der Pfarrei durch die neuen Pfarrer im März 1997 war der Konflikt programmiert. 1998 wurde Schwester Elisa, die Leiterin der Schule, zuerst nach Lima und dann nach Paris bestellt, um vor dem Generalkapitel die Konzeption der Schule vorzustellen und zu begründen. Bischof Simón hatte wiederholt bis über höchste Stellen darauf gedrängt, dass die Schule entweder geschlossen werden oder sich eine andere Zielsetzung suchen muss.

Doch vorläufig konnte er sich nicht durchsetzen und sowohl die Oberin in Lima als auch die Generaloberin in Paris bestärkten Schwester Elisa und ihre Gruppe ausdrücklich und ermutigten sie, in ihrer bisherigen Arbeit fortzufahren. In einem Brief an die Partnergemeinde Dortmund, mit Kopie an mich, schreibt Schwester Elisa: „Heute besuchen 169 junge Frauen und Männer aus 60 verschiedenen Comunidades diese private, inzwischen aber staatlich anerkannte Schule, die zudem für die weit entfernt Wohnenden auch Unterkunft und Verpflegung bietet. Der Unterricht findet wöchentlich, für die Primarstufe mittwochs und donnerstags, für die Sekundarstufe freitags und samstags statt. Es existiert weiter eine Magisterstufe, in der Lehrer für die weit entfernt liegenden Ansiedlungen ausgebildet werden. Hier findet der Unterricht dreimal wöchentlich Donnerstag bis Samstag statt...

Die Schule bemüht sich um eine integrale Ausbildung, die den Glauben in die Schulthemen einbezieht, und um Respektierung und Förderung der Identität der Campesinos aus den abgelegenen Orten. Schülergruppen lernen, bestimmte Aufgaben, z.B. die Herstellung des Brotes oder die laufende Säuberung der Räume, in eigener Verantwortung zu erfüllen. Die gesamte Ausbildung ist praxisbezogen und soll die Schüler befähigen, nach der Rückkehr in ihre Orte Verantwortung zu übernehmen. Die Bedeutung der Schule für die Campesinos kann kaum überschätzt werden. Eine weitere Unterstützung ist eine Investition in die Zukunft“ (4)

Die Finanzierung und damit die Existenz der Schule hingen völlig von der Unterstützung aus Dortmund ab. Wenige Monate nach diesem Brief wurde Schwester Elisa aus Bambamarca abberufen und durch Schwester Betsabeth ersetzt, die auch zur neuen Leiterin der Schule ernannt wurde. Im November 1999 konnte ich noch einige Tage in der Asistencia verbringen, den Betrieb der Schule beobachten und Lehrer und Schüler besser kennen lernen. Im Dezember verließ Schwester Elisa endgültig Bambamarca. Bei einem nächsten Besuch von Hans Meister im Sommer 2000 musste dieser bereits gravierende Veränderungen in der Schule und vor allem in der Konzeption der Schule feststellen. Diese Veränderungen - im Kontext der allgemeinen pastoral-sozialen Situation in der gesamten Diözese Cajamarca - war dann auch das zentrale Thema des Treffens der deutschen Partnergruppen im Herbst 2000 bei Aachen.

2) Besuche aus Deutschland

Aus dem offiziellen Protokoll des Bundestreffens der Gruppen mit Partnerschaften in Cajamarca in Aachen/Obermühle am 22. -24. 9. 2000. Bericht von Hans Meister, Partnerschaft des Fördervereins Herzogenaurach mit den Frauengruppen von Bambamarca, über seinen Besuch im Sommer 2000 in Bambamarca (leicht gekürzt):

„A. Rahmen: Durch die inhaltlich wie organisatorisch enge Zusammenarbeit der Priester und Ordensschwestern mit den politischen Kräften der Präfektur und der Stadtverwaltung ist ein neues Machtzentrum entstanden, dem sich nur schwer basisorientierte Gruppen widersetzen können. Sowohl im pastoralen wie im sozialen Bereich verbieten die Amtsträger andere Initiativen als die ihren und verleumden alle Gruppen, die im Sinne der Sozialpastoral Bischof Dammerts arbeiten. Folgende Gruppen wurden aus dem Sozialzentrum der Pfarrei (Asistencia) ausgeschlossen:

- Ronda (gewählte Dorfverantwortliche)
- JURIC (Landjugend, die mit der Ronda zusammenarbeitet)
- die ‚alten’ Katecheten, denen seit 1993 jede Funktion aberkannt wurde
- der Gesundheitsdienst für die Comunidades
- die Fraternität der Behinderten
- die Erwachsenenbildung SER für die Landbevölkerung
- der Verein ‚José Dammert Bellido’
– die Frauengruppen, die unabhängig von den o. g. Amtsträgern arbeiten wollen.

B. Der Frauen-Kongress auf Provinzebene fand am 21. und 22. 8. 2000 statt. Er war von Schwester Betsabeth, Pfarrer Abel, einer Stadträtin, der Caritasbeauftragten, der Organisatorin von PRONAA, sowie anderen Personen so vorbereitet, dass außer interessenorientierten Grußbotschaften auf der Plaza de Armas inhaltlich wenig mitgeteilt wurde. Beim Delegiertentreffen in der Asistencia wurden statt der angekündigten Arbeitskreise Referate von hauptamtlichen Funktionsträgern gehalten. Es kam es kaum zum Austausch mit Andersdenkenden. Die Neuwahlen wurden so deutlich manipuliert, dass sogar die Vertreterinnen der CCP5 und der Frauenbewegung auf Nationalebene offen ihr Entsetzen ausdrückten. Die Delegierten nicht konformer Gruppen wurden alle aus der Vorstandschaft auf Provinzebene entfernt und gleichzeitig aller anderen Posten entbunden.

Seit Dezember 1999 wurden Vertreterinnen systematisch durch Posten, Geld, Lebensmittel u.a. Zuwendungen von Caritas, PRONAA, UNICEF, Präfektur, Pfarrei und vor allem durch Schwester Betsabeth auf die neue Form der ‚Sozialarbeit’ eingeschworen. Posten und andere Vorteile werden ausschließlich an politisch und kirchenpolitisch folgsame Personen vergeben. Dadurch verspricht man sich Stimmen für die Machthaber und gibt Bedingungen vor, die einer basisnahen Sozialarbeit widersprechen. Kritische Leute werden von den Priestern, Schwestern, Vertretern der Stadt, der Präfektur, den kirchlichen Gruppen Caritas, Legion Mariaä, Juan XXIII ausgegrenzt, öffentlich beschimpft und z. T. juristisch zu Unrecht verfolgt.

C. ‚Alcides Vásquez’: Die Campesinoschule mit Primaria (62 Schüler), Secundaria (166) und Lehrerausbildung (24) befindet sich im Wandel. Ab 2001 soll kein Lehrerkurs mehr angeboten werden. Während früher überwiegend Erwachsene studierten, sind es heute mehr Jugendliche, auch aus dem städtischen Milieu. Die neue pädagogische Orientierung ist geprägt von Abhängigkeit, Bezahlung und Bevorzugung der Günstlinge, sowie durch Unterdrückung, Diffamierung und Benachteiligung kritischer Schüler. Deshalb verlassen z. Z. einige Lehrer wie Schüler ‚Alcides Vasquez’. Die derzeitige Schulleiterin war in Jaén unter dem damaligen Pfarrer Paco Simón Piorno dessen geistiges Ziehkind.

D. Das neue Zentrum ‚José Dammert Bellido’ ist eine Baustelle und gleichzeitig Zufluchtsort der ausgestoßenen Gruppen. Die Ronda hat ihr Büro in einem baufälligen Flügel des Altbaus. Behinderte, Gesundheitsdienst, Landkatecheten, JURIC (Landjugend), Frauengruppen, der Verein ‚José Dammert Bellido’ u. a. treffen sich in dem fensterlosen Rohbau. Vor, während und nach dem Kongress forderten die Vertreterinnen der Pfarrei und die neubestimmten Delegierten auf Provinzebene, dass das neue Zentrum ihnen gehöre. Das ist ein Irrtum, denn es ist auf den Namen des Vereins ‚José Dammert Bellido’ eingetragen.

E. Der Verein ‚José Dammert Bellido’ hat zehn Vorstandsmitglieder, die sich z. T. seit Jahrzehnten überzeugend in der Bildungsarbeit mit der Landbevölkerung bewährt und eine breite Basis auf dem Land haben. Alle Vorstände begleiten gleichzeitig Funktionen als Verantwortliche in den Zonen Frutillo, San Antonio, Tallamac u.a., in Bereichen der Landbewegung. (Frauengruppen, Ronda, Jugend, Gesundheitswesen...). Ebenso ist eine enge Zusammenarbeit mit den ‚alten’ Katecheten gegeben. Drei Vorstände werden im Januar, Februar, März 2001 in Cajamarca einen Ferienkurs besuchen, um Verwaltung und Buchhaltung zu lernen. Außerdem soll eine eigene Schreinerei aufgebaut werden, die Neptalí und Santos betreiben. So können Fenster, Türen, Möbel für den Neubau wesentlich billiger hergestellt werden und später kann die Schreinerei als Einnahmequelle für die Finanzierung der Kursarbeit dienen.“

Notwendige Erläuterungen zu diesem Bericht:

Zur Rolle der Ordensschwestern und zur Situation in der Schule „Alcides Vásquez“: Zu Beginn des Schuljahres 2000 (Beginn am 1. April) trat die neue Leiterin der Schule, Schwester Betsabeth, ihr Amt an. Die näheren Hintergründe der Ablösung konnten bisher nicht verifiziert werden, Schwester Elisa ist abgetaucht, ich durfte sie nach Anfrage an die Ordensleitung in Lima nicht besuchen, weil sie angeblich Ruhe braucht. Die Ordensleitung in Lima beschwichtigt und meint, die Schule nun auch mehr für die Stadt zu öffnen und professioneller zu machen. Andererseits ist man über die gegenwärtige Lage nicht glücklich.

Die Aussagen im Protokoll kann ich durch eigene Befragungen und Erlebnisse während meines Besuches von Januar bis März 2001 bestätigen. Die Campesinos, vertreten durch die Rondas und die Frauengruppen, interpretieren die Veränderungen in der Schule als Angriff gegen ihre Organisationen und als Angriff gegen alles, wofür sie in den letzten dreißig Jahren eingetreten sind. Besonders schmerzt die Erfahrung, dass die Ordensschwestern, die bisher das volle Vertrauen der Campesinos hatten, nun mit den Pfarrern gemeinsame Sache machen.

Die Campesinos fühlen sich von ihren Freunden verraten. Durch erhebliche finanzielle Aufwendungen gelang es der Pfarrei und den neuen Schwestern, einzelne Lehrer, Katecheten und Frauen auf ihre Seite zu ziehen. Dies führt zusätzlich zu der Gefahr einer Spaltung und schürt allgemein das Misstrauen. Die Pfarrei St. Martin finanziert weiterhin die Schule. Dieser Umstand wird in den Händen der Schwestern zu einem entscheidenden Machtfaktor zugunsten der Schwestern. Denn einerseits verfügen sie damit über viel Geld, mit dem sie u.a. sehr aufwendig diejenigen Mitarbeiter bezahlen können, die mit ihnen zusammenarbeiten, andererseits sehen sie dies als Bestätigung - und sagen dies öffentlich - dass die Partnergemeinde auf ihrer Seite steht.

Zu dem Frauenkongress am 18.-19. August 1998 wurden auch Prof. Dr. Klinger und Pfarrer Nüßlein (Herzogenaurach) eingeladen, sie waren zu Besuch in der Diözese Cajamarca. Dieser Kongress war das letzte Treffen, zu dem Katecheten und Frauengruppen noch uneingeschränkten Zutritt zur Asistencia erhielten. Ich begleitete die Besucher und war drei Wochen später noch einmal alleine für eine Woche in Bambamarca und durfte in der Asistencia noch übernachten. Der Konflikt mit der Pfarrei war sehr deutlich zu spüren.

Gleich nach Ankunft wurde ich schon darauf hingewiesen, dass es Versuche gegeben hatte, diesen Kongress scheitern zu lassen; u.a. hat man seitens der Pfarrer und ihrer Helfer auf dem Land mit Lautsprechern verlauten lassen, dass der Kongress erst am 20. 8. stattfinden wird und dass dort dann Lebensmittel verteilt werden. Statt über 100 Gruppen mit 3.000 Teilnehmerinnen kamen nun etwa 50 Gruppen und dazu noch mit geringerer Besetzung. Auch eingeladene Katecheten kamen nicht. Die verantwortlichen Frauen hatten eine Riesenwut. Schon damals wurde deutlich, dass die Nahrungsmittelhilfe als wichtige Waffe gegen Gruppen eingesetzt wurde, die sich nicht unterordnen wollten.

Aus dem Rechenschaftsbericht der Präsidentin aller Frauengruppen, Susana: „Sie wollen uns nicht am Tisch haben, weil wir dreckige Indios sind. Wir sind geboren für die Feldarbeit. Aber wir mischen uns ein, wir machen Politik. Politik ist für uns, wenn wir unsere Rechte vortragen, wenn wir uns organisieren und Lösungen für unsere Probleme suchen. Auch wenn sie uns sagen, Politik sei Sünde und das sei nichts für fromme Katholiken. Wir werden aber weiterhin für unsere Rechte kämpfen. Sünde wäre, die Ungerechtigkeit zu ertragen. Für ein Kilo Reis dürfen wir nicht unser Gewissen verraten“ (Mitschnitt).

In sieben Arbeitsgruppen wurden folgende Themenbereiche behandelt:

1. Frauenorganisation, 2. Rechte und Pflichten der Ehepaare, 3. Alternative Produktion und Entwicklung, 4. Nationale Realität, 5. Die Soziallehre der Kirche, 6. Christsein heute, 7. Jugendorganisation.

Dieser Frauenkongress 1998 hatte eine besondere Bedeutung. Es war der letzte Kongress, der in dieser Form in der Asistencia stattfinden konnte. Das Komitee der Katecheten bekam ein Hausverbot ausgesprochen; die aktivsten Frauen, die gewählten Vertreterinnen der Frauengruppen, durften ebenfalls nicht mehr in das Kurzzentrum. Einige dieser Frauen besuchten als Schülerinnen der Campesinoschule, wurden aber auf Intervention von Schwester Elisa bis 1999 zum Unterricht noch in das Gebäude hineingelassen. Jetzt war den Campesinos die materielle Basis entzogen. Der äußere, offizielle Vorwand war, dass die Pfarrei die Gebäude selbst für eigene pastorale Zwecke benötigen würde, z.B. zur Abhaltung von Exerzitien.

Im Sommer 1998, zufällig zur gleichen Zeit, machte eine ehemalige Entwicklungshelferin, die in den sechziger Jahren in Bambamarca gearbeitet hatte, eine kleine Erbschaft, die sie der Frauenarbeit in Bambamarca zukommen lassen wollte. Dieser Betrag reichte knapp, um im Zentrum von Bambamarca ein altes, inzwischen verfallenes Hotel, zu kaufen. Dieses Haus sollte als neues Kurs- und Lebenszentrum der Frauengruppen und der alten Katecheten dienen. Es musste aber zuerst stufenweise abgerissen und dann neu aufgebaut werden. Trotz erheblicher Eigenarbeit der Campesinos sind erhebliche Finanzmittel für die Wiederaufbau notwendig. Nachdem von Deutschland aus zuerst der Bau der Asistencia finanziert wurde, ebenfalls unter großen Anstrengungen und Mitarbeit der Campesinos, muss nun wiederum von Deutschland aus ein Kurszentrum finanziert werden, weil die Adressaten der Spenden aus dem für sie gebauten Haus von den Pfarrern von Bambamarca und dem Bischof vertrieben wurden. Im neuen Kurszentrum wird auch die Ronda ihre Anlaufstelle haben.

Die Besuche deutscher Partnergruppen und deren Berichte auf dem Cajamarcatreffen bei Aachen beseitigten (scheinbar) nun auch noch die letzten Zweifel an den drastischen Veränderungen in der Diözese Cajamarca und speziell in Bambamarca. Es ergaben sich aus diesem Bericht aber keine konkreten Handlungsstrategien und es wurden keine praktischen Schlussfolgerungen gezogen. Die übrigen Partnergruppen zeigten zwar ihre Betroffenheit, konzentrierten sich aber auf ihre eigenen Partnerschaften. Sie konnten nicht sehen, dass auch die Fundamente ihrer eigenen Partnerschaften sehr brüchig geworden oder gar schon völlig zerstört waren. Selbst in St. Martin Dortmund hielt man es noch für sinnvoll, weiterhin die Schwestern von Bambamarca voll zu finanzieren, man wollte es nicht zu einem endgültigen Bruch kommen lassen.

Außerdem hatte man die Logik von Bischof Simón akzeptiert und verinnerlicht, der die Dortmunder an ihre eingegangenen Verpflichtungen erinnerte. Demnach hat die Pfarrei in Dortmund die Pflicht, die elf Lehrergehälter und den Unterhalt der Schule zu finanzieren, weil die Lehrer erst auf die ursprüngliche Zusage einer Finanzierung durch Dortmund eingestellt worden waren. Würden sie sich jetzt zurückziehen, wäre dies unsozial. Vor allem wegen der Situation in der Schule entschloss sich Pfarrer Wiegel von St. Martin, Bambamarca einen Besuch abzustatten. Seine Perureise dauerte vom 15.- 29. Juni 2001, davon war er für fünf Tage in Bambamarca. Seine ausdrückliche Absicht war, seinen Besuch in den Dienst der Versöhnung zu stellen, d.h. im Verständnis des Pfarrers, nicht Partei zu ergreifen und für beide Seiten in gleicher Weise offen zu sein. Daher entschied er schon im Vorfeld, sowohl in Cajamarca als auch in Bambamarca in einem Hotel zu wohnen, um so seine Neutralität zu dokumentieren.

Aus demselben Grund entschied er sich auch, für den Besuch in Bambamarca auf die sonst übliche Begleitung von Hans Hillenbrand zu verzichten und stattdessen mit Jorge López nach Bambamarca zu reisen. Dieser Reiseplan provozierte schon im Vorfeld Ärger. Aus der Sicht der Campesinos war dies eine Bloßstellung ihres Vertrauensmannes in Cajamarca. Noch schwerwiegender war der Entschluss, mit Jorge López nach Bambamarca zu reisen. Dieser trat mit der Absicht die Reise an, die Situation in Bambamarca durch ein Machtwort an die Campesinos zu bereinigen. War Jorge López schon als Pfarrer in Bambamarca (1979/80) umstritten, so danach um so mehr. Die Campesinos, die Vertreter der Ronda und der Frauengruppen, konnten in ihm keinen Vermittler sehen (6).

Ein exemplarisches Detail, an sich eher unbedeutend, zeigt das Ausmaß der missverständlichen Wahrnehmung und der daraus resultierenden Blindheit gegenüber der Realität. Wie die Campesinos berichten, bereiteten sie den Besuchern, Padre Alfonso und Padre Jorge, ein sehr üppiges Frühstück, für das sie selbst große Opfer bringen mussten. Anschließend gingen die Besucher in das Pfarrhaus, wo sie von den Pfarrern nur eine Tasse Tee mit trockenem Brot serviert bekamen. Die Pfarrer erklärten den Besuchern, dass sie über kein Geld verfügen und selbst sehr arm seien. Gerührt von dieser Armut, entschloss sich Padre Alfonso spontan, den Pfarrern das Geld zu übergeben, das er eigentlich für die Campesinos mitgebracht hatte - und sagte dies ihnen auch noch. Selbst falls diese Geschichte sich nicht so abgespielt haben sollte, so sagt sie doch mehr als alle Erklärungsversuche, wie der Besuch auf die Campesinos wirkte und wie sie ihn deuten mussten.

Für sie war dieser Versuch einer Versöhnung nichts anderes als die Forderung nach einer bedingungslosen Aufgabe aller Prinzipien, für die sie bisher gekämpft haben (vgl. die Briefe der Katecheten, Dok. 49, u.a.). Pfr. Wiegel war durchaus davon überzeugt - und hat dies auch immer wieder getan - dass man den Pfarrern gut, aber entschieden zureden müsste, doch auch etwas auf die Campesinos zuzugehen (7). Das Ergebnis ist aber eine noch größere Entfremdung, die Campesinos fühlen sich noch mehr verlassen und von einem weiteren Freund verraten. Theologisch bedenklich ist auch, dass diese angebliche Versöhnung stets mit einer Konzelebration gefeiert und besiegelt wird. Die Hl. Eucharistie wird gewissermaßen als Mittel zum Zweck eingesetzt, sie wird sogar zu einer Art von Waffe, gegen die man sich nicht wehren kann. Berücksichtigt man das Verständnis von Eucharistie, wie es sich in Bambamarca entwickelt hatte, wird erst recht das ganze Ausmaß des Dilemmas deutlich. Erfahrene Katecheten können darin nichts anderes als eine Gotteslästerung sehen (8).

Fazit 2001:

Den Campesinos von Bambamarca, vertreten durch die Ronda, die Frauengruppen und die alten Katecheten, wurden binnen weniger Jahre die materielle Basis für ihre Organisationen entzogen. Sie werden von der offiziellen Kirche nicht nur ausgegrenzt, sondern die aktivsten Vertreter einer Kirche mit Poncho und Sombrero werden als Feinde der Kirche verleumdet und bekämpft. Auch die Schwestern stehen nicht mehr auf ihrer Seite, sondern sind gegen sie und selbst die Partnergemeinde in Dortmund wird nicht mehr als Rückhalt erfahren. Die Zukunft erscheint auf den ersten Blick noch düsterer: in Gestalt der Goldmine ist ein neuer Gegenspieler aufgetaucht, während gleichzeitig auch noch Misereor die Campesinos im Stich zu lassen scheint.

Doch es gibt auch Zeichen der Hoffnung. Zuletzt bahnten sich in der Diözese Cajamarca Veränderungen an, die unmittelbar mit der vorliegenden Studie im Zusammenhang stehen und die als Zeichen der Hoffnung vorgestellt werden. Zwei Ereignisse, die im Januar bzw. März 2001 stattgefunden haben, stehen beispielhaft für diese Entwicklung.

3) Jornada 2001 - „Verein José Dammert Bellido“ - Proteste gegen die Goldmine (9)

Die Jornada 2001 - erstes diözesanes Treffen aller Basisgruppen seit 1992 Am Ende des Treffens sagte ein Katechet aus Bambamarca, der seit 30 Jahren im Dienst der Verkündigung steht: „Nach dem Weggang unseres Bischofs haben wir uns wie Waisen gefühlt. Aber dieses Treffen ist wie ein Samenkorn. Es ist ein Lebenszeichen. Wir wollen, dass man uns begleitet, uns animiert und uns orientiert. Wir wurden darin bestärkt, den Weg weiter zu gehen. Wir brauchen die Begegnungen mit den Weggefährten aus den anderen Gebieten“ (Francisco Huamán, Chala). In diesem Satz ist das zusammengefasst, um was es in diesem Abschnitt geht: um das Leiden der Campesinos und um Zeichen der Auferstehung.

Zur Vorgeschichte des Treffens: Nach dem Abschied Dammerts entstand in der Diözese Cajamarca ein Vakuum. In einem Bild ausgedrückt: zur Zeit Dammerts war der Bischof das absolute Zentrum, um das alle Mitarbeiter und Gruppen wie Satelliten kreisten. Bei ihm trafen sich alle Initiativen, die einzelnen Gruppen hatten direkten Kontakt mit dem Bischof, selbst die meisten Partnerschaften liefen über den Bischof oder konnten sich zumindest an ihn wenden, falls es z.B. Probleme mit der Kommunikation oder einzelnen Projekten und Personen gab.

Der Bischof war die Instanz, die zu den diözesanen Treffen und zu diözesanweiten Kursen einlud und einen ständigen Austausch ermöglichte. Doch es war nichts institutionalisiert, sondern hing vom persönlichen Charisma - und manchmal auch den Launen - des Bischofs ab. Er war auch die höchste moralische Instanz. Da weder er selbst noch seine Mitarbeiter sich auf die Zeit nach seiner Ablösung vorbereitet und z.B. Strukturen geschaffen hatten, die bestimmte Abläufe zumindest über eine gewisse Zeit danach hätten garantieren können, fielen alle Mitarbeiter nach dem Weggang des Bischofs in ein Loch (10). 

Weil das Gravitationszentrum ausgefallen war, gerieten auch die einzelnen Gruppen aus der Bahn. Sie waren es nicht gewohnt - und zudem gab es keine institutionellen Vorgaben und Kanäle - auf direktem Weg neue Kontakte aufzunehmen und in einem radikal veränderten Kontext neue Formen der Zusammenarbeit zu suchen. Diese Situation wurde noch erheblich dadurch erschwert, dass der Nachfolger Dammerts alle bewährten und hauptamtlichen Laien von ihren Ämtern und Aufgaben entband und sie vor die Tür setzte. Praktisch von heute auf morgen waren alle Gruppen und Initiativen ohne Ansprechpartner. Und selbst das Bischofshaus war und ist bis heute verschlossen.

Nahezu alle Gruppen, Gemeinden, Organisationen und Personen, die vorher den Kern einer Kirche mit Poncho und Sombrero bildeten, standen plötzlich vor ganz neuen und gewaltigen Herausforderungen, auf die sie - zumindest so deren eigene Aussagen - nicht vorbereitet waren. Hinzu kommt, dass ihnen auch die bisherige Infrastruktur, Kurszentren, Begegnungsstätten etc. genommen wurde. Rolando Estela: „Der neue Bischof priorisiert eindeutig die städtische Pastoral, während die Landpastoral total vernachlässigt wird. Ein Zeichen dafür ist, dass alle bistumseigenen Häuser, die besonders für die Landkatecheten offen standen (auch als Herberge), neuen und meist kontemplativen Schwesterngemeinschaften oder dem neu eröffneten bischöflichen Vorseminar übergeben wurden. Diese Situation verhindert es, dass zentrale Kurse auf Diözesanebene stattfinden können.

Bischof Angel Francisco Simón Piorno kam leider mit einer Menge Vorurteile im Kopf nach Cajamarca. Seiner Meinung nach hatte man unter Dammert keine pastorale, sondern nur eine soziale Arbeit geleistet. Und statt die bisherige Arbeit weiter zu führen, hat er völlig unterschiedliche Kriterien und Optionen eingeführt“ (11). Die kirchlichen Gruppen und Gemeinschaften auf dem Land und in der Stadt waren es nicht gewohnt, dass ihnen ein Bischof den Weg verbaut, statt ihnen den Weg frei zu machen. So waren sie in den ersten Jahren höchst irritiert - meist jede Gemeinschaft für sich allein - weil nun eine Instanz fehlte, die sie zusammenrief und zusammenführte. Es drohte Isolierung und Resignation. Doch schon bald gab es erste Signale, diese Situation nicht einfach hinzunehmen.

Vor allem in Bambamarca wollten die erfahrensten Katecheten nicht mehr länger zusehen, wie die pastorale Arbeit auf dem Land zerfiel. „Wir haben bisher keine neuen pastoralen Aktivitäten und Initiativen gestartet, weil wir erst abwarten wollten, was passiert. Wir wollten den Neuen eine Chance geben. Doch diese gingen nicht aufs Land zu den Leuten. Dadurch gingen die pastoralen Aktivitäten stark zurück, vieles droht auseinander zu fallen. Deswegen ist es nun höchste Zeit, etwas zu unternehmen“. (Vgl. vorhergehenden Abschnitt). Auch war es ein schon lange geäußerter Wunsch der Katecheten und Frauengruppen von Bambamarca, die Geschichte - ihre Geschichte - der Pastoralarbeit seit 1962 zu schreiben. Wenigstens auf diese Weise sollte ihre Arbeit und ihr Zeugnis nicht vergessen werden!

Seit ich 1997 mit der Koordination der Studie beauftragt wurde, hielt ich mich jedes Jahr für mehrere Wochen in den Partnergruppen in Cajamarca auf, von denen ich die meisten bereits von früheren Aufenthalten und Arbeiten her kannte. Dabei wurde mir immer wieder das Bedürfnis geäußert, wie sehr sich die Gruppen und Gemeinschaften wünschten, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen und auf diesem Weg begleitet zu werden. Sie wollten zudem nicht auch noch von den deutschen Partnergruppen im Stich gelassen werden. Sehr groß war auch das Bedürfnis, sich mit anderen Gruppen auszutauschen und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln. Denn seit dem Weggang von Bischof Dammert 1992 gab es keine entsprechenden Treffen und Kurse mehr. Insbesondere die zentrale Pastoralwoche, die bis 1992 stets im März stattfand, wurde sehr vermisst. Hier wurden das vergangene Jahr bilanziert und pastorale Perspektiven und Schwerpunkte für das neue Jahr diskutiert und festgelegt (12).

Was mir besonders auffiel war, dass die vereinzelten positiven Erfahrungen, wie man trotz aller Schwierigkeiten weiterhin eine Pastoralarbeit mit den Armen und von den Armen aus betreiben kann, nicht an andere Gruppen weiter gegeben werden konnten. So boten z.B. die Katecheten aus Bambamarca wiederholt an, ihre Erfahrungen an andere weiterzugeben. Doch es war niemand da, der diese Bedürfnisse aufnehmen und in die Praxis umsetzen konnte, weil ein Mindestmaß an zentraler Koordination dafür notwendig gewesen wäre.

Die deutschen Partnergemeinden waren in dieser Beziehung keine große Hilfe, hatten sie doch selbst erhebliche Schwierigkeiten, die Bedürfnisse ihrer Partner überhaupt wahrzunehmen und zu verstehen. So wandten sich die Katecheten von Bambamarca (auch im Namen der Ronda, der Frauengruppen und der Jugendbewegung) an mich mit der dringenden Bitte, ihr Anliegen in der Partnergemeinde in Dortmund zu Gehör zu bringen (Brief vom 23. 2. 2000), doch es gab keine Reaktionen.

Rolando Estela, darauf angesprochen, fragte mit gewissem Recht: „Wer von uns hat die Autorität, die Leute zusammenzurufen“? Zu diesen Schwierigkeiten im Vorfeld des ersten diözesanen Treffens der Basisgruppen seit 1992 kommt noch die politische und gesamtkirchliche Großwetterlage, die für die Campesinos und Frauengruppen nicht günstig ist. An dieser Stelle können stellvertretend nur vier Beispiele genannt werden.

  1. In Lima wird von Theologen und fast allen, die an der Erneuerung der Kirche in Peru seit 1962 beteiligt waren, die Parole ausgegeben, dass man angesichts der aktuellen Situation diese Situation „aussitzen“ müsse. (vgl. vorhergehenden Abschnitt).
  2. Lähmend und für die Campesinos ganz und gar unverständlich ist die Diskussion unter den ehemaligen professionellen Mitarbeitern Dammerts, auch in Deutschland, ob man eine „Parallelkirche“ errichten dürfe oder nicht. Die Campesinos sind der Kirche Jesu treu.
  3. Besonders einige deutsche Gruppen - und je engagierter umso heftiger - hängen noch den veralteten Vorstellungen nach, dass es nicht Aufgabe von Partnergemeinden sein darf, sich in innerkirchliche Probleme in Cajamarca einzumischen. Sie nehmen in dieser Frage die gleiche Haltung wie Bischof Simón und seine Freunde in Deutschland ein, die aus anderen Interessen heraus gleich argumentieren.
  4. In den letzten Jahres des Regimes von Fujimori und angesichts einer zunehmenden Verelendung wurden staatliche Nahrungsmittelprogramme (z.B. PRONAA) als Waffe gegen die Armen, zur Spaltung engagierter Basisgruppen und zur Wahlmanipulation eingesetzt. Dies hatte besonders in Bambamarca verheerende Folgen. In gleicher Weise ist das Bündnis zwischen der offiziellen Kirche von Cajamarca und der Minengesellschaft Yanacocha S.A. zu verstehen (13).

Der große Erfolg des ersten Treffens war angesichts der genannten Schwierigkeiten umso entscheidender für das weitere Vorgehen. Das Treffen fand in einer Schule am 24.- 26. 1.2001 während der Ferien statt und wurde als „I. Jornada de Reflexión“ durchgeführt. Zu dem Treffen waren alle Basisgruppen, Partnergruppen und Einzelpersonen eingeladen, die ein Bedürfnis haben, den Weg weiter zu gehen, den das Evangelium lehrt. Über 90 Vertreter der Gruppen waren der persönlichen Einladung gefolgt. Rolando Estela führte in das Treffen ein.

Als Ziel der Jornada stellte er vor: „Wir haben eine Kirche erlebt, die sehr lebendig war, die die Armen entdeckt hat, die das Wort Gottes verkündet hat - nicht nur durch Worte, sondern durch ihr Zeugnis! Wir müssen denken, überlegen, was und wie wir etwas tun. Wir wollen in einen Dialog eintreten, zuhören, Erfahrungen austauschen, Mut machen. Wir haben eine Option aufgrund des Glaubens und als Teil der Kirche Jesu. Wir wollen den Weg, den Bischof Dammert geöffnet hat, weiter gehen“. (Eigene Mitschrift).

Als Referenten waren eingeladen: Luís Mujica (IBC, Lima) als Verantwortlicher für den peruanischen Teil der Studie zum Thema: die Pastoralarbeit von Bischof Dammert, 1962 - 1992; Telmo Rojas, Soziologe aus Cajamarca und ehemaliger Mitarbeiter Dammerts, zum Thema: die aktuelle politisch-wirtschaftliche Situation in Peru und in Cajamarca; ich selbst als Koordinator der Studie und als ehemaliger Mitarbeiter Dammerts mit dem Thema: Partnerschaften angesichts der aktuellen Situation, Vergleich der Situation in den deutschen Gemeinden und die theologische Begründung der Partnerschaft. Am Ende der Jornada fand eine Evaluierung statt, folgende Punkte wurden genannt (Auszüge aus dem offiziellen Protokoll):

  • „Etwas über das Leben und die Arbeit von Bischof Dammert zu erfahren, ist für uns eine große Ermutigung; wir haben neue Freunde kennen gelernt; die Initiative der AJDB ist etwas sehr Ermutigendes; wir waren mit unser Hoffnung fast am Ende; die Vortragenden haben deutlich gesprochen und man alles sehr gut verstanden; es war eine sehr schöne Messe mit Vorstellung der Gruppenergebnisse.
  • Jetzt sind wir nicht mehr so isoliert; wir haben andere Gruppen kennen gelernt, die mit uns die gleichen Sorgen um unsere Kirche teilen; wichtig war, dass sich Campesinos und Menschen aus der Stadt getroffen haben; die Vortragenden konnte man sehr gut verstehen; das Tonbild über Bischof Dammert war sehr interessant.
  • Die Gruppen sind nun nicht mehr isoliert; jetzt haben wir mehr Ideen, wie wir uns besser organisieren können; es war sehr wichtig, das Leben und das Werk von Bischof Dammert besser kennen zu lernen; unsere Gruppe geht sehr ermutigt nach Hause;
  • Die Einladung hat uns sehr optimistisch gestimmt und hat uns bewegt; da wir jetzt besser das Werk von Bischof Dammert kennen, fühlen wir uns mehr motiviert und mutiger - denn was er gesät hat, wird nicht verschwinden; mit diesem Treffen ist die sozialpastorale Arbeit und das christliche Engagement wiedergeboren worden.

Perspektiven und Zusammenfassung aller Gruppen: Alle wollen wir eine II. Jornada für Ende Juni/Anfang August; die zu Ende gehende Jornada könnte ein entscheidender Schritt sein, um eine Kirche mit Poncho und Sombrero auf der Basis des II. Vatikanischen Konzils und der Dokumente von Medellín zu bestärken und voran zu bringen“.

Der „Verein José Dammert Bellido“

Das Treffen der Basisgruppen war möglich geworden, weil inzwischen im Jahre 1999 der Verein José Dammert Bellido“ (AJDB) gegründet worden war. Das erste Treffen, ebenso alle weiteren Treffen, stehen in einem engen Zusammenhang mit der AJDB (14).  „Die Gründung der AJDB ist eine Antwort auf die jüngsten Ereignisse in der Diözese Cajamarca. Die Namensgebung verpflichtet uns, an den gleichen evangeliumsgemäßen Optionen festzuhalten, wie sie uns Bischof Dammert gelehrt und vorgelebt hat. Es handelt sich in keiner Weise darum, eine parallele Kirchenstruktur zur offiziellen Kirche zu errichten, sondern es handelt sich um eine Ergänzung. Es geht darum, diejenigen Aufgaben zugunsten der Armen zu übernehmen, die von der offiziellen Kirche nicht mehr wahrgenommen werden“. (Dok. 53, V).

In intensiven Gesprächen mit den Beteiligten wurde immer deutlicher, dass es galt, sich darauf zu besinnen, was das gemeinsame Fundament und das gemeinsame Ziel ist. Auf der Jornada konnte ich zusammenfassend und in Übereinstimmung mit der Asociación vortragen: „Wir müssen uns immer wieder unseres gemeinsamen Fundamentes bewusst werden: dem Evangelium, den von daher gelebten Erfahrungen und den Texten des II. Vatikanischen Konzils. Wir müssen symbolisch ein ‚Haus’ bauen und alle einladen ohne jemanden auszuschließen, ein ‚Haus’ mit offenen Türen und Fenstern und einem gemeinsamen Dach. Wir müssen Zeuge sein und Zeugnis davon ablegen, dass der Weg, der uns zu einer glaubwürdigen Kirche führt, in der man das Brot mit den Ärmsten teilt, weitergeht - eine Kirche, fest verwurzelt in der einheimischen Kultur und Traditionen der Menschen von Cajamarca und in dem Evangelium“.

Bestärkt wurde dieser Prozess der Selbstfindung durch die diesen Prozess begleitende Studie. Besonders für die Basisgruppen auf dem Land und in den Randzonen der Stadt war es eine große Stütze zu erfahren, dass ihre eigenen Leiden und Hoffnungen nicht nur weiterhin auf der Tagesordnung standen, sondern dass sie sich selbst weiterhin als Subjekte in einen Prozess mit einbringen konnten, der ihre eigenen Erfahrungen und ihre eigene Geschichte zum Thema hat. Vor allem aber machte es Mut, zu wissen und darauf vertrauen zu können, dass sie nicht allein gelassen wurden.

Gerade im Hinblick auf die bereits vorliegenden Ergebnisse der Studie kam man in Cajamarca zu der Überzeugung, diese Ergebnisse zum Thema eines ersten Treffens zu machen. Die Voraussetzungen für ein solches Treffen waren nun gegeben: eine von allen Gruppen anerkannte Autorität, von der man sich gerne einladen ließ (AJDB) und ein Thema, das unmittelbar an die Bedürfnisse der Gruppen anknüpft. Für das erste Treffen war es selbstverständlich, dass die Arbeit von Bischof Dammert im Mittelpunkt stand. Rolando Estela über Bischof Dammert und die Notwendigkeit von Kursen:

„Er glaubte wie Jesus, dass die Armen die Privilegierten des Reiches Gottes sind. Ausgehend von dieser Option des Evangeliums hat er sich um die ganzheitliche Bildung der Laien gekümmert. Während seiner Amtszeit gab es entsprechende Kurse jedweder Art. Um die regelmäßigen Treffen der verschiedenen Sektoren und kirchlichen Gruppen zu ermöglichen, schuf er auch die räumlichen Möglichkeiten, um Kurse, Treffen, Vollversammlungen etc. abhalten zu können. Und die Antwort der Laien ließ nicht auf sich warten. Als sie sahen, dass der Hirte ihnen Vertrauen schenkte, machten sie sich an die Arbeit. Während dieser dreißig Jahre hat sich die Kirche von Cajamarca neu konstituiert. Niemals vorher war die Kirche lebendiger und engagierter als in jener Epoche“.(Dok. 53, V).

In der Nachbesprechung der AJDB, an der ich noch teilnehmen konnte, kam man zu dem Ergebnis, dass man dem Wunsch nach einem je halbjährigen zentralen Treffen nicht nachkommen kann. Das würde zurzeit die organisatorischen Möglichkeiten der Asociación noch übersteigen. Auch stehen außerhalb der Ferienzeit noch nicht die räumlichen Möglichkeiten für ein noch größeres Treffen zur Verfügung.15 Man beschloss, eine II. Jornada im Januar 2002 durchzuführen. Dagegen will man die Vorschläge der Teilnehmer aufgreifen und noch in diesem Jahr vier kleinere dezentralisierte Kurse mit begrenzter Teilnehmerzahl (max. 25) anbieten.

Man hofft auf Unterstützung aus den deutschen Partnergemeinden, im Ernstfall könnte und würde man die Kurse auch mit entsprechender Eigenbeteiligung ohne Hilfe von außen durchführen. Man möchte die deutschen Partnergemeinden aber auch aus inhaltlichen, ekklesiologischen Gründen an diesem Prozess teilnehmen lassen. Daher werden die Protokolle auch an deutsche Gruppen verschickt und in Zukunft möchte man mehr für ideelle Unterstützung in Deutschland werben, was bisher unzureichend geschah. Man ist davon überzeugt, dass eine Wiederbelebung u.a. der Landpastoral und eine Bestärkung der Gruppen in Cajamarca auch die Partnerschaft und damit auch die deutschen Gruppen bestärken und ermutigen könnten. Leider fehlt in den meisten deutschen Gruppen und Gemeinden noch diese Gesamtschau, diese im ursprünglichen Sinne des Wortes katholische Vision von Kirche. Man ist noch zu sehr auf seine eigene Gruppe bzw. auf Projekte fixiert. Diese Einschätzung stimmt mit den Befragungen und Erfahrungen mit den Gruppen in Deutschland überein.

Insgesamt hat das Treffen viel Mut gemacht. Es hat die Erwartungen übertroffen und lässt hoffnungsvoller in die Zukunft blicken. Die Studie hat an dieser Entwicklung einen Anteil. Schon allein deswegen hat sich die Arbeit der Studie gelohnt. Denn wie vielen wissenschaftlichen Projekten kann bescheinigt werden, dass sie derart konkrete Ergebnisse vorweisen können und dass sie unmittelbar an Kirchen- und Gemeindebildung mitgewirkt haben?

Das Gold, der Bischof und die Campesinos (16):

Die Existenz und Arbeitsweise der Goldminen beunruhigt, abgesehen von der sozialen, wirtschaftlichen Situation und dem Kampf ums Überleben, derzeit am meisten die Bevölkerung von Cajamarca. Zu Beginn des Goldabbaus in Yanacocha 1993 war man in der Stadt Cajamarca überwiegend zuversichtlich, vom bevorstehenden Boom profitieren zu können. Das Schicksal der von der Minengesellschaft von ihrem Land vertriebenen Campesinos bewegte die Städter nicht und der einzige Pfarrer, Marco Arana, der sich um das Schicksal dieser Campesinos kümmerte, wurde vom Bischof versetzt.

Doch nachdem das Trinkwasser in Cajamarca zunehmend schlechter wurde und der wirtschaftliche Aufschwung und blühende Landschaften für die gesamte Region sich immer mehr als Illusion erwiesen, mehrten sich auch in der Stadt die Bedenken. Bereits Ende 1998 erschienen in lokalen und nationalen Zeitungen und Zeitschriften zunehmend kritische Berichte über die Mine. So ist z.B. in der Zeitschrift „Tierra y Pueblo“ im Dezember 1998 zu lesen: „Cajamarca war einmal eine schöne Stadt. Heute herrscht die Prostitution in Cajamarca, am helllichten Tag und auf der ‚Plaza de Armas’ zu beobachten. Die einzigen Geschäfte, die durch die Anwesenheit der Mine blühen, sind Kantinen, Bars und Orte, wo Mädchen ihren Körper verkaufen. Die Menschen von Cajamarca, sei es der Stadt oder die Campesinos, finden keine Arbeit in der Mine. Sie verpflichten höchstens vermittels von Subunternehmern einzelne Tagelöhner, denen sie nicht einmal die ihnen zustehenden Mindestlöhne bezahlen“.

Am 11. 11. 1999 kam es in der Stadt Cajamarca zur ersten massiven Demonstration gegen die Mine. Professoren und Studenten der Universität Cajamarca übernahmen die Vorbereitung und die Organisation der Demonstration. Über dreißig Organisationen beteiligten sich an der Demonstration, darunter Lehrer und Studenten der Pädagogischen Hochschule, einige staatliche Schulen (keine Privatschulen), Vertreter der Rondas, Gewerkschaften, Abordnungen der verschiedenen Stadtteile und politische Parteien aller Richtungen. Die Hauptforderung war, den Berg Quilish in Sichtweite der Stadt für „unantastbar“ zu erklären. Nach den der Allgemeinheit erst kürzlich bekannt gewordenen aber von vorneherein beabsichtigten Plänen der Minengesellschaft soll nun auch in dem Sektor Gold gefördert werden, der in bedrohlicher Nähe der Stadt liegt.

Die Aktivitäten der Mine rücken nun auch im buchstäblichen Sinn ins Blickfeld der Städter. Verschärft wird die Situation dadurch, dass in dem Sektor Quilish 70% der Trinkwasservorräte für Cajamarca gespeichert sind. Der betroffene Berg Quilish wirkt geologisch gesehen wie ein Schwamm, der den größten Teil des auf Cajamarca zufließenden Wassers speichert. Auch die Anlage zur Trinkwasserzubereitung liegt in diesem Sektor. Das Wasserspeicherbecken ist auch für Tausende von Campesinos in unmittelbarer Nähe der Stadt lebensnotwendig. Die Gefahr, dass durch den von der Mine geplanten Goldabbau im „Wasserschutzgebiet“ das Trinkwasser für Cajamarca eines Tages versiegen wird, wird von den Bürgern Cajamarcas inzwischen als die größte Gefahr angesehen.

In dieser Einschätzung werden sie von Experten unterstützt, die auf die langfristigen Folgen hinweisen, die entstehen, wenn der gesamte Wasserhaushalt und Wasservorrat der Region von den Tätigkeiten der Mine tangiert werden. Selbst bei vorsichtigstem Vorgehen seitens der Mine wäre es, bedingt durch die von Yanacocha bevorzugte Abbaumethode, nicht zu verhindern, dass die „Lebensadern“, Wasser führende und Wasser speichernde Schichten, zerstört oder zumindest zerschnitten würden. Inzwischen liegen erste Daten, u.a. vom Gesundheitsministerium vor, nach denen im Trinkwasser Schwermetalle weit über den zulässigen Grenzwerten enthalten sind, besonders Quecksilber. Bisher gab es immer wieder gleich lautend beschwörende Versicherungen der Mine, dass alles in Ordnung sei und die Mehrheit der Bevölkerung über die schleichende Vergiftung war nicht sonderlich beunruhigt. Nun wird diese Gefahr wesentlich ernster genommen, nicht zuletzt auch wegen erstmals vorliegender, aber noch nicht repräsentativer Messungen seitens unverdächtiger Stellen. So besteht im Bewusstsein der Bürger die zweite Gefahr, dass das Trinkwasser für Cajamarca nicht nur immer knapper wird, sondern dass es auch immer mehr vergiftet wird (17).

Zwei Tage vor der Demonstration besuchte der deutsche Botschafter in Peru, Herbert Beyer, Cajamarca und sagte im lokalen Fernsehen: „Ich bin auf Einladung meines guten Freundes Roque Benavides gekommen. Ich habe lange mit den Leuten der Mine Yanacocha gesprochen und ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Mine mit großer Sorgfalt arbeitet und dass keine Verschmutzung des Wassers und keine Gefahr für die Umwelt vorliegen. Entsprechende Gerüchte entbehren jeder Grundlage und sind politisch motivierte Stimmungsmache“. (Dok. 55, V).  Diese Erklärung, die auch von den Zeitungen Cajamarcas veröffentlicht wurde, löste große Verärgerung aus, auch deswegen, weil er nicht mit den Bürgern sprach. Benavides ist der Großaktionär des peruanischen Anteils der Mine, Buenaventura S.A. (18).

Vom 16. - 18. 11. fand an der Universität Cajamarca ein viel beachtetes Seminar statt, das von der neu entstandenen Bürgerbewegung Ecovida organisiert wurde. Auf dem Seminar wurde von Ärzten die Zusammenhänge zwischen der Einnahme von mit Schwermetallen verseuchtem Wasser und bestimmtem Krankheiten aufgezeigt; Fachleute aus anderen Bergbauregionen berichteten über dort entstanden Umweltschäden; Naturwissenschaftler berichteten über den Stand der Arbeiten in der Mine, über den Grad der Verseuchung und über die möglichen Folgeschäden für Mensch und Umwelt; Sozialwissenschaftler beschäftigten sich mit dem sozialen Wandel, wie er von der Mine verursacht wird und mit den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Region.

Für das abschließende Podiumsgespräch sagten die Vertreter der Mine in letzter Minute ab. Von den zahlreichen eingeladenen ausländischen NRO war nur eine holländische Organisation anwesend. Gegen den Willen des Bischofs waren auf dem Seminar als Mitorganisatoren die Priester Marco Arana und Francisco Centurión vertreten. Zeitgleich zum Seminar erschienen in dem von der Mine finanzierten Wochenblatt „Noticias de la Semana“ übelste Verleumdungen gegen die Initiatoren des Seminars, von denen die Falschmeldung, dass Marco Arana ein Expriester und Abtrünniger sei, noch die harmloseste Variante darstellt.

Vom 12.-14.11.1999 fand in San Miguel der 6. Kongress aller Rondas des Departements Cajamarca statt. Themenschwerpunkt des Kongresses waren die Bedrohungen durch die Mine. Aus der Einladung: „Die Rückständigkeit und die Armut, in der wir leben, die Unterbeschäftigung und das herrschende Elend, existieren nicht, weil es der Wille Gottes wäre, sondern resultieren aus der Politik der Herrschenden. Diese Politik besteht darin, dass die Räuber weiterhin auf Raubzug gehen, weiterhin töten und sich selbst mästen, indem sie die Reichtümer des Vaterlandes verkaufen. Sie wollen immer nur an der Macht bleiben, sie erzählen uns das Märchen von der Modernität und wollen doch nur ihre Gewinne machen. So wollen in einigen Provinzen unseres Departements die Minengesellschaften Gold und Silber ausbeuten. Sie bringen uns schwere Umweltschäden, Vergiftungen der Flüsse und was noch schwerer wiegt: sie bringen unser aller Leben in Gefahr“. (Dok. 56, V).

Dieser Kongress wurde von der Stadt kaum wahrgenommen, obwohl er in seinen Auswirkungen auf andere Regionen in ganz Peru, aus denen Beobachter eingeladen waren, eine nationale Bedeutung hat. Im Unterscheid aber zu den vorhergehenden Jahren berichteten zwei Lokalzeitungen über den Kongress und die Mitglieder der Bürgerbewegung suchen verstärkt den Kontakt zu den organisierten Campesinos. Die gemeinsame Bedrohung lässt Stadt und Land näher zusammenrücken, auch wenn die Standorte noch sehr verschieden sind (19).

Besonders in Bambamarca nimmt der Widerstand gegen die Mine zu. Aber gerade in Bambamarca geht die Minengesellschaft besonders hart gegen die organisierten Gruppen vor. Denn die Campesinogruppen in Bambamarca sind gut organisiert, besser als z.B. in Porcón. Die Mine weitet ihre Aktivitäten in Richtung Bambamarca hin aus, der Goldabbau rückt immer näher an Bambamarca heran. Ein zukünftiger Hauptstreitpunkt wird sein, wer über das Wasser in der Hochebene verfügen darf. In einem Wasserprojekt wird das auf der Hochebene gespeicherte Wasser für den Bedarf an Trinkwasser und Bewässerung in 18 Comunidades bei Bambamarca geleitet. Misereor hat das Projekt zu einem Musterprojekt erklärt, u.a. weil Tausende Campesinos in den Jahren 1994-1999 mitgearbeitet haben und die Idee und Organisation des Projektes von den Betroffenen selbst entwickelt wurde.

Das Projekt hat neben den materiellen Erfolgen wesentlich zum Zusammenhalt und zur Selbstorganisation der beteiligten Comunidades geführt. Nun aber beansprucht die Mine das Wasser für sich, denn für den Goldabbau werden riesige Mengen von Wasser verbraucht. Es liegt im ureigenen Interesse der Mine, die Organisationen und die demokratische Basisstrukturen der Campesinos zu zerschlagen oder zumindest zu schwächen. Bereits an anderer Stelle wurde gezeigt, dass auch der Bischof ein fundamentales Interesse hat, diese Organisationen - demokratische Basisstrukturen in der Kirche - zu schwächen, zumal in ihnen auch Katecheten eine maßgebliche Rolle spielen und sich diese Organisationen wie auch die Frauengruppen als Kirche sehen. Ausführende Organe dieser Interessen sind einige NRO, aber auch Caritas von Cajamarca, die alle Gruppen mit Entzug von Unterstützung betrafen, die weiterhin auf Mitsprache pochen.

In Bambamarca gibt es die stärkste Organisation der Frauen (Campesinas) in den nördlichen Anden. Sie sind in 105 Frauengruppen organisiert, die eine gemeinsame Vertretung haben. Es wurde immer wieder versucht, Frauengruppen mit dem Versprechen von Nahrungsmittelhilfe und medizinischer Betreuung auf die andere Seite zu ziehen bzw. die Gruppen zu spalten. Die andere Seite bilden von Bischof bezahlte Personen sowie einheimische Lokalpolitiker der Regierungspartei und Vertreter der Mine. Die größte Gefahr für die Gruppen ist die Nahrungsmittelpolitik der Regierung im Verein mit der Pfarrei. Dadurch versucht man die Gruppen zu spalten und neue Gruppen werden mit großem Aufwand und Nahrungsmittelhilfe aus dem Boden gestampft.

Bereits sechs Wochen nach der I. Jornada 2001 wurde dieses Machtgefüge gesprengt, auch dank immer neuer Enthüllungen von Korruption (20) und die Campesinos organisierten die bis dahin größte Demonstration gegen die Mine. Darüber schrieben die Mütterklubs von San Pedro an die Partnergemeinde in Ulm (Dok. 57, V): „Wir haben eine sehr schöne Erfahrung gemacht: die Campesinos aus Bambamarca haben die Straßen und den Zugang zur Mine blockiert und um einen Dialog gebeten, wegen der Verschmutzung des Wassers und dem Tod von 20.000 Forellen. Fünf Tage dauerte der Protest, auch auf den Straßen von Cajamarca.

Anfangs war der Bischof als Vermittler von der Mine nach Bambamarca geschickt worden um die Leute zu bewegen, den Protestmarsch nicht zu machen, denn die Mine würde die Campesinos empfangen. Da dies aber nicht stimmte (21) kamen sie bis zum Bischofshaus, einige ketteten sich an und riefen über Lautsprecher und auf großen Plakaten: ‚Herr Bischof, verehre den wahren Gott - nicht das Geld von Yanacocha’! Sie blieben auf der Plaza de Armas für fünf Tage. Die Mine war dann zum Dialog bereit und der Protest hörte auf.

Aber die Mine hat betrogen und am Montag, den 19. März, wird er Protest wieder aufgenommen und unsere Mütterklubs werden mitmachen“. Diese Nachricht weist auch daraufhin, dass die unterschiedlichen Gruppen nun eher bereit sind, sich gegenseitig zu unterstützen. So hatten die Mütterklubs von San Pedro auf der Jornada erstmals Gelegenheit, die Katecheten von Bambamarca kennen zu lernen. „Unsere Mütter werden diesen Kampf um mehr Gerechtigkeit unterstützen und die Campesinos warten nur auf ein Zeichen, um ebenfalls den Protest zu unterstützen und zu verstärken, falls es notwendig sein sollte“ (aus einem weiteren Brief).

Die Basisgruppen von Bambamarca schickten an ihre Partnergruppen in Deutschland folgende Meldung (Dok. 57, V): „Der Streik dauerte sechs Tage, vom Sonntag, 4. 3. bis Freitag, 9. 3. 2001. Mehrere Protestveranstaltungen und Besprechungen fanden im Streiklager statt. Zur gleichen Zeit folgten in Bambamarca unsere Freunde dem Streikaufruf. Etwa 6.000 Campesinos versammelten sich auf der Plaza de Armas in Bambamarca Die Plaza vor dem Bischofssitz füllte sich mit etwa 5.000 Menschen.

Der Bischof bot sich als Vermittler zwischen den Organisationen aus Bambamarca und der Mine Yanacocha an. Die Menge harrte vor dem Bischofssitz aus. Zur Überraschung hatte der Bischof zwar den Richter und die Polizei gerufen, jedoch niemanden von der Mine. Daraufhin entstand große Unruhe und es begann ein Protestzug durch die Straßen Cajamarcas. Folgende Parolen wurden gerufen: ‚Das Leben verkauft man - man verteidigt es’. ‚Herr Bischof, verehre den wahren Gott - nicht das Geld von Yanacocha - und noch viele weitere Sätze, die auf Transparenten getragen oder an Wände und Türen des Obispado geschrieben wurden. Von den Autoritäten zeigte sich keiner: weder der Präfekt, noch der Bürgermeister, noch der Bischof. Alle versteckten sich unter ihrer Bettdecke. Man glaubt, dass sie von der Mine Yanacocha Schmiergelder bekommen. Jetzt wehrt sich Bambamarca konsequent gegen die Politik des Bischofs“.

Der Weg der christlichen Gruppen und der Kirche von Cajamarca ist offen, d.h. es ist auch noch offen, wie es weitergeht und weitergehen kann. Während der Jornada und im Kontakt mit anderen Gruppen, die aus verschiedenen Gründen nicht an der Jornada teilnehmen konnten ist aber den Beteiligten deutlicher geworden, dass es einen Weg gibt und dass dieser Weg auch einen Ausgangspunkt und ein Ziel hat. Im Juni 2001 ist in Bambamarca die erste Ausgabeeines „Nuevo Despertar“ erschienen und die Jugendbewegung der Ronda hat Fuß gefasst und sich neu konstituiert. Die Titelseite des neuen Despertar (im Hinblick auf den Kampf für sauberes Wasser) lautet: „Bambamarca ist zum Kampf bereit“. (Dok. 58, V, dort auch Bilder von den Protesten).

(21) Zur Illustration noch folgender Hintergrund: Nachdem der Bischof sah, dass er die Campesinos nicht von ihrem Protest abhalten konnte, ließ er sich zum Schein auf eine Vermittlung ein. Er versprach den Campesinos, dass er ihnen ein Treffen mit Vertretern der Mine im Bischofshaus vermitteln würde. Die Campesinos gingen darauf ein. Als eine Delegation der Campesinos danach ins Bischofshaus eingelassen wurde, warteten dort bereits Staatsanwalt und bewaffnete Polizisten auf sie. Von den Vertretern der Mine war nichts zu sehen, der Bischof hatte sich auch gar nicht darum bemüht. Die Delegierten der Campesinos wurden verhaftet. In einem Schnellverfahren wurden sie einige Wochen später wegen der „Blockade öffentlicher Verkehrswege“ und „Aufruhr zu illegalen Handlungen“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Erst nach dem Verrat des Bischofs entschlossen sich die Campesinos spontan, fünf Tage lang auf der Plaza de Armas zu protestieren und sich an das Bischofshaus anzuketten.

Hier wird deutlich, was der Bischof - de facto und theologisch gedeutet - tut: Er liefert Jesus den Christus seinen Henkern aus. In diesem Tun wird er von Rom und auch von deutschen Bischöfen und Prälaten bestärkt.

4) Das Wasserprojekt und die Rolle von Misereor

Siehe dazu den Extra-Artikel: Misereor "verkauft" Musterprojekt

5) Neueste Nachrichten aus Bambamarca (Besuch vom 23. 2. - 7. 4. 2002)

Während meines letzten Besuches in Cajamarca und Bambamarca nutzte ich noch einmal die Gelegenheit, um mit allen Beteiligten - außer dem Bischof, aber mit Mitgliedern des neuen DAS - über das Wasserprojekt zu sprechen. Die gewählten Vertreter der Campesinos übergaben mir alle schriftlichen Unterlagen und standen für Nachfragen zur Verfügung. Die umfangreichen Video- und Audiodokumentationen von den Projekten des DAS wurden mir ebenfalls als Kopien überlassen. Ich konnte das gesamte Projekt besichtigen - von den Wasserquellen bis nach Bambamarca. Ergänzend erhielt ich wertvolle und zum Teil noch vertrauliche Unterlagen der Umweltgruppen von Cajamarca über die Aktivitäten der Mine (diese Dokumente können noch nicht veröffentlicht werden). Die Verantwortlichen aller der am Wasserprojekt beteiligten 18 Comunidades waren vom verantwortlichen Komitee der Campesinos über mein Kommen benachrichtigt und eingeladen worden. Die folgenden Ausführungen sind von daher zu verstehen, auch wenn nur ein Bruchteil davon an dieser Stelle zur Sprache kommen kann.

Selbstverständlich ging es bei meinem Besuch in Bambamarca nicht nur um das Wasserprojekt. Die bisherigen Partner (Katecheten, Frauengruppen etc.) hatten mich nach Bambamarca eingeladen. Es ging auch um das gemeinsame Projekt der „Geschichte der Pastoralarbeit von Bambamarca“. Zuerst aber noch einmal ein (Rück-) Blick auf das Wasserprojekt

5, 1 und 2) Misereor - DAS - Rückblick

Siehe dazu den Extra-Artikel: Misereor "verkauft" Musterprojekt

5. 3) Zur Situation in der Partnergemeinde von St. Martin, Dortmund

Am 25. März: 2002 ist Susana, Ansprechpartnerin der Frauengruppen von Bambamarca für deutsche Partnergruppen, von fünf Frauen, die eng mit der Pfarrei zusammen arbeiten, tätlich angegriffen und verletzt worden. Sie wurde an den Haaren gezerrt, bespuckt, gegen eine Mauer geworfen und zu Boden geschlagen. Susanna ist hochschwanger, ihr Zustand ist ernst. Die Namen der Gewalttäterinnen sind bekannt. Angestiftet wurden die Frauen von zwei Männern, einflussreiche Lehrer der Schule Alcides Vásquez und enge Mitarbeiter von Schwester Betsabeth. Eine Ursache für den neuerlichen Angriff könnte die verheerende Niederlage dieser Gruppe der Schwestern und Pfarrei sein, die sie am gleichen Tag einstecken mussten: diese Gruppierung erhielt auf der Asamblea der Ronda, die am selben Tag stattfand und gerade zu Ende gegangen war, nur 6 Stimmen. 97% waren für die Union zwischen der Ronda, den alten Katecheten und den von der Pfarrei nicht abhängigen Frauengruppen. Nach dem Angriff auf Susana erklärten sich sogar der Subpräfekt, der Bürgermeister der Stadt Bambamarca und vor allem die Ronda solidarisch mit Susana. Sie verurteilten einhellig die neuerliche Gewalttat und sie werden Strafanzeige erstatten.

Dieser Angriff ist nicht die erste Gewalttat. Bereits seit Schwester Betsabeth in Bambamarca ist, werden im Namen der Pfarrei in den lokalen Radiostationen bezahlte Programme gesendet, in der die Leiterinnen der unabhängigen Frauengruppen systematisch diffamiert werden. Nach einer besonders üblen Verleumdung, die über Wochen hinweg immer wieder im Radio zu hören war, erkrankten vier der angegriffenen Frauen schwer: sie verloren ihre Sprache, konnten kaum noch schlafen und verloren drastisch an Gewicht. Die Radioprogramme wurden mit Spendengeldern aus Dortmund finanziert, entsprechende Informationen an Dortmund wurden ignoriert. Stattdessen kam es im Sommer 2001 zum schon erwähnten Besuch des Pfarrers von St. Martin, Dortmund in Bambamarca.

Der als Vermittler mitgereiste Jorge Lopez schrie wiederholt die Campesinos an und beschuldigte sie der Spaltung und des Ungehorsams. Nach dem Besuch von Alfons Wiegel war er danach noch dreimal in Bambamarca, es war kein Dialog mit ihm möglich und er wollte auf alle Fälle die Einheit herstellen und wollte, dass alle zusammen als Zeichen des Friedens eine Messe feierten. Die Campesinos konnten nach übereinstimmenden Aussagen der Frauengruppen und der Katecheten diese Bedingungen nicht annehmen, das wäre ein Verrat an ihrem Gewissen.

Die Überweisung von monatlich 1.400 Dollar von Dortmund an die Schule wird von den Pfarrern und Schwestern als moralische Bestätigung für ihr Verhalten angesehen. Da aber die Priester der Pfarrei auch nicht die Bedingungen aus Dortmund erfüllten, nämlich ihrerseits auch das Gespräch mit den Campesinos zu suchen, hilft die Partnergemeinde aus Dortmund nun direkt den Campesinos. Die Unterstützung der Schule soll schrittweise abgebaut werden, dies wurde den Schwestern auch so mitgeteilt. Dortmund kommt den Campesinos entgegen.

Der tätliche Angriff auf Susana hat - so die Campesinos - das Fass zum Überlaufen gebracht, die Vertreter der Pfarrei haben überzogen und sich ins Abseits gestellt. Die Solidarität aller Gruppen ist nun größer als zuvor und alle sind bereit, ihren Glauben und ihre Grundüberzeugungen offensiv zu vertreten. Die alten Katecheten werden immer häufiger gebeten, wieder aktiver zu werden, die Comunidades zu besuchen und zu informieren und zu verkündigen. Eine Art von Pfarrgemeinderat (natürlich mit anderen Namen), in dem alle Gruppen vertreten sind, ist im Entstehen begriffen. Die Katecheten, Jugendgruppen auf dem Land, Promotores de salud (Verantwortliche für Gesundheit), Werkstätten der Campesinos und die Frauengruppen werden darin vertreten sein.

Die AJDB ist als Fokus und Plattform für alle diese Gruppen gedacht und erfüllt diese Funktion jetzt auch schon in der Praxis. Dieser Verein koordiniert im Sinne eines Gemeinderates die Arbeit und ist Ansprechpartner für alle und Adressat der Finanzierung. Auch die Zusammenarbeit mit der Ronda wird intensiviert (so auch der Beschluss der Ronda auf der Asamblea am 25. 3. 2002) und die Ronda wird ihre Zentrale und Anlaufstelle im Haus der AJDB haben. Die Ronderos wünschen in Zukunft eine intensivere pastorale Begleitung durch die alten Katecheten. Auch die Aussicht, dass die Ronda von Bambamarca als Initiator und Ideengeber für ein mögliches neues Gesetz der Ronda auf Landesebene abgesehen wird erhöht die Zuversicht der Campesinos von Bambamarca.


Anmerkungen

(1) Die Entstehung der Demokratie in den USA in Zusammenhang mit der erklärten Unabhängigkeit von der Willkür eines Monarchen ist damit vergleichbar: eine Handvoll weißer und christlicher Siedler proklamierte zuerst alle Rechte für sich, während sie gleichzeitig die Barbaren zum Abschuss und zur Ausrottung frei gab. Auch die Unabhängigkeit und Befreiung der übrigen amerikanischen Staaten entspricht diesem Muster.

(2) Die folgende Darstellung entstand in Zusammenarbeit mit Schülern und ehemaligen Schülern der Schule. Mit dem Namensgeber der Schule arbeitete ich während meiner Zeit in Bambamarca eng zusammen. Mehrere Male war ich Gast in seiner Familie in der Comunidad Tallamac, drei Fußstunden von der Stadt entfernt. Sein Zeugnis war und ist für die Schüler der Schule und für mich persönlich von großer Bedeutung.

(3) „Die Geschichte der Campesinoschule Alcides Vásquez“, Beitrag der Schüler zur Feier des zehnjährigen Bestehens der Schule, 1995. Ausgehend von diesen Beiträgen entstand ein Artikel (23 Seiten), der in der Hauptsache von ehemaligen Schülern der Schule verfasst und mir 1999 übergeben wurde. Die Zitate stammen daraus.

(4) Der Brief (Bericht) wurde auszugsweise als Titelthema abgedruckt in den „Informationen aus Cajamarca“, Nr. 70, Juli 1999. (Übersetzung eben dort). Der Bericht wurde von Schwester Elisa erstellt, weil ich sie während meines Besuches 1998 darum gebeten hatte. Außer von Äußerungen der Schüler selbst und dem Gründungsstatut gab es bis dahin keinen Bericht, der Außenstehenden umfassend die Bedeutung der Schule hätte erklären können. Ein solcher Bericht erschien mir auch deshalb notwendig (außer der notwendigen Information der Partnergemeinde), um sich auf die voraussetzbaren Auseinandersetzungen besser vorbereiten zu können.

(5) Anmerkung (nicht im Protokoll): Die CCP ist die nationale Vereinigung aller Organisationen der Campesinos; Caritas setzt die schon auf Diözesanebene bekannte Linie fort, nach der nur diejenigen Gruppen Unterstützung bekommen, die der bisherigen Praxis abschwören und "in den Schoß der Kirche zurückkehren".

(6) Jorge López wurde von Bischof Dammert nach seiner Zeit in Bambamarca zum Vizerektor des Priesterseminars ernannt. Nach seinem Weggang aus Bambamarca, wurde er dort zunehmend kritischer gesehen, auch weil sein Umgang mit den Zuwendungen aus Dortmund nicht transparent war. Selbst die Stadtbevölkerung bat schließlich den Bischof, Jorge López abzuziehen. Im Priesterseminar hatte er auf die Moral vieler Seminaristen nach deren eigenen glaubwürdigen Aussagen einen verhängnisvollen Einfluss und sein Verhalten karikierte die wohl gemeinten Absichten Dammerts und anderer Lehrer und Mitarbeiter des Seminars - ein Aspekt, der bei der Diskussion um das Ende des Seminars und der Rolle einiger Pfarrer nach dem Bischofswechsel eine wichtige Rolle spielen sollte, aber hartnäckig ignoriert oder verdrängt wird. Dammert, der von alledem nichts wusste und nie informiert wurde, wollte ihn auch zu seinem Weihbischof machen, was aber nicht gelang. Für die Besucher aus der Partnergemeinde St. Martin war Pfr. López stets der hauptsächliche Begleiter bei deren Besuchen und Pfr. Wiegel fühlt sich ihm seit 1979 in enger Freundschaft verbunden. Den Campesinos in Bambamarca (in diesem Fall nur einem engeren Kreis) sind diese Umstände bekannt, auch wenn sie niemals mit einem Besucher bzw. Außenstehenden darüber reden würden. Nähere Details können hier deswegen nicht genannt werden.

(7) Im Sommer 2001 kamen zwei Besuchergruppen aus Deutschland mit ähnlichen Vorstellungen zu ihren Partnergemeinden. Die Vorstellung, man müsse die gegensätzlichen Gruppen und Interessen an einen Tisch bringen, sich selbst möglichst neutral bzw. vermittelnd zu verhalten, ist an sich bemerkenswert schön und edel und stärkt die deutschen Besucher in ihrem moralischen Ansatz. Doch auch in diesen beiden Fällen half selbst ein abschließendes gemeinsames Gebet nichts. Die Gegensätze waren danach noch größer, weil sich beide Seiten überfahren fühlten und in einer solchen Situation auch nicht offen gesprochen werden kann. Man setzt sich Besuchern zuliebe an den Tisch und diese kehren mit dem guten Gefühl und vor allem dem ruhigen Gewissen zurück, einen wertvollen Versöhnungsdienst geleistet zu haben. Die zurückgebliebenen Partner stehen sich danach umso unversöhnlicher gegenüber.

Vereinfachend ausgedrückt: man kann Tätern und Opfern nicht in gleicher Weise Freund sein bzw. sich neutral verhalten. Wie an anderer Stelle schon gesagt: die Rede von Versöhnung und Einheit geht angesichts ungerechter Machtstrukturen stets zu Lasten der Schwächeren, während gleichzeitig alle diejenigen, die so reden und handeln, sich die Hände in Unschuld waschen. Der Gipfel ist erreicht, wenn diese bewusste Blindheit (ein bewusstes weg schauen) auch noch als Ausdruck einer besonderen christlichen Moral verstanden wird. Man möchte sich die Hände nicht schmutzig machen und ist in Wirklichkeit doch nur zu feige, Stellung zu beziehen. Das Gesagte bedeutet weder, Einheit nicht anstreben zu wollen, noch, dass die Besucher nicht wirklich das Beste wollten. Sie sind vielmehr geprägt von einer bestimmten katholischen Sozialisation.

(8) In einem ersten Brief nach dem Besuch aus Dortmund schreiben mir die Katecheten am 7. 9. 2001: „Als die von Dortmund uns in Bambamarca besucht haben, haben sie uns vorgeschlagen uns mit den Pfarrern zusammenzutun. Das wird unmöglich sein. Denn diese sind dahin ausgebildet, das Volk zu demütigen“. (Dok. 54, V - dort auch die Hinweise auf das gemeinsame Vorhaben, die Geschichte der Pastoral zu schreiben). In einem weiteren, aber vertraulichen Brief am 12. 9. 2001 berichten sie über weitere Hintergründe, die hier nicht wider gegeben werden können. In meinen Besuchen konnte ich die Katecheten mit Erfolg überzeugen, nicht das Vertrauen in die deutschen Gruppen zu verlieren, denn diese wollen in der Tat (guter Wille) auf der Seite der Campesinos stehen.

(9) Eine stark gekürzte und überarbeitete Version des folgenden Abschnitts (a, 3) ist mit dem Titel „Und der Weg geht weiter!" bereits im Sammelband zur Studie erschienen. Es handelt sich um Ergebnisse meines Besuches in Cajamarca vom Januar bis März 2001. Mein Bericht wurde zusammen mit dem Protokoll des Treffens an die deutschen Partnergruppen geschickt.

(10) Warum hat man sich nicht entsprechend vorbereitet, da angesichts der kirchenpolitischen Situation abzusehen war, dass nach Dammert ein Bischof mit einer völlig anderen Konzeption kommen würde? Die häufigste Antwort auf diese Frage lautete schlicht: „Wir vertrauten dem Hl. Geist“. Man war über viele Jahre hinweg der Hoffnung, dass sich - ähnlich wie z.B. Oscar Romero - der neue Bischof angesichts der Armut doch eines Tages noch bekehren könnte - was man in der Tat jedem Menschen zutrauen darf.

(11) Rolando Estela, verantwortlich für die Landpastoral in der Diözese und Pfarrer von Mollepampa, in einem Brief vom 12.12.1999 an alle Partnergruppen in Deutschland. Der Brief konnte von den Partnergruppen aus unterschiedlichen
Gründen nicht eingeordnet werden und blieb ohne Resonanz. Meine eigenen Vermittlungsversuche wurden als Einmischung in die Partnerschaften verstanden. In den „Informationen aus Cajamarca“ Nr. 72 wurde der Brief abgedruckt, als ob er sich nur auf die Gemeindepartnerschaft mit Castrop-Rauxel beziehen würde. Es ging Rolando Estela um Unterstützung für einen Neubeginn auf diözesaner Ebene; er wollte die Notwendigkeit einer gemeinsamen Plattform und eines gemeinsamen Treffens aller Gruppen erklären. Die deutschen Partnergemeinden konnten damit wenig anfangen, weil sie auf ihre jeweiligen Projekte und Ängste fixiert waren.

(12) Unter Bischof Simón kam es ebenfalls zu diözesanen Treffen (Asamblea diocesana). Zu diesem Treffen wurden aber die bisherigen Stützen der Pastoralarbeit nicht eingeladen bzw. ihnen wurde der Zutritt verwehrt.

(13) Im Zuge der Flucht Fujimoris und der aktuellen „Übergangsregierung zur Wiederherstellung der öffentlichen Moral und der Ehre Perus“ wurden diese und andere Regierungsprogramme nun zu strikter politischer Neutralität verpflichtet, die leitenden Funktionen wurden neu besetzt. So wurde z.B. Anné Centurión, die von 1982 - 1987 beim Aufbau der Partnerschaft St. Georg, Ulm - San Pedro, Cajamarca eine tragende und wegweisende Rolle spielte, von der neuen Ministerin für Frauen, Gesundheit und Entwicklung mit dem Auftrag zur Leiterin von PRONAA für das Departement Cajamarca ernannt, die Institution von Korruption zu säubern.

(14) Eine Asociación entspricht in etwa einem eingetragenen und gemeinnützigen Verein. Ein solcher Verein kann Besitztümer erwerben (z.B. vom Zugriff des Bischofs unabhängige Kurs- und Begegnungszentren). Es gibt ein verbindliches Statut, das von den Mitgliedern frei gestaltet werden kann und von einem Notar beglaubigt wird.

(15) Im Februar 2003 fand eine weitere Jornada statt, erstmals in einem „eigenen“ Haus, der „Casa Urubamba“. Die Gruppen der Pfarrei San Pedro haben mit Unterstützung der Partnergemeinde in Ulm ein Versammlungszentrum für die vielen Gruppen (16 Comunidades, 8 Mütterklubs) erworben. Diese Gruppen bilden das Zentrum einer befreienden Pastoral in Cajamarca und stellen ihre Infrastruktur allen anderen Gruppen diözesanweit zur Verfügung. Die inhaltliche Vernetzung der Gruppen und das Selbstbewusstsein werden dadurch stark gefördert.

(16) Die Problematik der Goldmine wird an dieser Stelle noch einmal aufgegriffen, weil die Campesinos von Bambamarca immer stärker davon betroffen sind und beginnen, sich dagegen zu wehren.

(17) Um die Dimensionen deutlich zu machen, um die es hier geht: allein aus dem Berg Quilish kann Gold im Wert von 1.100 Millionen Dollars gewonnen werden (Goldreserven von 4,2 Millionen Unzen, Preis pro Unze: 290 Dollar, Stand 2002). Vgl.: Deza, Nilton: Oro, cianuro y otras crónicas ambientales. Cajamarca: UNC, 2002.

(18) Am 22. Februar 2001 erschienen in den peruanischen Tageszeitungen Berichte über die engen Verbindungen zwischen Benavides und dem inzwischen als Mafiaboss entlarvten Montesinos, der über zehn Jahre hinweg als Berater des Präsidenten und als Chef des Geheimdienstes die Politik Perus diktatorisch bestimmt hat. Montesinos wies den zuständigen Richter an, zugunsten von Benavides zu entscheiden, als es darum ging, dessen Anteile an Yanacocha S.A. zu vermehren. In etwa 2.600 Videos, die auf Veranlassung Montesinos zwecks Erpressung heimlich aufgenommen, dann aber von enttäuschten Angestellten der Öffentlichkeit übergeben wurden und von denen Auszüge täglich im Fernsehen gesendet werden, wird nahezu die gesamte politische Klasse einschließlich ihrer Günstlinge im Militär, den Medien, Banken und im öffentlichen Leben insgesamt als beliebig käuflich vorgeführt.

Ehemalige Minister, höchste Richter, Generäle, Bankiers etc. sitzen im Gefängnis. Der ehemalige Präsident Fujimori ist in seine alte Heimat Japan geflüchtet. Am 10. 3. 2001 beschließt die Untersuchungskommission, Mordanklage gegen Fujimori zu erheben, weil 1997 bei einer Befreiung von Geiseln einige Geiselnehmer sich ergeben hatten, sie dennoch aber an Ort und Stelle im Beisein des Präsidenten erschossen wurden. Bei dieser Aktion spielte der heutige Erzbischof von Lima und ehemalige Vertraute von Fujimori, Kardinal Cipriani, eine maßgebliche Rolle. Bischof Simón unterhielt enge Beziehungen zur Regierung Fujimori.

(19) Als Beispiel in einer Reihe von Zwischenfällen kam es am 2. 6. 2000 zu schweren Vergiftungen bei 112 Menschen in der Mehrzahl Kinder), als ein LKW der Mine, beladen u.a. mit Quecksilber, verunglückte. Boden und Wasser sind weiträumig verseucht. Auch das Wasser in dem Stausee Gallito Ciego ist vergiftet. Die Mine Yanacocha leugnet jede Verantwortung und leistet keinen Schadensersatz, weil die LKW-Transporte an Subunternehmer vergeben sind. Diese Katastrophe gilt als einer der größten Unfälle mit Quecksilber weltweit.

(20) Als Beispiel für die Verflechtungen von Mine, Bischof und Fujimori gilt inzwischen auch der Umstand, dass noch im August 2000, zwei Monate vor der Flucht Fujimoris, die Diözese Cajamarca in der Person ihres Bischof von der Regierung 60 Kleinwagen geschenkt bekam. Fujimori wiederum ist mit Benavides eng verbunden.

(21) Zur Illustration noch folgender Hintergrund: Nachdem der Bischof sah, dass er die Campesinos nicht von ihrem Protest abhalten konnte, ließ er sich zum Schein auf eine Vermittlung ein. Er versprach den Campesinos, dass er ihnen ein Treffen mit Vertretern der Mine im Bischofshaus vermitteln würde. Die Campesinos gingen darauf ein. Als eine Delegation der Campesinos danach ins Bischofshaus eingelassen wurde, warteten dort bereits Staatsanwalt und bewaffnete Polizisten auf sie. Von den Vertretern der Mine war nichts zu sehen, der Bischof hatte sich auch gar nicht darum bemüht. Die Delegierten der Campesinos wurden verhaftet. In einem Schnellverfahren wurden sie einige Wochen später wegen der „Blockade öffentlicher Verkehrswege“ und „Aufruhr zu illegalen Handlungen“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Erst nach dem Verrat des Bischofs entschlossen sich die Campesinos spontan, fünf Tage lang auf der Plaza de Armas zu protestieren und sich an das Bischofshaus anzuketten. Hier wird deutlich, was der Bischof - praktisch und theologisch gedeutet - tut: Er liefert Jesus den Christus seinen Henkern aus. In diesem Tun wird er von Rom und auch von deutschen Bischöfen und Prälaten bestärkt.